Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 16.11.2016

befristung, verfassungskonforme auslegung, arbeitsgericht, änderung der rechtsprechung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 16.11.2016, 17a Sa 14/16
Anschlussverbot - Befristung - Befristungskontrollklage - Berufsfreiheit - Vertrauensschutz -
Weiterbeschäftigung
Leitsätze
1. Das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG besteht zeitlich uneingeschränkt (wie BAG 13. Mai 2004 -
2 AZR 426/03 -; LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2014 - 7 Sa 64/13 -; entgegen BAG 21. September 2011
- 7 AZR 375/10).
2. Ein Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtsprechung des siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts aus
dem Jahr 2011 zur eingeschränkten zeitlichen Reichweite des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht schutzwürdig.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14. April 2016 - 21 Ca
117/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit
Ablauf des 31. Dezember 2015 geendet hat. Ferner begehrt der Kläger mit seiner Klage die
Weiterbeschäftigung bei der Beklagten als Montierer.
2 Der im Zeitpunkt der Klageerhebung 40 Jahre alte, verheiratete und gegenüber zwei minderjährigen
Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bereits im Zeitraum vom 5. November 2007 bis 31. Juli
2008 bei der Beklagten befristet als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar
2014 schlossen die Parteien einen erneuten befristeten Arbeitsvertrag, im Rahmen dessen der Kläger als
Montierer in die Dienste der Beklagten trat. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers belief sich zuletzt
durchschnittlich auf 5.333,00 Euro brutto. Mit Zusatzvereinbarung vom 6. Juni 2014 wurde das
Arbeitsverhältnis befristet bis zum 31. Dezember 2014 verlängert. Weitere Verlängerungen des
Arbeitsverhältnisses erfolgten durch entsprechende Zusatzvereinbarungen für den Zeitraum vom 1. Januar
2015 bis 30. Juni 2015 sowie für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015. Auf Anfrage des
Klägers teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2015
ende und dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers über den genannten Zeitpunkt hinaus nicht erfolgen
werde.
3 Mit seiner am 4. Januar 2016 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Klage hat der Kläger die
Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2015 sowie
seine Weiterbeschäftigung geltend gemacht.
4 Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund seiner Vorbeschäftigung im Zeitraum vom 5. November 2007
bis 31. Juli 2008 habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht mehr sachgrundlos nach § 14 Abs. 2 TzBfG
befristen können. Denn es habe mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes Arbeitsverhältnis
bestanden. Das Vorbeschäftigungsverbot gelte entgegen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6.
April 2011 - 7 AZR 716/09 - zeitlich unbeschränkt. Die Problematik sei im Gesetzgebungsverfahren
ausdrücklich diskutiert worden. Gleichwohl habe es der Gesetzgeber bei der Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG belassen. Auch der Wortlaut der Norm stehe der vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen
Auslegung im Sinne eines zeitlich lediglich auf drei Jahre befristeten Vorbeschäftigungsverbots entgegen.
Das Bundesarbeitsgericht habe mit der Erfindung einer Dreijahresfrist die der Rechtsprechung gesetzten
Grenzen überschritten und sich unter Verstoß gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG festgelegte
Gewaltenteilungsprinzip als Ersatzgesetzgeber geriert.
5 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
6
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht auf Grund einer
wirksamen Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2015 beendet worden ist;
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Montierer in
der Fahrzeugmontage im Bereich Karosseriemontage weiter zu beschäftigen.
8 Die Beklagte hat beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 TzBfG sei mit dem
Bundesarbeitsgericht entgegen der Rechtsauffassung des Klägers einschränkend dahingehend auszulegen,
dass ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber der Wirksamkeit einer
weiteren sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehe, wenn das Ende des vorangegangenen
Arbeitsverhältnisses länger als drei Jahre zurückliege. Dem stehe weder der Wortlaut noch der Normzweck
des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Letzterer bestehe in der Verhinderung missbräuchlicher
Kettenbefristungen. Die vom Kläger vorgenommene Auslegung beeinträchtige hingegen die Arbeitnehmer in
ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit ebenso wie die Arbeitgeber in Ihrer Vertragsabschlussfreiheit
unverhältnismäßig stark. Sie führe überdies zu einer Diskriminierung älterer Arbeitnehmer. Jedenfalls sei ihr,
der Beklagten, Vertrauensschutz zu gewähren, da sie ihre Einstellungspraxis bewusst an die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angepasst und daher ein schützenswertes Vertrauen in Bezug
auf die Befristungsregelungen erlangt habe.
11 Mit Urteil vom 14. April 2016 hat das Arbeitsgericht Stuttgart der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat
das Arbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe durch die letzte sachgrundlose
Befristung nicht zum 31. Dezember 2015 geendet, da diese Befristung gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG
verstoße. Insoweit sei der Kläger bereits zuvor in der Zeit vom 5. November 2007 bis 31. Juli 2008 bei der
Beklagten befristet als gewerblicher Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Entgegen der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ergebe die Auslegung des Gesetzes, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich
uneingeschränktes, mithin absolutes Anschlussverbot zu interpretieren sei. So sei bei unbefangener
Betrachtung bereits der Wortsinn der Adverbialkonstruktion “bereits zuvor“ als Teil der Gesetzesfassung des
§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG fach- und umgangssprachlich eindeutig. Gerade aber auch die
Gesetzgebungsgeschichte bestätige den Wortsinn. Insoweit habe sich der Gesetzgeber trotz der geäußerten
Kritik für eine nur einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund entschieden. Das Ergebnis werde
auch von der Regelungssystematik sowie dem Normzweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestätigt. Es sei
den Gerichten verwehrt, ihre eigenen materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des
Gesetzgebers zu setzen. Da der Gesetzgeber offensichtlich ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot
geregelt habe, verbiete sich auch eine teleologische Reduktion. Schließlich sei eine - im Ergebnis nicht
mögliche - verfassungskonforme Auslegung der Norm nicht geboten, weil die Bestimmung verfassungsgemäß
sei. Die Beklagte könne sich nicht auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die
höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen. Denn im Zeitpunkt der letzten
Befristung sei in einer Vielzahl von zweitinstanzlichen Entscheidungen eine gegenteilige Rechtsauffassung
vertreten worden. Auch in der einschlägigen Fachliteratur sei die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
heftig kritisiert worden.
12 Gegen das ihr am 21. April 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. April 2016 Berufung eingelegt
und diese am 17. Mai 2016 begründet. Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht
stattgegeben. Das Arbeitsgericht habe sich nur unzureichend mit dem Wortlaut und der Systematik des §§
14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG befasst und verkannt, dass insbesondere verfassungsrechtliche Gründe zwingend zu
einem anderen Auslegungsergebnis führen müssten. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts schließe
der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein Verständnis eines einschränkenden Vorbeschäftigungsverbots
jedenfalls nicht eindeutig aus. Dies sei entscheidend, weil ein anderes Auslegungsverständnis
verfassungsrechtlichen Bedenken begegne und auch unionsrechtlich zu einer unzulässigen
Altersdiskriminierung führe. Der gesetzgeberische Wille könne bei der Interpretation der Vorschrift nur
insofern herangezogen werden, als er im Gesetz auch seinen Niederschlag gefunden habe. Maßgeblich sei
die Grundabsicht des Gesetzgebers gewesen, wonach das Vorbeschäftigungsverbot nur dem Zweck der
Verhinderung des Missbrauchs von Kettenarbeitsverhältnissen habe dienen sollen. Ausschließlich diese
Absicht bilde den objektiven Gesetzeszweck des §§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Jedenfalls habe das
Arbeitsgericht einer bestätigten höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen, welche erhebliche
praktische Relevanz besitze. Daher habe es das Arbeitsgericht versäumt, ihr, der Beklagten, im Hinblick auf
die damit verbundene verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung Vertrauensschutz zu gewähren.
13 Die Beklagte beantragt:
14
Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14. April 2016, AZ.: 21 Ca 117/16, wird
abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
15 Der Kläger beantragt,
16
die Berufung zurückzuweisen.
17 Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe seine Entscheidung zutreffend begründet und die Klage zu
Recht abgewiesen. Die Formulierung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei eindeutig. Die Formulierungsakrobatik
des siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts sei ausschließlich von dem Ziel getragen, entgegen dem
Wortlaut der Norm das gewünschte Ergebnis herbei zu argumentieren. Da sich der Gesetzgeber in Kenntnis
der vorangehenden Gesetzesregelung und trotz der dezidierten Diskussion und des Hinweises
sachverständiger Personen im Gesetzgebungsverfahren für die letztendlich Gesetz gewordene Formulierung
entschieden habe, könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne
von „niemals zuvor“ zu verstehen sein müsse. Auch diese Regelung trage dem in der Verhinderung von
Kettenbefristungen liegenden Gesetzeszweck Rechnung und begegne keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken.
18 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen gemäß § 64 Abs. 6
ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die
Protokolle über die mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
19 Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b und Buchst. c ArbGG statthaft. Sie ist auch
gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und
begründet worden.
II.
20 Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass das
zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. Dezember
2015 geendet hat. Folgerichtig hat es die Beklagte auch zu Recht weiter verurteilt, den Kläger bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Montierer in der
Fahrzeugmontage im Bereich Karosseriemontage weiter zu beschäftigen.
21 1. Die Klage ist zulässig. Das Arbeitsgericht hat den Beschäftigungsantrag entgegen der ausdrücklich vom
Kläger gewählten Formulierung zutreffend dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Weiterbeschäftigung
lediglich bis zur rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit begehrt. Diese Auslegung folgt
bereits aus der Begründung des Weiterbeschäftigungsantrags in der Klageschrift (dort Seite 5, Blatt 10 der
Akte). Der Kläger hat sich dort ausdrücklich auf die Entscheidung des Großen Senats des
Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 berufen (erkennbar versehentlich hat der Kläger das Datum
dieser Entscheidung fälschlicherweise mit dem „27. Februar 1986“ angegeben). Der große Senat des
Bundesarbeitsgerichts hat den Weiterbeschäftigungsanspruch aber ausdrücklich nur bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Rechtsstreits gewährt (BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - Rn. 27 ff.). Gleiches gilt hinsichtlich
der vom Kläger ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidung des LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf 12.
Oktober 2010 - 16 Sa 804/10 - Rn. 44). Im Übrigen liegen sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vor.
22 2. Die Klage ist begründet. Die zuletzt für die Dauer vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015 vereinbarte
sachgrundlose Befristung des klägerischen Arbeitsverhältnisses ist rechtsunwirksam und das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht daher über das vereinbarte Befristungsende hinaus fort.
Der Kläger hat ferner Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Rechtsstreits.
23 a) Die streitgegenständliche Befristung ist rechtsunwirksam.
24 aa) Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG in Verbindung mit § 7 Halbs. 1 KSchG als
rechtswirksam. Denn der Kläger hat die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung rechtzeitig
innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags geltend gemacht.
Seine Klage ist bereits am 4. Januar 2016 und damit nur wenige Tage nach dem mit Ablauf des 31.
Dezember 2016 vereinbarten Befristungsende beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangen.
25 bb) Der Rechtswirksamkeit der mit Wirkung vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015 vereinbarten
sachgrundlosen Befristung steht das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Das Gericht
vermag dem Auslegungsergebnis des Bundesarbeitsgerichts in Bezug auf die Norm des § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG nicht zu folgen. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG
dahingehend auszulegen, dass eine sachgrundlose Befristung auch dann ausscheidet, wenn das Ende eines
zwischen den Parteien vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bereits mehr als drei Jahre zurückliegt.
26 (1) Gem. § 14 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbs. TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne
Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig. Gem. § 14 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs.
TzBfG ist bis zu dieser Gesamtdauer von 2 Jahren auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines
kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Be-fristung nach Satz 1 ist gem. § 14 Abs. 2 Satz
2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes
Arbeitsverhältnis bestanden hat.
27 (2) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte
Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt,
in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die
anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn
und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht
ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor
einer anderen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer
hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang
mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte,
vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf.
Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten
Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen. In keinem Fall
darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen
oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten
lassen. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt
daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung
zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird
nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere
Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fern liegen. Anderenfalls wäre
es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu
unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum
durchzusetzen (BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 - Rn. 66; BAG 20. September 2016 - 3 AZR 412/15
- Rn. 23).
28 (3) Unter Anwendung der vorstehenden Methoden der Gesetzesauslegung ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als
zeitlich uneingeschränktes, mithin absolutes Anschlussverbot zu interpretieren (ebenso ganz ausdrücklich
BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - Rn. 18 und insbes. Rn. 25; BAG 29. Juli 2009 - 7 AZN 368/09 -
Rn. 2; LAG Baden-Württemberg 26. September 2013 - 6 Sa 28/13 Rn. 23; LAG Baden-Württemberg 21.
Februar 2014 - 7 Sa 64/13 Rn. 23; aA BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 13; BAG 21. September
2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 9. August 2012 - 2 Sa 239/12 - Rn. 38; LAG
Rheinland-Pfalz 24. Januar 2014 - 1 Sa 490/13 - Rn. 20; zum Meinungsstand im Schrifttum vgl. die in der
Entscheidung des BAG vom 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 im Einzelnen dargestellte Übersicht unter Rn.
15). Für das hier gefundene Auslegungsergebnis sprechen Wortlaut, Regelungssystematik,
Entstehungsgeschichte und Normzweck.
29
(a) Bereits der Wortlaut der Norm des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG spricht fach- und umgangssprachlich eher
für ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot (weitergehend im Sinne eines diesbezüglich sogar
eindeutigen Wortlauts BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - Rn. 19; BAG 29. Juli 2009 - 7 AZN 368/09
- Rn. 2; LAG Baden-Württemberg 26. September 2013 - 6 Sa 28/13 Rn. 25; LAG Baden-Württemberg 21.
Februar 2014 - 7 Sa 64/13 Rn. 19; ArbG Gelsenkirchen 26. Februar 2013 - 5 Ca 2133/12 - Rn. 28; Höpfner
NZA 2011, 893, 897; Kossens jurisPR-ArbR 37/2011 Anm. 1; Wedel AuR 2014, 31 Anm. zu LAG Baden-
Württemberg 26. September 2013 - 6 Sa 28/13). Mit dem Begriff „bereits zuvor“ hat sich der Gesetzgeber
eines sprachlichen Ausdrucks bedient, welchem im allgemeinen Sprachgebrauch keine zeitliche
Begrenzung inne wohnt. Hierfür hätte es einer entsprechenden sprachlichen Präzisierung bedurft, welche
im Wortlaut der Regelung keinen Niederschlag gefunden hat. Dementsprechend spricht mehr dafür, den
Begriff „bereits zuvor“ schon sprachlich umfassend zu verstehen. Ob das frühere Arbeitsverhältnis erst
wenige Tage oder viele Jahre vor dem erneut befristeten Folgearbeitsverhältnis beendet worden war,
erscheint daher ausgehend vom Wortlaut der Norm irrelevant (vgl. Dörner ZTR 2001, 485, 489; Höpfner
NZA 2011, 893, 897; Heidl RdA 2009, 297, 299 f.; Kliemt NZA 2001, 296, 300; Preis NZA 2005, 714, 715).
Das Adverb „zuvor“ spricht ohne sprachliche Einschränkung sämtliche Fälle an, in denen irgendwann
einmal ein zeitlich vorhergehendes Arbeitsverhältnis bestanden hat (vgl. zB
www.duden.de/rechtschreibung/zuvor). Wortbedeutung und Kontext im Textgefüge des § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG beinhalten insoweit keinerlei zeitliche oder inhaltliche Begrenzung.
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Auch ein gesetzessystematischer Wortlautvergleich legt nahe, dass der Gesetzgeber, sofern er seine
Regelungen in einen zeitbeschränkten Kontext einbetten wollte, eine diesem Anliegen Rechnung tragende
Formulierung wählen würde bzw. gewählt hat. So hat er die zeitliche Komponente etwa in der Regelung
des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG (im Zusammenhang mit einer „Befristung im Anschluss an eine
Ausbildung oder an ein Studium“) oder in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG (bei der Befristung älterer
Arbeitnehmer, die „unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate
beschäftigungslos“ waren) sprachlich präzisiert. Im Umkehrschluss spricht das Fehlen jeglicher
einschränkender Begrifflichkeiten in der Norm des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG deshalb dafür, dass das
Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in einem zeitlich umfassenden Sinne verstanden werden
muss (vgl. insoweit auch Höpfner NZA 2011, 893, 897; aA BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 18).
31
(b) Ganz wesentlich für das hier gefundene Auslegungsergebnis spricht die Gesetzgebungsgeschichte.
Insoweit belegen die zur Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers heranzuziehenden
Gesetzesmaterialien (vgl. dazu die oben dargestellten Grundsätze zur Gesetzesauslegung unter II 2 a bb
(2) der Gründe) den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, die Norm des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne
eines zeitlich unbeschränkten Anschlussverbots zu regeln. Dies ist von ausschlaggebender Bedeutung und
verbietet nach Auffassung des Gerichts die gegenteilige, bereits nach dem Wortlaut kaum mögliche
Interpretation der Norm. Eine sachgrundlose Befristung ist nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei
einer „Neueinstellung“ zulässig (BT-Drucks. 14/4374, S. 14). Dieser vom Gesetzgeber in den Materialien
verwendete Begriff der „Neueinstellung“ bezweckt in Bestätigung des Wortsinns ein zeitlich
uneingeschränktes Anschlussverbot. Denn der Gesetzgeber hat unter dem Begriff der Neueinstellung
ausdrücklich die „erstmalige Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber“ verstanden (BT-
Drucks. 14/4374, S. 14). Die Gesetzesformulierung „bereits zuvor“ kann im Lichte der
Gesetzesmaterialien nicht anders verstanden werden. Eine unbewusste, etwa versehentliche gegenteilige
Gesetzesformulierung kann ausgeschlossen werden (vgl. Höpfner, NZA 2011, 893, 897). Vielmehr hat der
Gesetzgeber den Gesetzestext bewusst wie geschehen formuliert und damit sein Regelungsanliegen klar
zum Ausdruck gebracht (vgl. Höpfner, NZA 2011, 893, 897). Dieser Befund wird schließlich eindeutig
bestätigt, wenn man bedenkt, dass die so zu verstehende Regelung aufgrund der damit verbundenen
praktischen Schwierigkeiten im Gesetzgebungsverfahren ganz erhebliche Kritik erfahren hatte. So hat
beispielsweise Preis vor dem Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass das Ziel, Kettenbefristungen zu vermeiden, auch mit Hilfe einer zweijährigen Sperrzeit
erreicht werden könne (BT-Drucks. 14/4625, S. 18). Ebenso lehnten die Mitglieder der Unionsfraktion die
Beschränkung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit auf „Neueinstellungen“ ab (BT-Drucks. 14/4625,
S. 19). Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber trotz dieser Kritik für eine nur „einmalige Möglichkeit der
Befristung ohne Sachgrund“ entschieden (BT-Drucks. 14/4374, S. 14; Höpfner NZA 2011, 893, 898).
32
Dass der Gesetzgeber ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot geregelt hat, belegen auch die
parlamentarischen Initiativen zur Änderung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nach Inkrafttreten des TzBfG im
Jahr 2001. Eine Vielzahl von der Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages bzw. von Länderseite
eingebrachter Gesetzesentwürfe sah eine zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbotes vor (zB
Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des SGB III, Bundesregierung, BR-Drucks. 320/05,
Karenzzeit zur vorherigen Beschäftigung: zwei Jahre; Entwurf eines Gesetzes zur Lockerung des Verbotes
wiederholter Befristung, FDP, BT-Drucks. 15/5270, Karenzzeit: drei Monate; Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Teilzeit-und Befristungsgesetzes, Thüringen, BR-Drucks. 469/04, Karenzzeit: drei Monate;
Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts, Bayern, BR-Drucks. 863/02, Karenzzeit: drei
Monate; Entwurf eines Gesetzes für mehr Wachstum und Beschäftigung durch nachhaltige Reformen am
Arbeitsmarkt, BR-Drucks. 456/03, Karenzzeit: drei Monate; vgl. dazu Kossens jurisPR-ArbR 37/2011 Anm.
1). Diese Gesetzesentwürfe sind mangels parlamentarischer Mehrheit oder aus Gründen der Diskontinuität
nicht beschlossen worden. Gerade aber auch dies ist Beleg für den rechtlich bindenden Willen des
Gesetzgebers, an dem umfassenden Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG festzuhalten (vgl. zur
Entwicklungsgeschichte des § 14 TzBfG auch Höpfner, NZA 2011 893, 897 f.).
33
Die Gesetzgebungsgeschichte spricht somit klar und unmissverständlich für das hier vertretene
Auslegungsergebnis. Dies hat letztlich auch das Bundesarbeitsgericht einräumen müssen (vgl. BAG 6. April
2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 16 und BAG 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 26, welches davon
ausgeht, dass die Gesetzesgeschichte „eher“ auf ein zeitlich unbeschränktes Verbot der
Zuvorbeschäftigung hindeute). Der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, welches meint, die
Gesetzesmaterialien bei der Auslegung nur unterstützend und nur insofern heranziehen zu können, als
sich aus ihnen auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lässt, vermag das Gericht angesichts der
insoweit eindeutigen Sachlage, welche keine Zweifel an einem gegenteiligen Willen des Gesetzgebers
zulässt, nicht zu folgen (vgl. ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte auch LAG Baden-Württemberg 21.
Februar 2014 - 7 Sa 64/13 Rn. 20).
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(c) Auch die Regelungssystematik des Gesetzes spricht für ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot.
§ 14 Abs. 1 TzBfG stellt im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses den Grundsatz auf, dass die
Befristung eines Arbeitsvertrages nur dann zulässig ist, wenn sie durch einen sachlichen Grund
gerechtfertigt ist. Ist keiner der im Gesetz genannten Gründe und auch kein gleichwertiger Sachgrund
gegeben, ist die Befristung unzulässig (vgl. auch Höpfner, NZA 2011, 893). Abweichend von diesem
Grundsatz gestattet der Gesetzgeber enumerativ in § 14 Abs. 2 bis 3 TzBfG in bestimmten Konstellationen
privilegierte Ausnahmen. Neben den tatbestandlich eng begrenzten Privilegierungen von
Existenzgründern und der Arbeitsverträge mit älteren, zuvor arbeitslosen Arbeitnehmern ist der
konzeptionelle Ausnahmetatbestand der sachgrundlosen Befristung nur zulässig, wenn zwischen den
Parteien des befristeten Arbeitsvertrages nicht „bereits zuvor“ ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (vgl.
auch dazu Höpfner, NZA 2011, 893). Ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot entspricht damit auch
der Regelungssystematik des Rechts der Befristung als Begrenzung der Ausnahme der sachgrundlosen
Befristung (LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2014 - 7 Sa 64/13 Rn. 21).
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(d) Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die im Sinne des Bundesarbeitsgerichts vorgenommene
Auslegung des §§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG dem Sinn und Zweck der Vermeidung von Kettenbefristungen
Rechnung trage, so wird verkannt, dass dies nicht minder gilt, wenn man von einem umfassenden und
zeitlich unbeschränkten Anschlussverbot ausgeht. Gerade auch dieses, dem wirklichen Willen des
Gesetzgebers entsprechende Auslegungsergebnis vermag derartige Befristungsketten zuverlässig zu
verhindern. Insoweit ist besonders darauf hinzuweisen, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn der
Gesetzgeber zur Vermeidung ansonsten bestehender Auslegungsschwierigkeiten eine in jeder Hinsicht
klare, weil durchgängig restriktive Regelungsvariante wählt. Im Lichte dieser gesetzgeberischen Intention,
die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eindeutig zum Ausdruck gekommen ist (siehe dazu die
obigen Ausführungen), verbietet es sich umso mehr, das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens durch
eine vom unzweifelhaften wirklichen Willen des Gesetzgebers abweichende gegenteilige Auslegung der
Gerichte letztlich in sein Gegenteil zu verkehren.
36 cc) § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot ist nicht verfassungswidrig.
Demgegenüber geht das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 21. September 2011 (- 7 AZR
375/10 - Rn. 31) davon aus, dass ein zeitlich völlig unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot mit Art. 12
Abs. 1 GG unvereinbar sein soll. Dem kann nicht gefolgt werden. So hat das Bundesverfassungsgericht in
seiner Entscheidung vom 11. November 2004 (- 1 BvR 930/04 - Rn. 1) ausgeführt, dass Anhaltspunkte
dafür, dass die angegriffene Entscheidung gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des dortigen
Beschwerdeführers verstößt, nicht ersichtlich sind (vgl. dazu auch Höpfner, NZA 2011, 893 Fußnote 10).
Gegen die Entscheidungen des Zweiten Senates des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2003 (- 2
AZR 690/02 -) und vom 13. Mai 2004 (- 2 AZR 426/03 -), die im Wege der Auslegung § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG als zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot interpretiert haben, wurden hiergegen eingelegte
Verfassungsbeschwerden jeweils durch Beschluss vom 11. November 2004 (1 BvR 930/04 und 1 BvR
2150/04) mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (gegen eine Verfassungswidrigkeit
auch LAG Baden-Württemberg 26. September 2013 - 6 Sa 28/13 - Rn. 27; ArbG Gelsenkirchen 26 Februar
2013 - 5 Ca 2133/12 - Rn. 35; aA Höpfner, NZA 2011, 893, 899; Persch, ZTR 2010, 2 ff., insbesondere im
Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG). Wenngleich es sich um einen Nichtannahmebeschluss handelt, schließt sich
das Gericht der im Beschluss des BVerfG vom 11. September 2004 (1 BvR 930/04) geäußerten
Rechtsansicht an. Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG geregelte zeitlich uneingeschränkte Anschlussverbot
verstößt nicht gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Ziel, Zweck und Mittel der § 14 TzBfG
zugrunde liegenden Regelungskonzeption des Gesetzgebers rechtfertigen im Hinblick auf die
Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und seines weiten Ausgestaltungsspielraumes nicht die
Annahme einer Grundgesetzwidrigkeit. Die Interessenlagen der Beteiligten vor und nach Vertragsschluss
(Konkurrenzverhältnis zwischen den Bewerbern untereinander, zB Erprobungsbefristung zuvor beschäftigt
gewesener Bewerber und Fragerecht bei der Einstellung) geben genügend Freiraum, der Berufs- und
Vertragsfreiheit Rechnung zu tragen. Empirische Befunde über die Wirkung des zeitlich uneingeschränkten
Anschlussverbotes als faktische Einstellungssperre liegen nicht vor. Einstellungsbereite Arbeitgeber stellen
der Lebenserfahrung entsprechend nur bei betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit zusätzliches Personal
ein. Wenngleich hierfür Sachgründe notwendig sind, ist bei deren Vorliegen die betriebswirtschaftlich
motivierte befristete Einstellung trotz bestehender Vorbeschäftigung möglich und damit nicht von
vornherein ausgeschlossen (LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2014 - 7 Sa 64/13 Rn. 26). § 14 Abs. 2
Satz 2 TzBfG erweist sich damit als verfassungsgemäß. Ob im Falle eines anderen Ergebnisses der
verfassungsrechtlichen Überprüfung der Norm überhaupt eine verfassungskonforme Auslegung möglich
wäre, kann daher unentschieden bleiben (gegen eine solche Möglichkeit LAG Baden-Württemberg 21.
Februar 2014 - 7 Sa 64/13 Rn. 28 ff.).
37 dd) Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass durch das hier vertretene Auslegungsergebnis auch eine
unionsrechtswidrige mittelbare Diskriminierung älterer Arbeitnehmer nicht zu befürchten ist. Zwar sind
insoweit in der Rechtsprechung Bedenken geäußert worden, ob eine Gesetzesauslegung im Sinne eines
zeitlich unbegrenzten Anschlussverbots nicht dazu führen muss, dass Arbeitgeber mit den typischerweise
älteren Arbeitnehmern, welche bereits zuvor bei ihnen beschäftigt waren, mangels der Möglichkeit einer
sachgrundlosen Befristung kein Arbeitsverhältnis mehr eingehen werden. Dies könne zu einer mittelbaren
Altersdiskriminierung dieser Arbeitnehmer führen (so ArbG Kiel 25. April 2014 - 2 Ca 32 b/14 - Rn. 28).
Diesen Bedenken vermag das Gericht aus den bereits zur Frage der Verfassungswidrigkeit dargestellten
Gründen nicht zu folgen. Denn die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist insoweit auch zur Erreichung
eines rechtmäßigen Ziels des Gesetzes angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Nr. i RL
2000/78/EG. Damit entfällt schon der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters.
Welches Ziel ein Gesetz im Sinne der genannten Vorschrift der Richtlinie verfolgt, ergibt sich aus dem
Gesetzeszweck. Ob der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung erfüllt ist, bestimmt sich danach, ob
die mittelbare Benachteiligung von Trägern verpönter Merkmale aus dem gesetzlich angeordneten
Differenzierungskriterium und dieses wiederum aus dem Differenzierungsziel begründet werden kann.
Rechtmäßige Ziele iSd. Richtlinie können alle von der Rechtsordnung anerkannten Gründe sein, die nicht
ihrerseits diskriminierend sind (vgl. dazu BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 22). § 14 Abs. 2
Satz 2 TzBfG verfolgt, worauf die Beklagte selbst hingewiesen hat, das Ziel, missbräuchliche
Kettenbefristungen zu vermeiden. Hierbei handelt es sich unzweifelhaft um ein rechtmäßiges Ziel des
Gesetzgebers. Dass es in Einzelfällen im Falle einer länger zurückliegenden Vorbeschäftigung zur
Unzulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung kommen kann, führt entgegen der Auffassung der
Beklagten aber nicht dazu, dass die gesetzliche Regelung nicht mehr als angemessen angesehen werden
kann. Insoweit ist insbesondere wiederum von Bedeutung, dass auch für denkbare Extremfälle, in welchen
die Zeit der Vorbeschäftigung bereits sehr lange - womöglich Jahrzehnte - zurückliegt, die sich insoweit
stellenden unionsrechtlichen Bedenken dadurch entschärft werden, dass § 14 Abs. 1 TzBfG ungeachtet
einer vorhandenen Vorbeschäftigung gleichwohl eine weitere Befristung mit Sachgrund zulässt. So ist es
nicht ausgeschlossen und rechtlich möglich, dass ein vor langer Zeit bereits bei dem selben Arbeitgeber
beschäftigter Arbeitnehmer bei Vorliegen des Sachgrunds des § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG zur Erprobung
dennoch wieder befristet eingestellt werden kann (vgl. dazu im Zusammenhang mit der Prüfung der
Verfassungswidrigkeit LAG Baden-Württemberg 26. September 2013 - 6 Sa 28/13 - Rn. 27). Im Übrigen
hält sich die gesetzliche Regelung noch im Rahmen des dem Gesetzgeber bei der notwendigen
typisierenden Betrachtung zustehenden weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraums.
38 ee) Als Folge der sich damit ergebenden Rechtsunwirksamkeit der Befristung gilt der zwischen den Parteien
befristete Arbeitsvertrag gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen.
39 ff) Die Beklagte kann sich in vorliegendem Fall nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn nach der
Rechtsprechung des BVerfG (26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - Rn. 43) besteht kein schutzwürdiges
Vertrauen, wenn die fachgerichtliche Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, auf so erhebliche
Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen
konnte. Danach konnte die Beklagte nicht mehr auf den Fortbestand der Rechtsprechung des BAG
vertrauen, auch wenn sie die Befristung mit dem Kläger - wie ihrerseits vorgetragen - bewusst im Hinblick
auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vereinbart haben sollte. Bis zur Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 6. April 2011 (- 7 AZR 716/09 -) entsprach es in Rechtsprechung und Literatur
herrschender Meinung, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot
beinhaltet. Die wohl durch einen Personalwechsel bedingte Änderung der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts erfolgte überraschend (vgl. Gräf, jurisPR-ArbR 29/2013 Anm. 2) und sorgte für einen
Paukenschlag (Höpfner, NZA 2011, 893). Angesichts der überwiegend deutlichen Kritik im Schrifttum,
insbesondere an der Methodik der Urteilsfindung der Entscheidung des Siebten Senats und der vielfach
auch als verfassungsrechtlich bedenklich eingeschätzten Vorgehensweise, konnte die Beklagte im
Zeitpunkt des Abschlusses der im Streit stehenden letzten Befristung jedenfalls im Jahre 2015 nicht mehr
von einem unveränderten Fortbestand dieser Rechtsprechung ausgehen. Dies gilt umso mehr, wenn man
berücksichtigt, dass auch die Landesarbeitsgerichte der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts - freilich
unter Zulassung der Revision - nicht gefolgt sind (etwa LAG Baden-Württemberg 26. September 2013 - 6
Sa 28/13; LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2014 - 7 Sa 64/13). Spätestens jedoch mit der
Vorlageentscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG durch dessen
Beschluss vom 3. April 2014 (5 Ca 463/13) und dem insoweit vor dem Bundesverfassungsgericht unter dem
Aktenzeichen 1 BvL 7/14 anhängigen Verfahren, in welchem die vom Arbeitsgericht Braunschweig
verneinte Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung vom Bundesverfassungsgericht zu überprüfen
sein wird, konnte sich die Beklagte nicht mehr auf den Schutz ihres Vertrauens in die höchstrichterliche
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen.
40 b) Das im Interesse des Klägers als uneigentlicher Hilfsantrag auszulegende vorläufige
Weiterbeschäftigungsbegehren ist mit dem Erfolg des Klageantrags Ziff. 1 zur Entscheidung angefallen. Es
ist auch begründet. Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.
Februar 1985 (- GS 1/84 -) zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch bei unwirksamen Kündigungen
gelten auch für die Entfristungsklage (BAG 15. März 1989 - 7 AZR 264/88 - Rn. 59).
III.
41 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
42 Die Zulassung der Revision ist wegen Divergenz veranlasst (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).