Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

LArbG Berlin-Brandenburg: zulage, probe, arbeitsgericht, bundesbehörde, quelle, sammlung, link, analogie, vertretung, aufrechnung

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 Sa 1086/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 5 TVÜ-Bund, Art 3 Abs
1 GG, § 12 Abs 1 TVÜ-Bund, § 14
TVÜ-Bund
Strukturausgleich - Anrechnung - persönliche Zulage bei
vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit
Leitsatz
§ 12 Abs. 5 TVÜ-Bund wonach bei Höhergruppierungen der Unterschiedsbetrag zum
bisherigen Entgelt auf den nach Abs. 1 zu zahlenden Strukturausgleich angerechnet wird,
findet keine Anwendung auf eine persönliche Zulage bei vorübergehender Übertragung einer
höherwertigen Tätigkeit.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom
15.04.2010 – 50 Ca 22368/09 – wird auf Ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin steht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, auf das kraft
arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für den
Bund Anwendung finden.
Gemäß Schreiben der Beklagten vom 04. September 2007 ( )
erhielt die Klägerin ab 01. Oktober 2007 einen Strukturausgleich in Höhe von monatlich
50,00 € brutto. Außerdem zahlte die Beklagte ihr wegen probeweiser Übertragung einer
höherwertigen Tätigkeit für die Zeit von Juli bis Dezember 2008 eine persönliche Zulage
in Höhe von 4,5 % ihres Tabellenentgelts, die sich damit auf monatlich 109,77 € brutto
belief.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 teile die Beklagte der Klägerin mit, die persönliche
Zulage versehentlich nicht auf ihren Strukturausgleich angerechnet zu haben, und
behielt deshalb 273,54 € vom Entgelt der Klägerin für November 2009 ein.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Beklagte verurteilt, diesen Betrag nebst Verzugszinsen
an die Klägerin zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der
eindeutige Wortlaut des § 12 Abs. 5 TVÜ-Bund, wonach der Strukturausgleich auf
Höhergruppierungen anzurechnen sei, spreche gegen einer Anrechnung im Falle einer
nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Eine solche
Anrechnung sei zwar nach Sinn und Zweck der Regelung ebenfalls möglich, aber nicht
zwingend.
Gegen dieses ihr am 29. April 2010 richtet sich die am 14. Mai 2010 eingelegte und am
19. Juli 2010 begründete Berufung der Beklagten. Sie meint, § 12 Abs. 5 TVÜ-Bund
enthalte eine unbewusste Regelungslücke, da es an einem tarifgeschichtlichen Beleg für
eine bewusste Regelung fehle. Das Bundesministerium des Inneren habe in einem
Rundschreiben vom 10. August 2007 in Vertretung der Bundesrepublik Deutschland als
tarifschließender Partei darauf hingewiesen, dass Entgeltsteigerungen wegen
vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für diese Zeit ebenfalls auf
den Strukturausgleich anzurechnen seien, und damit den Willen der
Tarifvertragsparteien ausgedrückt. Eine Benachteiligung der Mitarbeiter, die endgültig
höhergruppiert würden, verletze bereits die Gesetze der Logik und stelle zudem eine
sachwidrige Ungleichbehandlung dar. Zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer wie
vorliegend die Klägerin endgültig auf der höherwertigen Stelle verbleibe, stelle es kein
vernünftiges und praktisch brauchbares Ergebnis dar, wenn für die erste Zeit keine
Anrechnung des höheren Entgelts auf den Strukturausgleich erfolge.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und verweist darauf, dass innerhalb des
Tarifgefüges strikt zwischen dauerhafter und nur vorübergehender Übertragung einer
höherwertigen Tätigkeit unterschieden werde. Es sei vorrangig Sache der
Tarifvertragsparteien, offene Fragestellungen zu regeln.
Wegen der weitern Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
1.
1.1
Entgeltes für November 2009 in Höhe von 273,54 €. Dieser Anspruch ist nicht gemäß §§
387, 389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erloschen. Die
Zahlung des Strukturausgleichs gem. § 12 Abs. 1 TVÜ-Bund in Höhe von 50,00 € brutto
monatlich für die Monate Juli bis Dezember 2008 ist nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt,
weil die der Klägerin in dieser Zeit ebenfalls gezahlte persönliche Zulage nicht gemäß §
12 Abs. 5 TVÜ-Bund darauf anzurechnen war, wie das Arbeitsgericht zutreffend
ausgeführt hat ( ).
