Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 12.03.2014

betriebsrat, einstellung des verfahrens, abstimmung, zahl

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 12.3.2014, 21 TaBV 6/13
Wirksamkeit - Betriebsratsbeschluss - Kommunikationsbeauftragter -
Stimmabgabe
Leitsätze
1. Sogenannte Beauftragte des Betriebsrats, die den Betriebsrat in der Kommunikation
mit der Belegschaft unterstützen sollen, ohne dass ihnen
betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung
übertragen werden und die nicht in einer Organstruktur zusammengefasst sind, sind
grundsätzlich mit dem Betriebsverfassungsgesetz vereinbar.
2. Solche Beauftragte des Betriebsrats, die nicht in einer Organstruktur
zusammengefasst sind, stellen weder eine "andere Arbeitnehmervertretungsstruktur"
im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG noch eine "zusätzliche
betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer" nach § 3 Abs. 1 Nr. 5
BetrVG dar (wie LAG Baden-Württemberg 26. Juli 2010 - 20 TaBV 3/09).
3. Die Bestellung so genannter Beauftragter des Betriebsrats, die nicht in einer
Organstruktur zusammengefasst sind, kann durch Mehrheitsbeschluss des
Betriebsrats gemäß § 33 BetrVG erfolgen, ohne dass ein Minderheitenschutz
gewährleistet sein muss.
4. Zur Entbehrlichkeit der Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge bei der Frage
nach der Art der Stimmabgabe (Dafür/Dagegen/Enthaltung) zu einem zur
Entscheidung des Betriebsratsgremiums gestellten Antrag.
5. Zur Frage wie der Leiter der Betriebsratssitzung das Ergebnis der Stimmabgabe zu
einem zur Entscheidung des Betriebsratsgremiums gestellten Antrag feststellen kann.
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsteller (Beteiligte Ziffern 1 bis 6)
gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
06.08.2013 - Az. 16 BV 78/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragsteller zugelassen.
Tatbestand
1
A. Sachverhalt
2 Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beschlüsse des Betriebsrats vom 11.
April 2013 über die namentliche Bestellung von Kommunikationsbeauftragten für
den Betrieb der Arbeitgeberin in S., deren Einsatz und Tätigkeit auf der Grundlage
von zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat abgeschlossenen
Betriebsvereinbarungen basiert, wirksam zustande gekommen sind oder nicht.
3 Der Beteiligte zu 7 (im Weiteren: Betriebsrat) ist der für den Betrieb der Beteiligten
zu 8 (im Weiteren: Arbeitgeberin) in S. (sogenannter Betrieb 1), in dem knapp
20.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind, gewählte und aus 43 Mitgliedern
bestehende Betriebsrat. Die Beteiligten Ziffern 1 bis 6 (im Weiteren: Antragsteller)
sind Mitglieder dieses Betriebsrats, die nicht der mit deutlicher Mehrheit im
Betriebsrat vertretenen IG Metall-Liste, sondern alle Minderheitenlisten angehören.
4 Im Betrieb 1, wie auch in den anderen Betrieben der Arbeitgeberin, werden für
einzelne Betriebsbereiche durch Mehrheitsbeschlüsse des Betriebsrats
sogenannte Kommunikationsbeauftragte bestellt, die die Kommunikation zwischen
Belegschaft und Betriebsrat gewährleisten und fördern sollen. Der Bestellung von
Kommunikationsbeauftragten liegen die Betriebsvereinbarungen zwischen der
Arbeitgeberin und dem Betriebsrat vom 9. September 1997 mit Protokollnotizen
vom 9. September 1997, 13. Dezember 1999 und 27. Juni 2003 sowie die
Betriebsvereinbarung vom 27. April 1998 mit Protokollnotizen vom 27. April 1998
und 13. Dezember 1999 zu Grunde. Sowohl in der Betriebsvereinbarung vom 27.
April 1998 als auch in der vom 9. September 1997 ist jeweils unter Ziffer 1.2 unter
der Überschrift „Aufgaben der Beauftragten des Betriebsrats sind u. a.“ Folgendes
geregelt:
5
„• Unterstützung des Betriebsrates bei seiner Meinungsbildung
6
• Verteilung von Informationsmaterial
7
• Übernahme von konkreten Aufträgen die der Betriebsrat erteilt“
8 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieser Betriebsvereinbarungen samt
Protokollnotizen wird vollinhaltlich auf Bl. 45 bis 53 der Akten-ArbG verwiesen.
9 Ob die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten, wie sie vom Betriebsrat
praktiziert wird, einer Rechtskontrolle standhält, steht seit mehreren Jahren
zwischen den Betriebsräten der Minderheitenlisten und dem von den Betriebsräten
der Mehrheitsliste dominierten Gremium im Streit.
10 In einem den Betrieb der Arbeitgeberin in S. betreffenden Verfahren kam das
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, wie bereits die Vorinstanz, zu dem
Ergebnis, dass die Bestellung der Kommunikationsbeauftragen durch
Betriebsratsbeschluss vom 24. Oktober 2008 rechtmäßig erfolgte (vgl. LAG Baden-
Württemberg 26. Juli 2010 - 20 TaBV 3/09 - juris). Das gegen diese Entscheidung
angestrengte Rechtsbeschwerdeverfahren endete ohne streitige Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts durch Einstellung des Verfahrens (BAG 14. März 2012
- 7 ABR 69/10 - nicht dokumentiert). In einem weiteren diesmal den auch
vorliegend auch streitgegenständlichen Betrieb 1 betreffenden Verfahren kam das
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, wie wiederum auch die Vorinstanz,
ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten
durch Betriebsratsbeschluss vom 9. Juni 2011 rechtmäßig erfolgt sei (LAG Baden-
Württemberg 6. September 2012 - 3 TaBV 2/12 - juris). Das gegen diese
Entscheidung angestrengte Rechtsbeschwerdeverfahren ist derzeit beim
Bundesarbeitsgericht anhängig (Az: 7 ABR 102/12). In einem weiteren wiederum
den streitgegenständlichen Betrieb 1 betreffenden Verfahren stellte das
Arbeitsgericht Stuttgart durch Beschluss vom 23. Januar 2013 fest, dass die
Bestellung von Kommunikationsbeauftragten durch den Betriebsratsbeschluss
vom 27. September 2012 unwirksam sei und verpflichtete den Betriebsrat, diese
tatsächlich nicht einzusetzen (Arbeitsgericht Stuttgart 23. Januar 2013 - 32 BV
301/12 - nicht veröffentlicht). Das Arbeitsgericht sah den Betriebsratsbeschluss
vom 27. September 2012 aus formellen Gründen - mangels Einhaltung der
Ladungsfrist zur entsprechenden Betriebsratssitzung - als unwirksam an; eine
Auseinandersetzung, ob der Beschluss gegen materielles Recht verstößt, erfolgte
in den Gründen nicht. Die gegen diesen arbeitsgerichtlichen Beschluss beim
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde (LAG Baden-
Württemberg - 21 TaBV 2/13 -) endete insoweit durch Beschluss des
Landesarbeitsgerichts vom 19. August 2013 durch Einstellung des Verfahrens
aufgrund vorangegangener Erledigterklärung aller am Verfahren Beteiligten.
11 Nachdem das Arbeitsgericht Stuttgart die Betriebsratsbeschlüsse betreffend die
Bestellung von Kommunikationsbeauftragten vom 27. September 2012 aus
formellen Gründen am 23. Januar 2013 für wirksam befunden hatte, wurde eine
neuerliche Bestellung von Kommunikationsbeauftragten eingeleitet. Der
Betriebsrat wies die sechs im Betrieb 1 gebildeten sogenannten
Koordinationsausschüsse in der ersten Hälfte des Monats März 2013 an,
Kandidaten hierfür vorzuschlagen. Die Koordinationsausschüsse wurden auf
Grundlage der Rahmengeschäftsordnung des Betriebsrats vom 2. Dezember 2012
(RGO) gebildet. Eine Aufgabe dieser Ausschüsse besteht danach darin,
Vorschläge für die Benennung von Beauftragten des Betriebsrats aus dem
jeweiligen Koordinationsbereich zu erstellen.
12 Im Rahmen einer Betriebsratsausschusssitzung mit der Werkleitung vom 27. März
2013 äußerte der Personalleiter der Arbeitgeberin, Herr M., gegenüber dem
Betriebsratsvorsitzenden seine Erwartung, dass alle Fraktionen innerhalb des
Betriebsrats künftig bei der Benennung der Beauftragten Berücksichtigung fänden.
13 In den Koordinationsausschüssen wurden von den der IG Metall angehörigen
Mitgliedern jeweils Vorschläge zur Benennung von Kommunikationsbeauftragten
zur Bestellung durch den Betriebsrat erarbeitet (vgl. hierzu Vorschlagslisten in der
Anlage zur Antragsschrift, Bl. 28 bis 43 der Akten-ArbG). Auch die Antragsteller
unterbreiteten in den Kommunikationsausschüssen Vorschläge, die von den
Koordinationsausschüssen jedoch zurückgewiesen wurden. Daraufhin sandten
die Antragsteller ihre Vorschläge direkt dem Betriebsratsvorsitzenden zu.
14 In der Betriebsratssitzung vom 11. April 2013, zu der der Betriebsratsvorsitzende
mit Schreiben vom 5. April 2013, bezüglich dessen Einzuhalten vollinhaltlich auf Bl.
44 der Akten verwiesen wird, einlud, bestellte der Betriebsrat diejenigen Personen
zu Kommunikationsbeauftragten für den Betrieb 1, die die
Koordinationsausschüsse vorgeschlagen hatten. Die Abstimmung über die
Vorschläge zur Bestellung der Kommunikationsbeauftragten erfolgte dabei
folgendermaßen: Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, der die
Betriebsratssitzung am 11. April 2013 wegen Verhinderung des
Betriebsratsvorsitzenden leitete, erklärte, dass keine Verhältniswahl erfolge,
sondern über die Vorschläge getrennt durch Mehrheitsbeschluss entschieden
werde. Bezüglich der einzelnen Betriebsbereiche wurden zunächst die Vorschläge
der Koordinationsausschüsse zur Abstimmung gestellt. Dabei wurde gefragt, wer
gegen den Vorschlag sei und die Nein-Stimmen wurden daraufhin vom
Versammlungsleiter gezählt. Dann wurde gefragt, wer sich enthalte und die
Einhaltungen wurden gezählt. Wer zustimme wurde daraufhin nicht mehr
ausdrücklich gefragt. Vielmehr stellte der Sitzungsleiter die Differenz zwischen
Nein-Stimmen und Enthaltungen einerseits und der Zahl der anwesenden
Betriebsratsmitglieder andererseits fest und verlautbarte dem Betriebsratsgremium,
dass die sich daraus ergebende Zahl zugestimmt habe. Diese Zahl wurde im
Protokoll der Betriebsratssitzung als Ja-Stimmen festgehalten. Anschließend
wurde über die Vorschläge der Antragsteller in umgekehrter Reihenfolge
abgestimmt, also es wurde zunächst abgefragt, wer zustimme und sodann, wer
sich enthalte. Diese Stimmen wurden jeweils notiert. Die Differenz zwischen Ja-
Stimmen und Enthaltungen auf der einen Seite und der Zahl der bei der
Abstimmung anwesenden Betriebsratsmitglieder auf der anderen Seite wurde
dann als Gegenstimmen ins Protokoll aufgenommen. Hinsichtlich der Einzelheiten
des Abstimmungsvorgangs und des Ergebnisses der Abstimmungsvorgänge wird
vollinhaltlich auf Auszüge aus dem Betriebsratsprotokoll Nr. 04/2013 (datiert) vom
16. April 2013 (Bl. 22 bis 27 der Akten-ArbG und Bl. 121 bis 127 der Akten) und auf
die Anwesenheitsliste der Sitzung des Betriebsrats am 11. April 2013 (Bl. 118 bis
120 der Akten) verwiesen. Unter dem Datum 25. Juni 2013 berichtigte der
Schriftführer des Protokolls der Betriebsratssitzung 04/13 vom 11. April 2013 das
von ihm unter dem Datum 16. April 2013 erstellte Protokoll auf Seite 2
dahingehend, dass zu Beginn der Sitzung nicht 45, sondern 43
Betriebsratsmitglieder anwesend gewesen seien (vgl. Protokollberichtigung vom
25. Juni 2013, Bl. 130 der Akten-ArbG).
15 Hinsichtlich des weitergehenden erstinstanzlich streitigen Sachvortrags der
Beteiligten einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf den nicht angegriffenen
Sachverhalt des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 6. August 2013
(Seiten 5 bis 10 des Beschlusses, Bl. 148 bis 153 der Akten-ArbG) in
entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG verwiesen.
