Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 21.01.2015

versetzung, einkauf, anspruch auf beschäftigung, ermessen

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 21.1.2015, 13 Sa 72/14
Versetzung eines Arbeitnehmers - Direktionsrecht - billiges Ermessen
Leitsätze
1. Die Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO durch den
Arbeitgeber muss billigem Ermessen entsprechen.
2. "Billiges Ermessen" erfordert unter anderem die Beachtung der Verhältnismäßigkeit
der Maßnahme im Sinne von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im
engeren Sinn.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 5.
September 2014 (Az.: 7 Ca 190/14) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Frage der Wirksamkeit einer Versetzung der Klägerin
anlässlich der Zuweisung eines anderen Tätigkeitsgebiets.
2 Die am 00.00.1960 geborene, einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin arbeitet seit
dem 1. September 1984 bei der Beklagten, einem börsennotierten
Energieversorgungsunternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und einem
Jahresumsatz von rund EUR 4 Milliarden, zu einer monatlichen Vergütung von
EUR 6.120,62 brutto nach Vergütungsgruppe ÜT 2 des bei der Beklagten
geltenden (Haus-) Manteltarifvertrages. In der Bilanz der Beklagten sind
Sachanlagen in Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte von mehr als EUR
800 Millionen ausgewiesen. Die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien
richteten sich seit 1. Mai 2011 nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 13. / 21.
April 2011 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 30 bis 35; I/30-35). Darin heißt es unter
anderem:
3
"2 Tätigkeit und Aufgabengebiet
4
Der Arbeitnehmer wird innerhalb der Abteilung Zentraleinkauf (K-L.E) als
Gruppenleiter Einkauf beschäftigt
5
2.1 Änderungen der Organisation und Geschäftsverteilung behält sich die
Gesellschaft ausdrücklich vor. Der Arbeitnehmer ist bereit, ggf. auch ein seinen
Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechendes anderes oder zusätzliches
Aufgabengebiet innerhalb des MVV-Konzerns (§ 18 Aktiengesetz) zu
übernehmen."
6 In dem bei der Beklagten geltenden Manteltarifvertrag (MTV; I/93 ff.), dessen
Geltung zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbart ist, heißt es unter
anderem:
7
"§ 4 Allgemeine Pflichten
8
4.2 Der Arbeitnehmer kann unter Berücksichtigungseiner Kenntnisse und
Fähigkeiten sowie seiner bisherigen Tätigkeiten vom Arbeitgeber auch andere als
die bei seiner Einstellung vereinbarten Aufgaben zugewiesen bekommen, sowie
innerhalb der tarifvertragsschließenden Gesellschaften versetzt werden; die
persönlichen Belange des Arbeitnehmers, insbesondere die Frage eines
gleichwertigen bzw. zumutbaren Arbeitsplatzes, sind zu berücksichtigen. Im
Arbeitsvertrag kann im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt werden, dass
der Arbeitnehmer innerhalb des MVV-Konzerns (§ 18 Aktiengesetz) versetzt
werden kann."
9 Bevor die Klägerin als Gruppenleiterin Einkauf beschäftigt wurde, war sie bei der
Beklagten zunächst als SB Einkauf, Einkäufer und dann als Senior Procurement
Manager tätig. In einem der Klägerin wegen eines Vorgesetztenwechsels am 31.
Juli 2012 erteilten Zwischenzeugnis (vgl. I/13 ff.) heißt es zu ihrem
Tätigkeitsbereich, der insbesondere die Verhandlung und Vergabe von
Lieferantenverträgen betrifft:
10 "Als Gruppenleiterin ist Frau S. verantwortlich für die fachliche und disziplinarische
Führung der Mitarbeiter ihres Einkaufsteams, stellt die ordnungsgemäße und
wirtschaftliche Beschaffung für ihre Kunden sicher und wirkt mit bei der
Erarbeitung der Einkaufsstrategie"
11 Weiter werden in dem Zwischenzeugnis detailliert die Aufgabengebiete der
Tätigkeit der Klägerin beschrieben. Die von der Klägerin geleitete Gruppe besteht
aus sieben Arbeitnehmern. Die Klägerin berichtet an die Abteilungsleiterin, die
wiederum der Bereichsleitung berichtet.
12 Am 21. Januar 2014 fand ein Personalgespräch der Klägerin mit ihrer
Abteilungsleiterin, dem Bereichsleiter und dem Personalleiter statt. Anlässlich
dessen wurde der Klägerin mitgeteilt, dass über die "Whistleblower-Hotline" der
Hinweis eingegangen sei, der Beklagten seien durch ungerechtfertigte Nachträge
im Zusammenhang mit den Projekten X., Y. und Z. ein Schaden im zweistelligen
Millionenbereich entstanden. In diesem Zusammenhang sei der Name eines
Kollegen, der das Unternehmen bereits verlassen hatte, und der Name der
Klägerin genannt worden. Die Klägerin wies solche Vorwürfe zurück. Die Beklagte
hat sich zu diesem Komplex nicht mehr geäußert.
13 Anlässlich dieses Personalgesprächs wurden der Klägerin ferner zwei
Sachverhalte, die in das Jahr 2011 zurückgingen, vorgehalten, die mit der
anonymen Anzeige nichts zu tun hatten. Zum einen ging es darum, dass bezüglich
eines Lieferanten, der Firma V. E. GmbH, die sich aus einem bis 2015 geltenden
Rahmenvertrag ergebenden Leistungspositionen von der Klägerin ohne interne
Rücksprache und ohne Bedarf hierfür erweitert worden seien, wodurch ein
Schaden von rund EUR 46.000,00 entstanden sei. Ferner habe die Klägerin im
September 2011 gegenüber der Firma V. E. GmbH den von ihr zu beobachtenden
Kupferpreis, welcher gegenüber der vorhergehenden Zeit um 15% gesunken war,
bei abzurechnenden Kabelpreisen nicht angepasst, wodurch EUR 7.500,00 zu viel
bezahlt worden sei. Dieser Betrag ist zwischenzeitlich von der Firma V. E. im März
2014 der Beklagten erstattet worden. Wegen dieser Vorfälle erteilte die Beklagte
der Klägerin mit Datum 22. Januar 2014 zwei Abmahnungen (vgl. I/23 ff. und I/26
f.). In einem Begleitschreiben vom 22. Januar 2014 (vgl. I/28 f.) teilte die Beklagte
der Klägerin mit, dass sie wegen der Abmahnungen nicht auf weitergehende
Maßnahmen verzichte.
14 Mit Schreiben vom 17. März 2014 (vgl. I/86 ff.) beantragte die Beklagte bei dem bei
ihr bestehenden Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 BetrVG zu einer
Versetzung der Klägerin, welcher dieser mit Schreiben vom 25. März 2014
widersprach (vgl. I/90). Mit Schreiben vom 26. März 2014 (vgl. I/91 f.) unterrichtete
die Beklagte den Betriebsrat über eine diesbezügliche vorläufige personelle
Maßnahme nach § 100 Abs. 2 BetrVG, die vom Betriebsrat nicht für erforderlich
gehalten wurde. Wegen der Zustimmung zur Versetzung und der vorläufig
durchgeführten personellen Maßnahme ist beim Arbeitsgericht Mannheim ein
Beschlussverfahren anhängig (7 BV 6/14), über welches noch nicht entschieden
wurde.
15 Mit Schreiben vom 27. März 2014 (vgl. I/21 f.) sprach die Beklagte gegenüber der
Klägerin ab 1. April 2014 eine "vorläufige Versetzung" in die Organisationseinheit
Liegenschaftsmanagement auf die Stelle eines "Transaktionsmanager Immobilien"
aus. Die Einzelheiten der diesbezüglichen Tätigkeit ergeben sich insbesondere
aus einer Stellenbeschreibung vom 24. März 2014 (vgl. I/ 17 ff.) und einer
diesbezüglichen Anlage vom 25. März 2014 (vgl. I/20). In der Stellenbeschreibung
heißt es unter anderem:
16 "Grundstücks- und Objektbeschaffung und -verwertung für den Teilkonzern M.
und Dritte in Abstimmung mit den Asset Ownern und Auftraggebern
Grundstücke erwerben / verkaufen
Vermessungen & Wertermittlungen durchführen / veranlassen
Eigenverantwortlich (Ver-) Kaufverträge abschließen / Grundstücke erwerben bzw.
verkaufen
Objekte verkaufen / verleasen
Führen von Verhandlungen
Abschließen von Kaufverträgen
Objekte ankaufen / leasen
Eigenverantwortlich Kaufverträge abschließen / Objekte erwerben
Mietverträge abschließen
Mietverträge kündigen"
17 Am Tätigkeitsstandort und an der Vergütung ändert sich für die Klägerin durch
diese Versetzung nichts. Beide Stellen sind im Stellenbewertungsverfahren mit "ÜT
2" bewertet worden. Anders als in der Tätigkeit als "Gruppenleiterin Einkauf" ist die
Stelle nicht mit einer Personalführungsfunktion versehen. Der
"Transaktionsmanager Immobilien" berichtet ferner nicht einem Abteilungsleiter
sondern unmittelbar einem Bereichsleiter. In der Anlage zur Beschreibung der
neuen Stelle heißt es zu "Fachkompetenz, fachspezifisch: grundlegende
Kenntnisse im Facility- und Projektmanagement". In der Rubrik "Besonderheiten
der Stelle" heißt es: "Verbindung von kaufmännischem Fachwissen aus dem
Facility-Management Bereich, sowie Kreativität für die Entwicklung und Verwaltung
von Objekten und Grundstücken". Die Klägerin war zuvor weder im
Immobilienbereich oder im Bereich Facility-Management tätig. Sie ist seit 1. April
2014 arbeitsunfähig krankgeschrieben.
18 Mit ihrer am 28. April 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten
am 5. Mai 2014 zugestellten Klage begehrt die Klägerin Weiterbeschäftigung als
Gruppenleiterin Einkauf und Feststellung der Vertragswidrigkeit der Versetzung auf
die Stelle eines Transaktionsmanager Immobilien.
19 Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, Anlass für die Versetzung seien nicht
die in den Abmahnungen enthaltenen Vorwürfe, sondern die ursprünglich
geäußerten ominösen Verdächtigungen und Anschuldigungen, die in keiner Weise
begründet seien und welche die Beklagte auch nicht näher begründe. Die
Versetzung sei nicht durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Die der
Klägerin neu zugewiesene Tätigkeit habe mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten
überhaupt nichts zu tun. Der von der Beklagten herangezogene
Rationalisierungsschutztarifvertrag sei kein geeigneter Maßstab. Es sei eine
Einarbeitungszeit von einem Jahr notwendig. Man benötige für die zugewiesene
Stelle außerordentliche Kenntnisse des gesamten Immobilien- und Objektmarktes
sowie spezielle Rechtskenntnisse. Die Versetzung sei schon mangels
Zustimmung des Betriebsrates hierzu unwirksam. Die Abmahnungen hätten
weitergehende Rechte der Beklagten aus den gerügten Vorfällen verbraucht. Im
Übrigen seien die Abmahnungen auch unberechtigt, da die Klägerin nicht gegen
ihre vertraglichen Pflichten verstoßen oder die Firma V. E. GmbH bevorzugt habe.
Da die zusätzlichen Leistungspositionen auf Wunsch der Fachabteilung
aufgenommen worden seien, sei ein Vertrauensverlust nicht nachvollziehbar. Den
Kupferzuschlag habe die Klägerin zusammen mit einem Kollegen im Nachgang
gegenüber der Firma V. erfolgreich geltend gemacht.
20 Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
21 1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin vertragsgemäß als Gruppenleiterin
Einkauf in der Abteilung Zentraleinkauf weiter zu beschäftigen.
22 2. Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin auf die Stelle
"Transaktionsmanager Immobilien" in der Organisationseinheit
Liegenschaftsmanagement vertragswidrig ist.
23 Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
24 die Klage abzuweisen.
25 Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Klägerin habe - wie in den beiden
Abmahnungen vorgeworfen - unberechtigt und ohne interne Rückfrage
Leistungspositionen der Firma V. E. GmbH gegenüber dem ursprünglichen
Rahmenvertrag erweitert und nicht das Absinken des Kupferpreises geltend
gemacht. Damit habe die Klägerin schwerwiegend gegen ihre vertraglichen
Verpflichtungen verstoßen. Für eine Beschäftigung im Einkauf fehle das
erforderliche besondere Vertrauen in die Integrität der Klägerin. Bei den für den
Teilkonzern Umwelt Verantwortlichen sei es zu einem Vertrauensverlust
gegenüber der Klägerin gekommen, weshalb sie eine weitere Zusammenarbeit mit
ihr ablehnten. Daher habe die Beklagte der Klägerin eine andere Tätigkeit
zugewiesen, die nach dem Maßstab von § 3 Abs. 3 des
Rationalisierungsschutztarifvertrages (vgl. I/96 ff.) gleichwertig beziehungsweise
zumutbar sei. Die in einer späteren Stellenausschreibung (vgl. I/123) erwähnten
Voraussetzungen erfülle die Klägerin, mit Ausnahme der dort erwähnten
grundlegenden Kenntnisse im Facility-Management. Für juristische
Fragestellungen könne die Klägerin auf eine Volljuristin zurückgreifen. Die
Arbeitspflicht der Klägerin beschränke sich nicht auf die Tätigkeit als
Gruppenleiterin Einkauf. Durch den Ausspruch der Abmahnungen habe die
Beklagte nicht auf weitergehende Maßnahmen verzichtet, wie sich aus dem
Begleitschreiben ergebe. Zwar sei der Kauf und Verkauf von Immobilien etwas
anderes als der Einkauf von Wartungsdienstleistungen. Es gebe aber in
kaufmännischer Hinsicht zahlreiche Überschneidungen, so dass sich die Klägerin
in angemessener Zeit einarbeiten könne.
26 Das Arbeitsgericht hat mit einem am 5. September 2014 verkündeten Urteil nach
den Klageanträgen erkannt. Die Versetzung sei unwirksam. Die Beklagte erfülle
nicht die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, warum der Entzug der
Führungsverantwortung dem Maßstab billigen Ermessens genüge und die neu
zugewiesene Tätigkeit den Fähigkeiten und Kenntnissen der Klägerin unter
Berücksichtigung ihrer bisherigen Tätigkeit entspreche. Der Verweis auf die
Stellenausschreibung genüge nicht. Schon die lange Einarbeitungszeit spreche
dagegen, dass die neue Stelle den Kenntnissen und Fähigkeiten der Klägerin
entspreche. Die Beklagte habe darlegen müssen, warum die Klägerin für die neue
Stelle geeignet sei. Das bloße Bestreiten von Zweifeln genüge nicht. Die Beklagte
habe auch keine Abwägung der beidseitigen Interessen mitgeteilt. Da die
Versetzung unwirksam sei, könne die Klägerin von der Beklagten Beschäftigung
auf ihrer bisherigen Stelle verlangen.
27 Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 10. September 2014
zugestellt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Berufung, die am 19. September
2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und innerhalb verlängerter Frist
mit einem am 1. Dezember 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.
28 Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die
Versetzung der Klägerin nicht billigem Ermessen entspreche. Es handele sich um
eine unternehmerische Entscheidung der Beklagten aus Anlass der den
Abmahnungen vom 22. Januar 2014 (I/23 ff. und I/26 f.) zu Grunde liegenden
Sachverhalte. Dies habe zu einem schweren Vertrauensverlust der Vorgesetzten
der Klägerin und anderer Mitarbeiter der Beklagten gegenüber der Klägerin geführt.
Das Arbeitsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Die Klägerin
müsse besonders schwerwiegende Interessen darlegen und nachweisen, die
einer Versetzung aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung
entgegenstünden. Im Übrigen sei der Vortrag der Beklagten betreffend die
Ausübung billigen Ermessens auch ausreichend gewesen. Fehlende Kenntnisse
der Klägerin im Facility-Management könnten im Rahmen eines Parallellaufs mit
dem bisherigen Stelleninhaber erworben werden. Die der Klägerin neu
zugewiesene Stelle sei mit ihrer bisherigen Stelle nach einer standardisierten
Bewertung gleichwertig. Die bisherige Führungsverantwortung der Klägerin sei
nicht maßgeblich, da dies nur 15% ihrer bisherigen Arbeitszeit ausmache und sie
andererseits bei der neuen Stelle direkt dem Bereichsleiter berichte. Außerdem
arbeite die Klägerin in der neuen Position nicht isoliert sondern sei in den
gesamten Bereich des Facility Management eingebunden, was eine aufgaben-
oder projektbezogene Führung mit sich bringe. Die neu zugewiesene Stelle
entspreche auch den Fähigkeiten und Kenntnissen der Klägerin und entspreche
zum Teil ihrer Tätigkeit im Zentraleinkauf. Insbesondere sei der Erwerb und
Verkauf von Grundstücken und Immobilien dem "Verkauf" zuzurechnen. In beiden
Bereichen gehe es um kaufmännisches Geschick, um die genaue Kenntnis des
Unternehmens und um Erfahrung im Umgang mit internen und externen Kunden
beziehungsweise Geschäftspartnern. Sonderkenntnisse juristischer Art seien
hierfür nicht erforderlich. Es sei keine Einarbeitungszeit von einem Jahr
erforderlich, sondern allenfalls von zwei bis drei Monaten.
29
Die Beklagte beantragt,
30
unter Abänderung des Urteils des ArbG Mannheim vom 5. September 2014,
der Beklagten und Berufungsklägerin zugestellt am 10. September 2014, Az.
7 Ca 190/14, die Klage abzuweisen.
31
Die Klägerin beantragt:
32
Die Berufung der Beklagten / Berufungsklägerin gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Mannheim vom 05.09.2014, Az: 7 Ca 190/14, wird
zurückgewiesen.
33 Die Klägerin verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts.
Grund für die Versetzung seien nicht die Abmahnungen vom 22. Januar 2014,
sondern die anonymen Vorwürfe aus dem Gespräch vom 21. Januar 2014, die
sich in Luft aufgelöst hätten. Vorliegend gehe es nicht um eine "unternehmerische
Entscheidung" sondern eine personelle Einzelmaßnahme. Die gegenüber der
Klägerin erhobenen Vorwürfe seien im Wesentlichen unbegründet. Eine
Weigerung, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten, werde bestritten, hätte aber
auch keine rechtliche Grundlage. Die Erwägungen zur Eingruppierung seien für die
Frage der Versetzung unzureichend. Hinsichtlich der Führungsposition der
Klägerin beziehe sich die Beklagte auf eine veraltete Stellenbeschreibung aus dem
Jahr 2007. Nachdem nunmehr auch Zielvereinbarungen und kontinuierliche
Bewertungen der Mitarbeiter anfielen, mache der Anteil der Führungs- und
Leitungsaufgaben der bisherigen Stelle der Klägerin 30% aus und sei für diese
prägend, während die neue Stelle solche Aufgaben nicht habe. Diese Stelle
entspreche nicht den Kenntnissen und Fähigkeiten der Klägerin und erfordere ein
Jahr Einarbeitungszeit. Die Beklagte habe ihre Darlegungs- und Beweislast dafür,
dass die Versetzung billigem Ermessen entspreche, nicht erfüllt. Es gebe keinen
sachlichen Grund für die Versetzung. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, dass
das Vertrauen in die Integrität der Klägerin verletzt sei. Die Zustimmung oder
Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu der Maßnahme werde mit
Nichtwissen bestritten.
34 Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in
beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
35 Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da der Wert des
Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b
ArbGG. Die Berufung ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet
worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519,
520 ZPO.
II.
36 Die Berufung der Beklagten ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu
Recht die Beklagte zu einer Weiterbeschäftigung der Klägerin als "Gruppenleiterin
Einkauf" in der "Abteilung Zentraleinkauf" verurteilt, da die von der Beklagten
vorgenommene Versetzung auf die Stelle als "Transaktionsmanager Immobilen" in
der Organisationseinheit "Liegenschaftsmanagement" nicht billigem Ermessen im
Sinne der §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB entspricht.
37 1. Auf den Antrag der Klägerin war festzustellen, dass ihre Versetzung auf die
Stelle eines "Transaktionsmanager Immobilien" in der "Organisationseinheit
Liegenschaftsmanagement" unwirksam ist.
38 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 21. Juli 2009 -
9 AZR 404/08 - EzA § 4 TVG Luftfahrt Nr. 18, mwN), der sich die erkennende
Kammer anschließt, hat nach § 106 Satz 1 GewO der Arbeitgeber sein
Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung
des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des
Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine
Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen
Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen
berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35,
BAGE 118, 22). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt
worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die
Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der
wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen
Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der
Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und
Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen
unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht
die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den
Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und
Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale
Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 28.
November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267). Der
Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung beruft, trägt die
Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 106
GewO. Dazu gehört, dass er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass seine
Entscheidung billigem Ermessen entspricht (BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 -
Rn. 81, AP BGB § 307 Nr. 26).
39 b) Nach diesem Maßstab ist die Versetzung der Klägerin von der Stelle
"Gruppenleiterin Einkauf" in der Abteilung Zentraleinkauf auf die Stelle
"Transaktionsmanager Immobilien" in der Organisationseinheit
Liegenschaftsmanagement unwirksam. Sie entspricht nicht billigem Ermessen, da
sie sich nicht in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit hält. Nach dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit muss die Maßnahme geeignet, erforderlich und im
engeren Sinn verhältnismäßig sein.
40 aa) Vorliegend erweist sich die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung
der Klägerin schon deshalb als unverhältnismäßig, da sie ungeeignet ist. Die
Beklagte begründet die Versetzung mit einem Verlust in die Integrität der Klägerin,
da diese in den Fällen "zusätzliche Leistungspositionen" und "Kupferpreis"
eigenmächtig Handlungen vorgenommen beziehungsweise unterlassen habe,
was zu einer Schädigung der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten geführt
habe. Wenn die Integrität der Klägerin durch diese Vorkommnisse so weit
beschädigt ist, dass man ihr nicht einmal mehr den Einkauf von Kupferkabeln
anvertrauen kann, ist es weder einsichtig noch nachvollziehbar, wenn die Beklagte
meint, ihr eine Stelle übertragen zu können, die nach der Stellenbeschreibung (vgl.
I/17 ff.) zu einem wesentlichen Teil den Erwerb und Verkauf von Grundstücken
sowie den eigenverantwortlichen Abschluss von diesbezüglichen (Ver-)
Kaufverträgen betrifft. Ferner betrifft diese Stelle ausweislich der
Stellenbeschreibung auch den An- und Verkauf anderer Objekte, den
eigenverantwortlichen Abschluss sowohl dieser Verträge, als auch von Miet- und
Pachtverträgen und das Vertragscontrolling. Wenn die Beklagte das Vertrauen in
die Klägerin hat, derartige, wirtschaftlich bedeutende Transaktionen durchzuführen
ist es nicht nachvollziehbar, warum sie nicht über genügend Integrität für eine
Tätigkeit im Zentraleinkauf verfügen soll, die sogar noch von einer
Abteilungsleiterin kontrolliert werden kann. Als Reaktion auf Zweifel an der
Integrität der Klägerin ist die Übertragung dieser neuen Stelle mit besonderer
wirtschaftlicher Verantwortung nicht geeignet. Ferner ist die Versetzung nicht
geeignet, Vorbehalte anderer Arbeitnehmer oder Vorgesetzter auszuräumen, die
mangels gegebener Integrität die Zusammenarbeit mit der Klägerin ablehnen
würden. Falls die Integrität der Klägerin in Bezug auf den Abschluss von
Geschäften beeinträchtigt sein sollte, würde dies in gleicher Weise für den
eigenverantwortlichen An- und Verkauf von Grundstücken, anderen Objekten oder
den Abschluss von Miet- und Leasingverträgen gelten. Wenn dagegen die
Beklagte genügend Vertrauen in die Klägerin hat, ihr solche Aufgaben zu
übertragen, ist nicht nachvollziehbar, warum sich andere Arbeitnehmer weigern
sollten, mit der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit im Zentraleinkauf
zusammenzuarbeiten.
41 bb) Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Versetzung ist darüber hinaus
deshalb unverhältnismäßig, da sie durch den Entzug einer Führungsposition in die
bisherige Stellung der Klägerin eingreift, ohne dass dies erforderlich wäre. Die
Beklagte behauptet selbst nicht, dass es im Rahmen der Führungsverantwortung
der Klägerin zu Missständen gekommen wäre, die man mit dieser Versetzung
abstellen wollte. Vielmehr bezieht sie die Erforderlichkeit der Abmahnung allein auf
die fehlende Integrität der Klägerin im Zusammenhang mit der Vornahme oder dem
Unterlassen bestimmter Handlungen in Bezug auf Lieferanten. Gemessen daran
ist es nicht erforderlich, der Klägerin, die bisher als Gruppenleiterin eingesetzt war,
die Personalführungsverantwortung zu entziehen. Die Erklärungen der Beklagten
hierzu, die darauf hinauslaufen sollen, letztlich habe die Klägerin auch auf der
neuen Stelle noch Führungsverantwortung, treffen nicht zu. Es mag sein, dass die
Klägerin zur Erfüllung dieser Tätigkeit auch auf andere Mitarbeiter zugreifen kann.
Dies hat aber nichts mit der Führungsposition, wie sie Klägerin bislang inne hatte,
zu tun. Dabei ist insbesondere auf die Erstellung von Beurteilungen oder die
Vereinbarung von Zielen hinzuweisen. Die Personalführungsverantwortung macht
auch nicht einen nur unbedeutenden Teil der bisherigen Tätigkeit der Klägerin aus,
sondern gibt der Stelle als Führungsposition durchaus ihr Gepräge. Warum der
Klägerin diese Führungsposition entzogen werden und es keine andere
Möglichkeit geben soll, die Klägerin weiter mit solchen Führungsaufgaben zu
betrauen, wird von der Beklagten in keiner Weise dargelegt.
42 cc) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Versetzung auch
deshalb unwirksam, da sie unverhältnismäßig im engeren Sinne ist. Die Beklagte
beruft sich für die Begründung der Versetzung auf die in den beiden
Abmahnungen vom 22. Januar 2014 (vgl. I/23 ff. und I/26 f.) beschriebenen
Sachverhalte. Diese betreffen Vorkommnisse aus den Jahren 2011 und 2012,
liegen also mehr als zwei Jahre zurück, ohne dass die Beklagte behaupten würde,
dass es in der Folgezeit ähnliche oder vergleichbare Vorkommnisse gegeben
hätte. Angesichts dessen ist es nicht nachvollziehbar, wenn die Beklagte meint,
solche abgeschlossenen Vorgänge aus der Vergangenheit - unterstellt sie träfen
zu - nunmehr zum Anlass eines Eingriffs in das Arbeitsverhältnis der Klägerin
nehmen zu können. Eine konkret fortwirkende Bedeutung für die Gegenwart ist
hier nicht erkennbar. Sollte die Beklagte meinen, eine Versetzung könne als reine
Sanktion für begangenes Fehlverhalten in der Vergangenheit dienen, wäre dies mit
den Grundsätzen billigen Ermessens und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
nicht in Einklang zu bringen.
43 2. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam,
so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen
Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15,
BAGE 135, 239 ff. = NZA 2010, 1355 ff.; BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 -
zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; BAG 26.
Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; BAG 14. Juli
1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um
eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und
die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30.
September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies
gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht
abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§
106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem
Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der
Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe
am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden
Beschäftigungsanspruch.
44 3. Der Beklagten brauchte kein weiteres Schriftsatzrecht auf den
Berufungserwiderungsschriftsatz der Klägerin eingeräumt zu werden, da es auf
diesen nicht ankam. Die Beklagte hat selbst schon keinen schlüssigen Vortrag
geliefert, der begründen könnte, dass die Versetzung der Klägerin billigem
Ermessen entspricht.
III.
45 Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die
Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.