Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

LArbG Berlin-Brandenburg: unwirksamkeit der kündigung, wichtiger grund, vergütung, treu und glauben, ordentliche kündigung, anspruch auf beschäftigung, landrat, venire contra factum proprium, gespräch

1
Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 2193/09 und
10 Sa 2194/09, 10 Sa
2193/09, 10 Sa
2194/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 110 Abs 1 S 2 Verf BB 1992,
§ 626 Abs 1 BGB, § 1 Abs 2 S 1
Alt 2 KSchG
Kündigungsschutz ehrenamtlicher Richter - Drohung mit
anzeigeähnlicher Mitteilung gegenüber Arbeitgeber
Leitsatz
Ehrenamtliche Richter des Landes Brandenburg genießen besonderen Kündigungsschutz bei
allen Kündigungen ihres Arbeitsverhältnisses während ihrer Amtszeit.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 12.
Mai 2009 - 1 Ca 619/08 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom
12. Mai 2009 - 1 Ca 619/08 teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die
Kündigung des Beklagten vom 25. September 2008 aufgelöst worden ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.500,59 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2009 zu
zahlen;
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.681,42 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. April 2009
zu zahlen;
4. Im Übrigen werden die Klage sowie die Widerklage abgewiesen.
5. Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen.
6. Die Klägerin trägt von den Kosten der Klage 41%, der Beklagte 59%. Die Kosten
der Widerklage trägt der Beklagte.
7. Der Wert des Streitgegenstandes der Klage wird auf 39.803,80 EUR, der der
Widerklage auf 55.266,89 EUR festgesetzt.
III. Die Klägerin trägt die Kosten ihrer Berufung.
IV. Der Beklagte trägt die Kosten seiner Berufung einschließlich der Kosten der
Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zu 90%, die Klägerin trägt die Kosten der
Berufung des Beklagten zu 10%.
V. Der Streitwert für die Berufung der Klägerin wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt. Der
Streitwert für die Berufung des Beklagten wird auf 96.512,66 EUR festgesetzt.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz einerseits noch um Schmerzensgeld
wegen Mobbings und andererseits um die Wirksamkeit einer fristgemäßen
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
wegen Mobbings und andererseits um die Wirksamkeit einer fristgemäßen
verhaltensbedingten Kündigung, die Art und Weise der Weiterbeschäftigung der Klägerin
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, ggf. hilfsweise die
Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die Differenzvergütung zwischen den
Entgeltgruppen E 14 und E 15 Ü für die Zeit von Juni 2008 bis September 2009 und eine
Differenz bei der Zuwendung für das Jahr 2008.
Die verheiratete und mit einem GdB von 70 schwerbehinderte Klägerin ist 57 Jahre alt
(…… 1952) und mit einer Beschäftigungszeit seit dem 1. Juli 1992 seit dem 1. Juni 1994
beim Beklagten mit zuletzt 6.145,17 EUR brutto monatlich beschäftigt. Im September
2008 war sie ehrenamtliche Richterin beim Landesarbeitsgericht und beim
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Im Arbeitsvertrag vom 18. Mai 1994 (Bl. 10-11
d.A.) vereinbarten die Parteien in § 3:
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag
(BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der
für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils
geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. In § 5 des Arbeitsvertrages haben die
Parteien vereinbart: Die Angestellte ist in die Vergütungsgruppe I b der Anlage 1a zum
BAT eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT). Abweichend hiervon bemisst sich die Höhe der
Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag (in der jeweiligen Fassung) zum BAT, der für
die alten Bundesländer gilt.
Die Klägerin war zunächst als Personalamtsleiterin beim Beklagten beschäftigt. Unter
dem 12. April 2002 (Bl. 108 d.A.) wurde ihr mit sofortiger Wirkung die Leitung des
Personal- und Organisationsmanagements kommissarisch übertragen. In dieser
Funktion war sie dem Landrat direkt unterstellt. In einem Schreiben vom 12. April 2002
wurde der Klägerin mitgeteilt:
„Für die kommissarische Leitung erhalten Sie gemäß § 24 Abs. 1 BAT-O eine
jederzeit widerrufliche Zulage zur Vergütungsgruppe I.“
Unter dem 1. Oktober 2002 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag zum
Arbeitsvertrag vom 1. Juni 1994 (Bl. 12-13 d.A.). Die einzige angekreuzte Änderung in
diesem Formulararbeitsvertrag lautet:
„§ 4 des Vertrages wird mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 wie folgt geändert: An
die Stelle der Vergütungsgruppe Ib tritt die Vergütungsgruppe I.“
Im Frühjahr 2008 wurde beim Beklagten eine geplante Strukturveränderung erörtert. Ziel
der Überlegungen war es, das Personal- und Organisationsmanagement als Amt in das
Dezernat 1 unter Leitung des Ersten Beigeordneten Herrn H. einzugliedern. In mehreren
Gesprächen mit der Klägerin ging es auch um deren weitere Verwendung. Unter
anderem am 24. April 2008 fand ein Gespräch, dessen Inhalt streitig ist, zwischen der
Klägerin und dem Landrat sowie dem Ersten Beigeordneten statt. Der Erste
Beigeordnete teilte der Klägerin in einem Gespräch am 20. Mai 2008 mit, dass
beabsichtigt sei, die Klägerin zu kündigen. Mit Schreiben vom 10. Juni 2008 wurde der
Klägerin dieses erneut - unter Hinweis auf das gestörte Vertrauensverhältnis - mitgeteilt.
Zugleich wurde die Klägerin mit sofortiger Wirkung von den ihr übertragenen Aufgaben
widerruflich freigestellt. In einem darauf geführten einstweiligen Verfügungsverfahren
schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Senftenberg am 4. Juli 2008 einen
Vergleich mit folgendem Inhalt:
„Es besteht Einvernehmen dahingehend, dass die Klägerin mit Wirkung ab
21.07.2008 erneut arbeitsvertraglich und zwar entsprechend der Vergütungsgruppe I
eingesetzt/beschäftigt und vergütet wird.“
Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 beantragte der Beklagte beim Landesamt für Soziales
und Versorgung die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung der Klägerin, welche
am 5. September 2008 (Bl. 111-113 d.A.) erteilt wurde.
Nach einer Vorbesprechung der Parteien am 15. Juli 2008 wurde der Klägerin unter dem
Betreff „Vorläufige Aufgabenübertragung ab 21. Juli 2008“ die Aufgabe Stabsstelle-
Zukunftsstrategie für den Landkreis „unter Beibehaltung der bisherigen Vergütung“ mit
organisatorischer Anbindung an das Büro des Landrats übertragen (Bl. 17 d.A.).
Zugleich wurden der Klägerin zwei Räume in einem anderen als dem bisherigen
Dienstgebäude für sie und ihre zukünftige Sekretärin zugewiesen.
Unter dem 23. Juli 2008 wandte sich die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten an
den Beklagten und wies darauf hin, dass die neue Stelle nicht den Tätigkeitsmerkmalen
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
den Beklagten und wies darauf hin, dass die neue Stelle nicht den Tätigkeitsmerkmalen
der Vergütungsgruppe I entspreche (Bl. 20-21 d.A.).
Unter dem 11. September 2008 beteiligte der Beklagte den bei ihm gebildeten
Personalrat zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin (Bl. 114-118 d.A.). In der
Begründung zur Kündigung führt der Beklagte unter anderem aus:
„Mit Ausscheiden des bisherigen Leiters des Dezernates I (Kämmerer mit den
zugeordneten Ämtern Finanzverwaltungsamt und Gebäudemanagement) habe ich die
Leitung dieses Dezernates dem Ersten Beigeordneten (welcher vorher das Dezernat III
leitete) übertragen und hatte in diesem Zusammenhang die Absicht, das Personal- und
Organisationsmanagement als Amt in das Dezernat I einzugliedern.
Auch wenn diese Entscheidung insofern Auswirkungen auf die Stelle der Frau E.
gehabt hätte, da sie danach nicht mehr unmittelbar mir unterstellt gewesen wäre,
sollten die Bezeichnung der Stelle (Leiterin Personal- und Organisationsmanagement)
von Frau E. und ihre Eingruppierung (Entgeltgruppe 15 Ü TVöD) hiervon unberührt
bleiben.
Am 24. April 2008 habe ich gemeinsam mit dem Ersten Beigeordneten ein
erneutes Gespräch mit Frau E. geführt und ihr folgende Angebote unterbreitet:
Frau E. erklärte erneut, mit der Zusammenlegung von Dezernat I und Personal-
und Organisationsmanagement nicht einverstanden zu sein. Würde ich Herrn H. (Erster
Beigeordneter) als Kämmerer und Dezernenten einsetzen, werde sie eine
Konkurrentenklage einreichen. Außerdem werde sie sich an den Kreistagsvorsitzenden,
Herrn Ho., wenden und ihn darüber in Kenntnis setzen, dass sie in meinem Auftrag bei
einigen Entscheidungen „am Kreistag vorbei“ gehandelt hab; dies könne sie dann mit
ihrem Gewissen nicht länger vereinbaren.
...
Die Ankündigung, den Vorsitzenden des Kreistages zu informieren, stellt eine
Drohung dar. Diese Drohung ist verwerflich, da sie nicht aus Gewissensgründen
ausgesprochen wurde, sondern um ein persönliches Ziel zu erreichen. … Hierdurch
wurde mein für eine weitere Zusammenarbeit in dieser Funktion erforderliches
Vertrauensverhältnis zu Frau E. zerstört.“
Weiter führte der Beklagte in der Personalratsanhörung aus, dass nach weiteren
Gesprächen zur Erreichung einer einvernehmlichen Lösung am 30. April 2008 zwischen
dem Landrat und der Klägerin, am 20. Mai 2008 zwischen dem Ersten Beigeordneten
und der Klägerin, in welchem die später ausgesprochene Kündigung angekündigt wurde
und am 29. Mai 2008 erneut zwischen dem Landrat und der Klägerin sich der Landrat
am 10. Juni 2008 nunmehr endgültig zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der
Klägerin entschlossen habe.
Unter dem 17. September 2009 stimmte der Personalrat der beabsichtigten Kündigung
zu (Bl. 119 d.A.).
Mit Schreiben vom 25. September 2008 (Bl. 14 d.A.) kündigte der Beklagte das
Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. März 2009, hilfsweise zum nächstmöglichen
Zeitpunkt.
Nach Vorlage einer Stellenbewertung unter dem 21. November 2008 (Bl. 92-104 d.A.)
und Anhörung der Klägerin unter dem 11. Dezember 2008 (Bl. 154-156 d.A.) sowie
Anhörung des Personalrates unter dem 15. Januar 2009 (Bl 248-251 d.A.) und dessen
unter dem 27. Januar 2009 abgegebener Stellungnahme (Bl. 252 d.A.) nahm der
Beklagte eine korrigierende Rückgruppierung von der Entgeltgruppe 15 Ü auf die
Entgeltgruppe 14 des TV-L vor. In seiner Stellungnahme wies der Personalrat darauf hin,
dass er davon ausgehe, dass eine Mitbestimmung nicht bestehe, da es sich um eine
Rückgruppierung aus Vergütungsgruppe I handele. Allerdings werde begrüßt, dass die
Klägerin damit wieder in den Tarifbereich zurückgeführt werde.
Die Klägerin bestreitet die soziale Rechtfertigung der Kündigung. Sie habe nicht mit
einem Gespräch beim Kreistagsvorsitzenden gedroht. Sie habe lediglich erwogen, sich
einen Gesprächstermin dort geben zu lassen, um die geplante Strukturveränderung im
Dezernat I zu erörtern. Denn der Landrat habe ihr erklärt, dass die Veränderung politisch
26
27
28
29
30
31
Dezernat I zu erörtern. Denn der Landrat habe ihr erklärt, dass die Veränderung politisch
gewollt sei. Ohne inhaltlichen Zusammenhang habe die Klägerin im weiteren Verlauf des
Gespräches erklärt, dass in der jüngsten Zeit - nach Ausscheiden des bisherigen Ersten
Beigeordneten - viele Personalangelegenheiten zu Gewissensproblemen führen würden,
wenn sie ohne Zustimmung bzw. Beteiligung des Kreistags Aufgaben erledige. Darauf
habe der Landrat erklärt, dass es Aufgabe der Klägerin sei darauf hinzuweisen, wenn der
Kreistag zu beteiligen sei. Dazu habe der Landrat einige Beispiele genannt und gefragt,
ob diese Vorgänge von der Klägerin gemeint seien. Die Klägerin geht auch von einer
fehlerhaften Beteiligung des Personalrates sowie davon aus, dass die Kündigung nach §
34 Abs. 2 TVöD unwirksam sei, da für sie aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die
für das Tarifgebiet West anzuwendenden Regelungen insgesamt gelten würden. Die
Klägerin geht weiter davon aus, dass die Kündigung im Hinblick auf Art. 110 der
Brandenburger Verfassung unwirksam sei. Denn als ehrenamtliche Richterin sei sie nach
der dortigen Festlegung nur außerordentlich kündbar.
Die Klägerin geht davon aus, dass mindestens seit Anfang 2006 Mobbinghandlungen
durch den Landrat und später auch durch seinen Büroleiter zum Nachteil der Klägerin
erfolgt seien. Der Landrat habe verfügt, dass eine Frau N. an Sitzungen der
Verwaltungsleitung teilnehme, wenn die Klägerin verhindert sei. Der Bereich IT habe
ständig in der Kritik gestanden. Dem Landrat habe es nicht gefallen, dass die Klägerin
sich vor ihre Mitarbeiter gestellt habe. Es habe Anweisungen gegeben, Abmahnungen
zur Unterschrift vorzulegen und eine Entscheidung der Verwaltungsleitung einzuholen.
Auch Stellenausschreibungen habe sie zur Unterschrift vorzulegen gehabt. Der Erste
Beigeordnete habe seit Anfang 2008 an Verbandsversammlungen teilgenommen, was
zuvor nie der Fall gewesen und allein durch die Klägerin geschehen sei. Der Landrat habe
Aufträge direkt und unter Umgehung der Klägerin an die Personalamtsleiterin gegeben.
Die Klägerin empfinde diesen Autoritätsverlust als Herabwürdigung und Kränkung. Auch
die Art und Weise von Kritik sei verletzend gewesen. Der Landrat habe z.B. Anfang Mai
2008 in Abwesenheit der Klägerin bei einer Verwaltungsleitersitzung erklärt, dass die
Klägerin zu viel Unterricht erteile und dadurch an der Sitzung nicht teilnehmen könne.
Außerdem komme sie ihrer Leistungsverpflichtung nicht nach. Ähnliches sei mehrfach
hinter dem Rücken der Klägerin wiederholt worden. Die strukturellen Veränderungen in
ihrem Arbeits- und Verantwortungsbereich habe die Klägerin eher nebenbei vom Landrat
erfahren. Seit dem 21. Juli 2008 führe die Klägerin ein Mobbing-Tagebuch, deren
Eintragungen die Klägerin vorgetragen hat (Bl. 167-174 d.A.). Dabei sei unter anderem
die Unterbringung in einem Nebengebäude auf einer nahezu leeren Etage zu
beanstanden. Die dortigen Bedingungen seien auch diskriminierend gestaltet gewesen.
Da die Klägerin davon ausgehe, dass die Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch
aus anderen Gründen unwirksam sei, könne der Auflösungsantrag des Beklagten schon
allein deshalb keinen Erfolg haben.
Die Klägerin meint, dass sie für ihre frühere Tätigkeit als Leiterin Personal- und
Organisationsmanagement ein Entgelt nach Entgeltgruppe 15 Ü entsprechend einer
Eingruppierung in Vergütungsgruppe I beanspruchen könne. Der Änderungsvertrag aus
dem Jahre 2002 sei entgegen der Üblichkeit im Öffentlichen Dienst konstitutiv. Auch der
Vergleich in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Senftenberg
vom 4. Juli 2008 sei konstitutiv. Schließlich sei die Rückgruppierung ohne die nach § 63
Abs. 1 Nr. 9 PersVG BRB notwendige Beteiligung des Personalrates erfolgt. Da es eine
Stellenbeschreibung für diese Stelle nicht gegeben habe und der Landrat die Stelle
vergütungsmäßig mit denen der Dezernenten habe gleichsetzen wollen, sei auch von
einer ggf. bewusst vom tariflichen Vergütungsschema losgelösten Eingruppierung
auszugehen. Da der Arbeitgeber die Stelle im Jahre 2002 nicht detailliert bewertet habe,
könne er sich auch nicht im Nachhinein auf einen Bewertungsirrtum berufen. Auch sei
das Gutachten mindestens hinsichtlich der Unterschriftsbefugnisse der Klägerin
fehlerhaft. Schließlich verfüge die Klägerin auch über einen einschlägigen
Fachhochschulabschluss.
Die Klägerin meint, dass die Rückgruppierung mit der Widerklage vom 16. Dezember
2008 jedenfalls verfrüht erfolgt sei. Sie habe allenfalls nach der Personalratszustimmung
erfolgen können und eine solche liege bislang nicht vor.
Aufgrund der zutreffenden Eingruppierung nach Entgeltgruppe I habe sie auch einen
Anspruch auf Beschäftigung nach dieser Entgeltgruppe.
Die von der Beklagten errechneten Überzahlungsbeträge seien zwar grundsätzlich
rechnerisch richtig, aber aufgrund der Eingruppierung stehe ihr die bereits gezahlte
Vergütung nach der Entgeltgruppe 15 Ü ebenso zu wie die Jahressonderzahlung 2008
entsprechend § 20 Abs. 2 TVöD für das Tarifgebiet West.
32
33
34
35
36
37
38
39
Der Beklagte meint, dass das Verhalten der Klägerin im Gespräch am 24. April 2008 wie
gegenüber dem Personalrat dargelegt für eine Kündigung ausreichend sei. Auch wenn
nur eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden sei, erfülle das Verhalten der
Klägerin die Anforderungen an einen wichtigen Grund für eine außerordentliche
Kündigung. Einer Abmahnung bedürfe es bei einem solch schweren Fehlverhalten nicht.
Die Unzulässigkeit solcher Äußerungen habe der Klägerin auch ohne Abmahnung klar
sein müssen. Die Klägerin sei in leitender und verantwortungsvoller Position tätig. Nach
der ausgesprochenen Drohung müsse der Landrat jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich bei einigen Maßnahmen der Kreistag hätte
beteiligt werden müssen, sei es gerade die Zweck-Mittel-Relation, die die Äußerung der
Klägerin so schwerwiegend mache. Der Beklagte geht davon aus, dass die Klägerin eine
leitende Mitarbeiterin entsprechend § 62 Abs. 5 PersVG BRB sei und es deshalb keiner
Beteiligung des Personalrats bedürfe. Im Übrigen hält der Beklagte die vorgetragene
Beteiligung aber auch für ausreichend. Der Beklagte meint, dass auf das gesamte
Arbeitsverhältnis grundsätzlich die Regelungen des TVöD für das Tarifgebiet Ost
anzuwenden seien. Eine Ausnahme sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung
nur bezüglich der Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag gegeben. Eine
ordentliche Kündigung sei auch gegenüber ehrenamtlichen Richterinnen aus
Brandenburg zulässig, wenn sie nur auf Tatsachen gestützt werde, die den Arbeitgeber
zur fristlosen Kündigung berechtigen würden.
Der Beklagte hält den Vortrag zu den Mobbingvorwürfen für viel zu pauschal. Die
Ausführungen der Klägerin würden keine Mobbinghandlungen belegen. Es fehle an einem
pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten und eine Kausalität zwischen den Handlungen
und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin werde bestritten. Die Klägerin
habe die mit der Veränderung des Aufgabengebietes einhergehenden Veränderungen
fehlerhaft gewürdigt.
Der Beklagte geht davon aus, dass im Falle des Obsiegens der Klägerin mit der
Kündigungsschutzklage jedenfalls das Arbeitsverhältnis gerichtlich aufzulösen sei, weil
eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu erwarten sei.
Während sich die Klägerin einerseits nahezu krankhaft verfolgt fühle, wie das
Mobbingtagebuch belege, mache sie andererseits dem Landrat und seinem Büroleiter
massive Vorwürfe und diskriminiere andere Mitarbeiter.
Der Beklagte meint unter Bezugnahme auf ein im Auftrag der Beklagten erstelltes
externes Gutachten eines Herrn W. Hü. vom 21. November 2008 (Bl. 92-104 d.A.), dass
die zutreffende Eingruppierung für die frühere Tätigkeit der Klägerin als Leiterin Personal-
und Organisationsmanagement die Vergütungsgruppe Ib BAT gewesen sei, bei Fehlen
der persönlichen Voraussetzung einer einschlägigen wissenschaftlichen
Hochschulausbildung oder gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen sogar nur die
Vergütungsgruppe II. Im ersten Fall sei eine Überleitung in E 14 TVöD, im zweiten Fall nur
in E 12 TVöD geboten. Im Jahre 2002 sei der Beklagte und für ihn handelnd der Erste
Beigeordnete fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Besoldungsgruppe A 14 der
Vergütungsgruppe I BAT entspreche. Auch der Kreistag habe sich in diesem Irrtum
befunden. Der Änderungsvertrag vom 1. Oktober 2002 beinhalte nicht wie üblich den
Prüfvermerk durch den Büroleiter des Landrats, sondern nur den der der Klägerin
unterstellten Personalsachbearbeiterin Frau Sch.. Da der Arbeitsvertrag vom 18. Mai
1994 weiter gelte, gelte auch der dortige Verweis auf § 22 Abs. 3 BAT fort, so dass die
Regeln der Tarifautomatik unverändert maßgeblich seien.
Aufgrund der fehlerhaften Eingruppierung sei die Klägerin überzahlt worden. Im Rahmen
der tariflichen Ausschlussfristen könne die überzahlte Vergütung zurückverlangt werden.
Die Jahressonderzahlung stehe der Klägerin nur entsprechend § 20 Abs. 3 TVöD für das
Tarifgebiet Ost zu, da der Arbeitsvertrag hinsichtlich der Zuwendung keine
Sonderregelung bezüglich des Zuwendungstarifvertrages West enthalten habe. Auch die
Beschäftigung könne die Klägerin, wenn überhaupt, nur entsprechend der zutreffenden
Eingruppierung verlangen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12. Mai 2009 der Klage überwiegend stattgegeben
und die Widerklage abgewiesen. Zurückgewiesen wurden im Übrigen nur die
Schmerzensgeldansprüche und Teile des Weiterbeschäftigungsbegehrens der Klägerin.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die behauptete Drohung der
Klägerin nicht als verwerflich anzusehen sei. Auch sei eine Abmahnung nicht entbehrlich
gewesen. In jedem Fall sei im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin
zu entscheiden gewesen.
Der Auflösungsantrag sei zurückzuweisen gewesen, weil über den Kündigungsgrund an
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
Der Auflösungsantrag sei zurückzuweisen gewesen, weil über den Kündigungsgrund an
sich keine weiteren Umstände geschildert worden seien, die einer den Betriebszwecken
dienlichen Zusammenarbeit entgegenstehen würden. Die Mobbingvorwürfe der Klägerin
seien dazu auch nicht geeignet, weil sie viel zu pauschal erfolgt seien.
Die Weiterbeschäftigung könne die Klägerin mit einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe I
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verlangen. Die Weiterbeschäftigung
an sich habe auch der Beklagte in den zahlreichen Gesprächen in Erwägung gezogen, so
dass diese nicht unzumutbar sei. Die Vergütungsgruppe I sei die zuletzt von der Klägerin
bezogene Vergütung.
Schmerzensgeld wegen Mobbings könne die Klägerin nicht beanspruchen. Die Klägerin
habe nur typische Meinungsverschiedenheiten und Reibereien insbesondere im
Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit sowie subjektive Empfindlichkeiten dargelegt.
Systematisches Mobbing sei darin nicht zu erkennen. Die mit dem Umzug in ein anderes
Büro verbundenen Unannehmlichkeiten stellten keine Pflichtwidrigkeit des Beklagten dar.
Bei der Vergütung der Klägerin sei zwar im Regelfall davon auszugehen, dass die
Benennung der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag nicht anspruchsbegründend sei,
hier spreche aber einiges dafür, dass mit dem Änderungsvertrag aus dem Jahre 2002
eine individualrechtliche Vergütungsabsprache habe getroffen werden sollen. Auch
spreche einiges für eine beabsichtigte Gleichstellung der Klägerin mit den Dezernenten.
Jedenfalls weise die Tätigkeit der Leiterin des Personal- und Organisationsmanagement
gegenüber der Tätigkeit der Leiterin Personal eine höhere und umfassendere
Verantwortlichkeit auf, so dass eine höhere Vergütung quasi vorprogrammiert und somit
gewollt gewesen sei.
Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 14. Juli 2009 und dem Beklagtenvertreter am
15. Juli 2009 zugestellte Urteil haben die Klägerin am 13. August und der Beklagte am
14. August 2009 Berufung eingelegt. Beide Parteien haben diese nach entsprechender
Verlängerung der Begründungsfrist am 14. Oktober 2009 begründet.
In der Berufungsbegründung wiederholt und vertieft der Beklagte seinen
erstinstanzlichen Vortrag unter Auseinandersetzung mit den Gründen der
angefochtenen Entscheidung. Der Beklagte erweiterte die Widerklage um weitere
Differenzvergütungen aufgrund angenommener fehlerhafter Eingruppierung der Klägerin
für weitere Monate.
Der Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
I. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 12. Mai
2009 - 1 Ca 619/08 -
1. die Klage abzuweisen;
hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom
25. September 2008 mit Ablauf des 31. März 2009 geendet hat,
das Arbeitsverhältnis nach § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung
aufzulösen;
2. auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an den beklagten Landkreis
7.001,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
19. Dezember 2008 zu zahlen;
3. auf die Widerklage festzustellen, dass die Klägerin nach der Entgeltgruppe 14
TVöD zu vergüten ist;
II. die Klägerin zu verurteilen, an den beklagten Landkreis 10.587,14 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen;
III. Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz,
I. das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg, Aktenzeichen: 1 Ca 619/08 vom 12.
Mai 2009 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein
Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit
Rechtshängigkeit zu zahlen;
56
57
58
59
60
61
62
63
64
II. die Berufung des Beklagten abzuweisen;
III. den Widerklageantrag vom 14. Oktober 2009 abzuweisen.
Auch die Klägerin wiederholt und vertieft unter Auseinandersetzung mit den Gründen der
angefochtenen Entscheidung in der Berufungsbegründung ihren erstinstanzlichen
Vortrag.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründungen der Parteien vom 14. Oktober 2009,
auf die Berufungsbeantwortung des Beklagten vom 20. November 2009 und die
Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 3. Dezember 2009 sowie auf das
Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaften Berufungen der Parteien sind form- und
fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO)
eingelegt und begründet worden.
II.
Im Ergebnis ist jedoch hinsichtlich der Berufung der Klägerin keine und hinsichtlich der
Berufung des Beklagten überwiegend keine andere Beurteilung als in erster Instanz
gerechtfertigt. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die
Berufung des Beklagten ist überwiegend unbegründet und daher überwiegend
zurückzuweisen.
1.
Anders als vom Arbeitsgericht angenommen, geht die Berufungskammer davon aus,
dass die vom Beklagten vorgetragene Verhaltensweise der Klägerin im Gespräch am 24.
April 2008 grundsätzlich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des
Arbeitsverhältnisses der Parteien geeignet ist.
1.1
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine vom Arbeitnehmer
gegen den Arbeitgeber erstattete Strafanzeige einen wichtigen Grund zur
außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung darstellen (vgl. BAG, Urteil vom 5.
Februar 1959 – 2 AZR 60/56; BAG, Urteil vom 4. Juli 1991 – 2 AZR 80/91). Gleiches gilt
nach Ansicht der Berufungskammer bei Anzeigen oder anzeigenähnlichen Mitteilungen
bei anderen Behörden oder Aufsichtsgremien (so auch LAG Köln, Urteil vom 10. Juni
1994 - 13 Sa 237/94). Zwar ist im vorliegenden Fall eine Mitteilung an den
Kreistagsvorsitzenden seitens der Klägerin nicht erfolgt. Allerdings kann auch die bloße
Drohung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, eine anzeigenähnliche
Mitteilung zu erstatten, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB oder einen
verhaltensbedingten Grund zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung bilden (vgl.
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. November 2004 – 10 Sa 1329/03; LAG Köln, Urteil
vom 10. Juni 1994 – 13 Sa 237/94). In all diesen Fällen muss sich jedoch die erforderliche
Zumutbarkeitsprüfung auf alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des
Einzelfalles erstrecken und diese vollständig und widerspruchsfrei gegeneinander
abwägen (BAG, Urteil vom 4. Juli 1991 – 2 AZR 80/91; LAG Rheinland-Pfalz vom 17.
November 2004 – 10 Sa 1329/03).
Dem Arbeitsvertrag sind zahlreiche Nebenpflichten immanent. Dazu gehört
insbesondere die vertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Der
Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf die geschäftlichen bzw. dienstlichen Interessen des
Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und sie in zumutbarem Umfang zu wahren. Die
vertragliche Rücksichtnahmepflicht wird durch die Grundrechte näher ausgestaltet. Mit
der Erstattung einer Strafanzeige nimmt der Arbeitnehmer eine von Verfassungs wegen
geforderte und von der Rechtsordnung erlaubte und gebilligte Möglichkeit der
Rechtsverfolgung wahr (so bereits: BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1987 – 1 BvR
1086/85). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die
Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers im Sinne freier Gründung und Führung von
Unternehmen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Als Ausfluss der verfassungsrechtlich
geschützten Unternehmerfreiheit hat der Arbeitgeber auch ein rechtlich geschütztes
65
66
67
68
geschützten Unternehmerfreiheit hat der Arbeitgeber auch ein rechtlich geschütztes
Interesse, nur mit solchen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten, die die Ziele des
Unternehmens fördern und das Unternehmen vor Schäden bewahren. Regelmäßig wird
ein Unternehmen im Wettbewerb nur dann bestehen können, wenn insbesondere
betriebliche Abläufe und Strategien nicht in die Öffentlichkeit gelangen und der
Konkurrenz bekannt werden. Deshalb stehen nach § 17 UWG Geschäfts- und
Betriebsgeheimnisse unter strafrechtlichem Schutz.
1.2
Unter Berücksichtigung dieses Rahmens sind die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten
dahin zu konkretisieren, dass sich die Anzeige des Arbeitnehmers nicht als eine
unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitgebers oder seines
Repräsentanten darstellen darf (vgl. BAG, Urteil vom 4. Juli 1991 – 2 AZR 80/91). Dabei
können als Indizien für eine unverhältnismäßige Reaktion des anzeigenden
Arbeitnehmers sowohl die Berechtigung der Anzeige als auch die Motivation des
Anzeigenden oder ein fehlender innerbetrieblicher Hinweis auf die angezeigten
Missstände sprechen. Die Gründe, die den Arbeitnehmer dazu bewogen haben, die
Anzeige zu erstatten, verdienen eine besondere Bedeutung. Erfolgt die Erstattung der
Anzeige ausschließlich, um den Arbeitgeber zu schädigen bzw. unter Druck zu setzen,
kann – unter Berücksichtigung des der Anzeige zugrunde liegenden Vorwurfs – eine
unverhältnismäßige Reaktion vorliegen (vgl. BAG, Urteil vom 4. Juli 1991 – 2 AZR 80/91;
BAG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 2 AZR 235/02). Durch ein derartiges pflichtwidriges
Verhalten nimmt der Arbeitnehmer keine verfassungsrechtlichen Rechte wahr, sondern
verhält sich – jedenfalls gegenüber dem Arbeitgeber – rechtsmissbräuchlich.
Dies gilt insbesondere dann, wenn es dem Arbeitnehmer in erster Linie um die
Erreichung eines anderen Ziels als der Aufdeckung von Missständen geht. In diesem Fall
ist, wie bei jeder Nötigung, die Mittel-Zweck-Relation besonders zu würdigen. Gerade bei
leitenden Mitarbeitern kann In einem solchen Fall wegen der mit einer solchen
offensichtlichen Illoyalität einhergehenden Zerstörung des unbedingt notwendigen
Vertrauens eine vorherige Abmahnung entbehrlich sein. Denn ein leitender Mitarbeiter
muss wissen, dass er nicht mit einer Aufdeckung von tatsächlichen oder vermeintlichen
Missständen drohen kann, um seinen persönlichen und vertraglichen Interessen einen
besonderen Nachdruck zu verleihen.
1.3
Dennoch kann der - streitige - Inhalt des Gespräches der Klägerin mit dem Landrat am
24. April 2008 dahinstehen. Denn die erforderliche Überprüfung gemäß § 626 Abs. 1
BGB vollzieht sich zweistufig: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter
Berücksichtigung der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles
überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter für Kündigungsgründe, die schon an sich
eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen können. Zum anderen muss dieser
Grund auf einer zweiten Stufe im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des
Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des
Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (BAG, Urteil
vom 27. April 2006 - 2 AZR 415/05).
Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegen die Interessen des beklagten
Landkreises an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber nicht (mehr). Denn der
Beklagte hat durch sein Verhalten nach den behaupteten Äußerungen der Klägerin zu
erkennen gegeben, dass er eher an einer Weiterbeschäftigung der Klägerin als an einer
Beendigung des Arbeitsverhältnisses interessiert ist. Im Gespräch am 30. April 2008
wurde noch eindeutig über eine Weiterbeschäftigung der Klägerin im Dezernat I des
beklagten Landkreises oder an zwei dem Landkreis zugeordneten externen Stellen
gesprochen. Im Gespräch am 20. Mai 2008 wurde der Klägerin zwar die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt, im Gespräch am 29. Mai 2008 wurde jedoch
zwischen dem Landrat und der Klägerin erneut ein ergebnisoffenes Gespräch über die
weitere Verwendung der Klägerin geführt. Erst danach entschied sich der Landrat für
eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin. Mit diesem Verhalten hat der
Beklagte bzw. dessen Landrat als gesetzlicher Vertreter deutlich dokumentiert, dass das
- behauptete - Verhalten der Klägerin am 24. April 2008 nicht als wichtiger Grund für eine
außerordentliche Kündigung angesehen werde und eine Weiterbeschäftigung der
Klägerin dennoch durchaus denkbar sei. Auf Seiten der Klägerin fallen zusätzlich ihr
Alter, ihre Schwerbehinderung, der erworbene Besitzstand und der bisherige Status ins
Gewicht, so dass jedenfalls auf der zweiten Prüfungsstufe eine außerordentliche
69
70
71
72
73
74
75
Gewicht, so dass jedenfalls auf der zweiten Prüfungsstufe eine außerordentliche
Kündigung nicht gerechtfertigt ist.
2.
Nach Art. 110 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg ist eine Kündigung
oder Entlassung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern während ihrer Amtszeit
nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber oder Dienstherren zur
fristlosen Kündigung berechtigen.
Anders als von der Klägerin angenommen, verbietet diese Verfassungsnorm nicht den
Ausspruch ordentlicher Kündigungen, sondern erlaubt auch ordentliche Kündigungen,
sofern nur der Kündigungsgrund auch als wichtiger Grund für eine außerordentliche
Kündigung geeignet ist. Da hier aber entsprechend den Ausführungen unter 1.3 ein
wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht
gegeben ist, ist auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam.
2.1
Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ehrenamtliche Richterin
beim Landesarbeitsgericht und beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.
2.2
Art. 110 Abs. 1 S. 2 LV ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieses hat die 4. Kammer
des Landesarbeitsgerichts Brandenburg mit Urteil vom 17. Juni 2004 (4 Sa 71/04 und 4
Sa 232/04) entschieden. Den Urteilsgründen schließt sich die hiesige Berufungskammer
an, soweit hier relevant. Im Einzelnen gilt danach folgendes:
2.2.1
Probleme sind insoweit in der Vergangenheit im Hinblick auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12
Grundgesetz (GG) gesehen worden. Danach erstreckt sich die konkurrierende
Gesetzgebung auf das Gebiet des Arbeitsrechts, zu dem das Kündigungsschutzrecht in
Arbeitsverhältnissen zählt. So ist bereits in der Diskussion um den Entwurf der
Verfassung des Landes Brandenburg die Frage aufgeworfen worden, ob diese Regelung
„kompetenzrechtlich unbedenklich“ sei (siehe Finkelnburg im Verfassungsausschuss UA
II, Ausschussprotokoll V 1 / UA II / 8 S. 10). Das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg hat ausgeführt, es sei nicht unzweifelhaft, ob der brandenburgische
Gesetzgeber nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes überhaupt befugt sei,
einen besonderen Schutz für ehrenamtliche Richter zu normieren (vgl. Beschluss vom
20. Februar 1997 - 30/96, NJW 1997, 2942f.). Die einzige Stimme im Schrifttum, die sich
insoweit konkret mit der Frage befasst hat, ob der Bund den Bereich des
Kündigungsschutzes abschließend geregelt hat, hat dies verneint (vgl. Postier/Lieber in
Simon/Franke/Sachs, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, § 19 Rn. 22).
Diese Probleme sind jedoch zwischenzeitlich geklärt. Ob ein Land zu einem Bereich, der
der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt, Regelungen (auch in einer
Landesverfassung) treffen darf, hängt davon ab, ob der Bundesgesetzgeber den
Bereich, hier das Kündigungsschutzrecht, erschöpfend und damit abschließend geregelt
hat (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvL 8/89). Ob eine
bundesrechtliche Regelung erschöpfend ist, muss einer Gesamtwürdigung des
betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.
April 2000 - 1 BvL 2/00). Entscheidend ist, ob der Bundesgesetzgeber ein Sachgebiet
(subjektiv) so regeln will und (objektiv) so geregelt hat, dass für einen
Landesgesetzgeber kein Raum mehr für eine Regelung verbleibt. Eine erschöpfende
Regelung liegt aber auch dann vor, wenn der Sache nach ergänzende Vorschriften
möglich sind, nach dem erkennbaren Regelungswillen aber ausgeschlossen sein sollen
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 2000 - 1 BvL 2/00).
2.2.2
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bund das
Arbeitsrecht nicht erschöpfend kodifiziert. Davon ist auch im Bereich
kündigungsschutzrechtlicher Regelungen und im Bereich des § 26 ArbGG auszugehen
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 2000 - 1 BvL 2/00). § 26 ArbGG ist anders als Art.
110 Abs. 1 S. 2 der Brandenburger Verfassung keine Sonderkündigungsschutznorm,
sondern letztlich eine Vorschrift aus dem Organisationsbereich. Danach ist mithin Art.
110 Abs. 1 S. 2 der Brandenburger Verfassung auch bezogen auf ehrenamtliche Richter
in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit nicht unter dem Gesichtspunkt der
76
77
78
79
80
in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit nicht unter dem Gesichtspunkt der
gesetzgeberischen Kompetenz grundgesetzwidrig.
2.2.3
Auch im Hinblick auf Art. 12 GG begegnet Art. 110 Abs. 1 S. 2 der Brandenburger
Verfassung keinen Bedenken. Zu den Freiheitsrechten privatautonomen Handelns
gehört zwar, dass der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG immanente Grundrecht des
Arbeitgebers, Arbeitsverhältnisse privatautonom zu begründen, aber auch zu beenden.
Art. 12 Abs. 1 GG schließt es aus, vom Arbeitgeber zu verlangen, ein unzumutbares
Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Mithin würde eine gesetzliche Regelung oder
Tarifnorm, die ein generelles Kündigungsverbot beinhaltet, gegen Art. 12 Abs. 1 GG
verstoßen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da Art. 110 Abs. 1 S. 2 der Brandenburger
Verfassung eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zulässt, wenn Tatsachen vorliegen,
die den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen.
2.2.4
Art. 110 Abs. 1 S. 2 der Brandenburger Verfassung ist auch nicht dahingehend
auszulegen, dass er sich nur auf Kündigungen bezieht, die mit der Tätigkeit als
ehrenamtlicher Richter zu tun haben.
Das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 2000 - 1 BvL 2/00)
hat zwar ausgeführt, dass es vom Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 S. 2 der Brandenburger
Verfassung her nicht ausgeschlossen sei, ihn auf solche Fälle nicht anzuwenden, bei
denen die Kündigung nichts mit der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter zu tun haben
könne. Für eine solche Auslegung spreche eine systematische Gesamtschau, die den
unmittelbaren Zusammenhang beider Sätze des Art. 110 Abs. 1 der Brandenburger
Verfassung ebenso berücksichtige, wie die von Normgebern üblicherweise in diesen
Fällen verwendeten Formulierungen. Nach seiner Ansicht deute auch eine Entscheidung
des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg darauf hin, dass Art. 110 Abs. 1 der
Brandenburger Verfassung nur für Kündigungen gelten solle, die im Zusammenhang mit
der Amtstätigkeit stehen. Letztlich hat es diese Frage jedoch offen gelassen.
Der Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 S. 2 der Brandenburger Verfassung spricht nicht für die
vom Bundesverfassungsgericht für möglich gehaltene Auslegung. Vom Wortlaut her ist
zwar ein Bezug zum Amt gegeben, wenn die Worte „während ihrer Amtszeit“ verwendet
werden. Dies ist aber ein rein zeitlicher Bezug. Diesem zeitlichen Bezug lässt sich keine
inhaltliche Einschränkung hinsichtlich des Kündigungshintergrundes entnehmen. Die
Verwendung des Wortes „nur“ macht dagegen deutlich, dass der Verfassungsgeber den
ehrenamtlichen Richtern in Satz 2 einen weitgehenden Kündigungsschutz geben wollte.
Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Sie geht auf eine Regelung
der Volkskammer in der Wendezeit zurück und sollte den ehrenamtlichen Richtern einen
vergleichbaren Status wie den Berufsrichtern verleihen (so auch LAG Brandenburg,
Beschluss v. 28. April 1998, 5 Sa 885/97). Dies ist in Beratungen ausdrücklich
hervorgehoben worden (vgl. LAG Brandenburg, Urteil vom 17. Juni 2004 - 4 Sa 71/04 und
4 Sa 232/04). Dem wäre nicht genüge getan, wenn Art. 110 Abs. 1 S. 2 der
Brandenburger Verfassung lediglich für Kündigungen, die ihren Hintergrund in der
Tätigkeit der ehrenamtlichen Richter haben, schützen würde. Einen solchen Schutz
dürfte schon Art. 110 Abs. 1 S. 1 der Brandenburger Verfassung, der bestimmt, dass
ehrenamtlichen Richtern durch ihre Tätigkeit keine Nachteile entstehen dürfen, mit sich
bringen. Hinzu kommt, dass eine Einschränkung auf Kündigungen oder Entlassungen
„aufgrund der Tätigkeit als ehrenamtliche Richter“ dazu führen würde, dass fristlose
Kündigungen aufgrund der Tätigkeit als ehrenamtliche Richter möglich wären. Dies dürfte
der Verfassungsgeber gerade nicht im Sinn gehabt haben (vgl. auch LAG Brandenburg,
Urt. v. 18. August 2000 - 5 Sa 855/97). Mithin sprechen auch Sinn und Zweck der
Regelung gegen eine solche einschränkende Auslegung.
Schließlich führt auch eine systematische Gesamtschau nicht dazu. Dabei sind zwar
sowohl der unmittelbare Zusammenhang beider Sätze des Art. 110 Abs. 1 der
Brandenburger Verfassung als auch die von Normgebern üblicherweise in diesen Fällen
verwendeten Formulierungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April
2000 - 1 BvL 2/00). Aus dem unmittelbaren Zusammenhang beider Sätze, wobei Satz 1
die Tätigkeit und Satz 2 die Amtszeit erwähnt, wird lediglich verdeutlicht, dass es keinen
Schutz schon im Vorfeld der Tätigkeit geben sollte. Es kann nicht angenommen werden,
dass der Verfassungsgeber mit Satz 2 den Inhalt des Satzes 1 nur wiederholen wollte,
was bei einer einschränkenden Auslegung der Fall wäre, da unter Nachteile auch eine
Kündigung zu fassen wäre. Hätte er dies gewollt, wäre es nahe liegend gewesen, Satz 2
mit „insbesondere“ beginnen zu lassen oder mit dieser Formulierung als 2. Halbsatz
Satz 1 hinzuzufügen. Eine solche Formulierung hat er an anderen Stellen - so z. B. in Art.
81
82
83
84
85
Satz 1 hinzuzufügen. Eine solche Formulierung hat er an anderen Stellen - so z. B. in Art.
2 Abs. 1, 15 Abs. 3, 25 Abs. 1, 27 Abs. 5 S. 2, 34 Abs. 1, 40 Abs. 3, 41 Abs. 3 und 47
Abs. 1 der Brandenburger Verfassung - auch benutzt.
Auch die vom Bundesverfassungsgericht herangezogene Entscheidung des
Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg (Beschluss vom 20. Februar 1997 - 30/96,
NJW 1997, 2942f.) ist nicht in diesem Sinne zu verstehen. Darin ist zwar ausgeführt, dass
die Verfassungsbestimmung des Art. 110 Abs. 1 der Brandenburger Verfassung ihrem
Wortlaut nach sich darauf beschränke, die ehrenamtlichen Richter vor Benachteiligungen
„durch ihre Tätigkeit“, d. h. in Wahrnehmung ihres Amtes als ehrenamtliche Richter zu
schützen. Die Ausführung bezieht sich aber, was die Fallgestaltung ergibt, auf Satz 1 des
Art. 110 Abs. 1 der Brandenburger Verfassung. Zu der Frage von Kündigungen, die in
Satz 2 geregelt sind, ist keine Stellung genommen worden. In dem entschiedenen Fall
ging es nämlich nicht um eine Kündigung, sondern um eine Bewerbung für ein
Schöffenamt. Der Beschwerdeführer hat die vorsätzliche Verhinderung der Bewerbung
um ein Ehrenrichteramt gerügt. Mithin war Gegenstand des Verfahrens eine
Behinderung vor Ausübung einer Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter und damit die
Frage, ob eine solche Behinderung von Art. 110 Abs. 1 Satz 1 der Brandenburger
Verfassung erfasst sein kann.
2.3
Danach kommt es auf die Wirksamkeit der Personalratsanhörung nicht mehr an.
Allerdings sind weder konkrete Mängel in der Personalratsbeteiligung von der Klägerin
aufgeführt noch ansonsten ersichtlich. Und es spricht viel für die Auffassung des
Beklagten, dass nach § 62 Abs. 5 PersVG BRB die Mitbestimmung bei die Klägerin
betreffenden personellen Maßnahmen entfällt, weil sie eine einem Beamten der
Besoldungsgruppe A 16 vergleichbare Angestellte ist. Denn nach § 11 BAT/BAT-O
entspricht die Vergütungsgruppe I der Besoldungsgruppe A 16.
2.4
Auch die Frage der tariflichen Unkündbarkeit der Klägerin kann dahinstehen. Der TVöD
findet jedenfalls gemäß der arbeitsvertraglichen Vereinbarung in § 3 des
Arbeitsvertrages vom 18. Mai 1994 Anwendung. Dem steht auch nicht § 1 Abs. 2 b TVöD
entgegen, weil § 1 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA in Verbindung mit § 19 Abs. 2 TVÜ-VKA
insoweit eine Ausnahmeregelung für übergeleitete Beschäftigte beinhaltet. Aber nach
der vertraglichen Vereinbarung der Parteien spricht viel für die Auffassung des
Beklagten, dass auf das Arbeitsverhältnis nicht generell die Regelungen des
Tarifgebietes West anzuwenden sind. Denn in § 3 des Arbeitsvertrages wurde der BAT „in
der für den Arbeitgeber geltenden Fassung“, also der BAT-O, in Bezug genommen. In § 5
wurde sodann mit der Bezugnahme auf den Vergütungstarifvertrag zum BAT in der für
die alten Bundesländer geltenden Fassung nur für die Bemessung der Höhe der
Vergütung eine abweichende Regelung vereinbart.
3.
Trotz der Unwirksamkeit der Kündigung und trotz des sicherlich objektiv erheblich
gestörten Vertrauensverhältnisses der Parteien war das Arbeitsverhältnis nicht gegen
Zahlung einer Abfindung an die Klägerin aufzulösen. Denn das Bundesarbeitsgericht
geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Arbeitgeber nach § 9 Abs. 1 Satz
2 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Fall einer sozialwidrigen ordentlichen
Kündigung nur verlangen kann, wenn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung allein auf
der Sozialwidrigkeit, nicht jedoch auch auf anderen Gründen im Sinne des § 13 Abs. 3
KSchG beruht (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07). Die
Lösungsmöglichkeit nach § 9 KSchG bedeutet für den Arbeitgeber eine Vergünstigung,
die nur in Betracht kommt, wenn eine Kündigung „nur“ sozialwidrig und nicht (auch) aus
anderen Gründen nichtig ist. Lediglich in den Fällen, in denen die Norm, aus der der
Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung neben der Sozialwidrigkeit herleitet,
nicht den Zweck verfolgt, dem Arbeitnehmer einen zusätzlichen Schutz zu verschaffen,
sondern allein der Wahrung der Interessen Dritter dient, steht die sich daraus ergebende
Unwirksamkeit der Kündigung einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers nicht entgegen
(vgl. BAG, Urteil vom 28. August 2008 - 2 AZR 63/07). Für diese Auslegung und dieses
Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte
als auch systematische und teleologische Gründe (vgl. Senat 28. August 2008 - 2 AZR
63/07).
Da Art. 110 der Brandenburger Verfassung der der Wahrung der Interessen der Klägerin
dient und einen sonstigen Unwirksamkeitsgrund im Sinne des § 13 Abs. 3 KSchG
darstellt, steht das obige Ergebnis (vgl. 2.2) einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses
86
87
88
89
90
91
darstellt, steht das obige Ergebnis (vgl. 2.2) einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses
durch das Gericht entgegen.
4.
Die Klägerin kann weiter Vergütung nach der Entgeltgruppe 15 Ü entsprechend der
arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 1. Oktober 2002 in Verbindung mit § 19 Abs. 2
TVÜ-VKA beanspruchen. Denn nach dieser Vorschrift wurden Angestellte mit Vergütung
nach der Vergütungsgruppe I BAT in die Entgeltgruppe 15 Ü des TVöD übergeleitet.
4.1
Das Bundesarbeitsgericht hat erkannt, dass der Arbeitgeber bei der korrigierenden
Rückgruppierung im Streitfall zunächst darlegen muss, inwieweit ihm bei der
ursprünglichen Eingruppierung ein Irrtum unterlaufen sei und dass er dafür entweder
einen Rechtsirrtum dartun oder substantiiert die Tatsachen vortragen muss, die eine
fehlerhafte Eingruppierung des Arbeitnehmers begründen. Auf den Irrtum kommt es
aber nur für die Frage an, ob eine arbeitsvertragliche Vereinbarung über die
Vergütungsgruppe unabhängig von der tariflichen Eingruppierung vorliegt. Hat der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine nach dem Tarifvertrag nicht geschuldete Vergütung
arbeitsvertraglich zugesagt, so kann er nicht unter Berufung auf einen Irrtum eine
korrigierende Rückgruppierung vornehmen. Denn dann hat der Arbeitgeber den
Tarifvertrag nicht vollzogen, sondern sich über ihn hinweggesetzt (BAG, Urteil vom 16.
Februar 2000 - 4 AZR 62/99).
4.2
Wenn sich das Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme nach dem
BAT bestimmt, ist die Bezeichnung der Vergütungsgruppe in dem Arbeitsvertrag oder in
einer Eingruppierungsmitteilung grundsätzlich nicht dahingehend auszulegen, dass dem
Angestellten ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen unabhängiger
arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine bestimmte Vergütung zustehen soll (vgl. BAG,
Urteil vom 14. Februar 2002 - 8 AZR 313/01). Vielmehr wird damit in der Regel nur
wiedergegeben, welche Vergütungsgruppe der Arbeitgeber bei Anwendung der
maßgeblichen Eingruppierungsbestimmungen als zutreffend ansieht, ohne dass daraus
eine eigenständige Vergütungsvereinbarung mit dem Inhalt zu entnehmen ist, die
angegebene Vergütung solle unabhängig von den tariflichen Bestimmungen,
gegebenenfalls als übertarifliche Vergütung gezahlt werden. Ohne Hinzutreten weiterer
Umstände kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine solche Bedeutung der
Angabe der Vergütungsgruppe schon deshalb nicht entnehmen, weil der Arbeitgeber
des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das
gewähren will, was dem Arbeitnehmer tariflich zusteht (vgl. BAG, Urteil vom 16. Februar
2000 - 4 AZR 62/99).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann es im Einzelfall gegen Treu
und Glauben (§ 242 BGB) in der Erscheinungsform des Verbots widersprüchlichen
Verhaltens ("venire contra factum proprium") verstoßen, wenn sich der Arbeitgeber auf
die Fehlerhaftigkeit der bisherigen tariflichen Bewertung beruft (vgl. BAG, Urteil vom 14.
September 2005 - 4 AZR 348/04). Nach dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen
Verhaltens ist ein Verhalten dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere
Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BAG, Urteil vom 4.
Dezember 1997 - 2 AZR 799/96). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das
Verhalten der einen Seite für die andere ein schützenswertes Vertrauen auf den
Fortbestand des Bisherigen entstanden ist (BAG, Urteil vom 17. Juli 2003 - 8 AZR 376/02;
BAG, Urteil vom 10. März 2004 - 4 AZR 212/03). Ein solches Vertrauen kann
insbesondere durch Umstände begründet werden, die nach der Eingruppierung
eingetreten sind. Es kann sich aus der Gesamtschau einzelner Umstände ergeben, von
denen jeder für sich allein keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen kann
(vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. März 2008 - 13 Sa 10/07).
4.3
Nach diesem Maßstab scheidet vorliegend eine korrigierende Rückgruppierung aus. Da
eine arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Vergütungsgruppe unabhängig von der
tariflichen Eingruppierung vorliegt, fehlt es bereits an einem „Irrtum“ der die Beklagte zu
einer korrigierenden Rückgruppierung berechtigen würde.
Die Beklagte hat hinsichtlich der Frage der Vergütung und der „Eingruppierung“ zu
keinem Zeitpunkt erkennbar seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zur
Geltendmachung der „Rückgruppierung“ im Herbst des Jahres 2008 konkrete
92
93
94
95
96
97
Geltendmachung der „Rückgruppierung“ im Herbst des Jahres 2008 konkrete
Erwägungen im Rahmen der tariflichen Eingruppierungssystematik der Anlage 1a zum
BAT angestellt. Zwar kann der ursprüngliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. Mai
1994 noch als im öffentlichen Dienst üblicher Formulararbeitsvertrag angesehen werden,
bei dem die dortige Benennung der Vergütungsgruppe noch keine vertragliche
Vereinbarung derselben darstellt. Auffällig ist aber bereits hier, dass der Beklagte eine
Vergütungsgruppe benennt, ohne zuvor eine Tätigkeitsbeschreibung erstellt oder eine
Stellenbewertung durchgeführt zu haben.
Von dem ursprünglichen Arbeitsvertrag unterscheidet sich aber der Änderungsvertrag
der Parteien vom 1. Oktober 2002. Diese Vereinbarung ist keine bloße Mitteilung einer
neuen Vergütungsgruppe, die sich „von selbst“ aufgrund der Tarifautomatik des § 22
BAT ergeben würde. Es handelt sich nicht um eine einseitige Äußerung oder einen
Hinweis des Beklagten, sondern um eine vertragliche Vereinbarung der Parteien. Dies
folgt schon aus dem klaren Wortlaut der Schreibens als „Änderungsvertrag“ und der
Worte „wird … geschlossen“, als auch aus deren Fassung in Form eines von beiden
Parteien unterschriebenen Schreibens. Anders als der ursprüngliche Arbeitsvertrag der
Parteien, bei dem die Erwähnung der Vergütungsgruppe als Teil einer
„Wissenserklärung“ im Rahmen einer umfassenderen „Willenserklärung“ gedeutet
werden kann, hat der Änderungsvertrag den alleinigen Vertragsgegenstand der
Festlegung einer neuen, höheren Vergütungsgruppe. Den einzigen Gegenstand einer
vertraglichen Vereinbarung als bloß deklaratorische (und auch noch irrtümliche)
Wissensmitteilung einzuordnen, wie es der Beklagte macht, hieße den Inhalt dieser
Erklärung, die von Inhalt und Form eindeutig eine Willenserklärung ist, zu missachten.
Der Beklagte hat gerade nicht den in der Praxis häufig gewählten Weg eingeschlagen,
der Klägerin eine neue Vergütung schlichtweg mitzuteilen, sondern er hat mit der
Klägerin eine eigenständige Vereinbarung geschlossen, wonach dieser ab einem
bestimmten Zeitpunkt ein Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe I BAT
zustehen soll. An diesen einzigen Punkt der Vereinbarung muss sich der Beklagte dann
auch festhalten lassen. Die der Klägerin gewährte Vergütung beruht in diesem Sinne
nicht auf einem Irrtum des Beklagten bei der Anwendung tarifvertraglicher Regelungen,
sondern auf der losgelöst vom Tarifvertrag erfolgten vertraglichen
Änderungsvereinbarung der Parteien. Der Parteien haben mit dem Änderungsvertrag
vom 1. Oktober 2002 eine übertarifliche Vergütung vereinbart.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Behauptung des Beklagten, dass sowohl
er wie auch der Kreistag sich vertan hätten, indem sie gedacht hätten, dass die
Vergütungsgruppe I der Besoldungsgruppe A 14 entspreche. Abgesehen davon, dass
der Beklagte nicht dargelegt hat, wie dieser Irrtum - insbesondere in Anbetracht der in §
11 BAT/BAT-O einfach und überschaubar dargestellten Entsprechung von Vergütungs-
und Besoldungsgruppen entstanden sein soll, entspricht es der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass es wegen des grundlegenden
Unterschieds des Status von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst für die
tarifliche Mindestvergütung der Angestellten des öffentlichen Dienstes auf die Besoldung
vergleichbarer Beamten nicht ankommt. Insofern liegt selbst bei Annahme eines solches
Irrtums kein eine korrigierende Rückgruppierung rechtfertigender Bewertungsirrtum bei
der Bewertung der Tätigkeit der Klägerin vor.
5.
Da die Klägerin Vergütung nach Entgeltgruppe 15 Ü verlangen kann, ist die Widerklage
auch im Umfang der Erweiterung in der Berufungsinstanz erfolglos.
Das Zahlungsverlangen der Klägerin aus erster Instanz ist dem entsprechend nach wie
vor überwiegend begründet.
5.1
Allerdings hat die Klägerin, worauf der Beklagte in der Berufungsbegründung zutreffend
hingewiesen hat, bei der Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD nur Anspruch auf den sich
nach Absatz 3 berechnenden Betrag in Höhe von 2.687,09 EUR und nicht auf den sich
gegebenenfalls aus Absatz 2 berechnenden weiteren Betrag in Höhe von 895,94 EUR
brutto. Entsprechend war die im Tenor zu 3. der angefochtenen Entscheidung
ausgeurteilte Summe auf 2.500,59 EUR zu reduzieren.
5.2
Der TVöD findet jedenfalls gemäß der arbeitsvertraglichen Vereinbarung in § 3 des
Arbeitsvertrages vom 18. Mai 1994 Anwendung. Dem steht auch nicht § 1 Abs. 2 b TVöD
entgegen, weil § 1 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA in Verbindung mit § 19 Abs. 2 TVÜ-VKA
98
99
100
101
102
103
entgegen, weil § 1 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA in Verbindung mit § 19 Abs. 2 TVÜ-VKA
insoweit eine Ausnahmeregelung für übergeleitete Beschäftigte mit Entgelt nach
Vergütungsgruppe I BAT beinhaltet. Nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien
haben diese aber für das Arbeitsverhältnis nicht generell die Regelungen des
Tarifgebietes West vereinbart. Denn in § 3 des Arbeitsvertrages wurde der BAT „in der für
den Arbeitgeber geltenden Fassung“, also der BAT-O, in Bezug genommen. In § 5 wurde
sodann mit der Bezugnahme auf den Vergütungstarifvertrag zum BAT in der für die
alten Bundesländer geltenden Fassung nur für die Bemessung der Höhe der Vergütung
eine abweichende Regelung vereinbart. Die Zuwendung nach altem Recht war aber nicht
im Vergütungstarifvertrag, sondern im Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte
geregelt. Und dazu gab es einen für das Tarifgebiet Ost und einen für das Tarifgebiet
West. Der Zuwendungstarifvertrag Ost ging in § 20 Abs. 3 TVöD auf, der
Zuwendungstarifvertrag West in § 20 Abs. 2 TVöD. Da auf das Arbeitsverhältnis der
Parteien aufgrund der Regelungen in §§ 3 und 5 nur der Vergütungstarifvertrag West
anzuwenden ist, ansonsten aber sämtliche Tarifverträge für das Tarifgebiet Ost, ist für
die Jahressonderzahlung der Klägerin § 20 Abs. 3 TVöD maßgeblich.
5.3
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Klägerin in der
Berufungsverhandlung, dass ihr der Ortszuschlag, das Urlaubsgeld und die Zuwendung
in früheren Jahren jeweils nach den Tarifverträgen für das Tarifgebiet West gezahlt
worden seien. Eine damit eventuell angedeutete betriebliche Übung ist hier nicht
anzunehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist betriebliche Übung
die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus
denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung oder eine
Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Das Verhalten des Arbeitgebers ist als
Vertragsangebot zu werten. Dieses Angebot kann der Arbeitnehmer stillschweigend
annehmen (§ 151 BGB). Daraus folgt ein vertraglicher Anspruch auf die üblich
gewordene Leistung. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden
Verpflichtungswillen gehandelt hat. Vielmehr kommt es darauf an, wie der Arbeitnehmer
als Erklärungsempfänger dessen Verhalten nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen konnte (BAG,
Urteil vom 16. September 1998 - 5 AZR 598/97). Will der Arbeitgeber verhindern, dass
der Arbeitnehmer den Schluss auf einen dauerhaften Bindungswillen zieht, muss er
einen entsprechenden Vorbehalt konkret zum Ausdruck bringen (BAG, Urteil vom 16.
April 1997 - 10 AZR 705/96).
Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die
Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes aber nicht uneingeschränkt. Dort kann ein
Arbeitnehmer nicht ohne weiteres aus der mehrmaligen Gewährung einer Vergünstigung
auf einen entsprechenden Bindungswillen des Arbeitgebers schließen. Das hat seinen
Grund darin, dass die durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen,
Verwaltungsrichtlinien und Verordnungen, vor allem durch die Festlegungen des
Haushaltsplans gebundenen öffentlichen Arbeitgeber anders als private Arbeitgeber
gehalten sind, sich bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse an die
Mindestbedingungen des Tarifrechts und der Haushaltsvorgaben zu halten. Im Zweifel
gilt Normvollzug. Ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst muss deshalb grundsätzlich
davon ausgehen, dass ihm der Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen
er rechtlich verpflichtet ist (BAG, Urteil vom 18. September 2002 - 1 AZR 477/01).
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte sich hinsichtlich der Zuwendung bzw.
Jahressonderzahlung unabhängig von den tariflich zwingenden Regelungen binden wollte,
hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
Im Übrigen scheitert eine betriebliche Übung auch an dem Schriftformgebot des § 4 Abs.
2 BAT/BAT-O bzw. § 2 Abs. 3 TVöD. Nach diesen Tarifvorschriften sind Nebenabreden nur
wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Es handelt sich um eine gesetzliche
Schriftform im Sinne des § 126 BGB. Ihre Missachtung hat die Unwirksamkeit des
betreffenden Rechtsgeschäfts zu Folge. Im Geltungsbereich des BAT/BAT-O bzw. TVöD
kann deshalb die wiederholte Gewährung einer Vergünstigung eine bindende Wirkung
grundsätzlich nur dann entfalten, wenn der tariflichen Formvorschrift genügt wird (vgl.
zur parallelen Regelung des § 4 BMT-G II: BAG, Urteil vom 18. September 2002 – 1 AZR
477/01).
6.
Die Berufung ist allerdings erfolgreich, soweit der Beklagte sich gegen die Verurteilung
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
Die Berufung ist allerdings erfolgreich, soweit der Beklagte sich gegen die Verurteilung
zur Weiterbeschäftigung der Klägerin mit einer Tätigkeit entsprechend den
Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe I BAT gewandt hat.
6.1
Soweit die Klägerin meint, dass dieser Beschäftigungsanspruch aus dem Vergleich vom
4. Juli 2008 in dem einstweiligen Verfügungsverfahren folge, vermochte die
Berufungskammer dem nicht zu folgen. Die Formulierung des Vergleiches ist dahin
auszulegen, dass das fortgeschrieben bzw. praktiziert werden sollte, was ohnehin zum
damaligen Zeitpunkt zwischen den Parteien galt. Insofern sollte die Klägerin zu
bewertungsmäßig unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigt werden. Unverändert
sind die Bedingungen, soweit sie der Stelle der Leiterin Personal- und
Organisationsmanagement entspricht. Dass diese Stelle mit der Vergütungsgruppe Ib
BAT zutreffend bewertet ist, kann dem Bewertungsgutachten vom 21. November 2008
entnommen werden. Dass die Tätigkeit der Klägerin höher zu bewerten wäre, kann ihrem
Vortrag nicht entnommen werden.
In Vergütungsgruppe I sind Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher
Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund
gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
eingruppiert, deren Tätigkeit deutlich höher zu bewerten ist als eine Tätigkeit nach
Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 1a.
In Vergütungsgruppe Ia sind Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher
Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund
gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
eingruppiert, deren Tätigkeit sich durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung
erheblich aus der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 1a heraushebt.
In Vergütungsgruppe Ib sind Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher
Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund
gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
eingruppiert, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der
Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1a heraushebt.
In Vergütungsgruppe II schließlich sind Angestellte mit abgeschlossener
wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige
Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen
entsprechende Tätigkeiten ausüben, eingruppiert.
Nach der Protokollnotiz Nr. 2 sind wissenschaftliche Hochschulen Universitäten,
Technische Hochschulen sowie andere Hochschulen, die nach Landesrecht als
wissenschaftliche Hochschulen anerkannt sind.
Die Klägerin hat keinerlei Tatsachen zu den tariflich geforderten
Heraushebungsmerkmalen der Schwierigkeit und Bedeutung ihres Aufgabengebietes
und des damit verbundenen Maßes der Verantwortung dargelegt. Das wäre jedoch
angesichts des Vortrags des Beklagten seit dem Schriftsatz vom 16. Dezember 2008
erforderlich gewesen. Denn wenn der Arbeitgeber die Voraussetzungen für die
korrigierende Rückgruppierung dargelegt hat, ist es Sache der Angestellten, die
Tatsachen darzulegen, aus denen folgt, dass ihre Tätigkeit den Merkmalen der höheren
Vergütungsgruppe entspricht (BAG, Urteil vom 16. Februar 2000 - 4 AZR 62/99).
6.2
Aus der mit dem Änderungsvertrag vereinbarten übertariflichen Vergütung folgt kein
Anspruch auf Beschäftigung mit Tätigkeiten nach Vergütungsgruppe I BAT/BAT-O. die
Klägerin hat zwar mit dem Änderungsvertrag die Vergütungshöhe vereinbart, jedoch
keine (geänderten) Tätigkeitsinhalte. Die Klägerin sollte wie zuvor kommissarisch Leiterin
des Personal- und Organisationsmanagements sein. Auch etwaige geänderte
Tätigkeiten müssen nur einer solchen Wertigkeit entsprechen. Eine Rechtsgrundlage für
ein abweichendes Beschäftigungsverlangen hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist
auch sonst nicht ersichtlich.
7.
Die Berufung der Klägerin hinsichtlich des nicht zugesprochenen Schmerzensgeldes
wegen Mobbing war zurückzuweisen. Sowohl im Ergebnis als auch zu weiten Teilen in der
Begründung hat das Arbeitsgericht insoweit zu Recht die Klage abgewiesen. Das
113
114
115
116
117
118
119
120
121
Begründung hat das Arbeitsgericht insoweit zu Recht die Klage abgewiesen. Das
Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Berlin im Ergebnis und auch in weiten
Teilen der Begründung. Die Kammer sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer
ausführlichen, nur wiederholenden Begründung ab und weist lediglich noch auf folgendes
hin:
Die Würdigung, ob ein bestimmtes Gesamtverhalten als rechtswidriger Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers oder als Gesundheitsverletzung zu qualifizieren
ist, hat jeweils im Rahmen einer sorgfältigen Einzelfallprüfung entsprechend der
nachstehenden Kriterien zu erfolgen (BAG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06).
7.1
Zu berücksichtigen ist dabei, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich
durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind,
derartige rechtliche Tatbestände zu erfüllen und es daher gilt sog. folgenloses oder
sozial- und rechtsadäquates Verhalten auf Grund einer objektiven Betrachtungsweise,
das heißt. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers,
von der rechtlichen Bewertung auszunehmen. Weisungen, die sich im Rahmen des dem
Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts bewegen und bei denen sich nicht eindeutig
eine schikanöse Tendenz entnehmen lässt, dürften nur in seltenen Fällen eine
Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen.
Gleiches kann für den Rahmen des Direktionsrechts überschreitende Weisungen gelten,
denen jedoch sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde liegen.
An der verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik kann es
darüber hinaus fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die
nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinander folgen, in seiner Arbeitsleistung
kritisiert oder schlecht beurteilt wird oder wenn die Arbeitsleistung - wie es bei dem
Kläger der Fall war - nicht nur kritisiert oder ignoriert, sondern ausdrücklich
gleichermaßen auch positiv gewürdigt wird. Ebenfalls können Verhaltensweisen von
Arbeitgebern oder Vorgesetzten nicht in die Prüfung einbezogen werden, die lediglich
eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich gemobbten Arbeitnehmer
darstellen. Insoweit fehlt es an der von der Instanzrechtsprechung und Lehre so
bezeichneten eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation.
Ferner kann es an der für die Verletzungshandlung erforderlichen Systematik fehlen,
wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen (vgl.
Benecke Mobbing Rn. 34) .
Die Beweislast für die Pflichtverletzung trägt nach allgemeinen Grundsätzen der
Gläubiger und damit der Arbeitnehmer. Dies gilt auch in so genannten Mobbing-Fällen.
Auch muss die Kausalität etwaiger Pflichtverletzungen von Erfüllungsgehilfen des
Beklagten für die von der Klägerin geltend gemachten Schäden dargelegt werden.
Grundsätzlich trägt der Gläubiger auch für diesen Kausalzusammenhang die Beweislast.
7.2
Die Ausführungen der Klägerin vermögen kein gezieltes, schikanöses, herabwürdigendes
Verhalten des Beklagten zu belegen. Die Klägerin hat nur typische
Meinungsverschiedenheiten und Reibereien insbesondere im Zusammenhang mit
diesem Rechtsstreit sowie subjektive Empfindlichkeiten dargelegt. Systematisches
Mobbing ist darin nicht zu erkennen. Die mit dem Umzug in ein anderes Büro
verbundenen Unannehmlichkeiten stellen keine Pflichtwidrigkeit des Beklagten dar. Die
Kausalität zwischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin und den
geschilderten Handlungen des Beklagten über die Kündigung und die Freistellung hinaus
hat die Klägerin nicht dargelegt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 92 ZPO. Die
Parteien haben entsprechend ihrem Anteil am Obsiegen und Unterliegen die Kosten des
Rechtsstreits in erster wie auch in zweiter Instanz zu tragen.
Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die
gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum