Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 11.09.2015

weiterbildung, innere medizin, befristung, erwerb

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 11.9.2015, 1 Sa 5/15
Befristung - Arzt in Weiterbildung - Facharztausbildung
Leitsätze
Voraussetzung für eine Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem Arzt in
Weiterbildung ist nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG, dass die Beschäftigung des Arztes seiner
zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung dient. Dies bedeutet, dass der
Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags zu diesem Zweck eine
Weiterbildungsplanung erstellen muss, die zeitlich und inhaltlich auf die konkrete
Weiterbildung zugeschnitten ist. Die Planung muss nicht Inhalt der (schriftlichen)
Befristungsabrede sein; sie muss aber objektiv vorliegen.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom
28.01.2015 - 4 Ca 299/14 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der
Befristung vom 13./21.06.2012 geendet hat.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen geschlossene
Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des
30.06.2014 geendet hat.
2 Die am … 1969 geborene Klägerin schloss unter dem Datum des 13./21.06.2012
mit der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.07.2012 bis
30.06.2014 als teilzeitbeschäftigte Ärztin ab. In der Vertragsurkunde (Anlage K 1)
ist in § 1 angekreuzt, dass die Befristung „zum Erwerb einer Zusatzbezeichnung,
eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative
Weiterbildung“ erfolgt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages wurde die Klägerin als
Assistenzärztin eingestellt. Es wurde weiter angegeben, dass die Tätigkeit in den
(verschiedenen) Einrichtungen der Beklagten zu erbringen sei. Das
Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach § 4 des Arbeitsvertrags nach dem
Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich
der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA). Das
durchschnittliche Bruttomonatsentgelt der Klägerin belief sich auf EUR 5.700,00.
3 Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Klägerin seit rund 16 Jahren
approbierte Ärztin. Im Rahmen von verschiedenen Arbeitsverhältnissen hatte sie
ausweislich des Zwischenzeugnisses des Städtischen Klinikums K. vom
12.05.2009 im April 2007 die Gebietsbezeichnung „Fachärztin für innere Medizin“
erworben. Die Weiterbildung erfolgte vom 01.12.2001 bis 31.07.2006 bei der
Beklagten an deren Klinikum AGH. Die Klägerin war darüber hinaus bei der
Beklagten vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 in deren Krankenhaus M. tätig.
Außerdem stand die Klägerin zum Erwerb des Schwerpunkts Gastroenterologie
vom 01.01.2008 bis 31.07.2008 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Landkreis E. in
dessen Klinikum KN. und vom 01.09.2008 bis 30.04.2009 in einem
Arbeitsverhältnis mit dem Städtischen Klinikum K. gGmbH.
4 Die Beklagte betreibt Krankenhäuser in BF., B., H. und M.. Ende 2011 nahm die
Klägerin Kontakt mit dem Chefarzt der Abteilung Innere Medizin des
Krankenhauses B., Herrn Dr. B., auf. Die Klägerin beabsichtigte, ihre Weiterbildung
im Schwerpunkt Gastroenterologie fortzusetzen. Herr Dr. B. besitzt eine
Weiterbildungsberechtigung für das Gebiet Innere Medizin und den Schwerpunkt
Gastroenterologie für die Dauer von 18 Monaten (Anlage K 2). Außerdem besitzt er
eine Befugnis in der stationären internistischen Patientenversorgung für 36 Monate
(Anlage zum Protokoll der Berufungsverhandlung vom 20.07.2015). Die
Weiterbildungsberechtigung hatte Herr Dr. B. aufgrund eines gegliederten
Programms gemäß § 5 Abs. 5 der seit dem Jahr 2006 geltenden
Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg (im
Folgenden: WBO 2006) erhalten (Anlage BB 1).
5 Die Klägerin bewarb sich daraufhin bei der Beklagten für eine Tätigkeit als
Assistenzärztin in der Abteilung von Herrn Dr. B. zur Fortsetzung ihrer
Weiterbildung im Schwerpunkt „Gastroenterologie“. Welche Absprachen die
Klägerin und Herr Dr. B. zu Beginn des Arbeitsverhältnisses über den Inhalt der
Weiterbildung getroffen haben, ist zwischen den Parteien streitig.
6 Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zwischen der Klägerin und Herrn Dr. B.
zu Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der Weiterbildung. Diese wurden
anlässlich von Mitarbeitergesprächen im Jahr 2012, November 2013 und vom
28.01.2014 thematisiert. Am 04.02.2014 richtete die Klägerin ein Schreiben an
Herrn Dr. B. (nicht vorgelegt). Dieser teilte hierzu mit Schreiben vom 13.02.2014
(Anlage B 4) mit, es gebe eine Reihe von Gründen, weshalb die Endoskopiezahlen
der Klägerin gering seien. Herr Dr. B. sprach in diesem Zusammenhang die
mangelhafte Arbeitsorganisation, den späten Arbeitsbeginn, die schlechte
Zusammenarbeit und die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin an. Mit Schreiben vom
18.02.2014 (Anlage K 4) beklagte die Klägerin, dass sie bisher die geforderten
Untersuchungszahlen nicht erreicht habe. Sie beanstandete verschiedene
Ursachen im Verantwortungsbereich des Chefarztes und verlangte einen
konkreten Weiterbildungsplan. Mit einem weiteren Schreiben, gerichtet an die
Personalverwaltung der Beklagten, vom 19.05.2014 (Anlage K 5) rügte die
Klägerin erneut die unzureichende Weiterbildung. Sie schlug hierin eine
Verlängerung ihres Arbeitsvertrags um weitere zwei Jahre vor. Mit Schreiben ihrer
späteren Prozessbevollmächtigten vom 27.06.2014 (Anlage K 6) machte die
Klägerin den unbefristeten Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geltend.
7 Mit ihrer am 18.07.2014 eingegangenen Klage hat die Klägerin den unbefristeten
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, nach
der Weiterbildungsordnung habe sie bestimmte Untersuchungszahlen für die
Weiterbildung im Schwerpunkt Gastroenterologie vorzuweisen. Hiervon habe sie
im Laufe des Arbeitsverhältnisses aber nur einen Teil erwerben können. Die
Wirksamkeit des befristeten Arbeitsvertrags hänge davon ab, dass die
Weiterbildung zeitlich und inhaltlich strukturiert sei. Nach dem zutreffenden Urteil
des Arbeitsgerichts Mannheim vom 16.05.2013 (3 Ca 285/12) müsse der
Weiterbildungsplan in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Aufgrund der
Stationsarbeit habe sie die erforderlichen Weiterbildungsinhalte nicht erwerben
können. Zudem sei es im Krankenhaus B. nicht möglich, alle Weiterbildungsinhalte
zu erwerben. Die Beklagte habe nicht für eine Rotation an andere Standorte Sorge
getragen.
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Die Klägerin hat beantragt:
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Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis über den 30.06.2014 hinaus unbefristet fortbesteht.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12 Sie hat vorgetragen, aufgrund der Gespräche mit Herrn Dr. B. sei der Klägerin klar
gewesen, dass sie nicht alle Weiterbildungsinhalte im Krankenhaus B. erwerben
könne. Eine Rotation an andere Standorte sei nicht vereinbart worden. Bereits im
Bewerbungsgespräch sei der für die Weiterbildung vorgesehene Arbeitsablauf
besprochen worden. Dem Vertragsverhältnis habe der der Landesärztekammer
vorgelegte Weiterbildungsplan zugrunde gelegen. Die Weiterbildung habe die im
Schriftsatz vom 12.11.2014 auf Seite 6 geschilderte zeitliche Struktur gehabt. Die
Klägerin habe mehr Weiterbildungsinhalte erworben, als von ihr in der Klageschrift
angegeben werde. Die Klägerin habe genügend Zeit für ihre Weiterbildung gehabt.
Sie sei von Herrn B. und den beiden leitenden Oberärzten unterstützt worden. Die
Klägerin habe jedoch viel Zeit dafür aufgewandt, sich um andere Aufgaben zu
kümmern. Sie habe gegenüber ihren Vorgesetzten einen äußerst respektlosen
Ton gepflegt. Kein anderer ärztlicher Mitarbeiter habe jemals so viele
Beschwerdebriefe von Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern erhalten wie die
Klägerin. Die Klägerin habe mit Macht zur Funktionsoberärztin ernannt werden
wollen.
13 Die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei auf der Grundlage des Gesetzes über
befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung rechtswirksam. Dem
Schriftformerfordernis sei genügt. Entgegen der Auffassung der Klägerin müsse
der Weiterbildungsplan nicht Gegenstand des Arbeitsvertrags sein. Ein detaillierter
Stundenplan sei nicht erforderlich. Ein Abarbeiten eines anfangs entworfenen
Programms sei auch der Weiterbildung nicht dienlich.
14 Die Klägerin hat erwidert, die Beklagte verkenne die weiterbildungsrechtliche
Situation. Sie habe ihre Facharztbezeichnung noch unter der Geltung der
Weiterbildungsordnung vom 17.03.1995 (im Folgenden: WBO 1995) erworben. Die
Annahmen der Beklagten zu Weiterbildungszeit und Weiterbildungsinhalten gingen
von der „neuen“ WBO aus. Die Aufstellung eines Plans zur strukturierten
Weiterbildung stelle keine Nebensächlichkeit dar. Ohne Plan könne es keine
Weiterbildung geben. Die Klage sei begründet, weil die Beklagte keinen
Weiterbildungsplan geschaffen habe und auch nicht in der Lage gewesen sei, am
Krankenhaus B. die vollständige Weiterbildung zu gewährleisten. Sie bestreite
energisch, dass sie sich gegenüber den Vorgesetzten respektlos verhalten habe.
Sie sei von Herrn Dr. B. und den Oberärzten nicht ausreichend unterstützt worden.
15 Mit Urteil vom 20.01.2015 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für eine
Befristung nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der
Weiterbildung seien erfüllt. Es genüge, dass dem Arzt die Ableistung der
Weiterbildungsabschnitte ermöglicht werde. Diese Anforderung sei im
vorliegenden Fall erfüllt. Die zeitliche Struktur ergebe sich durch die Vorgabe der
Zeitfenster für die Weiterbildung. Die inhaltliche Struktur ergebe sich durch den
Einsatz und der Assistenz bei den durchgeführten Eingriffen. Eine Aufnahme des
Weiterbildungsplans in die Vertragsurkunde sei nicht erforderlich.
16 Eine vom Weiterbildungsplan abweichende faktische Durchführung des
Arbeitsverhältnisses sei von der Klägerin nicht vorgetragen. Die Klägerin sei in der
Lage gewesen, nach den Visiten die erforderlichen Untersuchungszahlen zu
erwerben. Die Nichterreichung der Fallzahl habe wenig Aussagewert. Einen
Grundsatz, dass eine zulässige Befristung nur dann gegeben sei, wenn innerhalb
der Mindestausbildungszeit die Fallzahlen erreicht würden, gebe es nicht. Die
Erreichung der erforderlichen Fallzahlen hänge auch von der
Weiterbildungswilligkeit ab. Zur Frage einer Rotation an andere Standorte enthalte
der Arbeitsvertrag der Parteien keine Vereinbarung. Was die Anwendung der
zutreffenden Weiterbildungsordnung angehe, so sei es eine Obliegenheit der
Klägerin gewesen darauf hinzuweisen, dass für sie die „alte“
Weiterbildungsordnung gelte.
17 Gegen das ihr am 03.02.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.03.2015
Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
am 07.05.2015 begründet. Sie trägt vor, das Arbeitsgericht verkenne die Natur
eines Weiterbildungsverhältnisses. Das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit
Ärzten in der Weiterbildung schreibe vor, dass die Beschäftigung der Weiterbildung
dienen müsse. „Dienen“ bedeute nicht, dass etwas lediglich „förderlich“ sei. Die
Weiterbildung müsse den wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses
ausmachen. Im vorliegenden Fall sei die Beklagte am Standort B. gar nicht in der
Lage gewesen, sämtliche Weiterbildungsinhalte zu vermitteln. Die Beklagte sei
ferner verpflichtet gewesen, der Klägerin eine Weiterbildung zu verschaffen, wie
sich diese aus der Weiterbildungsordnung ergebe. Der Weiterbildungsvertrag sei
ein Ausbildungsvertrag. Der Arzt müsse Weiterbildungszeiten und
Weiterbildungsinhalte erwerben. Das Arbeitsgericht nehme fälschlicherweise an,
dass der Arbeitgeber nur verpflichtet sei, ein Angebot zum Erwerb von
Weiterbildungsinhalten zu unterbreiten.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, dass festgestellt wird, dass das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis über den 30.06.2014 hinaus unbefristet
fortbesteht.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
22 Sie trägt vor, die Klägerin missverstehe die Befristungsvorgaben nach dem Gesetz
über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung. Das Gesetz solle
die Befristung von Arbeitsverträgen mit Ärzten in der Weiterbildung erleichtern. Es
genüge, dass die Ableistung der Weiterbildungsabschnitte ermöglicht werde. Es
sei nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber in der Lage sei, sämtliche
Weiterbildungsinhalte zu vermitteln. Es sei üblich und sogar wünschenswert, dass
die Weiterbildung bei verschiedenen Arbeitgebern stattfinde. Die Klägerin wolle
dem Arbeitgeber abverlangen, dass dieser sie so weit ausbilde, dass sie sich zur
Facharztprüfung anmelden könne. Die Klägerin habe jedoch die Angebote zur
Weiterbildung nicht angenommen.
23 Auf den Hinweis des Vorsitzenden vom 19.06.2015 hat die Beklagte das von Herrn
Dr. B. erstellte Weiterbildungsprogramm vom 13.07.2010 für die Weiterbildung zum
Facharzt für Innere Medizin/Innere Medizin und Allgemeinmedizin vorgelegt. Die
Klägerin hat hierauf vorgetragen, dieses Programm sei ihr niemals vorgelegt
worden. Das Programm passe auch aus verschiedener Sicht nicht auf ihre
Weiterbildungsbedürfnisse. Es sei auf eine Weiterbildungszeit von 36 Monaten
zugeschnitten. Der Plan sei wertlos, weil er nicht berücksichtige, dass sie an ihren
bisherigen Tätigkeiten bereits eine Vielzahl von Weiterbildungsinhalten erworben
habe. Ihr sei von Herrn Dr. B. zugesichert worden, dass sie alle noch fehlenden
Endoskopiezahlen am Standort B. erreichen könne. Eine Rotation an andere
Standorte der Beklagten sei möglich gewesen.
24 Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, der vorgelegte Weiterbildungsplan
entspreche den Vorgaben der Landesärztekammer. Die Landesärztekammer habe
Herrn Dr. B. eine Weiterbildungsermächtigung für 18 Monate erteilt, weil bestimmte
Untersuchungen im Krankenhaus B. nicht angeboten werden könnten. Entgegen
der Auffassung der Klägerin bedürfe es keines minutiösen Stundenplans. Auf eine
Rotation bestehe kein Anspruch.
25 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6
ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
26 Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 2 a ArbGG statthaft. Sie ist auch
gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und
Frist eingelegt und begründet worden.
27 1. Nach der genannten Vorschrift muss die Berufungsbegründung die Umstände
bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil
und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Regelung
soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine
Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet
wird. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten
sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Doch muss
sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten
des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (zuletzt BAG
19.02.2013 - 9 AZR 543/11 - Juris; BAG 16.05.2012 - 4 AZR 245/10 - NZA - RR
2012, 599). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden Streitgegenstand
eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist
die Berufung insoweit unzulässig (BAG 15.03.2006 - 4 AZR 73/05 - AP ZPO § 551
Nr. 63; BAG 12.11.2002 - 1 AZR 632/01 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 155; jeweils
zur vergleichbaren Vorschrift des § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
28 2. Diesen Anforderungen genügt die Berufung der Klägerin. Die - knappe -
Berufungsbegründung setzt sich noch hinreichend mit der tragenden Begründung
des Arbeitsgerichts unter 2.5 des Urteils auseinander, für eine zeitlich und inhaltlich
strukturierte Weiterbildung genüge es, wenn die Ableistung der
Weiterbildungsabschnitte durch den Arbeitgeber ermöglicht werde. Die Klägerin
rügt, unter „dienen“ im Sinne von § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG sei mehr als nur „förderlich“
sein zu verstehen. Der Arzt müsse ganz überwiegend zu seiner Weiterbildung
beschäftigt werden. Die Weiterbildung müsse den wesentlichen Inhalt des
Arbeitsverhältnisses ausmachen.
29 Mit diesen Erwägungen hat die Klägerin hinreichend deutlich gemacht, mit welchen
Argumenten sie das Urteil des Arbeitsgerichts bekämpfen will. Von seiner
Grundannahme ausgehend hat das Arbeitsgericht unter 2.5.2 des Urteils im
Einzelnen ausgeführt, aus welchen Gründen der Klägerin die Ableistung der
Weiterbildungsabschnitte möglich gewesen sei. Unter 2.5.3 des Urteils hat das
Arbeitsgericht schließlich erörtert, dass die Klägerin keine abweichende
Durchführung des Arbeitsverhältnisses dargelegt habe. Stellt man - wie die
Klägerin - aber die Grundannahme des Arbeitsgerichts in Frage, so ergibt sich
zwangsläufig, dass auch die Subsumtion hätte anders ausfallen müssen. Es war
daher nicht erforderlich, dass sich die Klägerin mit den Einzelbegründungen des
Arbeitsgerichts unter 2.5.2 und 2.5.3 des Urteils auseinandersetzte.
II.
30 Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Kammer kann sich nicht der
Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, dass das Arbeitsverhältnis der
Parteien mit Ablauf des 30.06.2014 geendet hat. Die Befristung war nicht auf der
Grundlage des § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG rechtswirksam.
31 1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung klargestellt,
dass Gegenstand ihrer Klage eine Befristungskontrollklage nach § 17 TzBfG ist.
Gemäß § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG sind die arbeitsrechtlichen Vorschriften und
Grundsätze über befristete Arbeitsverträge anzuwenden, soweit sie den
Vorschriften des § 1 Abs. 1 - 4 ÄArbVtrG nicht widersprechen. Dies bedeutet, dass
bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Befristung § 17 TzBfG Anwendung
findet (statt vieler Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 15. Aufl., §§ 1 - 3 ÄArbVtrG Rn
12).
32 2. Die Klage ist auch begründet. Mangels einer zeitlich und inhaltlich strukturierten
Weiterbildung für den Erwerb einer Anerkennung für den Schwerpunkt
„Gastroenterologie“ kann die Beklagte die Befristung in § 1 des Arbeitsvertrags
vom 13./21.06.2012 nicht auf § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG stützen.
33 a) Nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG liegt ein die Befristung eines Arbeitsvertrages mit
einem Arzt rechtfertigender sachlicher Grund vor, wenn die Beschäftigung des
Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt oder
dem Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt oder dem Erwerb einer
Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über
eine fakultative Weiterbildung dient. Nach § 1 Abs. 2 ÄArbVtrG bestimmt sich die
Dauer der Befristung im Rahmen der Abs. 3 und 4 ausschließlich nach der
vertraglichen Vereinbarung; sie muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar
sein.
34 Gemäß § 1 Abs. 3 Sätze 1-5 ÄArbVtrG kann ein befristeter Arbeitsvertrag nach
Abs. 1 auf die notwendige Zeit für den Erwerb der Anerkennung als Facharzt oder
den Erwerb einer Zusatzbezeichnung, höchstens bis zur Dauer von 8 Jahren,
abgeschlossen werden. Zum Zwecke des Erwerbs einer Anerkennung für einen
Schwerpunkt oder des an die Weiterbildung zum Facharzt anschließenden
Erwerbs einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer
Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung kann ein weiterer befristeter
Arbeitsvertrag für den Zeitraum, der für den Erwerb vorgeschrieben ist, vereinbart
werden. Wird die Weiterbildung im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung abgeleistet
und verlängert sich der Weiterbildungszeitraum hierdurch über die zeitlichen
Grenzen der Sätze 1 und 2 hinaus, können diese um die Zeit dieser Verlängerung
überschritten werden. Erfolgt die Weiterbildung nach Abs. 1 im Rahmen mehrerer
befristeter Arbeitsverträge, so dürfen sie insgesamt die zeitlichen Grenzen nach
den Sätzen 1, 2 und 3 nicht überschreiten. Die Befristung darf den Zeitraum nicht
unterschreiten, für den der weiterbildende Arzt die Weiterbildungsbefugnis besitzt.
35 b) Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 13./21.06.2012 ist unter § 1 angekreuzt,
dass die vorliegende Befristung zum Erwerb einer Zusatzbezeichnung etc. erfolge.
Diese Bezeichnung ist nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien
unrichtig. Die Befristung erfolgte, weil die Klägerin die Anerkennung für den
Schwerpunkt „Gastroenterologie“ erwerben wollte. Sowohl nach der „alten“
Weiterbildungsordnung 1995 als auch nach der derzeit geltenden
Weiterbildungsordnung 2006 handelt es sich bei der Spezialisierung auf die
Gastroenterologie um einen Schwerpunkt innerhalb der Facharztweiterbildung
„Innere Medizin“. In der Weiterbildungsordnung 1995 war die Gastroenterologie
unter 15.C.3 (Seite 44 der WBO 1995 im Anlagenband) ausdrücklich als
Schwerpunkt ausgewiesen. Aus der Weiterbildungsordnung 2006 ergibt sich
nichts anderes. Dort ist der Facharzt/die Fachärztin für Innere Medizin und
Gastroenterologie im Abschnitt B.13.4 (Seite 79 der WBO 2006, abrufbar aus dem
Internetauftritt der Landesärztekammer Baden-Württemberg) im Abschnitt B
„Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen“ aufgeführt.
36 Die Falschbezeichnung der Parteien im Arbeitsvertrag führt allerdings nicht zur
Unwirksamkeit der Befristung. Das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit
Ärzten in der Weiterbildung kennt kein Zitiergebot. Der jeweilige Befristungsgrund
muss daher im Arbeitsvertrag nicht konkret benannt werden. Der
sachgrundbezogene Weiterbildungszweck muss ggf. durch die Auslegung des
Vertrags ermittelt werden (KR-Treber, 10. Aufl., § 1-3 ÄArbVtrG Rn 15; APS-
Schmidt, 4. Aufl., §§ 1-3 ÄArbVtrG Rn 16; LAG Hamm 02.10.2008 - 17 Sa 816/08 -
Rn 86 ff.). Im Streitfall ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages, dass die Parteien
die Befristung auf eine Weiterbildung zum Erwerb einer Anerkennung für den
Schwerpunkt „Gastroenterologie“ stützen wollten. Denn ausschließlich diese
Weiterbildung war der Gegenstand der Parteivereinbarungen.
37 c) Nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG liegt ein Befristungsgrund im Sinne des Gesetzes nur
dann vor, wenn die Beschäftigung des Arztes seiner „zeitlich und inhaltlich
strukturierten Weiterbildung“ dient. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es
hierfür nicht erforderlich, dass die Parteien einen entsprechenden
Weiterbildungsplan förmlich zum Inhalt ihres Arbeitsvertrags machen.
38 aa) Die Klägerin hat sich insoweit auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim
vom 16.05.2013 in der Rechtssache 3 Ca 285/12 berufen. In diesem Urteil hat
das Arbeitsgericht Mannheim auf Seite 7 ausgeführt, ein entsprechendes
Programm, das nicht nur inhaltliche, sondern auch zeitliche Abfolgen der
Weiterbildungsinhalte regele, müsse entweder in den Vertrag aufgenommen
werden oder mit diesem verbunden sein.
39 bb) Diese Auffassung findet jedoch im Gesetz keine Stütze. Da das Gesetz über
befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung kein Zitiergebot kennt,
bedarf es auch keiner konkreten Angabe des Befristungsgrundes im
Arbeitsvertrag (so bereits BAG 24.04.1996 - 7 AZR 428/95 - AP HRG § 97 b Nr.
10). Wenn es aber nicht einmal der Angabe des Befristungsgrundes im
Arbeitsvertrag bedarf, dann sind erst recht keine weiterführenden Angaben zur
zeitlichen und inhaltlichen Struktur der Weiterbildung aufzunehmen. Soweit sich
das Arbeitsgericht Mannheim auf Parallelen zum Teilzeit- und Befristungsgesetz
beruft, so sind diese nicht ersichtlich. Es entspricht vielmehr der einhelligen
Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Befristungsgrund im Sinne
der §§ 14 Abs. 1-3 TzBfG nicht Vertragsinhalt sein muss. Es ist ausreichend, dass
der sachliche Grund bei Vertragsschluss objektiv vorliegt (vgl. nur BAG
23.06.2004 - 7 AZR 636/03 - AP TzBfG § 14 Nr. 12; APS-Greiner, 4. Aufl. § 14
TzBfG Rn 486 mit zahlreichen Nachweisen). Demzufolge stellt die Aufnahme des
Weiterbildungsplans in den befristeten Arbeitsvertrag keine
Wirksamkeitsvoraussetzung dar.
40 d) Wirksamkeitsvoraussetzung für die Befristung nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG ist es
jedoch, dass die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich
strukturierten Weiterbildung objektiv dient. Die Frage, welche Anforderungen an
eine solche Weiterbildung im Einzelnen zu stellen sind, wird in Rechtsprechung
(LAG Berlin 10.10.2006 - 12 Sa 806/06 - Rn 27; LAG Berlin-Brandenburg
16.10.2009 - 9 Sa 1242/09- Rn. 23) und Schrifttum (KR-Treber aaO Rn. 20; APS-
Schmidt aaO Rn. 15; KSchR-Däubler/Wroblewski 9. Aufl. § 1 ÄArbVtrG Rn: 9;
Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 15. Aufl. §§ 1 - 3 ÄArbVtrG Rn. 4; Künzl NZA
2008, 1101) bisher nicht vertieft erörtert. Die Auslegung der Vorschrift ergibt, dass
der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags zu diesem Zweck
eine Weiterbildungsplanung erstellen muss, die zeitlich und inhaltlich auf die
konkrete Weiterbildung zugeschnitten ist. Die Planung muss nicht Inhalt der
(schriftlichen) Befristungsabrede sein. Sie muss jedoch objektiv vorliegen und im
Prozess dargelegt werden.
41 aa) Der Wortlaut der Vorschrift ist nur eingeschränkt ergiebig. Nach dem
Gesetzeswortlaut genügt es, wenn die Beschäftigung dem Weiterbildungszweck
„dient“. Allerdings soll die Weiterbildung zeitlich und inhaltlich strukturiert sein. Vor
der Einfügung der letztgenannten Tatbestandsvoraussetzung durch das 1.
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in
der Weiterbildung vom 16.12.1997 (BGBl I S. 2994) vertrat das
Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.04.1996 (aaO Rn 19) die Auffassung, das
Gesetz lasse es genügen, dass die Beschäftigung diesen Zweck fördert. Der Arzt
müsse nicht ausschließlich zu seiner Weiterbildung beschäftigt sein. Aus diesen
Ausführungen ergibt sich aber noch nicht, welche Anforderungen an die
Strukturierung der Weiterbildung zu stellen sind.
42 bb) Wesentliche Anhaltspunkte hierzu ergeben sich aus den
Gesetzgebungsmaterialien. Das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten
in der Weiterbildung vom 15.05.1986 wurde im Zusammenhang eines
Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Änderung der
Bundesärzteordnung vom 25.06.1985 geschaffen (Bundestags-Drs. 10/3559).
Ausweislich der Entwurfsbegründung hatte die gesetzliche Neuregelung das Ziel,
nach Einführung des „Arztes im Praktikum“ die Fluktuation von Ärzten im
Krankenhausbereich zu fördern. Aus diesem Grund sollten gesetzliche
Möglichkeiten zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge für Ärzte in der
Weiterbildung geschaffen werden. Im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens wurde die vorgesehene Neuregelung in eine
eigenständige arbeitsrechtliche Regelung, jedoch ohne wesentliche Änderung,
überführt (Bundestags-Drs. 10/4748).
43 Das bis zum 31.12.1997 befristete Gesetz wurde durch das 1. Gesetz zur
Änderung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der
Weiterbildung vom 16.12.1997 auf unbestimmte Zeit verlängert und in
wesentlichen Teilen geändert. So wurde in § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG die Wörter
„zeitlich und inhaltlich strukturierten“ vor das Wort „Weiterbildung“ eingefügt. Zur
Begründung für diese Änderung wurde in der Entwurfsbegründung ausgeführt
(Bundestags-Drs. 13/8668 S. 6):
44 „Die Befristung von Arbeitsverhältnissen in der Weiterbildung stellt einen genau
umrissenen Ausnahmetatbestand dar, der zu einer Einschränkung der
Gestaltungsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien führen kann. Deshalb sind strenge
Anforderungen an die Befristung festzulegen. Die Befristungsmöglichkeit ist daher
daran gebunden, dass es sich bei den befristeten Arbeitsverhältnissen immer
konkret um Weiterbildung handelt. Tätigkeiten, die nicht der Weiterbildung dienen,
können nicht für eine Befristung herangezogen werden. Nur auf diese Weise kann
Missbrauch ausgeschlossen werden. Durch die Bindung der Befristung an die
Erfordernisse einer zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung wird
sichergestellt, dass die ärztliche Tätigkeit tatsächlich der Weiterbildung dient und
dem Arzt die für seine Weiterbildung erforderliche Ableistung der
Weiterbildungsabschnitte ermöglicht wird.“
45 In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit
vom 29.10.1997 (Bundestags-Drs. 13/8862 S. 6) werden diese Ausführungen
nahezu wörtlich wiederholt.
46 An dieser Rechtslage hat sich bis heute nichts mehr geändert, auch wenn der
ursprüngliche Regelungsanlass für das Gesetz, die Einführung einer 18-
monatigen Praxisphase als Arzt im Praktikum mittlerweile entfallen ist. Der Arzt im
Praktikum wurde mit Wirkung vom 01.10.2004 wieder abgeschafft.
47 Aus den Gesetzesmaterialien folgt, dass die vom Arbeitsgericht hervorgehobene
Zwecksetzung, die Ableistung der Weiterbildungsabschnitte solle
ermöglicht
werden, nicht isoliert von dem Bestreben des Gesetzgebers gesehen werden
darf, die Befristungsmöglichkeit konkret an den Weiterbildungszweck zu binden.
Der Gesetzgeber wollte die Befristungsvoraussetzungen verschärfen (so auch
KR-Treber aaO Rn 21; LAG Berlin 10.10.2006 - 12 Sa 806/06 - Rn 27). Dies
bedeutet, dass der Arbeitgeber dem in Weiterbildung befindlichen Arzt die
Ableistung der Weiterbildungsabschnitte nicht durch „irgendeine“ Weiterbildung,
sondern gerade durch eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung
ermöglichen muss.
48 cc) Der Sinn und Zweck des Gesetzes spricht dafür, dass der Arbeitgeber bei
Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags einen auf die konkrete Weiterbildung
zugeschnittenen Weiterbildungsplan zu erstellen hat. Dieser Plan muss nicht
schriftlich niedergelegt werden, auch wenn sich dies aus Beweisgründen
empfehlen wird. Es muss aber objektiv feststellbar sein, wie sich der Arbeitgeber
eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung vorgestellt hat. Diese
Befristungsvoraussetzung folgt aus folgenden Erwägungen:
49 § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG knüpft durch die Bezugnahme auf den die Befristung
rechtfertigenden Sachgrund an die allgemeinen Regelungen über die Befristung
von Arbeitsverhältnissen an. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist die Wirksamkeit einer Befristungsabrede grundsätzlich
nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen. Die
Prognose ist daher der wesentliche Teil des Sachgrundes für eine Befristung.
Geht es um den Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs nach §
14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG, so hat der Arbeitgeber im Prozess darzulegen, dass
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Prognose gerechtfertigt war, nach dem
vorgesehenen Vertragsende bestehe für die Beschäftigung des befristet
eingestellten Arbeitnehmers kein betrieblicher Bedarf mehr (zuletzt BAG
15.10.2014 - 7 AZR 893/12 - NZA 2015, 362). Geht es um den Sachgrund der
Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, so bedarf es einer Prognose des
Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch
die Rückkehr der Stammkraft (zuletzt BAG 29.04.2015 - 7 AZR 310/13 NZA 2015,
928).
50 Im vorliegenden Fall der ärztlichen Weiterbildung hat sich die Prognose des
Arbeitgebers darauf zu erstrecken, der zur Weiterbildung beschäftigte Arzt werde
bis zum vorgesehenen Vertragsende die beabsichtigte Weiterbildung entweder
abschließen oder zumindest wesentliche Weiterbildungsinhalte erwerben können.
Ebenso wie bei den oben genannten Sachgründen muss im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass die
angestrebten Weiterbildungsinhalte erworben werden können (so auch LAG
Berlin-Brandenburg 16.10.2009 aaO Rn 24).
51 Eine derartige Prognose setzt zwingend voraus, dass der Arbeitgeber im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses Überlegungen dazu anstellt, welche
Weiterbildungsinhalte der betreffende Arzt erwerben möchte und auf welche
Weise der Erwerb im Laufe des befristeten Arbeitsverhältnisses stattfinden soll.
Erforderlich ist somit ein Weiterbildungsplan. Welche Anforderungen an diesen
Plan zu stellen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Steht etwa
ein approbierter Arzt zu Beginn seiner Facharztausbildung für Innere Medizin, so
mag das von der Beklagten vorgelegte Programm vom 13.07.2010 (Anlage BB1)
für einen Weiterbildungsplan genügen. Geht es aber um eine Ärztin wie die
Klägerin, die bereits vor einigen Jahren die Facharztanerkennung erworben hat
und darüber hinaus jedenfalls in Arbeitsverhältnissen beim Landkreis E. und beim
Städtischen Klinikum K. bereits Weiterbildungsinhalte für den Schwerpunkt
„Gastroenterologie“ erworben hat, so genügt ein solches allgemeines Programm
ersichtlich nicht. Denn um in einem solchen Fall die Weiterbildung zeitlich und
inhaltlich zu strukturieren, muss zu Beginn des Arbeitsverhältnisses festgestellt
werden, welche Weiterbildungsinhalte dem betreffenden Arzt noch fehlen und in
welchem Zeitraum er sie mutmaßlich in der betreffenden Einrichtung erwerben
kann. Ohne eine solche Planung würde die Beschäftigung des Arztes seine
Weiterbildung nicht fördern; von einer „Dienlichkeit“ im Sinne des Gesetzes
könnte keine Rede sein. Die Weiterbildung wäre eine solche „auf das
Geratewohl“.
52 e) Den aufgezeigten Anforderungen an eine zeitlich und inhaltlich strukturierte
Weiterbildung genügt die von der Beklagten dargelegte Weiterbildungsplanung
nicht.
53 aa) Die Parteien haben zu Beginn des Arbeitsverhältnisses keine Überlegungen
dazu angestellt, welche Weiterbildungsinhalte und -zeiten die Klägerin noch
erwerben muss. Maßgeblich hängt dies davon ab, ob auf die vorliegende
Weiterbildung der Klägerin die Weiterbildungsordnung 1995 oder die
Weiterbildungsordnung 2006 Anwendung findet. Nach der Weiterbildungsordnung
1995 beträgt die Weiterbildungszeit im Schwerpunkt „Gastroenterologie“ zwei
Jahre (S. 44 der WBO 1995); nach der Weiterbildungsordnung 2006 beläuft sich
diese auf drei Jahre (S. 79 der WBO 2006). Würde ersteres zutreffen, so hätte
sich angesichts der schon abgeleisteten Weiterbildungszeit im Schwerpunkt
„Gastroenterologie“ (wohl 15 Monate) die Frage gestellt, ob das vorliegende
Arbeitsverhältnis wegen § 1 Abs. 3 Satz 4 ÄArbVtrG überhaupt noch für die Dauer
von zwei Jahren befristet werden kann.
54 Die Klägerin ist selbst zunächst von der Anwendbarkeit der
Weiterbildungsordnung 2006 ausgegangen, weil sie sonst nicht den Auszug aus
den Richtlinien zu dieser Weiterbildungsordnung vorgelegt hätte (Anlage K 3).
Erst im Laufe des Rechtsstreits hat die Klägerin vorgetragen, die von ihr
angestrebte Anerkennung für den Schwerpunkt „Gastroenterologie“ richte sich
noch nach der Weiterbildungsordnung 1995. Hierfür spricht auch vieles, weil nach
den Übergangsbestimmungen der Weiterbildungsordnung 2006 (Seite 89 der
WBO 2006) Kammerangehörige, die vor dem 01.05.2006 eine Weiterbildung im
Gebiet Innere Medizin sowie deren Schwerpunkte begonnen haben, diese nach
den Bestimmungen der bisherigen Weiterbildungsordnung bis zum 30.04.2016
abschließen können.
55 bb) Dem Vorbringen der Parteien kann nicht entnommen werden, dass sie bei
Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags abgeklärt haben, welche
Weiterbildungsinhalte die Klägerin in ihren früheren Arbeitsverhältnissen zum
Schwerpunkt „Gastroenterologie“ bereits erworben hatte und welche sie noch
erwerben muss. Wenn die Beklagte auf Seite 19 ihres Schriftsatzes vom
12.11.2014 vorgetragen hat, Herr Dr. B. habe sein der Landesärztekammer
vorgelegtes Weiterbildungsprogramm auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin
angewandt, so geht dieses Programm an den hiesigen
Weiterbildungserfordernissen gerade vorbei, weil es sich lediglich auf die 36-
monatige Basisweiterbildung bezieht. Wenn die Beklagte hierzu einwendet (S. 21
des Schriftsatzes), ein einmal entworfenes Programm sei der Weiterbildung nicht
dienlich, so ist dem entgegenzuhalten, dass ein Weiterbildungsplan eben nur eine
Planung darstellt, von der aufgrund der aktuellem Bedürfnisse abgewichen
werden kann.
56 cc) Die von der Beklagten vorgelegte zeitliche Planung (S. 6 des Schriftsatzes
vom 12.11.2014) hat ohne eine inhaltliche Strukturierung der Weiterbildung keine
ausreichende Basis. Zu einer zeitlichen Weiterbildungsplanung gehört zwar
sicherlich die Aufstellung eines Tagesplans, der dem Arzt in Weiterbildung
ausreichend die Gelegenheit zur Weiterbildung gibt. Zu einer zeitlichen Planung
gehört aber auch, dass die Parteien Überlegungen dazu anstellen, in welchen
Zeiträumen die erforderlichen Weiterbildungsinhalte erworben werden sollen.
Ohne eine derartige Planung kann im Lauf des Arbeitsverhältnisses nicht
überprüft werden, ob der Weiterbildungszweck erfüllt werden kann.
57 dd) Unter diesen Umständen kommt es auf die von den Parteien umfänglich und
emotional vorgetragenen Einzelheiten zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses nicht
an. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Parteien wechselseitig die
Verantwortung für das Scheitern der Weiterbildung zuschieben, wenn sie sich bei
Vertragsabschluss keine hinreichenden Überlegungen zur zeitlichen und
inhaltlichen Struktur der Weiterbildung gemacht haben. Die Darlegungslast für das
Vorliegen einer auf die konkrete Weiterbildung zugeschnittenen
Weiterbildungsplanung trägt der Arbeitgeber. Denn er hat die Grundlagen für die
Prognose im Prozess darzulegen (zuletzt BAG 24.09.2014 - 7 AZR 987/12 - NZA
2015, 301 Rn 15).
58 f) Ist die vorliegende Befristung somit rechtsunwirksam, so gilt der Arbeitsvertrag
nach § 16 Satz 1 TzBfG in Verbindung mit § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG als auf
unbestimmte Zeit geschlossen.
III.
59 Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil
sie unterlegen ist. Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision
zugelassen, weil soweit ersichtlich zur Frage, welche Anforderungen an eine
zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung zu stellen sind, noch keine
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorliegt.