Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

LArbG Berlin-Brandenburg: qualifiziertes arbeitszeugnis, berufliches fortkommen, kündigung, abfindung, wahrheitspflicht, beendigung, anschluss, mitarbeit, arbeitsgericht, ergänzung

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 Sa 1442/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 109 GewO, § 9 KSchG, § 10
KSchG
Arbeitszeugnis - Wohlwollensgebot
Leitsatz
Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Anschluss an eine verhaltensbedingte
Kündigung des Arbeitgebers in einem Prozessvergleich darauf geeinigt, das Arbeitsverhältnis
habe aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers geendet, verpflichtet sich dieser aber
zugleich zur Zahlung einer Abfindung entsprechend § 9, 10 KSchG, widerspricht es dem
zeugnisrechtlichen Wohlwollensgebot, im Arbeitszeugnis neben einem Hinweis auf das
beiderseitige Einvernehmen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzugeben, dies
sei auf Veranlassung des Arbeitgebers geschehen.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07. Juli
2006 - 28 Ca 7749/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger stand seit Juni 1993 in einem Angestelltenverhältnis zur Beklagten. Dieses
endete im Anschluss an eine von dieser erklärte Kündigung aufgrund Prozessvergleichs
vor dem Arbeitsgericht Berlin vom 30. Januar 2006 – 4 Ca 19408/05 – gegen Zahlung
einer Abfindung von 25.000,00 € zum 31. Dezember 2005. In Erfüllung der unter Nr. 4
des Prozessvergleichs übernommenen Verpflichtung erteilte die Beklagte dem Kläger
ein Arbeitszeugnis, in dem es hieß:
„Das Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung der Bank in beiderseitigem
Einvernehmen mit dem 31. Dezember 2005. Wir danken uns bei Herrn B. A. für die
geleistete Mitarbeit und wünschen ihm für den weiteren Lebensweg beruflich und privat
alles Gute“.
Das Arbeitsgerichts Berlin hat die Beklagte verurteilt, diese Passage wie folgt zu ändern:
„Das Arbeitsverhältnis endet in beiderseitigem Einvernehmen mit dem 31.
Dezember 2005. Wir bedanken uns bei Herrn B. A. für die geleistete Mitarbeit und
wünschen ihm für den weiteren Lebensweg beruflich und privat alles Gute“.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitszeugnis des Klägers sei
aufgrund der Wendung „auf Veranlassung der Bank“ für dessen berufliches Fortkommen
entgegen der Regelung in Nr. 4 des Prozessvergleichs hinderlich, weil diese beim Leser,
eine nahezu unwiderstehlichen Anreiz schaffe, sich über die Hintergründe der
„Veranlassung“ Aufschluss zu verschaffen. Durch Weglassen der streitigen Textpassage
werde die Wahrheitspflicht der Beklagten nicht verletzt.
Gegen dieses ihr am 14. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. August 2006
eingelegte und am 14. September 2006 begründete Berufung der Beklagten. Sie meint,
das Weglassen der streitigen Passage erwecke den irrigen Eindruck,
Beendigungstatbestand sei ausschließlich und originär eine Übereinkunft gewesen, und
verschleiere mithin den Umstand einer arbeitgeberseitigen Kündigung, den der
Prozessvergleich vom 30. Januar 2006 ausdrücklich festgehalten habe. Zudem lasse Nr.
5 dieses Vergleichs erkennen, dass die Kündigung verhaltensbedingt erfolgt und sogar
von strafrechtlichen Schritten begleitet gewesen sei. Dabei enthalte der Vergleich weder
eine Aufgabe der erhobenen Vorwürfe noch eine Ersetzung verhaltensbedingter durch
betriebliche Gründe und auch keine Verpflichtung zur Rücknahme des Strafantrags.
Aufgrund dieses Kontextes stehe der streitigen Passage auch nicht ihre Verpflichtung
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Aufgrund dieses Kontextes stehe der streitigen Passage auch nicht ihre Verpflichtung
aus Nr. 4 des Prozessvergleichs entgegen, dem Kläger ein „nicht hinderliches“ Zeugnis
zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Beklagte habe mit der streitigen Passage versucht, die im
Vorprozess nicht durchgesetzten Kündigungsgründe doch noch zu artikulieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
1.
Der Kläger hat gemäß Nr. 4 des Prozessvergleichs vom 30. Januar 2006 Anspruch auf
ein qualifiziertes Arbeitszeugnis unter Ergänzung des Verbs „danken“ um die offenbar
versehentlich vergessene Vorsilbe „be“ und Weglassen der Wendung „auf Veranlassung
der Bank“. Diese Wendung widersprach zwar nicht der in § 109 GewO nicht ausdrücklich
geregelten Wahrheitspflicht des Arbeitgebers als eines ungeschriebenen Grundsatzes
des Zeugnisrechts. Sie war jedoch nicht mit dem in Nr. 4 des Prozessvergleichs
betonten Wohlwollensgebots vereinbar, sondern dem beruflichen Fortkommen des
Klägers hinderlich, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat (
).
Schon aus allgemeinen Erwägungen darf ein Zeugnis nicht ohne sachlichen Anlass
erkennen lassen, dass sich die Vertragsparteien im Streit getrennt haben (
). Deshalb
wird es für grundsätzlich unzulässig erachtet, darin darauf hinzuweisen, wer gekündigt
hat und welches die Beendigungsgründe waren (
). Vorliegend kam
hinzu, dass der Kläger eben nicht bloß unter Nr. 1 des Prozessvergleichs akzeptiert hat,
dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund Kündigung der Beklagten am 31. Dezember 2005
geendet hat, sondern diese sich zugleich unter Nr. 2 verpflichtet hat, ihm dafür eine
Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 25.000,00 € zu zahlen. Im Falle
einer dahingehenden gerichtlichen Entscheidung auf Antrag des zum Ausscheiden
bereiten Arbeitnehmers unterliegt es keinem Zweifel, dass die Kündigung des
Arbeitgebers ihre rechtliche Bedeutung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
verloren hat, wobei dem Arbeitnehmer sogar zugestanden wird, eine Erwähnung zu
verlangen, das Arbeitsverhältnis sei „auf seinen Wunsch“ beendet worden (
).
Dann geht es aber auch im Fall einer einvernehmlichen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung nicht an, den Anlass dafür unter
Berufung auf die Wahrheitspflicht im Arbeitszeugnis herauszustellen.
2.
tragen.
Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht
erfüllt.
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