16 Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Antragsteller,
17 1. festzustellen, dass die Beschlüsse des Beteiligten zu 7 vom 11. April 2013,
Tagesordnungspunkt 2 der Tagesordnung, betreffend die Bestellung von
Kommunikationsbeauftragten, unwirksam seien
18 2. den Beteiligten zu 7 zu verpflichten, die in der Sitzung vom 11. April 2013
bestellten Kommunikationsbeauftragen tatsächlich nicht einzusetzen,
19 3. den Beteiligten zu 7 zu verpflichten, bei der Beschlussfassung über Anträge
durch den Sitzungsleiter die Zahl der zustimmenden Betriebsratsmitglieder
zahlenmäßig festzustellen,
20 vollumfänglich zurückgewiesen und ist soweit dem Zurückweisungsantrag des
Beteiligten zu 7 gefolgt.
21 Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, zwar bestünden gegen die
Zulässigkeit der Anträge keine Bedenken, wobei Antrag Ziffer 3
auslegungsbedürftig sei. Die Anträge seien jedoch allesamt unbegründet. Was die
Vereinbarkeit der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten mit materiellem
Recht anbelange, schließe es sich uneingeschränkt den Auffassungen der 20.
Kammer und der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in
deren Entscheidungen vom 26. Juli 2010 (20 TaBV 3/09) und vom 6. September
2012 (3 TaBV 2/12) an. Die Kommunikationsbeauftragten des Betriebsrats, die
nicht in einer Organstruktur zusammengefasst seien, stellten weder eine „andere
Arbeitnehmervertretungsstruktur“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG noch eine
„zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer“ nach § 3
Abs. 1 Nr. 5 BetrVG dar. Jedenfalls seien sie dann keine mit der Stellung des
Betriebsrats unvereinbare und deshalb betriebsverfassungsrechtlich unzulässige
Nebenvertretung der Arbeitnehmer, wenn der Betriebsrat ungeachtet ihrer Existenz
seine Mitwirkungsrechte sowohl autonom als auch effektiv nutzen könne und auch
nutze. Die Bestellung der Kommunikationsbeauftragte könne durch
Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats erfolgen, die Verhältniswahl sei kein
allgemeines Prinzip der Betriebsverfassung und sei auch nicht aus Gründen des
Minderheitenschutzes bei der Bestellung solcher Beauftragter des Betriebsrats
geboten. Auch die Beschlüsse des Betriebsrats vom 11. April 2013 betreffend die
Bestellung der Kommunikationsbeauftragten sei formell ordnungsgemäß zustande
gekommen. Es liege eine Abstimmung und eine Mehrheitsfindung vor, die den
Anforderungen des Betriebsverfassungsrechts genüge. Dass der Sitzungsleiter
teilweise nicht gefragt habe, wer den Vorschlägen der Koordinationsausschüsse
zur Benennung der Kommunikationsbeauftragten zustimme, nachdem er die Nein-
Stimmen und die Enthaltungen abgefragt und gezählt habe, führe nicht dazu, dass
die Beschlüsse nicht mehrheitlich gefasst worden seien. Zwar gebe es keine
stillschweigende Beschlussfassung derart, dass die Untätigkeit des Betriebsrats
einen Beschluss erzeugen könne, ein Beschluss könne aber durch ein „beredtes
Schweigen“ zustande kommen, so etwa dann, wenn der Sitzungsleiter zunächst
die Nein-Stimmen und Enthaltungen abgefragt und gezählt habe und dann die
Differenz zwischen Nein-Stimmen und Enthaltungen einerseits und der Zahl der
anwesenden Betriebsratsmitglieder andererseits ermittelt und verlautbart habe,
dass dies sich daraus ergebende Zahl zugestimmt habe, ohne dass sich
hiergegen Widerspruch erhebe. In einem solchen Falle sei das Schweigen der
Betriebsratsmitglieder, die nicht mit „Nein“ gestimmt oder sich enthalten hätten,
eine Erklärung ohne Worte und als Zustimmung zu werten. Auch aus anderen
Gründen könne keine verfahrensfehlerhafte Vorgehensweise des Betriebsrats
angenommen werden, die zur Nichtigkeit der getroffenen Beschlüsse vom 11. April
2013 führten. Es sei nicht verfahrensfehlerhaft über Vorschläge abgestimmt
worden, über die gar nicht hätte abgestimmt werden dürfen. Die
Koordinationsausschlüsse hätten bloße Vorschläge unterbreitet, über die die
Betriebsratsmitglieder, wie auch über die Vorschläge der Antragsteller, autonom
und ohne eine irgend geartete Bindung abgestimmt hätten. Auch ein Verstoß
gegen Ziffer 1.1 Abs. 3 der der Bestellung der Kommunikationsbeauftragten zu
Grunde liegenden Betriebsvereinbarungen, wonach sichergestellt werden müsse,
dass die Beauftragten von den Vorgesetzten und den Gruppen akzeptiert würden,
führe nicht zur Nichtigkeit der Beschlussfassungen vom 11. April 2013 betreffend
die Kommunikationsbeauftragten. Soweit der Antragsteller insoweit vortragt, eine
derartige Akzeptanzprüfung sei unterblieben, sei dies unerheblich, auch wenn man
diesen Vortrag als zutreffend unterstellen. Bei dem in den Betriebsvereinbarungen
geregelten Erfordernis handle es sich allenfalls um ein Verfahrenserfordernis im
Vorfeld der Beschlussfassung, dessen Einhaltung für das ordnungsgemäße
Zustandekommen eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses jedenfalls nicht als
wesentlich angesehen werde und somit nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse führen
könne.
22 Seien die Kommunikationsbeauftragten durch die Beschlüsse des Betriebsrats am
11. April 2013 rechtwirksam bestellt, könnten die Antragsteller keinen Anspruch
darauf haben, dass der Betriebsrat die Kommunikationsbeauftragten tatsächlich
nicht einsetze. Seien auch Abstimmungssachverhalte vom Globalantrag erfasst,
bei denen es keiner zahlenmäßigen Festlegung der Zustimmung
Betriebsratsmitglieder bedürfe, wie sie die Antragsteller begehrten, sei er zwar
zulässig, aber unbegründet. Solche Sachverhalte seien hingegen möglich.
23 Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 15. August
2013 (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 165 der Akten-ArbG) zugestellten Beschluss
richtet sich dessen am 19. August 2013 mit anwaltlichem Schriftsatz eingegangene
und gleichzeitig begründete Beschwerde (vgl. gerichtlicher Eingangsstempel Bl. 1
der Akten).
24
Die Antragsteller tragen noch vor,
25 das Betriebsverfassungsgesetz habe in allen Passagen, in denen es um eine
repräsentative Tätigkeit von Betriebsratsmitgliedern für den Betriebsrat gehe, den
Minderheitenschutz in Form des Verhältniswahlrechts etabliert. Schafften
Arbeitgeber und Betriebsrat im Gesetz nicht vorgesehene Strukturen und
bestimme der Betriebsrat zu deren Besetzung Personen, die an seiner Stelle
keineswegs nur als marginal zu bezeichnenden Aufgaben und Tätigkeiten,
nämlich kommunikative und handlungsorientierte Tätigkeiten zur Entlastung des
Betriebsrats, wahrnähmen, sei der Minderheitenschutz zu beachten. Bei der
Aufgabenübertragung an die Kommunikationsbeauftragten handle es sich nicht
um bloße Aufgabenunterstützung des Betriebsrats, sondern um Kommunikation,
also um inhaltliche Aussagen und Fragestellungen, die für und vom Betriebsrat
abgegeben würden und für die er verantwortlich sei. Nur durch Beachtung des
Minderheitenschutzes sei insoweit gewährleistet, dass die vom Wähler
ausdrücklich gewollte Vielfalt innerhalb eines Betriebsrats auch von den
ersatzweise eingesetzten „Hilfsfunktionären“ widergespiegelt werde und nur durch
diese Widerspiegelung sei es möglich, einen demokratischen
Repräsentationsprinzipien genügendes Legitimationsprofil zu schaffen. Ansonsten
bestehe die konkrete, keineswegs nur abstrakte Gefahr, dass die
Betriebsratsmehrheit in der Lage sei, ihre eigene Sicht der Dinge ohne Rücksicht
auf ergänzende oder abweichende Meinungen von auch im Betriebsrat
vertretenen „Fraktionen“ durchzusetzen, kommunikative Vorgänge ausschließlich
in ihrem Sinne zu steuern, zu beeinflussen und so die Minderheit eines Betriebsrat
an einer effektiven Kommunikation mit der Belegschaft zu hindern. Letztendlich
seien die Kommunikationsbeauftragten nichts anderes als ein kommunikativer
Cordon, eine von der Betriebsratsmehrheit gesteuerte Dornenhecke, die den
Betriebsrat die Gelegenheit gebe, sich der direkten Kommunikation mit der
Belegschaft zu entziehen, indem alle diesbezüglichen Aufgaben an ihre
Beauftragten outgesourct würden.
26 Die wirksame Feststellung einer Mehrheitsbildung in der streitgegenständlichen
Betriebsratssitzung bezüglich der zur Abstimmung gestellten Vorschläge der
Koordinationsausschüsse sei nicht festgestellt worden. Es sei unzulässig, bei einer
negativen Feststellung von Nein-Stimmen und sich enthaltenden Stimmen stehen
zu bleiben, denn der Abstimmungsvorgang als solcher sei unter theologischen
Gesichtspunkten zu würdigen und auch der Abstimmungsmodus und die
Abstimmungsreihenfolge hätten sich daran zu orientieren, welche Zielrichtung eine
Abstimmung habe. Ein in die Betriebsratssitzung eingebrachter Antrag habe den
Sinn und Zweck, angenommen zu werden. Es sei grundsätzlich sachgerecht und
sinnvoll, zunächst danach zu fragen, ob ein Antrag angenommen werde bzw. die
Frage zu stellen, wer für den Antrag stimme. Die Ablehnung ergebe sich lediglich
negativ aus der fehlenden Annahme. Diejenigen, die einem Antrag zustimmten,
hätten sich durch positive Stimmabgabe zur Annahme des Antrags zu bekennen.
Ist die festgestellte Stimmenzahl, bezogen auf die Zahl der stimmberechtigten
Personen, die Mehrheit, habe die Abfrage der Gegenstimmen und der
Enthaltungen keine entscheidende Bedeutung mehr. Diese Situation sei hingegen
nicht gegeben, wenn negativ abgefragt werde, wer gegen einen Antrag sei
und/oder sich der Abstimmung enthalte. Ein beredtes Schweigen sei deshalb
keine mögliche Abstimmungsform. In einer Demokratie beinhalte die Berechtigung
zur Stimmabgabe auch und gerade dann, wenn es sich um eine repräsentative
Form der Demokratie in Form der Wahl von Betriebsratsmitgliedern handele, ein
Bekenntnis, das nach außen trete und deutlich werde. Es reiche insoweit auch
nicht aus, dass der Versammlungsleiter in der streitgegenständlichen
Betriebsratssitzung am 11. April 2013 nach Feststellung der ablehnenden Stimmen
und nach Feststellung der Enthaltungen die Differenz zwischen Nein-Stimmen und
Enthaltungen einerseits und der Zahl der anwesenden Betriebsratsmitglieder
andererseits ermittelt und verlautbart habe. Zum einen sei es nicht Aufgabe des
Sitzungsleiters, Rechenaufgaben zu bewältigen, vielmehr nur, Zählungen
vorzunehmen. Entscheidend aber sei, dass die konkrete Gefahr bestehe, dass
nicht konkret feststellbar gewesen sei, wie viele Betriebsratsmitglieder während
des aktuellen Abstimmungsvorgangs überhaupt anwesend gewesen seien. In den
Betriebsratssitzungen sei es üblich, dass sie des öfteren nach Art eines
Bienenhaus abliefen, das heiße, es sei ein ständiges Kommen und Gehen.
Betriebsratsmitglieder, die sich als anwesend eingetragen hätten, verließen die
Sitzung vorübergehend, andere Betriebsratsmitglieder, die noch nicht anwesend
gewesen seien, kämen hinzu und gingen vielleicht auch wieder. Diese Lässigkeit
im Umgang mit der korrekten Stimmabgabe möge locker wirken und Ausdruck
überlegenen Machtgefühls der Mehrheitsfraktion im Betriebsratsgremium sein, sei
aber mit der Formstrenge des Betriebsverfassungsrechts nicht zu vereinbaren. Ein
Mindestmaß demokratischer Transparenz und Offenheit und ein Mindestmaß an
Formstrenge sei aber die Grundlage für jede ordnungsgemäße
betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeit. Nur wenn exakt festgestellt werde, ob ein
Antrag, der in einer Betriebsratssitzung zur Abstimmung gebracht worden sei, eine
tatsächliche Mehrheit gefunden habe, könne die Basis für das Handeln des
Betriebsrats und damit die Gestaltung des betrieblichen Geschehens im Betriebe
bilden. Deshalb sei es völlig unproblematisch, dass dann, wenn zunächst positiv
abgefragt werde, wer einem gestellten Antrag zustimme, der Frage nach den
Gegenstimmen und der Enthaltungen in der Sache wenig Bedeutung zukomme,
wenn die Zahl der zustimmenden Stimmen die Mehrheit der stimmberechtigten
Personen abbilde. Daraus rechtfertige sich auch der nunmehr zur Entscheidung
gestellte Globalantrag betreffend die Verpflichtung des Betriebsrats gegenüber
dem Sitzungsleiter zur Feststellung der Mehrheit der zum Zeitpunkt der
Stimmabgabe stimmberechtigten Betriebsratsmitglieder.
27
Die Antragsteller beantragen nunmehr,
28
den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06. August 2013 - 16 BV
78/13 - abzuändern und
29
1. festzustellen, dass die Beschlüsse des Beteiligten 7 vom 11.04.2013,
Tagesordnungspunkt 2 der Tagesordnung, betreffend die Bestellung von
Kommunikationsbeauftragten unwirksam seien,
30
2. den Beteiligten zu 7 zu verpflichten, die in der Sitzung vom 11.04.2013
bestellten Kommunikationsbeauftragten tatsächlich nicht einzusetzen,
31
3. den Antragsgegner zu verpflichten, bei der Beschlussfassung über
Anträge durch den Sitzungsleiter die Annahme eines Antrags nur dann
festzustellen und bekannt zu geben, wenn die Aufforderung, bekannt zu
geben, wer einem Antrag zustimme, von der Mehrheit der zum Zeitpunkt der
Stimmabgabe stimmberechtigten Betriebsratsmitgliedern mit einer positiven
aktiven Meinungsäußerung beantwortet werde.
32
Der Betriebsrat beantragt,
33
die Beschwerde zurückzuweisen.
34
Die Arbeitgeberin stellt keinen Antrag.
35
Der Betriebsrat trägt noch vor,
36 der Sitzungsleiter habe wirksame Beschlüsse in der Weise herbeiführen können,
dass er unter Feststellung und Protokollierung der Anzahl der tatsächlich
anwesenden Betriebsratsmitglieder, wie aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich, sich
auf zwei von drei möglichen Abstimmungsfragen (Dafür/Dagegen/Enthaltungen)
beschränkte, um die Dauer der Sitzung nicht unzumutbar zu verlängern. Nach der
Auszählung und der Nein-Stimmen und nach Auszählung der Enthaltungen habe
der Sitzungsleiter die Differenz zwischen Nein-Stimmen und Enthaltungen
einerseits und der Zahl der anwesenden Betriebsratsmitglieder andererseits
festgestellt und allen Betriebsratsmitgliedern gegenüber verlautbart, dass die sich
daraus ergebende Zahl dem zur Entscheidung gestellten Antrag zugestimmt habe.
Kein anwesendes Betriebsratsmitglied habe sich dahingehend erklärt, an der
Abstimmung nicht teilnehmen zu wollen oder habe in sonstiger Weise Widerspruch
erhoben. Außerdem sei von keinem der an der Abstimmung Beteiligten, auch nicht
vom Sitzungsleiter, ein Hinweis darauf festgestellt worden, dass ein oder mehrere
Betriebsratsmitglieder eingeschlafen oder ohnmächtig geworden seien. Aus dem
Protokoll sei auch immer ersichtlich, welches Betriebsratsmitglied zum Zeitpunkt
des Beginns der Sitzung und der jeweiligen Abstimmung anwesend gewesen sei.
Dies ergebe sich zum einen aus der Anwesenheitsliste, zum anderen aus der
Tatsache, dass im Protokoll immer namentlich vermerkt worden sei, welche der
Mitglieder des Betriebsrat den Raum verlassen oder betreten hätten. Es sei weder
gesetzlich vorgeschrieben in welcher Reihenfolge die Abstimmungsfragen gestellt
würden, noch ergebe sich dies aus allgemeinen Vorschriften oder rechtlichen
Grundsätzen oder dem Demokratieprinzip.
37 Die beim Betriebsrat von den Koordinationsausschüssen eingereichten
Vorschläge seien nicht präjudiziell für die Entscheidung des Betriebsrats. Die
Mitglieder des Betriebsrats seien berechtigt gewesen, in der Sitzung
Gegenvorschläge zu unterbreiten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der
Betriebsrat in dieser Sitzung auch über die Gegenvorschläge der Antragsteller
abgestimmt habe.
38 Bei den Kommunikationsbeauftragten handle es sich um Hilfsmittel des
Betriebsrats und nicht um irgendwelche Organe oder Nebenvertretungen des
Betriebsrats.
39 Ob die Koordinationsausschüsse die Personen der Beauftragten des Betriebsrats
vorgeschlagen hätten oder ob diese Vorschläge von einzelnen Mitgliedern des
Betriebsrats zur Abstimmung vorgelegt würden, sei unerheblich, da sämtliche
vorgelegte Vorschläge zur Abstimmung gebracht worden seien. Es komme daher
nicht darauf an, von wem die Vorschläge, die zur Abstimmung gestellt würden,
stammten. Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller werde dadurch nicht
verhindert, dass andere Vorschläge zur Abstimmung gelangten.
40 Die Kommunikationsbeauftragten des Betriebsrats stellten auch keine vom
Betriebsrat gesteuerte Dornenhecke dar, die dem Betriebsrat Gelegenheit gebe,
sich der direkten Kommunikation mit der Belegschaft zu entziehen. Vielmehr sei im
Hinblick auf die große Anzahl von Belegschaftsmitgliedern und der dazu relativ
geringen Anzahl von Betriebsratsmitgliedern die Chance für die Mitglieder der
Belegschaft gewährleistet, ihre persönlichen Fragen und Belange in Richtung
Betriebsrat ohne viel Aufwand und Wartezeiten vorbringen zu können. Darüber
hinaus sei den Mitgliedern der Belegschaft auch der direkte Kontakt mit den
Mitgliedern des Betriebsrats nicht verbaut. Diese könnten auch weiterhin im
direkten Kontakt mit den Betriebsratsmitgliedern aufnehmen.
41 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf
die Protokolle über die erst- und zweitinstanzlichen mündlichen Anhörungstermine
verwiesen.
42 Im Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht am 12. März 2014 hat der
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller auf Frage des Vorsitzenden, ob er den
an das Arbeitsgericht Stuttgart gerichteten und zunächst nicht unterschriebenen
Antrag auf Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, der
unterschrieben im Original am 29. April 2013 beim Arbeitsgericht einging (vgl.
gerichtlicher Eingangsstempel Bl. 56 der Akten-ArbG) zuvor beim Arbeitsgericht,
wie von diesem im Tatbestand des mit der Beschwerde angegriffenen
Beschlusses vom 6. August 2013 (vgl. II. 1. b) der Entscheidungsgründe, Seite 11
- Bl. 154 der Akten-ArbG) am 25. April 2013 vorab per Telefax in unterschriebener
Form beim Arbeitsgericht eingereicht habe, dass dies so gewesen sei. Einen
Sendenachweis habe er jedoch aktuell nicht zur Hand. Die
Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 7 und 8 konnten zur Frage des
Eingangs des unterschriebenen Antragsschriftsatzes vorab per Telefax beim
Arbeitsgericht Stuttgart am 25. April 2013 nichts beitragen.
Entscheidungsgründe
43
B. Entscheidungsgründe
44
I. Zulässigkeit der Beschwerde
45 1. Die Beschwerde der Antragsteller ist gem. § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Sie ist
auch form- und fristgerecht im Sinne der §§ 87 Abs. 2, 90 Abs. 1, 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO in der gesetzlichen Form und
Frist eingelegt und innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist begründet worden.
46 2. Die Beschwerde ist auch im Hinblick auf die Anforderungen des § 89 Abs. 2
Satz 2 ArbGG zulässig. Die Antragsteller setzen sich in hinreichendem Maße mit
den Gründen auseinander, mit denen das Arbeitsgericht ihren Anträgen nicht
stattgegeben hat.
47 3. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Beschwerde bestehen nicht.
48
II. Begründetheit der Beschwerde
49 Die Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet.
50
1. Zulässigkeit der Anträge der Antragsteller
51 a) Die im Rahmen der Beschwerde gestellten Anträge sind zulässig, insbesondere
ist deren Streitgegenstand gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren entsprechend Anwendung findet (BAG
17. Juni 2008 AP Nr. 47 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung Rn. 11) hinreichend
bestimmt. Es ist ersichtlich, welcher konkrete Beschluss des Betriebsrats vom 11.
April 2013 betreffend welchen konkreten Tagesordnungspunkt unwirksam sein
soll und zu was konkret der Betriebsrat verpflichtet werden soll (das
Nichteinsetzen von Kommunikationsbeauftragten entsprechend deren in
Betriebsvereinbarungen vereinbarten Aufgaben und die Feststellung und
Bekanntgabe eines Betriebsratsbeschlusses nur unter einer - ihrerseits
bestimmten - tatsächlichen Bedingung). Soweit es sich bei Antrag Ziffer 3 um
einen Globalantrag handelt, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher künftiger
Fallgestaltungen erfasst, weil er ausnahmslos auf alle denkbaren künftigen Fälle
der Beschlussfassung durch den Betriebsrat gerichtet ist, steht seiner
Bestimmtheit nicht entgegen. Ob der Antrag für sämtliche Fälle berechtigt ist,
betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit des Antrags (ständige
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, etwa BAG 20. November 2012 - 1
AZR 179/11 - in NZA 2013, 448 Rn. 25).
52 b) Für die streitgegenständlichen Anträge der Antragsteller findet auch das
Beschlussverfahren gem. § 2 a Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statt. Die Antragsteller
machen jeweils als Betriebsratsmitglieder Ansprüche gegen das
Betriebsratsgremium aus dem Betriebsverfassungsgesetz geltend und wollen
damit die Wirksamkeit eines Gremiumsbeschlusses in Frage stellen und den
Betriebsrat zu einem bestimmten Handeln verpflichtet sehen.
53 c) Die einzelnen Betriebsratsmitglieder sind antragsberechtigt im Sinne des § 81
Abs. 1 ArbGG und es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller an
allen drei zur Entscheidung gestellten Anträgen. Die Wirksamkeit von
Betriebsratsbeschlüssen kann von Betriebsratsmitgliedern, die sich dadurch in
ihren Rechten verletzt sehen, grundsätzlich im Rahmen eines
Feststellungsantrags im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO im Beschlussverfahren einer
arbeitsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden. Der Antrag Ziffer 1 ist auch nicht
fristgebunden. Zwar ist auf die Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen die 2-
Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG grundsätzlich analog anwendbar
(BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 58/03 - in AP Nr. 13 zu § 47 BetrVG 1972). Da
vorliegend aber keine Wahl der Kommunikationsbeauftragten im engen Sinne
stattfand, diese vielmehr durch Mehrheitsbeschluss des Betriebsratsgremiums
bestellt wurden, verbietet sich eine Analogie, da es bereits an einer
Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt (ebenso LAG Baden-Württemberg 6.
September 2012 - 3 TaBV 2/12 - juris). Auf die Frage, ob die 2-Wochen-Frist durch
Einreichung des Antragsschriftsatzes per Telefax am 25. April 2013 - das sich
nicht in den Akten befindet - gewahrt ist, kommt es danach nicht an. Auch
betreffend die übrigen Anträgen besteht ein Rechtsschutzinteresse der
Antragsteller. Folge eines unwirksamen Beschlusses des Betriebsrats wäre
dessen Verpflichtung, die durch Beschluss bestellten
Kommunikationsbeauftragten tatsächlich nicht im Betrieb der Arbeitgeberin
einzusetzen. Durch den Einsatz der Kommunikationsbeauftragten im Betrieb
könnten die Antragsteller in ihrer Stellung als Betriebsratsmitglieder tatsächlich
beeinträchtigt werden, da die Kommunikationsbeauftragten unter anderem
Kommunikation zwischen Belegschaft und Betriebsrat und damit auch zwischen
Belegschaft und Betriebsratsmitgliedern betreiben/unterstützen sollen. Auch in
Klagantrag Ziffer 3 in der Beschwerde streitgegenständlichen Fassung besteht ein
Rechtsschutzbedürfnis für die Antragsteller. Es handelt sich dabei nicht um ein
bloßes Rechtsgutachten. Vielmehr halten die Antragsteller ein bestimmtes
Handeln des Betriebsrats (Feststellung und Bekanntgabe eines
Abstimmungsergebnisses des Gremiums) für betriebsverfassungswidrig und
unwirksam, wenn dem nicht ein bestimmtes Abstimmungsverhalten der Mehrheit
der anwesenden Betriebsratsmitglieder bei beschlussfähigem
Betriebsratsgremium vorausgegangen ist. Im Hinblick auf die immer
wiederkehrende Beschlussfassungen in einem Betriebsratsgremium und die
Frage einer betriebsverfassungsgemäßen bzw. betriebsverfassungswidrigen
Feststellung von Abstimmungsergebnissen und der möglichen Sanktionen von
betriebsverfassungswidrigem Verhalten (etwa im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG),
ist ein aktuelles Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller zu bejahen. Ob der
Antragsgegner der begehrten Verpflichtung, vorliegend nach dem Antrag der
Antragsteller „der Betriebsrat“ und/oder (nur) der Sitzungsleiter und/oder (nur) der
Betriebsratsvorsitzende bzw. dessen Stellvertreter hierzu gegebenenfalls
verpflichtet sind, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine Frage der
Begründetheit des Antrags.
54 d) Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Anträge bestehen nicht.
55
2. Begründetheit der Anträge Ziffer 1 und Ziffer 2
56 Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass diese Anträge in der Sache ohne
Erfolg bleiben. Der streitgegenständliche Beschluss des Betriebsrats vom 11. April
2013 - Tagesordnungspunkt 2 - ist wirksam. Infolgedessen ist auch der Antrag
Ziffer 2 unbegründet, nachdem die Kommunikationsbeauftragten durch den
Beschluss vom 11. April 2013 rechtswirksam bestellt wurden und sie deshalb
tatsächlich vom Betriebsrat im Rahmen ihrer in den beiden
Betriebsvereinbarungen geregelten Aufgaben eingesetzt werden dürfen.
57 a) Die Kammer schließt sich betreffend die Vereinbarkeit der Bestellung der
Kommunikationsbeauftragten mit materiellem Recht den zutreffenden und
erschöpfenden Ausführungen des Arbeitsgerichts einschließlich der dort
enthaltenen Verweisungen auf mehrere Entscheidungen von mehreren Kammern
des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (vgl. II. 2. a) aa) bis bb) (1), Seiten
12 bis 14 des Beschlusses des Arbeitsgerichts, Bl. 155 bis 157 der Akten-ArbG)
vollinhaltlich an und verzichtet zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf deren
nochmalige Wiedergabe.
58 b) Im Hinblick auf die Ausführungen der Antragsteller in der Beschwerde ist dem
noch Folgendes hinzuzufügen:
59 aa) Bei den Tätigkeiten der Kommunikationsbeauftragten handelt es sich nicht um
betriebsverfassungsrechtliche (Teil)Tätigkeiten, sondern um eine bloße
Aufgabenunterstützung des Betriebsrats. Bei den Aufgaben der
Kommunikationsbeauftragten handelt es sich jedenfalls gem. Ziffer 1.2 der
einschlägigen Betriebsvereinbarungen bei der Verteilung von Informationsmaterial
und der Erledigung von bestimmten Aufträgen des Betriebsrats um bloße
Hilfstätigkeiten für den Betriebsrat. Zuzugeben ist den Antragstellern, dass die in
den Betriebsvereinbarungen weiter genannte Aufgabe der „Unterstützung des
Betriebsrats bei der Meinungsbildung“ - salopp gesagt - nebulös erscheint.
Hingegen gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass darin
Teilkompetenzen des Betriebsratsgremiums, dessen Mitglieder oder von
Betriebsratsausschüssen zu sehen sind, die über die Annahme bloßer
Botentätigkeit in beide Richtungen (Betriebsrat-Belegschaft/Belegschaft-
Betriebsrat) hinausgehen. Die bloße Befürchtung der Antragsteller, durch diese
Aufgabenzuweisung würden Bereiche von (individueller) Betriebsratstätigkeit an
„Hilfsfunktionäre“ ausgegliedert bzw. ihre Einschätzung, die
Kommunikationsbeauftragten seien nichts anderes als eine „Dornenhecke“, die
dem Betriebsrat die Gelegenheit gebe, sich der direkten Kommunikation mit der
Belegschaft zu entziehen, genügen nach Auffassung der erkennenden Kammer
hierfür nicht. Dafür hätte es tatsächliche Anhaltspunkte bedurft, insbesondere
auch solcher, dass konkrete Tätigkeiten von Kommunikationsbeauftragten diese
Befürchtung/Einschätzung erfüllen und aus Sicht der Beteiligten zum
Aufgabenbereich der Kommunikationsbeauftragten tatsächlich gehören. Ein
Tätigwerden eines Kommunikationsbeauftragten wider den inhaltlichen
Tätigkeitsvorgaben der Betriebsvereinbarungen und den Vorstellungen der
Betriebspartner im Bereich der Kommunikationsunterstützung führt nicht ohne
Weiteres dazu, dass die Betriebsvereinbarungen ganz oder teilweise unwirksam
sind.
60 bb) Als bloße „Sachmittel“ des Betriebsrats im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG ist
ein Minderheitenschutz in Form der Verhältniswahl deshalb nicht notwendig. Dies
fordert weder das Betriebsverfassungsgesetz noch eine Ausprägung des in Art.
20 Abs. 1 GG verankerten Demokratieprinzips.
61 c) Auch hinsichtlich des formell ordnungsgemäßen Zustandekommens des
streitgegenständlichen Betriebsratsbeschlusses vom 11. April 2013 im Hinblick auf
die Abstimmung und Mehrheitsfindung durch den stellvertretenden
Betriebsratsvorsitzenden als Sitzungsleiter, schließt sich die erkennende Kammer
vollinhaltlich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. a) bb)
(2) (a) und (b) (Seiten 14 bis 18 des Beschlusses, Bl. 157 bis 161 der Akten-ArbG)
an und verzichtet deshalb auch hier auf bloße Wiederholungen.
62 Im Hinblick auf die Ausführungen der Antragsteller in der Beschwerde ist dem
noch Folgendes hinzuzufügen:
63 aa) Nicht zu unterschätzen ist zwar die Argumentation der Antragsteller, dass eine
aktive Zustimmung der Betriebsratsmitglieder zu einem zur Entscheidung
gestellten Antrag an Klarheit betreffend das Zustande- oder
Nichtzustandekommen einer Mehrheit nicht zu überbieten ist. Hingegen sehen
weder das Betriebsverfassungsrecht noch andere gesetzliche Regelungen die
(offene) Abstimmung eines Antrags in der Gremiumssitzung vor. Auch aus
allgemeinen Grundsätzen ist die von den Antragstellern präferierte
Vorgehensweise des Abstimmungsvorgangs bei Feststellung der Mehrheiten - sei
es die Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge, sei es die Art und Weise der
Erklärung der Zustimmung zu einem Antrag - nicht herzuleiten. Auszugehen ist
nämlich zunächst davon, dass jedes im Gremium anwesende Betriebsratsmitglied
als gewählter Vertreter der Belegschaft seine Stimme in eigener Verantwortung
abzugeben hat. Er ist nicht an Weisungen oder Aufträge gebunden (Fitting ua. 26.
Aufl. 2012 zu § 33 BetrVG Rn. 31). Im Hinblick darauf ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass alle Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung
teilnehmen. Will ein Betriebsratsmitglied nicht teilnehmen, auch nicht in Form einer
Stimmenthaltung, muss er seine Nichtteilnahme ausdrücklich in der Sitzung
erklären (Däubler/Kittner/Klebe-Wedde BetrVG 14. Aufl. 2014 zu § 33 Rn. 6 mwN).
Im Zweifelsfall ist der Sitzungsleiter gehalten durch Nachfrage zu klären, ob
Stimmenthaltung oder Nichtteilnahme eines Betriebsratsmitglieds vorliegt. Lässt
sich keine Klärung herbeiführen, ist von einer Stimmenthaltung auszugehen
(HaKo-Düwell BetrVG 4. Aufl. 2014 zu § 33 Rn. 8). Danach kommt auch ein
beredtes Schweigen bzw. schlüssiges Verhalten als Form der Zustimmung oder
der Ablehnung eines Antrags in Betracht, so etwa dann, wenn der Sitzungsleiter
zuerst die Nein-Stimmen und die Enthaltungen abfragt und zählt und dann die
Differenz zwischen Nein-Stimmen und Enthaltungen einerseits und der Zahl der
anwesenden Betriebsmitglieder andererseits ermittelt und dies auch verlautbart.
Hätte der Gesetzgeber insoweit eine besondere Formstrenge walten lassen
wollen, hätte er dies positiv - sei es im Betriebsverfassungsgesetz, sei es in einem
Nebengesetz zum Betriebsverfassungsgesetz - geregelt.
64 bb) Auch aus dem grundgesetzlich verankerten Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1
GG) ergibt sich nichts Anderes. Es ist zwar richtig, dass sich die Annahme eines
Antrags durch positive Akklamation/positives Handeln eindeutig feststellen lässt.
Ein Ausschluss stillschweigenden Verhaltens läuft dem Demokratieprinzip jedoch
jedenfalls nicht generell zuwider.
65 Vorliegend hat der Versammlungsleiter der Betriebsratssitzung vom 11. April
2013 gegenüber den anwesenden Betriebsratsmitgliedern nach der positiven
Abstimmung und Feststellung der Nein-Stimmen und Enthaltungen zur „IG Metall-
Liste“ nicht Halt gemacht. Vielmehr hat er gegenüber den im Sitzungssaal zu
diesem Zeitpunkt anwesenden Betriebsratsmitgliedern verlautbart, dass die sich
aus der Differenz zwischen Nein-Stimmen und Enthaltungen einerseits und der
Zahl der anwesenden Betriebsratsmitglieder andererseits ergebenden Zahl von
Betriebsratsmitgliedern, dem Antrag damit zugestimmt habe. Diese Zahl wurde
auch im Protokoll der Betriebsratssitzung entsprechend der Maßgabe des § 34
Abs. 1 Satz 1 BetrVG festgehalten. Auch das „Bienenhaus“-Argument der
Antragsteller (vgl. hierzu Vortrag der Antragsteller im Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten vom 17. August 2013 auf Seite 15 oben - Bl. 15 der
Akten) ist nicht geeignet, im konkreten Fall zu einer anderen Bewertung zu
gelangen. Ausweislich der von den Antragstellern und dem Betriebsrat
vorgelegten Auszüge des Betriebsratsprotokolls 04/2013 der Betriebsratssitzung
vom 11. April 2013 (vgl. Anlagen zum Antragsschriftsatz, Bl. 22 bis 27 der Akten-
ArbG und Anlage B 8 - 2. Schriftsatzes des Betriebsrats vom 21. Juni 2013, Bl.
121 bis 127 der Akten-ArbG) ist vorliegend konkret im Sitzungsprotokoll und der
Anwesenheitsliste festgehalten, welche konkreten Betriebsratsmitglieder und
wieviel Betriebsratsmitglieder zu Beginn der Betriebsratssitzung im Sitzungssaal
anwesend waren und welche konkreten - namentlich benannten -
Betriebsratsmitglieder danach vor und nach welchen Beschlussfassungen den
Sitzungssaal verlassen oder ihn (wieder) betreten haben. Deshalb ist vorliegend
sichergestellt, dass zum Zeitpunkt der Abstimmung klar war, ob der Betriebsrat
überhaupt beschlussfähig im Sinne des § 33 Abs. 2 BetrVG war und wieviel Ja-
Stimmen für die Feststellung der Mehrheit zur Annahme des zur Entscheidung
gestellten Antrags gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderlich waren.
Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 11. April
2013 insoweit nicht korrekt sind, sind weder offensichtlich, noch von den
Antragstellern konkret behauptet. Allein die größere Schwierigkeit der
Feststellung von Mehrheitsverhältnissen oder die Gefahr, dass in einem
konkreten Fall der Nachweis der Beschlussfassung durch die Mehrheit nicht
möglich ist, genügen nicht, um die Möglichkeit der Stimmabgabe durch ein
„beredtes Schweigen“ auszuschließen.
66
3. Begründetheit des Klagantrags Ziff. 3
67 Der zulässige Globalantrag ist bereits unbegründet, weil auch Konstellationen
denkbar sind, bei denen sich die Abfrage der Ja-Stimmen zu einem zur
Entscheidung gestellten Antrag erübrigt. Dies etwa dann, wenn der
Versammlungsleiter über den Antrag zunächst mit der Abfrage der Nein-Stimmen
und der Enthaltungen beginnt. Ergibt bereits die Summe der Meldungen als Nein-
Stimmen mindestens die Hälfte der Zahl der anwesenden Betriebsratsmitglieder
bräuchte nicht mehr positiv über die Ja-Stimmen abgestimmt werden, nachdem
eine Mehrheit durch Ja-Stimmen nicht mehr zu erreichen wäre. Eine bestimmte
Reihenfolge, beginnend mit der Abfrage von Ja-Stimmen ist nicht ansatzweise
gesetzlich verankert oder aus sonstigen Gründen geboten. Dasselbe gölte auch
dann, wenn alle Betriebsratsmitglieder gegen einen Antrag stimmten und/oder sich
der Abstimmung enthielten.
68
C. Nebenentscheidungen
69 1. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die §§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 2 Abs. 2 GKG
nicht veranlasst.
70 2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ist zuzulassen, nachdem die
Voraussetzungen gem. den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG vorliegen.
71 Rieker Dr. Gienger Wolff