Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 12.08.2015

treu und glauben, richterliche rechtsfortbildung, de lege ferenda, verleiher

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 12.8.2015, 21 Sa 98/14
Faktisches Arbeitsverhältnis
Leitsätze
1) Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung hindert der Besitz der nach § 1 Abs. 1 Satz
1 AÜG erforderlichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eine unmittelbare
Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, wenn der Einsatz des Arbeitnehmers bei
einem Dritten entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt.
Dasselbe gilt, wenn die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines sogenannten
Scheinwerk- oder Scheindienstvertrags erfolgt.
2) Eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kommt bei einer
dauerhaften verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nicht in Betracht.
3) Das Vortäuschen eines Werkvertrags und der damit verbundenen Verschleierung
einer objektiv vorliegenden verdeckten Arbeitnehmerüberlassung führt (nur) dazu,
dass dem betroffenen Arbeitnehmer nicht diejenigen Rechte vorenthalten werden, die
ihm zugestanden hätten, wäre er öfter als Leiharbeitnehmer mit
Überlassungserlaubnis eingesetzt worden. Deshalb kann sich der Entleiher trotz eines
rechtsmissbräuchlichen Vorverhaltens auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
berufen (wie LAG Baden-Württemberg 18. Dezember 2014 - 3 Sa 33/14 -).
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
22.10.2014 - Az: 14 Ca 613/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und
die Beklagte in Folge dessen verpflichtet ist, den Kläger als technischen Zeichner
zu beschäftigen.
2 Der 1974 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber
unterhaltsverpflichtende Kläger war ab 10. Mai 2010 auf der Grundlage des
zwischen ihm und der Firma I. (im Weiteren: I. ) unter dem Datum 4. Mai 2010
abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrags, bezüglich dessen Einzelheiten
vollinhaltlich auf Bl. 4-10 der Akten-Arbeitsgericht verwiesen wird, als technischer
Zeichner bei der Beklagten in deren Werk in S. in deren dortigen Betriebsräumen
tätig. Der Kläger erhielt von der I. für diese Tätigkeiten monatlich zuletzt eine
durchschnittliche Vergütung in Höhe von 3.612,90 EUR brutto auf der Grundlage
der vereinbarten arbeitsvertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.
Grundlage des Einsatzes des Klägers bei der Beklagten waren mehrere zwischen
der Beklagten und der I. abgeschlossenen Verträge über die Erbringung von CAD-
Konstrukteurleistungen. Bezüglich der Einzelheiten dieser Verträge wird
vollinhaltlich auf die von der Beklagten als Anlage B 1 zum Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 16. Juli 2014 vorgelegten Kopien von Angeboten
und Einkaufsabschlüssen (Bl. 40-79 der Akten-Arbeitsgericht) verwiesen. Die
Hauptaufgaben des Klägers bestanden im Rahmen seiner Tätigkeit bei der
Beklagten in der Erstellung von Detailkonstruktionen für Konzept- und
Bauraumuntersuchungen für Bauteile der AdBlue-Tankkonstruktionen für die Lkw-
Sparte der Beklagten. Nach dem 31. Dezember 2013 wurde der Kläger bei der
Beklagten von der I. nicht mehr eingesetzt, nachdem zwischen der Beklagten und
der I. nach dem 31. Dezember 2013 keine Verträge mehr abgeschlossen worden
waren. Im Hinblick darauf hatte die I. ihr Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.
Dezember 2013 gekündigt. Im Rahmen der vom Kläger gegen diese Kündigung
erhobenen Kündigungsschutzklage einigten der Kläger und die I. sich auf ein Ende
ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2013.
3 Die Firma I. verfügt seit 9. Mai 1995 über eine Erlaubnis des Landesarbeitsamts
Baden-Württemberg zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, die ihr vom
Landesarbeitsamt mit Bescheid 22. April 1998, bezüglich dessen Einzelheiten
vollinhaltlich auf Bl. 80 der Akten-Arbeitsgericht verwiesen wird, ab 9. Mai 1995
unbefristet verlängert wurde. Bis jedenfalls einschließlich 31. Dezember 2013
verfügte die I. auch noch über diese Erlaubnis.
4 Hinsichtlich des erstinstanzlich streitigen Vorbringens der Parteien wird gem. den
§§ 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG auf den nicht angegriffenen Tatbestand des Urteils des
Arbeitsgerichts vom 22. Oktober 2014 (Seiten 2 und 3 des Urteils, Bl. 112, 113 der
Akten-Arbeitsgericht) verwiesen.
5 Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Klägers,
6
1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht,
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als technischen Zeichner mit den
Aufgaben CAD-Konstruktion, Detaillierung und Archivierung entsprechend
seiner bisherigen Tätigkeit in der Lkw-Entwicklung, Abteilung TP/ESW zu
beschäftigen,
8 vollumfänglich abgewiesen und ist insoweit den Klagabweisungsanträgen der
Beklagten gefolgt.
9 Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, die zulässigen Anträgen seien
unbegründet. Einen Arbeitsvertrag hätten die Prozessparteien weder ausdrücklich
noch stillschweigend bzw. konkludent geschlossen. Auf der Grundlage des § 10
Abs. 1 Satz 1 AÜG sei zwischen den Parteien ebenfalls kein Arbeitsverhältnis
begründet worden, nachdem dies vorausgesetzt hätte, dass der Vertrag zwischen
dem Verleiher und dem Kläger wegen einer fehlenden Erlaubnis zur
gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung unwirksam sei, woran es vorliegend
fehle. Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG auf den
nach den Behauptungen des Klägers vorliegenden Sachverhalt sei ebenfalls nicht
möglich. Es fehle an einer analogiefähigen planwidrigen Regelungslücke des
Gesetzes. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben scheide als
Anspruchsgrundlage aus, nachdem diese Vorschrift keine hinreichende
Rechtsgrundlage für einen schwerwiegenden Eingriff in die grundgesetzlich
geschützte Vertragsfreiheit biete. Ein Arbeitsverhältnis der Parteien sei auch nicht
im Wege eines Teilbetriebsübergangs gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB von der
Firma I. auf die Beklagten nach Auftragsbeendigung am 31. Dezember 2013
zustande gekommen. Ein solcher Teilbetrieb habe zu keiner Zeit bestanden; der
vage Vortrag des Klägers hierzu widerspreche sich auch in tatsächlicher Hinsicht
mit seiner Behauptung der vollständigen Eingliederung in den Betrieb der
Beklagten in U.. Nachdem ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht
begründet sei, sei auch der vom Kläger geltend gemachte
Beschäftigungsanspruch nicht begründet.
10 Gegen diese dem Kläger am 7. November 2014 (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 119
der Akten-Arbeitsgericht) zugestellte Entscheidung richtet sich seine am 5.
Dezember 2014 mit anwaltlichem Schriftsatz per Telekopie und am 12. Dezember
2014 im Original beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingegangene
Berufung (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 1 und 3 der Akten), die er mit am 6.
Februar 2015 per Telekopie und am 11. Februar 2015 im Original beim
Landesarbeitsgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz (vgl. gerichtliche
Eingangsstempel Bl. 18 und 21 der Akten) begründet hat. Zuvor war ihm auf den
am 2. Januar 2015 per Telekopie und am 5. Januar 2015 im Original (vgl.
gerichtliche Eingangsstempel Bl. 15 und 16 der Akten) beim Landesarbeitsgericht
schriftlich eingegangenen Antrag seines Prozessbevollmächtigten die
Berufungsbegründungsfrist mit gerichtlicher Verfügung vom 2. Januar 2015 bis
einschließlich 9. Februar 2015 verlängert worden (vgl. Bl. 17 der Akten).
11 Der Kläger führt im zweiten Rechtszug noch aus,
12 die Norm des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG sei auch bei verdeckter
Arbeitnehmerüberlassung unmittelbar anwendbar, da die Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung, die mit einer Prüfung der Zuverlässigkeit des
Entleiherbetriebs einhergehe, voraussetze, dass im Verhältnis zwischen
Arbeitnehmer, Entleiher und Verleiher auch die Regelungen des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes angewendet würden. Wenn Verleiher und
Entleiher dies im Wege kollusiven Mitwirkens zu Lasten des Arbeitnehmers nicht
durchführten, hätten sie jeglichen Anspruch auf gesetzlichen Schutz verwirkt. Die
Art zur Leistungserbringung im Verhältnis zwischen Verleiherin und der Beklagten
hätten unter keinem Gesichtspunkt Werksvertragscharakter, da alle Weisungen an
den Kläger unmittelbar von der Beklagten, das heiße durch deren Mitarbeiter,
erfolgten. Der Kontakt des Klägers zur I. habe keinerlei Bezüge zum operativen
Geschäft der Beklagten. Seine Kollegin, Frau S., sei bereits seit dem 9. Februar
2004 bei der I. beschäftigt und von Anfang an bei der Beklagten eingesetzt. Sei
arbeite in der selben Abteilung wie er und in denselben Strukturen. Die betriebliche
Situation bei der Ausübung seiner Tätigkeit sei völlig identisch mit der von Frau S.
gewesen. Er verfüge jedoch über weniger Dokumente als Frau S., weshalb er die
Dokumente vorlege, die Frau S. beträfen.
13 Auch wenn ihm nicht bekannt sei, wie vertieft die Kenntnisse der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Beklagten über die vertraglichen Beziehungen zwischen dem
Verleiherbetrieb und der Beklagten gewesen seien, sei aufgrund der engen
Zusammenarbeit mit dem Kläger sowie der laufend erteilten Weisungen an ihn auf
jeden Fall für alle erkennbar, dass er nicht Werkleistungen in Erfüllung eines von
der I. mit der Beklagten geschlossenen Werkvertrages erbracht habe. Danach
könne kein Zweifel bestehen, dass ein Fall der verdeckten
Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Es sei auch von keiner wirksamen
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis auszugehen. Zwar stehe die
Missbrauchsabsicht dem Verwaltungsakt der Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung aus Sicht des nicht informierten Beobachters nicht auf
die Stirn geschrieben, aus Sicht des Verwenders und seines Vertragspartners, hier
der Beklagten, sei dies jedoch sehr wohl der Fall. Beiden sei bewusst gewesen,
dass die vorsorglich beantragte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nur einen
Rettungsanker für alle Fälle darstelle, jedoch nicht ernsthaft daran gedacht worden
sei, von ihr im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung Gebrauch zu machen.
14 Jedenfalls dränge sich eine analoge Anwendung der §§ 9, Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1
AÜG auf. Eine planwidrige Regelungslücke liege vor. Die teleologische
Interpretation der Normen lasse erkennen, dass dem Gesetzgeber daran gelegen
wesen sei, Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisse, die nicht den Anforderungen
des AÜG entsprechen, zu unterbinden und er deshalb auch die Erlaubnispflicht für
die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung eingeführt habe.
15 Sein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten ergebe
sich schließlich auch aus § 242 BGB. Sowohl die Beklagte wie auch die I. hätten
sich widersprüchlich verhalten, indem sie mit dem Ziel und dem Erfolg der
Täuschung seiner Person die Arbeitnehmerüberlassung getarnt als Werkvertrag
praktiziert hätten. Damit hätten sie sich nicht nur unredliche Vorteile verschafft,
sondern auch ihn, den Kläger, geschädigt. Da zwischenzeitlich die offene
Arbeitnehmerüberlassung zeitlich befristet sei, hätte für die Beklagte auch die
Notwendigkeit bestanden, sich seine Arbeitsleistung zu sichern. Dabei wäre es
sicher nicht zweckmäßig gewesen, einen anderen, nicht eingearbeiteten
Leiharbeitnehmer einzustellen. Wegen dieses treuwidrigen Verhaltens der
Beklagten sei von einer Beweislastumkehr dergestalt auszugehen, dass sie einen
üblichen, zumindest wahrscheinlichen Geschehensablauf widerlegen müsse.
16
Der Kläger beantragt zuletzt,
17
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.10.2014 - 14 Ca 613/14 -
abzuändern,
18
2. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe,
19
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als CAD-Konstrukteur in der Lkw-
Entwicklung, Technischer Anwendungs-Support, Abteilung TP/ESW zu
beschäftigen.
20
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
22 Sie trägt noch vor,
23 zu Unrecht gehe der Kläger davon aus, dass Weisungen von Mitarbeitern der
Beklagten Nachweise über eine etwaige Integration der Tätigkeit des Klägers in die
Betriebsabläufe der Beklagten liefere. Abgesehen von dem fehlenden Bezug für
Tätigkeit des Klägers handele es sich bei den vom Kläger vorgelegten Unterlagen
um projektbezogene Anweisungen im Sinne des Werkvertragsrechts zwischen der
I. und der Beklagten. Sie bestreite vorsorglich, dass es sich bei dem Kläger
erwähnten Mitarbeiter der Beklagten, Herrn G., um einen Vorgesetzten des Klägers
handle. Abstimmungsgespräche oder die Information über Urlaubsplanung stellten
ebenfalls keinen Nachweis für die Integration der Tätigkeit des Klägers in die
Betriebsabläufe der Beklagten dar. Sie müsse auch bestreiten, dass der Kläger bei
ihr Urlaub habe beantragten oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe
einreichen müssen. Es sei darauf hinzuweisen, dass auch im Rahmen eines
Werkvertragsverhältnisses der Besteller die zu erbringende Werkleistung im
Rahmen des Werkvertragsrechts konkretisieren könne.
24 Es sei auch nicht von vornherein davon auszugehen, dass eventuelle Weisungen
von bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern an den Kläger den den Werkvertrag
abschließenden Personen tatsächlich bekannt gewesen sei.
25 Selbst wenn von einer Eingliederung des Klägers in ihren Betrieb ausgegangen
werden müsste, sei nach den abschließenden Regelungen des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes kein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem
Kläger zustande gekommen. Eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§ 9
Nr. 1 a AÜG, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG komme nicht in Betracht. Sofern der Kläger
sich auf Treu und Glauben berufe, führe dies nicht zu einem Anspruch auf
Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit ihr, der Beklagten.
26 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. den §§
64 Abs. 6 Satz 1, 525, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Protokolle der
mündlichen Verhandlungen vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht verwiesen.
Entscheidungsgründe
27 Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
28
A. Zulässigkeit der Berufung
29 1. Die Berufung des Klägers ist gem. den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b und c
ArbGG statthaft. Sie ist gem. den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1
und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und
nach innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist eingereichtem
Fristverlängerungsantrag innerhalb der daraufhin durch gerichtliche Verfügung
verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit anwaltlichem Schriftsatz begründet
worden. Die Berufung setzt sich insbesondere mit allen Argumenten
auseinander, mit denen das Arbeitsgericht die zur Entscheidung gestellten
Klaganträge abgewiesen hat.
30 2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
31
B. Begründetheit der Berufung
32 Die zulässigen Klaganträge sind unbegründet, die Berufung des Klägers deshalb
zurückzuweisen.
33
I. Zulässigkeit der Klage
34 1. Der Streitgegenstand der Feststellungsklage iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist
hinreichend bestimmt. Der Kläger will festgestellt wissen, dass zwischen ihm
und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht. Insoweit besteht auch ein
rechtliches Interesse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO des Klägers an der Feststellung
des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses als Rechtsverhältnis mit der
Beklagten, da er ein bestehendes Arbeitsverhältnis gegenüber der Beklagten
geltend gemacht hat und die Beklagte das Bestehen eines derartigen
Rechtsverhältnisses mit dem Kläger ausdrücklich verneint.
35 Auch der Beschäftigungsantrag in der zuletzt zur Entscheidung gestellten
Fassung ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist klar
ersichtlich als was und mit welchen Tätigkeiten der Kläger bei der Beklagten
beschäftigt werden will.
36 2. Im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Zulässigkeit der Klaganträge.
37
II. Begründetheit der Klage
38
1. Grundsätze
39 Gegenstand eines Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung
einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung
herbeizuführender Erfolg sein (§ 631 Abs. 2 BGB). Fehlt es an einem vertraglich
festgelegten abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung
zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, kommt ein Werkvertrag kaum in
Betracht, weil der „Auftraggeber“ dann durch weitere Weisungen den Gegenstand
der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistung erst bestimmen und damit Arbeit
und Einsatz erst bindend organisieren muss. Ob ein Werkvertrag, ein Dienstvertrag
oder ein Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende
gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen
werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben.
Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller
maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Der objektive
Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der
praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich
Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend. Richten sich
die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf
des Auftraggebers, so kann darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine
arbeitsvertragliche Beziehung liegen, etwa wenn mit der Bestimmung von
Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit
entschieden wird. Wesentlich ist, inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und
in welchem Maß der Auftragnehmer in einen bestellerseitig organisierten
Produktionsprozess eingegliedert ist. Zwar steht auch einem Werkbesteller
gegenüber dem Werkunternehmer das Recht zu, Anweisungen für die Ausführung
des Werks zu erteilen (§ 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Davon abzugrenzen ist aber die
Ausübung von Weisungsrechten bezüglich des Arbeitsvorgangs und der
Zeiteinteilung. Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Werk
beziehen, können im Rahmen eines Werkvertrags erteilt werden; wird die Tätigkeit
aber durch den Besteller geplant und organisiert und wird der Werkunternehmer in
einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine
eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten Werks faktisch
ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe (zum Vorigen: BAG 25. September
2013 - 10 AZR 282/12 - in NZA 2013, 1348). Ein Überlassung zur Arbeitsleistung
im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes liegt vor, wenn einem Entleiher
Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert
sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers in dessen Interesse
ausführen. Nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz unterfällt dem
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Von einer Arbeitnehmerüberlassung zu
unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten auf Grund
eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen
anderen tätig. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten
Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen
Erfüllungsgehilfen (BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10 - in AP Nr. 10 zu § 9
AÜG). Ein Arbeitnehmer, der die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den
beiden Arbeitgebern nicht kennt, muss Tatsachen vortragen, die eine Würdigung
rechtfertigen, wonach der Arbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung
überlassen ist. Es ist dann Aufgabe des Entleihers, die Tatsachen darzulegen, die
gegen das Vorliegen des Vorliegens einer Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sprechen. Er genügt seiner Darlegungslast,
wenn er die eine werkvertragliche Vereinbarung begründenden Tatsachen
vorträgt. In diesem Fall ist es nunmehr Sache des Arbeitnehmers, die Kenntnis der
auf Seiten der beteiligten Arbeitgeber handelnden und zum Vertragsschluss
berechtigten Personen von der tatsächlichen Vertragsdurchführung vorzutragen
(BAG 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - in AP Nr. 19 zu § 10 AÜG).
40
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze
auf den vorliegenden Rechtsstreit ergibt
sich, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht
zustande gekommen ist und auch derzeit nicht besteht.
41 a) Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass die Parteien weder
ausdrücklich noch stillschweigend bzw. konkludent während der Dauer der
Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten ein Arbeitsverhältnis begründet haben.
Dem steht insbesondere der erkennbare Wille der Beklagten entgegen, Verträge
nur mit der I. abzuschließen.
42 b) Wie das Arbeitsgericht kann auch das Berufungsgericht offen lassen, ob die
vertraglichen Beziehungen zwischen der Beklagten und der I., die dem Einsatz
des Klägers bei der Beklagten während der gesamten Dauer der Beschäftigung
des Klägers bei der Beklagten zugrunde lag, einen Werkvertrag darstellen oder ob
es sich um Arbeitnehmerüberlassungen gehandelt hat. Ebenso dahingestellt
bleiben kann, ob der Kläger überhaupt hinreichende Tatsachen dazu vorgetragen
hat, dass von der von ihm behaupteten Handhabung des Vertragsverhältnisses
auf Seiten der beteiligten Arbeitgeber (also der Beklagten und der I.) und der zum
Werkvertragsschluss berechtigten Personen hinreichende Kenntnis bestand. Denn
auch dann, wenn es sich tatsächlich, wie vom Kläger behauptet, um eine -
verdeckte - Arbeitnehmerüberlassung gehandelt haben sollte, ist kein
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen.
43 aa) Insoweit kann zunächst auch dahingestellt bleiben, ob die Beklagte mit der I.
einen Scheinwerkvertrag abgeschlossen hat. Ein solcher liegt vor, wenn die
Beteiligten von Anfang wissen, dass der Einsatz des Arbeitnehmers auf eine
Überlassung hinausläuft, der vorgebliche Werkunternehmer den Personaleinsatz
also nie steuert. Hierfür ist wiederum erforderlich, dass die auf Seiten der
beteiligten Vertragspartner handelnden und zum Vertragsschluss berechtigten
Personen Kenntnis davon haben, dass die tatsächliche Vertragsdurchführung von
der vertraglichen Vereinbarung abweichen soll (BAG 13. August 2008 - 7 AZR
269/07 - aaO). Nicht immer sind jedoch die Vertragsschließenden bereits bei
Vertragsschluss einig, dass der Werkvertrag in Wirklichkeit ein
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag sein soll, es kann auch ein zunächst nicht nur
zum Schein geschlossener Werkvertrag entweder von Beginn seiner
Durchführung an oder im weiteren Verlauf in eine Arbeitnehmerüberlassung
umschlagen (Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. zu § 1 Rn. 194; Ulber AÜG 4. Aufl.
Einleitung C Rn. 85). Sind sich die beteiligten Unternehmen hingegen schon bei
Vertragsschluss über die vom Wortlaut abweichende Vertragsdurchführung einig,
ist der Werkvertrag gem. § 117 Abs. 1 BGB als Scheingeschäft nichtig. Auf das
verdeckte Geschäft, den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, findet gem. § 117
Abs. 2 BGB dann das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Anwendung
(Schüren/Hamann aaO Rn. 195). Ebenso findet das
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Anwendung, wenn ein zunächst wirksam
begründeter Vertrag im Verlauf seiner Durchführung in eine
Arbeitnehmerüberlassung umschlägt (Ulber AÜG aaO. Rn. 85). Eine verdeckte
Überlassung des Klägers als Arbeitnehmer würde für sich genommen aber nicht
zu einem faktischen oder fehlerhaften Arbeitsverhältnis zwischen den
Prozessparteien des vorliegenden Rechtsstreits führen (vgl. hierzu LAG Baden-
Württemberg 10. Oktober 2014 - Az: 17 Sa 22/14).
44 bb) Zwischen den Parteien ist auch kein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1
AÜG iVm. § 9 Nr. 1 AÜG fingiert, nachdem die I. seit dem 09.05.1985 über eine
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis im Sinne der §§ 1, 2 AÜG verfügt, die seit
dem 22.04.1998 unbefristet ist und während der gesamten Dauer der Tätigkeit des
Klägers bei der Beklagten Geltung hatte. Da diese Erlaubnis vor dem am 1.
Dezember 2011 in Kraft getretenen gesetzlichen Gebot einer vorübergehenden
Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG erteilt worden ist, war sie nicht
auf vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung beschränkt (BAG 10. Dezember
2013, 9 AZR 51/13 NZA 2014, 196). Eine geänderte Rechtslage schränkt nicht per
se eine erteilte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ein oder führt gar zu deren
Unwirksamkeit (BAG 10. Dezember 2013 aaO.).
45 cc) Die der I. erteilte Erlaubnis ist auch nicht auf eine „offene“
Arbeitnehmerüberlassung beschränkt, sie gilt vielmehr auch im Falle einer
sogenannten „verdeckten“ Arbeitnehmerüberlassung. Die 3. Kammer des
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg führt hierzu in ihrer Entscheidung vom
18. Dezember 2014 (Az: 3 Sa 33/14) wie folgt aus:
46 „d) Auch eine Beschränkung auf eine offene Arbeitnehmerüberlassung kann der
Erlaubnis nicht entnommen werden, vielmehr wird auch die sogenannte verdeckte
Arbeitnehmerüberlassung von einer vorhandenen
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erfasst (LAG Baden-Württemberg 10.
Oktober 2014 - 17 Sa 22/14; Arbeitsgericht Stuttgart 08. April 2014 - 16 BV 121/13
- BB 2014, 1980). Die gegen diese Rechtsauffassung von Brose (DB 2014, 1739)
vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht. Diese führt aus: Der Gesetzgeber
habe die Arbeitnehmerüberlassung als offengelegten Fremdpersonaleinsatz
konzipiert. Die Arbeitnehmererlaubnis diene dem Zweck, die Zuverlässigkeit der
auf dem Markt tätigen Verleiher zu gewährleisten. Dieser Zweck werde vereitelt,
wenn eine rein vorsorglich eingeholte Erlaubnis als ausreichend erachtet würde.
Wer eine Erlaubnis besitze, sie aber bewusst zunächst nicht einsetze und so die
wirkliche Natur des Fremdpersonaleinsatzes nicht transparent mache, könne sich
nicht später auf die Erlaubnis berufen, wenn sich nach Einsatzbeginn des
Arbeitnehmers herausstelle, dass es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung
handele (Brose DB 2014, 1739, 1742). Diese Auffassung verkennt zum einen den
Rechtscharakter der erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Eine solche ist
wie sonstige Erlaubnisse auch ein begünstigender Verwaltungsakt, der
Legalisierungswirkung entfaltet und dies solange, bis er unter Einhaltung des
hierfür vorgesehenen Verwaltungsverfahrens gegebenenfalls widerrufen oder
zurückgenommen wird (Francken NZA 2013, 1192, 1193; Lembke NZA 2013,
1312, 1317; Maschmann NZA 2013, 1305, 1311; Schüren NZA 2013, 176, 177;
Seel MDR 2014, 812, 814). Mangels spezieller Regelungen im
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sind hierfür die Vorschriften des
Verwaltungsverfahrensgesetzes maßgeblich. Der fehlende Nutzungswille des
Antragstellers führt jedenfalls nicht zur Nichtigkeit der erteilten
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gem. § 44 Abs. 1 VwVfG. Hinzu kommt, dass
der über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügende Werkunternehmer,
der als Verleiher auftritt, sich der vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
bezweckten Seriositätskontrolle gerade nicht entzogen hat, weshalb keine
Veranlassung besteht, ihn als prinzipiell unzuverlässig anzusehen (so zutreffend
Hamann, jurisPR-ArbR 22/2014, Anmerkung 1). Die von Brose vorgebrachten
Argumente mögen de lege ferenda beachtlich sein. So haben die
Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD unter Ziff. 2.2 des am 16. Dezember 2013
unterzeichneten Koalitionsvertrages vereinbart, dass zukünftig bei verdeckter
Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen von Scheinwerk- und Dienstverträgen über
§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem vermeintlichen
Werkbesteller/Dienstberechtigten zustande kommen soll. Absichtserklärungen
von Parteien in einer Koalitionsvereinbarung berechtigen Gerichte aber nicht, die
geltende Rechtslage außer Acht zu lassen (BAG 3. Juni 2014 - 9 AZR 111/13 -
BB 2014, 3007).
47 Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung hindert der Besitz der nach § 1 Abs. 1 Satz
1 AÜG erforderlichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eine unmittelbare
Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG nicht nur dann, wenn der Einsatz
entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt, sondern auch
dann, wenn die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines Scheinwerk-
/Scheindienstvertrages erfolgt (Arbeitsgericht Stuttgart 8. April 2014 - 16 BV
121/13 - BB 2014, 1980).“
48 Die erkennende Berufungskammer schließt sich diesen Ausführungen
vollinhaltlich an und verzichtet auf eine Wiedergabe der von der 3. Kammer des
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vorgebrachten Argumente in anderen
Worten.
49 dd) Eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kommt bei einer
dauerhaften verdeckten Arbeitnehmerüberlassung aus Sicht der erkennenden
Berufungskammer nicht in Betracht. Hierzu führt die 3. Kammer des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in ihrer Entscheidung vom 18.12.2014
(3 Sa 33/14) aus:
50 „e) Auch eine analoge Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kommt auch bei
dauerhafter verdeckter Arbeitnehmerüberlassung mangels planwidriger Lücke
und wegen der Nichtvergleichbarkeit der Situation eines dauerhaft überlassenen
Arbeitnehmers mit der eines ohne Erlaubnis überlassenen Arbeitnehmers nicht in
Betracht. Auch die Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG) gibt das Zustandekommen
eines Arbeitsverhältnisses zwischen den hiesigen Parteien nicht vor (vgl. BAG 10.
Dezember 2013
- 9 AZR 51/13 - BAGE 146, 384; bestätigt durch BAG 3. Juni 2014 - 9 AZR 111/13
- BB 2014, 3007; LAG Baden-Württemberg 10. Oktober 2014 - 17 Sa 22/14 -;
Arbeitsgericht Stuttgart 8. April 2014 - 16 BV 121/13 - BB 2014, 1980). Schließlich
würde auch eine Verletzung des in § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG niedergelegten
Schriftformerfordernisses nicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen
der MBtech und dem Kläger, sondern ausschließlich zur Unwirksamkeit des -
unterstellten - Arbeitnehmerüberlassungsvertrags zwischen der MBtech und der
Beklagten führen (vgl. LAG Baden-Württemberg 10. Oktober 2014 - 17 Sa 22/14 -
unter II. 1. b) cc) der Entscheidungsgründe - mwN).“
51 Auch diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer vollinhaltlich an.
Hierfür sprechen im Übrigen auch die im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung
vorgesehenen Ziele, die entsprechenden Gesetzesvorschläge, die derzeit auf
Referentenebene erarbeitet werden und die Bundesratsinitiativen, sowie eine
Reihe sonstiger Gesetzesvorschläge (vgl. hierzu: Ulber/Stang in AuR 2015 250 ff).
52 ee) Auch aus den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (Treu und Glauben - §
242 BGB), sollte vorliegend ein solcher der Beklagten überhaupt vorliegen, kann
kein Arbeitsverhältnis zwischen den Prozessparteien begründet werden. Dabei
kann dahingestellt bleiben, ob § 242 BGB grundsätzlich überhaupt als
Rechtsgrundlage für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses herangezogen
werden kann. Hierzu führt die 3. Kammer des Landesarbeitsgericht Baden-
Württemberg ihrer Entscheidung vom 9. April 2015, 3 Sa 53/14 aus:
53 „a) Die Kammer hat bereits in ihrem Urteil vom 18. Dezember 2014 (3 Sa 33/14 -
BB 2015, 955) unter B. I. 2. d. der Entscheidungsgründe ausgeführt, dass die
Argumentation von Brose zur Rechtsnatur der
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis für nicht zutreffend erachtet wird, weil auch
eine sogenannte „Vorratserlaubnis“ zunächst Legalisierungswirkung entfaltet und
der über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügende Werkunternehmer,
der als Verleiher auftritt, sich der vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
bezweckten Seriositätskontrolle gerade nicht entzogen hat, weshalb keine
Veranlassung besteht, ihn als prinzipiell unzuverlässig anzusehen (zustimmend
Baeck/Winzer NZA 2015, 269; Hamann jurisPR-ArbR 14/2015 Anmerkung 1;
Seier DB 2015, 494). Hieran hält die Kammer fest.
54 b) Ein anderes Ergebnis lässt sich nach hiesiger Auffassung auch nicht unter dem
Gesichtspunkt eines eventuellen treuwidrigen widersprüchlichen Verhaltens der
Beklagten und der Arbeitgeberinnen des Klägers, bzw. eines individuellen
Rechtsmissbrauchs begründen.
55 aa) Liegt der Rechtsmissbrauch in der Vereitelung von Rechten der Gegenpartei,
so wird ihr eine Rechtsstellung zuerkannt, als ob das Verhalten nicht ausgeübt
worden wäre (Hamann/Rudnik NZA 2015, 449, 452). Was dies im konkreten Fall
bedeutet, entscheidet sich nach dem Schutzzweck des Gesetzes und der Frage,
ob der Missbrauch der Verhinderung der gesetzlich an sich vorgesehenen
Begründung eines Vertragsverhältnisses oder lediglich der Verkürzung einzelner
Ansprüche dient (BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/911 - NZA 2013, 1267; 23.
September 2014 - 9 AZR 125/12 - juris). Durch das Vortäuschen eines
Werkvertrags und somit Verschleierung der tatsächlich vorliegenden verdeckten
Arbeitnehmerüberlassung werden dem betroffenen Arbeitnehmer seine Rechte
nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, insbesondere auf Gleichstellung mit
einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG
versagt. Nach Treu und Glauben muss er daher vertraglich und wirtschaftlich (nur)
so gestellt werden, als hätte er von vornherein seine Rechte als Leiharbeitnehmer
wahrnehmen können (Hamann/Rudnik aaO). Dem verdeckt verliehenen
Arbeitnehmer dürfen demzufolge nicht diejenigen Rechte vorenthalten werden,
die ihm zugestanden hätten, wäre er offen als Leiharbeitnehmer mit
Überlassungserlaubnis eingesetzt worden. Dies betrifft vor allem die in den §§ 11,
10 Abs. 4 Satz 1, 13, 13 a, 13 b AÜG geregelten Rechte und Ansprüche des
Leiharbeitnehmers, nicht jedoch ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher (so
zutreffend Hamann jurisPR-ArbR 14/2015 Anmerkung 1). Deshalb kann sich der
Entleiher trotz des rechtsmissbräuchlichen Vorverhaltens auf die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen (LAG Baden-Württemberg 18.
Dezember 2014 - 3 Sa 33/14 - BB 2015, 955; ArbG Stuttgart 8. April 2014 - 16 BV
121/13 - DB 2014, 1980; Seier BB 2015, 494, 498).
56 bb) Die von der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg in ihrem Urteil vom 3.
Dezember 2014 (4 Sa 41/14 - NZA-RR 2015, 177) vertretene Rechtsauffassung,
wonach sich die Vertragspartner angeblicher Werkverträge, die in Wirklichkeit
verschleierte Arbeitnehmerüberlassung darstellen, wegen widersprüchlichen
Verhaltens (venire contra factum proprium) nicht auf die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürften, weshalb sich der
Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Kläger gem. § 9 Nr. 1 AÜG als
unwirksam darstelle mit der Folge, dass gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG die
Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher fingiert werde (so LAG
Baden-Württemberg 3. Dezember 2014 aaO unter I. 6. der
Entscheidungsgründe), erscheint auch aus grundrechtlichen Erwägungen nicht
überzeugend. Denn dem betroffenen Arbeitnehmer würde möglicherweise auch
gegen seinen Willen sein von ihm frei gewählter Arbeitgeber genommen und
deshalb gegen einen anderen ausgetauscht, weil sein frei gewählter Arbeitgeber
und dessen Vertragspartner sich treuwidrig verhalten haben. Es kann nicht davon
ausgegangen werden, dass im Falle der Arbeitnehmerüberlassung der Verleiher
generell der „schlechtere“ oder „unseriösere“ Arbeitgeber ist (Seier DB 2015, 494,
497). Diesbezüglich hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 10.
Dezember 2013 (- 9 AZR 51/13 - BAGE 146, 384) zutreffend ausgeführt: „Es ist
eine Vielzahl von Konstellationen denkbar, in denen Leiharbeitnehmer trotz eines
Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG an ihrem Arbeitsverhältnis zum Verleiher
festhalten und kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher eingehen wollen. Dies
kann insbesondere der Fall sein, wenn nur im Betrieb des Verleihers gem. § 23
Abs. 1 KSchG die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung finden, dort eine
ordentliche Kündigung kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes ausgeschlossen
ist, beim Verleiher die Arbeitsbedingungen für den Leiharbeitnehmer besser sind
als beim Entleiher oder sich das Unternehmen des Entleihers in wirtschaftlichen
Schwierigkeiten befindet. Der Entzug des vom Leiharbeitnehmer gewählten
Arbeitgebers durch Gesetz stellte einen Eingriff in seine durch Art. 12 GG
geschützte Rechtsposition dar. Die Freiheit, ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder
dies zu unterlassen, ist Ausdruck der durch Art. 12 GG geschützten
Vertragsfreiheit (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 69, 76;
BVerfG 128, 157). In diese wird eingegriffen, wenn ohne die zu einem
Vertragsschluss erforderlichen beiderseitigen übereinstimmenden
Willenserklärungen oder gar gegen den Willen einer oder auch beider Parteien
kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll.“
57 Gerade der vorliegende Fall zeigt die Problematik anschaulich auf: Unter
Zugrundelegung der von der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-
Württemberg im Urteil vom 3. Dezember 2014 vertretenen Rechtsauffassung, die
sich der Kläger des vorliegenden Verfahrens hilfsweise zu eigen gemacht hat,
könnte sich die K., die den Kläger nach dem Abzug bei der Beklagten und dem
erledigten Kündigungsschutzverfahren derzeit anderweitig einsetzt, unter Verweis
auf das von ihr und der Beklagten an den Tag gelegte - zugunsten des Klägers
unterstellt - treuwidrige Verhalten und dessen Rechtsfolge (Begründung eines
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG wegen
Unwirksamkeit des zwischen ihr und dem Kläger abgeschlossenen
Arbeitsvertrages gem. § 9 Nr. 1 AÜG analog) weigern, den Kläger weiter zu
beschäftigen und ihn weiter zu vergüten, und ihn auf die Geltendmachung seiner
Rechte gegenüber der Beklagten verweisen, ohne dass es darauf ankäme, ob
dies dem Willen des Klägers entspräche oder nicht. Dieses offensichtlich nicht
sachgerechte Ergebnis ließe sich nur vermeiden, wenn man nicht den
unabhängig von einem entgegenstehenden Willen der Parteien eingreifenden § 9
Nr. 1 AÜG entsprechend anwenden würde, sondern die genannten Rechtsfolgen
(Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher unter Verlust des
Arbeitsverhältnisses zum Verleiher) von einem entsprechenden Willen des
Leiharbeitnehmers abhängig machen würde - beispielsweise durch Einräumung
eines Widerspruchsrechts nach dem Vorbild des § 613 a Abs. 6 BGB (vgl.
Hamann juris PR-ArbR 2/2015 Anmerkung 3). Eine solche richterliche
Rechtsfortbildung wäre aber mit der der Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 2 Satz
2, Abs. 3 GG zukommenden Rolle nicht mehr vereinbar. Die Aufgabe der
Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn
und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst
zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den
anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Richterliche Rechtsfortbildung darf
nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle
Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt (BAG
10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - BAGE 146, 384). Es ist nicht Sache der
Arbeitsgerichtsbarkeit, anstelle des Gesetzgebers Grundentscheidungen des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu „korrigieren“ (Seier DB 2015, 494, 498).“
58 Auch diesen Ausführungen schließt sich die im vorliegenden Rechtsstreit
erkennende Kammer vollinhaltlich an und verzichtet auf eine Wiedergabe der
darin enthaltenen Begründungen in lediglich anderen Worten.
59 3. Zwischen den Parteien ist auch kein Arbeitsverhältnis durch einen (Teil-
)Betriebsübergang von der I. auf die Beklagte gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB
zustande gekommen. Zu Recht weist das Arbeitsgericht in seinem mit der
Berufung angegriffenen Urteil vom 22.10.2014 daraufhin, dass nicht ersichtlich sei,
dass ein solcher Teilbetrieb der I. zu irgendeiner Zeit bestanden habe. Eine
organisatorisch abtrennbare selbständige Einheit im Sinne der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts zum Vorliegen eines Betriebsteils (vgl. hierzu BAG 07.
April 2011 - 8 AZR 730/09 - AP Nr. 406 zu §§ 613 a BGB Rn. 16 mwN.) ist nach
dem Vortrag des Klägers nicht ansatzweise erkennbar. Allein die Tatsache, dass
eine weitere Mitarbeiterin der I. von Beginn ihrer Tätigkeit für die I. an bei der
Beklagten gearbeitet hat spricht nicht ansatzweise für das Vorliegen eines
Betriebsteils der I.. In der Berufung verfolgt der Kläger diese Argumentation auch
weder rechtlich argumentativ noch durch Einführung weiterer Tatsachen weiter.
60 4. Weitere Rechtsgrundlagen für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses
zwischen den Parteien sind vom Kläger weder vorgetragen noch offensichtlich.
Mangels Rechtsgrundlagen kann danach das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses
zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht
festgestellt werden.
61 5. Nachdem zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht ist die Beklagte
auch nicht verpflichtet, den Kläger tatsächlich zu beschäftigen.
62
C. Nebenentscheidungen
63 1. Nachdem die Berufung des Klägers in vollem Umfang keinen Erfolg hat, trägt er
gem. § 97 Abs. 1 ZPO deren Kosten vollständig.
64 2. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung und dem Abweichen von der
Entscheidung der 4. Kammer des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom
3. Dezember 2014 (Az: 4 Sa 41/14) für den Kläger gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2
ArbGG zuzulassen.