1.1.1
Parteien lediglich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet, richtet sich
seine Auslegung doch nach den Grundsätzen über die Auslegung von Gesetzen (
). Durch die Bezugnahme haben die Parteien gem. ihrer
übereinstimmenden Interessenlage erreichen wollen, dass ihr Arbeitsverhältnis in jeder
Hinsicht so abgewickelt wird, als bestünde beiderseitige Tarifbindung gem. § 3 Abs. 1
TVG (
).
1.1.2
Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt auf den Strukturausgleich angerechnet wird,
ist eindeutig. Er lässt keinen Raum für eine erläuternde Auslegung dahin, dass eine
solche Anrechnung auch im Falle der Zahlung einer persönlichen Zulage für die Zeit der
vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gem. § 14 TVöD zu
erfolgen hat, weil eine Höhergruppierung gem. § 17 TVöD gerade deren dauerhafte
Übertragung voraussetzt. Auch dem Kontext aller Vorschriften des TVÜ-Bund lässt sich
nichts für einen Willen der Tarifvertragsparteien entnehmen, die vorübergehende
Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit wie eine Höhergruppierung zu behandeln.
Die bloße Äußerung einer Rechtsansicht in einem Rundschreiben des
Bundesministeriums des Inneren an die nachgeordneten Behörden vermag dies nicht zu
ersetzen. Deshalb war auch kein Raum für die Einholung einer Tarifauskunft. Ein für die
Normadressaten aus dem Tarifvertrag oder dessen Historie nicht erkennbarer Wille der
Tarifvertragsparteien ist unbeachtlich. Zudem besteht bei eindeutigem Wortlaut ohnehin
keine Möglichkeit für die Feststellung eines hiervon abweichenden Willens der
Tarifvertragsparteien (
).
1.1.3.
Sache nach als Analogie darstellt, ist ebenfalls kein Raum. Eine solche müsste gem. Art.
3 Abs. 1 GG, der auch für Tarifverträge gilt (
), geboten sein, weil es
anderenfalls zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung käme. Dies lässt sich im
vorliegenden Fall indessen nicht feststellen.
Zwar mag es zunächst unter dem Aspekt der Wertigkeit überraschen, dass eine
Arbeitsleistung im Ergebnis höher vergütet wird, wenn sie lediglich probe- oder
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Arbeitsleistung im Ergebnis höher vergütet wird, wenn sie lediglich probe- oder
vertretungsweise und damit im Zweifel eher schlechter erbracht wird, während es zu
einer Vergütungsminderung kommt, sobald sie dem Arbeitnehmer dauerhaft übertragen
worden ist. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die probe- oder
vertretungsweise Leistung einer ungewohnten Tätigkeit für den Arbeitnehmer mit
besonderen Belastungen verbunden ist und dass der Arbeitgeber seinerseits ein
Interesse daran hat, sich nicht durch eine sofortige Vertragsänderung dauerhaft zu einer
entsprechenden Beschäftigung zu verpflichten bzw. bloß einen personellen Engpass zu
überbrücken. Hinzu kommt, dass durch eine Höhergruppierung eine Art Statuswechsel
bewirkt wird und damit der Anlass für die Zahlung eines Strukturausgleichs endgültig
entfällt. Dem entspricht es, dass der Strukturausgleich auch im Falle einer
Herabgruppierung gem. § 17 Abs. 4 Satz 4 TVöD, § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund endgültig
wegfallen soll, weil die tariflichen Regelungen keine Berücksichtigung eines neuen,
fiktiven Exspektanzverlustes in der niedrigeren Entgeltgruppe eröffnen (
).
Schließlich steht einer analogen Anwendung des § 12 Abs. 5 TVÜ-Bund entgegen, dass
diese auf die Beseitigung einer Ungleichbehandlung zweier Arbeitnehmergruppen
zugunsten der Beklagten als einer nachgeordneten Bundesbehörde gerichtet wäre, für
die die Bundesrepublik Deutschland den TVÜ-Bund gleichsam als Haustarifvertrag
geschlossen hat, was indessen nicht dem Zweck des Art. 3 Abs. 1 GG entspräche.
1.2
Abs. 1 Satz 2 TVöD zu.
2.
tragen.
Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Auslegung des § 12 Abs. 5 TVÜ-Bund zuzulassen.
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