Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 18.05.2015

kirche, arbeitsgericht, berufsbild, kommission

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2015, 1 Sa 3/15
Eingruppierung einer Mesnerin nach einer kirchlichen Arbeitsvertragsordnung
Leitsätze
Die Tätigkeit einer Mesnerin stellt einen einzigen großen Arbeitsvorgang im
eingruppierungsrechtlichen Sinn dar. Dieser Arbeitsvorgang ist als solcher zu
bewerten und darf bei der Tätigkeitsbewertung nicht in einfachere und schwierigere
Tätigkeiten aufgespalten werden.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen
vom 20.01.2015 - 3 Ca 420/13 - teilweise abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die
Klägerin seit 01.01.2012 nach Entgeltgruppe 6 der
Arbeitsvertragsordnung der D.R-S zu vergüten und die
Bruttonachzahlungsbeträge seit 01.02.2012 mit 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.
2 Die am 14.12.1952 geborene Klägerin wurde am 01.09.1999 bei der beklagten
Kirchengemeinde (im Folgenden: Beklagte) als Teilzeitbeschäftigte mit 6,33
Monatsstunden eingestellt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Dienstvertrag (Anlage K
1, 25 und 26) vom 20.09.1999 zugrunde. Hiernach bestimmt sich das
Dienstverhältnis nach den arbeitsvertraglichen Regelungen gemäß der Bistums-
KODA-Ordnung der D.R-S. Aufgabe der Klägerin war Reinigung und der
Schlüsseldienst in der F.kapelle in H. (Anlage K 2). In der Anlage zum
Dienstvertrag vom 13.09.1999 (Anlage K 26) ist unter C die Aufgabe
„Reinigungskraft“ angekreuzt. Die Klägerin war in die Vergütungsgruppe X BAT
eingruppiert. Nach zweijähriger Beschäftigungsdauer wurde sie in die
Vergütungsgruppe IX b höhergruppiert.
3 Ab dem 01.07.2004 übernahm die Klägerin zusätzlich zum Dienst in der F.kapelle
den „halben“ Mesnerdienst in der Kirche St. V. in H. Die Parteien schlossen am
06.07.2004 einen Änderungsvertrag (Anlage B 2 sowie Anlage B 6). Hiernach ist
die Klägerin mit 22,31 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit beschäftigt. Hierbei entfallen 1,46 Wochenstunden auf die Reinigung
der F.kapelle und 7,13 Wochenstunden auf den Mesnerdienst und die Reinigung
in der Kirche St. V.
4 Für den Dienst der Mesner/innen gab es bei der D.R-S eine Dienstordnung vom
22.04.1974 (Anlage K 29). Diese wurde am 17.05.2005 durch eine neue
Dienstordnung abgelöst (Anlage K 16 und 18). Diese Dienstordnung hat
auszugsweise folgenden Wortlaut:
5
„Präambel
6
Der Dienst der Mesnerin/des Mesners ist ein Dienst im Auftrag der Kirche. Er
besteht in der Unterstützung der liturgischen Dienste bei Gottesdiensten sowie in
der Pflege und Sicherung des Kirchengebäudes und seines Inventars. Dieser
Dienst verpflichtet die Mesnerin/den Mesner in besonderer Weise zu einer
Lebensgestaltung nach dem Glauben der Kirche.
7
§ 3 Aufgaben
8
Als Dienstaufgaben können der Mesnerin/dem Mesner ganz oder teilweise
übertragen werden:
9
a) Vorbereitung der zum Gottesdienst benötigten Paramente und Gegenstände,
Hilfe beim An- und Ablegen der liturgischen Gewänder und weitere
Handreichungen vor, während und nach der Liturgie,
10 b) Assistieren bei der Feier von Gottesdiensten, bei der Spendung von
Sakramenten und Sakramentalien, bei Prozessionen innerhalb und außerhalb
des Gotteshauses und bei kirchlichen Begräbnissen, soweit nicht Ministranten
oder andere Personen mit diesen Diensten beauftragt sind,
11 c) Öffnen und Schließen der Kirche und ihrer Nebenräume zu den festgelegten
Zeiten, Öffnen und Schließen der Kirchenfenster, Verwahrung der den Mesner
anvertrauten Schlüsseln,
12 d) Sorge für den Schmuck der Altäre und die Gestaltung des Kirchenraumes nach
den liturgischen und örtlichen Gegebenheiten, besonders an Sonn- und
kirchlichen Festtagen,
13 e) Bedienung der Glocken bzw. Läuteanlage nach der örtlichen Läuteordnung,
Beflaggung der Kirche auf Anweisung des Vorgesetzten,
14 f) Aufbewahrung und Pflege des Inventars der Kirche und der Sakristei, Sorge für
die Sicherung von Kostbarkeiten religiöser, liturgischer und künstlerischer Art; die
Erlaubnis zur Besichtigung unter Verschluss aufzubewahrender Gegenstände
kann sich der Vorgesetzte vorbehalten,
15 g) Anleitung und Beaufsichtigung der Ministranten, sofern der Vorgesetzte dies
anordnet,
16 h) Sorge für die Kirchenheizung, Bedienung der Beleuchtungsanlagen in der
Kirche, insbesondere ausreichende Beleuchtung der Eingänge zur Kirche,
Bedienung und Überwachung technischer Anlagen,
17 i) Beobachtung des baulichen Zustandes der Kirche; Schäden sind umgehend
dem Vorgesetzten zu melden, auch wenn sie durch eigenen Eingriff behoben
werden können,
18 j) Reinigen und Sichern der zur Kirche gehörenden Wege, Straßen und Plätze
sowie der Zugänge zur Kirche, Freihalten derselben von Schnee und Glatteis
gemäß den örtlichen polizeilichen Vorschriften und den Anordnungen des
Vorgesetzten,
19 k) Verantwortung für Ordnung und Sauberkeit in der Kirche und den zugehörigen
Räumlichkeiten und die Reinigung und Pflege der Kirchenwäsche sowie der
Paramente,
20 l) Überprüfung des Zelebretz bei fremden Priestern, soweit dieses nicht durch den
jeweiligen Ortsgeistlichen erfolgt.
21 Die einzelnen Aufgaben werden in einer Aufgabenbeschreibung festgelegt.
Unbeschadet bleiben Anordnungen im Rahmen des Direktionsrechts des
Vorgesetzten.“
22 Am 02.10.2010 erkrankte die zweite Mesnerin, Frau A.N., weshalb die Klägerin
den „vollen“ Mesnerdienst in der Kirche St. V. übernahm. Die zusätzlich
anfallenden Stunden wurden der Klägerin als Mehrarbeit ausbezahlt. Ab Mitte des
Jahres 2011 übernahm die Klägerin den Mesnerdienst endgültig von Frau N..
Auch Frau N. war in die Vergütungsgruppe IX b eingruppiert.
23 Mit Beschluss vom 04.05.2012 unterstützte der Kirchengemeinderat die
Eingruppierung der Klägerin als Mesnerin in die Entgeltgruppe 5 (Anlage zum
Protokoll vom 30.09.2014). Mit Schreiben vom 27.06.2012 (Anlage K 4)
beanstandete die Klägerin, dass die Bezahlung der Mehrarbeit ab 01.12.2011
eingestellt worden sei. Mit Schreiben vom 02.07.2012 (Anlage K 5) teilte die D.R-S
mit, dass die Zahlung veranlasst worden sei. Mit Schreiben vom 05.07.2012
(Anlage B 1) äußerte sich die Hauptabteilung XIII gegenüber dem
Verwaltungszentrum der Diözese zur Eingruppierung der Klägerin. Mit Schreiben
vom 11.07.2012 (Anlage K 6) bestand die Klägerin darauf, dass sie einen
Arbeitsvertrag über den „vollen“ Mesnerdienst erhalte. Mit Schreiben vom
19.09.2012 (Anlage K 8) teilte ihr die D.R-S mit, dass sie in ihrem Dienst
bekanntermaßen zwei verschiedene Funktionen einnehme. Ein Kompromiss
könne darin bestehen, dass 55 % der Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 2 und 45 %
nach der Entgeltgruppe 6 vergütet würden. Mit Schreiben vom 18.01.2013 (Anlage
K 9) machte die Klägerin ihre Vergütung nach der Entgeltgruppe 6, rückwirkend für
1 Jahr, geltend.
24 Mit ihrer am 17.12.2013 eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung
begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr seit 01.07.2011, hilfsweise seit
01.02.2012 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6, hilfsweise Entgeltgruppe 5
zu zahlen. Sie hat vorgetragen, sie habe die ihr angebotenen zwei Arbeitsverträge
nicht unterschrieben, weil die von der Beklagten erhobenen Umfänge der
Tätigkeiten unrichtig berechnet seien. Richtig sei, dass sie spätestens seit
01.07.2011 im Umfang von 21.375 Minuten im Jahr liturgische Dienste, im Umfang
von 27.043 Minuten im Jahr weitere Mesnerdienste und im Umfang von 1.262
Minuten im Jahr sonstige Dienste verrichte, somit die Gesamttätigkeit einer
Mesnerin ausübe. Somit stehe ihr eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 der
Arbeitsvertragsordnung der D.R-S (im Folgenden: AVO-DRS) zu. Bereits vor
Abschluss des Dienstvertrages seien nach dem Beschluss der Bistums-KODA
vom 27.06.1991 (Anlage K 17) die Mesner und Hausmeister in die
Vergütungsgruppe VII BAT, nach 6-jähriger Bewährung in die Vergütungsgruppe
VI b BAT eingruppiert. Nachdem die Bistums-KODA am 18.01.2010 eine neue
Arbeitsvertragsordnung erlassen habe (Anlage K 14), hätte sie in die
Entgeltgruppe 6 übergeleitet werden müssen.
25 Spätestens seit dem 01.07.2004 sei sie in der Kirche St. V. auch als Mesnerin
beschäftigt worden. Der Beschluss der Bistums-KODA vom 27.06.1991 regele die
Tätigkeit einer Mesnerin im Einzelnen nicht. Dies sei jedoch mit der Dienstordnung
vom 17.05.2005 (Anlage K 18) geschehen. Diese enthalte in ihrem § 3 eine
Aufgabenbeschreibung für Mesnerinnen und Mesner. Aus den vorgenommenen
Zeiterhebungen (Anlagen K 21, 22 und 23) ergäben sich die zeitlichen Anteile der
einzelnen Tätigkeiten in den Jahren 2011 bis 2013. Richtig sei, dass sie auch
Reinigungstätigkeiten durchführe. Es handele sich hierbei jedoch offensichtlich um
Zusammenhangstätigkeiten mit der Mesnertätigkeit. Entscheidend seien die das
Bild einer Mesnerin prägenden Tätigkeiten, insbesondere die Aufgaben nach den
Buchstaben a) bis i) der Dienstordnung.
26 Mit Wirkung zum 01.01.2014 sei eine Entgeltordnung zu den AVR-DRS in Kraft
getreten (Anlage K 27). Nach Teil II Abschnitt 2.2 der Entgeltordnung seien die
Mesner mindestens in die Entgeltgruppe 4, höchstens in die Entgeltgruppe 6,
eingruppiert. Entscheidend sei aber, dass sie bereits vor dem Inkrafttreten der
Entgeltordnung in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert gewesen sei.
27
Die Klägerin hat beantragt:
28
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem
01.07.2011 nach Entgeltgruppe 6, Stufe 5 der Ordnung zur Überleitung der
kirchlichen Beschäftigten der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der D.R-S
(AVO-DRS-Ü) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem
01.07.2011 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
29
Hilfsweise:
30
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit
01.02.2012 nach Entgeltgruppe 6, Stufe 5 der Ordnung zur Überleitung der
kirchlichen Beschäftigten der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der
Diözese Rottenburg-Sutttgart (AVO-DRS-Ü) zu vergüten und die
Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2012 mit 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz zu verzinsen.
31
Höchsthilfsweise:
32
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem
01.07.2011 nach Entgeltgruppe 5, Stufe 5 der Ordnung zur Überleitung der
kirchlichen Beschäftigten der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der D.R-S
(AVO-DRS-Ü) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem
01.07.2011 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
33
Höchsthöchsthilfsweise:
34
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit
01.02.2012 nach Entgeltgruppe 5, Stufe 5 der Ordnung zur Überleitung der
kirchlichen Beschäftigten der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der D.R-S
(AVO-DRS-Ü) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem
01.02.2012 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
35
Die Beklagte hat beantragt,
36
die Klage abzuweisen.
37 Sie hat vorgetragen, entgegen ihrer Behauptung sei die Klägerin zu keinem
Zeitpunkt als Mesnerin im Sinne des BAT bzw. der AVO-DRS tätig geworden. Die
Klägerin sei zutreffend als Reinigungskraft in die Entgeltgruppe X bzw. nach 2-
jähriger Beschäftigungsdauer am 01.09.2001 in die Vergütungsgruppe IX b BAT
eingruppiert worden. Bis 01.07.2004 habe Frau N. die Reinigungs- und
Mesnerdienste in der Kirche St. V. alleine erbracht. Sie sei ebenfalls in die
Vergütungsgruppe IX b BAT eingruppiert gewesen. Auch nachdem die Klägerin ab
dem 01.07.2004 50 % des Mesner- und Reinigungsdienstes in der Kirche St. V.
übernommen habe, sei sie zutreffend in der Vergütungsgruppe IX b BAT
verblieben. Am 01.11.2010 sei die Klägerin sodann in die Entgeltgruppe 2
übergeleitet worden.
38 Die Klägerin sei nicht in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert. Nach der am 01.01.2014
in Kraft gesetzten Entgeltordnung erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine
Eingruppierung in die neu geschaffenen Entgeltgruppen offenkundig nicht. Die
Klägerin sei aber auch nicht im Wege der Überleitung in die Entgeltgruppe 6
eingruppiert. Denn zeitlich mehr als die Hälfte der anfallenden Arbeitsvorgänge
entfalle auf Tätigkeiten der Entgeltgruppe 2, ggf. sogar der Entgeltgruppe 1. Die
Klägerin sei nie als „Vollzeitmesnerin“ eingestellt worden noch sei sie überwiegend
mit „Mesnertätigkeit“ betraut worden. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass
das dafür zuständige Organ der Beklagten ihr die Befugnis ausdrücklich
übertragen habe. Es komme hinzu, das jede Änderung des Arbeitsvertrags der
ausdrücklichen Zustimmung des Bischöflichen Ordinariats bedurft habe.
Schließlich sei anzumerken, dass die von der Klägerin vorgelegte
Dienstzeitberechnung nicht den tariflichen und diözesanen Anforderungen
entspreche.
39 Mit Urteil vom 20.01.2015 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, es könne nicht davon
ausgegangen werden, dass die Tätigkeit der Klägerin die Vergütungsgruppe VII
BAT durch die Ausübung einer Mesnertätigkeit im Sinne des Beschlusses der
Bistums-KODA vom 27.06.1991 erfülle. Entgegen der Auffassung der Klägerin
seien die Aufgaben einer Mesnerin in der Dienstordnung nicht im Sinne der
arbeitsrechtlichen Eingruppierung abschließend geregelt. So würden nach § 7 der
Dienstordnung die geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen nicht berührt. Mit
Blick auf die typischen Merkmale der Vergütungsgruppe VII BAT, die in der Regel
gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erforderten, nehme die Klägerin
Tätigkeiten wahr, die typischerweise nicht diese Anforderungen erfüllten. Die
einfacheren Dienste seien von der übrigen Tätigkeit der Klägerin im liturgischen
Bereich abgrenzbar und selbständig rechtlich bewertbar. Daher komme es für die
Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich darauf an, ob die liturgischen Dienste
die gesamte Tätigkeit der Klägerin überwiegend bestimmte. Vorliegend sei dies
nicht der Fall. Aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen ergebe sich
eine zeitliche Inanspruchnahme für die liturgischen Dienste von 35,96 %. Anderes
ergebe sich auch nicht aus den sonstigen Unterlagen. Da die Klägerin somit nicht
die Tätigkeit einer Mesnerin überwiegend ausübe, ergebe sich eine
Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 auch nicht aus den seit 01.01.2014
geltenden Eingruppierungsmerkmalen.
40 Gegen das ihr am 22.01.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.02.2015
Berufung eingelegt und diese am 19.03.2015 begründet. Sie trägt vor,
maßgeblicher Streitpunkt sei, ob bei ihren Tätigkeiten mehrere Arbeitsvorgänge
anzunehmen seien oder ein einheitlicher Arbeitsvorgang vorliege, bei dem die
liturgischen Dienste prägend seien. Nur bei der Annahme gesonderter
Arbeitsvorgänge komme man zu dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis.
Gegen die Annahme verschiedener Arbeitsvorgänge spreche, dass die jetzt
gültige Dienstordnung nicht mehr den Passus enthalte, dass der
Kirchengemeinderat beschließen könne, einzelne Dienste abzutrennen und sie auf
andere Personen zu übertragen. In der früheren Dienstordnung vom 22.04.1974
(Anlage K 29) habe sich unter § 4.1 der besagte Passus befunden. Demzufolge
sei eine Aufspaltung der einzelnen Dienste nicht mehr möglich.
41 Nicht zutreffend sei auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, wonach der Beschluss
der Bistums-KODA vom 27.06.1991 gewissermaßen eine Rechtsgrundverweisung
enthalte, wonach die Voraussetzungen der Eingruppierung in die
Vergütungsgruppe VII BAT gesondert zu prüfen seien. Das Arbeitsgericht
inkorporiere Tätigkeitsmerkmale, die im Beschluss der Bistums-KODA gar nicht
genannt seien. Zudem übersehe das Arbeitsgericht, dass es neben der
allgemeinen Vergütungsordnung auch zusätzliche Tätigkeitsmerkmale für
Angestellte in Spezialberufen gegeben habe. Ihr gesamtes Aufgabenfeld, wie es in
§ 3 der Dienstordnung genannt sei, unterfalle der Eingruppierung in die
Vergütungsgruppe VII BAT.
42
Die Klägerin beantragt:
43
Das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen, Az. 3 Ca 420/13 vom 20.01.2015
abzuändern und festzustellen,
44
dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.07.2011 nach
Entgeltgruppe 6 der Ordnung zur Überleitung der kirchlichen Beschäftigten
der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der D.R-S (AVO-DRS-Ü) zu vergüten
und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.07.2011 mit 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen,
45
hilfsweise festzustellen,
46
dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit 01.02.2012 nach
Entgeltgruppe 6 der Ordnung zur Überleitung der kirchlichen Beschäftigten
der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der Diözese Rottenburg-Sutttgart
(AVO-DRS-Ü) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem
01.02.2012 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen,
47
höchst hilfsweise festzustellen,
48
dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.07.2011 nach
Entgeltgruppe 5 der Ordnung zur Überleitung der kirchlichen Beschäftigten
der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der D.R-S (AVO-DRS-Ü) zu vergüten
und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.07.2011 mit 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen,
49
höchst höchst hilfsweise festzustellen,
50
dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit 01.02.2012 nach
Entgeltgruppe 5 der Ordnung zur Überleitung der kirchlichen Beschäftigten
der D.R-S in die Arbeitsvertragsordnung der D.R-S (AVO-DRS-Ü) zu vergüten
und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2012 mit 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
51
Die Beklagte beantragt,
52
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
53 Sie trägt vor, die Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 2 sei zutreffend.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bilde ihre Tätigkeit keinen einheitlichen
Arbeitsvorgang. Entscheidendes Bestimmungskriterium sei das Arbeitsergebnis,
wenn es tatsächlich möglich sei, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit
abzutrennen, könnten diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst
werden.
54 Soweit sich die Klägerin auf die jetzt gültige Dienstordnung berufe, so ergebe ein
Vergleich der früheren Dienstordnung vom 22.04.1974 mit der jetzt gültigen
Dienstordnung, dass sich inhaltlich nichts geändert habe. Auch nach der neuen
Dienstordnung könnten die Dienstaufgaben der Mesnerin ganz oder teilweise
übertragen werden. Die Auffassung der Klägerin führe dazu, dass eine Person, die
nur eine der aufgeführten Aufgaben ausführe, als Mesner einzugruppieren sei. Die
Tätigkeiten der Klägerin ließen sich zumindest in zwei Arbeitsvorgänge, nämlich
liturgische Aufgaben und rein manuelle Reinigungsarbeiten aufteilen. Es mangele
an einem schlüssigen Vortrag über die entsprechenden Zeitanteile.
55 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6
ArbGG, § 213 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
56
Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Die
Berufung ist auch gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der
gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.
II.
57
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Entgegen der Auffassung des
Arbeitsgerichts ist die Kammer der Meinung, dass die Voraussetzungen für eine
Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 6 der AVO-DRS vorliegen.
58
1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen und kirchlichen
Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage. Gegen deren
Zulässigkeit bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken, auch soweit die Anträge
Zinsforderungen zum Gegenstand haben (vgl. nur BAG 06.06.2007 - 4 AZR
505/06 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 308). Soweit die Klägerin in ihren Anträge
auf die Überleitungsbestimmungen der AVO-DRS-Ü Bezug genommen hat, will
sie damit lediglich ihre Rechtsauffassung verdeutlichen, sie sei bereits aufgrund
des Überleitungsrechts in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert.
59
2. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag, wonach die Vergütungspflicht der
Beklagten nach der Entgeltgruppe 6 AVO-DRS festgestellt werden soll, bis auf
den Zeitpunkt des Zahlungsbeginns und des Zinslaufes begründet. Die Kammer
kann sich nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, wonach die
Klägerin zutreffend in die Entgeltgruppe 2 AVO-DRS eingruppiert ist.
60
a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden ausweislich des Arbeitsvertrags
vom 20.09.1999 die arbeitsvertraglichen Regelungen gemäß der Bistums-KODA-
Ordnung der D.R-S Anwendung. Seit dem 01.11.2010 sind diese Regelungen in
der Arbeitsvertragsordnung der D.R-S (AVO-DRS) zusammengefasst (Anlage K
14). Nach der Ordnung zur Überleitung der kirchlichen Beschäftigten der D.R-S in
die Arbeitsvertragsordnung (AVO-DRS-Ü) galten für die Eingruppierung die §§
22, 23 BAT einschließlich der Vergütungsordnung über den 31.10.2010 hinaus
(§ 17 Abs. 1 Satz 1 AVO-DRS-Ü). Die Zuordnung der Vergütungsgruppen zu den
Entgeltgruppen richtete sich nach § 4 AVO-DRS-Ü nach der Anlage 2 AVO-DRS-
Ü. Seit dem 01.01.2014 sind die §§ 22, 23 BAT einschließlich der
Vergütungsordnung durch die §§ 12, 13 AVO-DRS einschließlich einer neuen
Entgeltordnung ersetzt worden (Anlage K 27).
61
b) Die Klägerin ist nicht auf der Grundlage der seit 01.01.2014 geltenden
Entgeltordnung zur AVO-DRS in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert. Auf die Frage
des Zuschnitts der Arbeitsvorgänge kommt es hierbei nicht an.
62
aa) Mit der neuen Entgeltordnung zur AVO-DRS hat die Bistums-KODA
spezielle Tätigkeitsmerkmale zur Eingruppierung der Mesner/innen geschaffen.
Deren Eingruppierung richtet sich nach dem Teil III (Beschäftigte in besonderen
kirchlichen Diensten) Abschnitt 2.2. Hiernach kommt es für die Eingruppierung
der Mesner/innen auf folgende Tätigkeitsmerkmale an:
63
„Entgeltgruppe 4
64
Beschäftigte im Mesnerdienst.
65
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)
66
Entgeltgruppe 5
67
1. Mesnerinnen/Mesner mit erfolgreichem Abschluss des dreiwöchigen
Grundkurses der überdiözesanen Mesnerschule oder mit erfolgreich
abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten
Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren, die
durchschnittlich wöchentlich mindestens vier liturgische Dienste bei
Gottesdiensten oder Kasualien ausüben.
68
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 2 und 3)
69
2. Mesnerinnen/Mesner mit erfolgreichem Abschluss des dreiwöchigen
Grundkurses der überdiözesanen Mesnerschule oder mit erfolgreich
abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten
Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren.
70
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 2)
71
3. Mesnerinnen/Mesner nach sehr langer Tätigkeit in Entgeltgruppe 4.
72
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 5)
73
Entgeltgruppe 6
74
Mesnerinnen/Mesner mit erfolgreichem Abschluss des dreiwöchigen
Grundkurses der überdiözesanen Mesnerschule oder mit erfolgreich
abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten
Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren nach
langjähriger Tätigkeit in Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1.
75
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 4)“
76
Dem Abschnitt 2.2 sind Protokollerklärungen beigefügt, die auszugsweise
folgenden Wortlaut haben:
77
„Nr. 1 Unter Mesnertätigkeiten fallen auch Mesnerinnen/Mesner in
Kombinationstätigkeiten Mesnerin/Hausmeisterin bzw. Mesner/Hausmeister.
78
Nr. 2 Einschlägige anerkannte Ausbildungsberufe im Sinne dieses
Tätigkeitsmerkmals sind z.B. Elektronikerin/Elektroniker, Tischlerin/Tischler,
Malerin/Maler, Anlagentechnikerin/Anlagentechniker, Sanitär-, Heizungs- und
Klimatechnik. Qualifikationen im theologisch-liturgischen Bereich (z.B. Theologie
im Fernkurs, Pastoralreferentin/Pastoralreferent,
Gemeindereferentin/Gemeindereferent, Religionslehrerin/Religionslehrer)
werden ebenfalls als einschlägige Ausbildung anerkannt.“
79
bb) Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der Aufbauentgeltgruppe 6 nicht.
Sie hat weder den 3-wöchigen Grundkurs der überdiözesanen Mesnerschule
erfolgreich abgeschlossen noch besitzt sie eine erfolgreich abgeschlossene
Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten Ausbildungsberuf. Darüber
hinaus weist sie auch keine langjährige Tätigkeit in der Entgeltgruppe 5
Fallgruppe 1 auf. Wie sich in der Berufungsverhandlung ergeben hat, fallen in
der Kirche St. V. auch nicht mindestens vier liturgische Dienste wöchentlich an.
80
c) Die Klägerin war aber jedenfalls seit 01.07.2010 in die Vergütungsgruppe VI b
BAT eingruppiert und wurde daher mit dem Inkrafttreten der AVO-DRS am
01.11.2010 nach § 4 AVO-DRS-Ü in Verbindung mit der Anlage 2 in die
Entgeltgruppe 6 übergeleitet.
81
aa) Nach § 17 Abs. 1 AVO-DRS-Ü galten für die Eingruppierung die §§ 22, 23
BAT einschließlich der Vergütungsordnung über den 31.10.2010 hinaus fort.
Nach Absatz 10 der Vorschrift (in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung) galten
die Absätze 1 - 8 für besondere tarifvertragliche Vorschriften und Beschlüsse der
Bistums-KODA über die Eingruppierungen entsprechend. Für die
Eingruppierung der Mesner/innen war der Beschluss der Bistums-KODA vom
27.06.1991 (Anlage K 17) maßgebend. Dieser Beschluss hatte folgenden
Wortlaut:
82
„1. Die Eingruppierung der Mesner und Hausmeister erfolgt in
Vergütungsgruppe VII BAT.
83
2. Nach 6-jähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VII BAT erfolgt
Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe VI b BAT.
...
84
5. Die Neuregelung tritt am 1. August 1991 in Kraft. ...“
85
bb) Nach § 22 Abs. 1 BAT richtete sich die Eingruppierung der/des
Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungs- bzw.
Entgeltordnung. Die/Der Beschäftigte erhält Vergütung bzw. Entgelt nach der
Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist. Die/Der
Beschäftigte ist in der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe eingruppiert, deren
Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend
auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit
entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe, wenn
zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen
die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale
dieser Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe erfüllen.
86
Nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 BAT sind Arbeitsvorgänge
Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf
den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung
abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als
solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht
aufgespalten werden. Hiernach ist das Arbeitsergebnis das für die Bestimmung
des Arbeitsvorgangs entscheidende Kriterium (BAG 21.03.2012 - 4 AZR 266/10
- AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 317 mit zahlreichen Nachweisen). Hierbei kann
auch die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen
Arbeitsvorgang ausmachen. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten
von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem
Arbeitsvorgang zusammengefasst (BAG 25.08.2010 - 4 AZR 5/09 - AP BAT
1975 §§ 22, 23 Nr. 315; BAG 23.09.2009 - 4 AZR 308/08 - AP BAT-O § 22, 23
Nr. 40). Zur Tätigkeit rechnen auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind
solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten,
insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Beschäftigten bei der tariflichen
Bewertung zur Vermeidung einer tarifwidrigen „Atomisierung“ der
Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen
sind. Die unter Berücksichtigung der Zusammenhangstätigkeiten zu einem
Arbeitsergebnis führende Tätigkeit muss tatsächlich von der übrigen Tätigkeit
des Beschäftigten abgrenzbar und rechtlich selbständig bewertbar sein.
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cc) Die Tätigkeit der Klägerin entspricht jedenfalls seit dem 01.07.2004 der
Tätigkeit einer Mesnerin im Sinne des Beschlusses der Bistums-KODA vom
27.06.1991.
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(1) Die arbeitsrechtliche Kommission hat den Begriff des Mesners im Beschluss
der Bistums-KODA vom 27.06.1991 nicht definiert. Da jedoch die D.R-S seit
Jahrzehnten eine Dienstordnung für Mesner, zuletzt diejenige vom 17.05.2005,
erlassen hat, kann davon ausgegangen werden, dass die arbeitsrechtliche
Kommission von dem in der Dienstordnung niedergelegten Begriff des Mesners
ausgegangen ist. Nach der Dienstordnung vom 17.05.2005 lässt sich das
Aufgabengebiet eines Mesners in vier Tätigkeitsgruppen untergliedern:
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1. Liturgische Dienste (§ 3a und b),
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2. Dienste im Zusammenhang mit liturgischen Diensten (§ 3c bis g),
91
3. Hausmeisterdienste (§ 3h und i) und
92
4. Reinigungsdienste (§ 3j und k).
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Im Detail überschneiden sich diese Tätigkeitsgruppen.
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Wie die Erörterungen in der Berufungsverhandlung ergeben haben, gibt es in
der Praxis kein einheitliches Berufsbild des Mesners. Teils werden die Dienste
unter mehreren Personen aufgeteilt, teils übernimmt eine Person sämtliche
Dienste. Teilweise wird der Dienst auch ehrenamtlich verrichtet.
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(2) Die Klägerin nimmt in vollem Umfang die einer Mesnerin der Dienstordnung
zugewiesenen Aufgaben wahr. Dies ergibt sich nicht nur aus ihren
handschriftlichen Tätigkeitsaufschrieben (Anlagen K12 und K18a), sondern
auch aus den verschiedenen Arbeitszeitberechnungen (Anlagen K10, K11 und
K21 bis 24). Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitszeitberechnungen nicht
von der Beklagten angefertigt wurden und von ihr auch nicht im Detail anerkannt
werden. Denn auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Klägerin die in
den Arbeitszeitberechnungen angegebenen Aufgaben verrichtet.
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Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin sei nicht überwiegend mit
„Mesnertätigkeit“ betraut worden, ist unter diesen Umständen nicht
nachvollziehbar. Grundlage für die Eingruppierung ist die auszuübende
Tätigkeit. Diese richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen in
Verbindung mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Die Übertragung der
auszuübenden Tätigkeit ist nicht an ein bestimmtes Formerfordernis gebunden
(Breier/Dassau u.a., TV-L, § 12 Rn. 50; Sponer/Steinherr, TV-L, § 12 Rn. 244).
Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte der Klägerin jedenfalls ab dem
01.07.2004 mit Änderungsvertrag vom 06.07.2004 den Mesnerdienst - neben
dem Reinigungsdienst - sogar ausdrücklich übertragen hat. Während die
Klägerin in der Anlage vom Arbeitsvertrag vom 20.09.1999 (Anlage K26) noch
als Reinigungskraft bezeichnet wurde, auch wenn sie ausweislich der
Aufstellung in Anlage K2 bereits damals in einem größeren Umfang
Hausmeisterdienste zu verrichtet hatte, ist im Arbeitsvertrag vom 06.07.2004
ihre Tätigkeit mit „Mesnerdienst und Reinigung“ umschrieben. In Anbetracht der
damals geltenden Dienstordnung vom 22.04.1974 kann diese Angabe nicht
anders verstanden werden, dass die Klägerin die in dieser Dienstordnung
angegebenen Arbeitsaufgaben verrichten sollte.
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Die Übertragung dieser Dienste erfolgte auch durch das zuständige Organ der
Beklagten, nämlich durch den damaligen Pfarrer und den (zweiten)
Vorsitzenden des Kirchengemeinderats. Soweit die Beklagte vorgetragen hat,
es habe an der nach Ziffer 3.4 der damaligen Dienstordnung erforderlichen
Genehmigung des bischöflichen Ordinariats gefehlt, stellt dies kein
ausreichenden Vorbringen dar. Die Klägerin kann aus eigener Anschauung zu
dem verwaltungsinternen Vorgang der Genehmigung nicht konkret Stellung
nehmen. Aus dem Gesichtspunkt der Sachnähe wäre die Beklagte verpflichtet
gewesen, zu dem doch erstaunlichen Umstand näher vorzutragen, dass die
Klägerin zwar seit Jahren die Aufgaben einer Mesnerin ausübt, das Ordinariat
hierzu aber keine Genehmigung erteilt haben soll.
98
dd) Die Tätigkeit der Klägerin als Mesnerin stellt einen großen Arbeitsvorgang im
Sinne des Eingruppierungsrechts dar.
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(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt
BAG 23.09.2009 - 4 AZR 308/08 - AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 40; BAG 25.08.2010
- 4 AZR 5/09 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 315; BAG 21.03.2012 - 4 AZR 266/10
- AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 317) können bei der Bestimmung von
Arbeitsvorgängen wiederkehrende gleichartige und gleichwertige
Arbeitsleistungen zusammengefasst werden. Die gesamte vertraglich
geschuldete Tätigkeit kann einen einzigen „großen“ Arbeitsvorgang
ausmachen. Hierbei ist das Arbeitsergebnis das entscheidende
Bestimmungskriterium. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von
unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem
Arbeitsvorgang zusammengefasst. Zur Tätigkeit rechnen aber auch die
Zusammenhangstätigkeiten. Die sind solche, die aufgrund ihres engen
Zusammenhangs mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben zur
Vermeidung einer tarifwidrigen „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht
abgetrennt werden dürfen.
100 Das Vorliegen eines „großen“ Arbeitsvorgangs hat das Bundesarbeitsgericht
insbesondere bei sogenannten Funktionsmerkmalen angenommen (im
Einzelnen Sponer/Steinherr, TV-L, § 12 Rn 381 ff; Krasemann, Das
Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O, 8. Aufl. S. 440 f). Funktionsmerkmale
sind solche Tätigkeitsmerkmale, bei denen die Eingruppierung nicht an
allgemeine Tätigkeitsmerkmale wie z.B. „gründliche und vielseitige
Fachkenntnisse“, sondern an eine Funktionsbezeichnung z.B. „Arzt,
Rettungsassistent oder Sozialarbeiter“ geknüpft ist. Vielfach nimmt das
Bundesarbeitsgericht auch bei Leitungstätigkeiten eine „großen“ Arbeitsvorgang
an (Sponer/Steinherr TV-L § 12 Rn. 388); auch bei Vorliegen eines
Funktionsmerkmals können allerdings Arbeitsvorgänge nicht zusammengefasst
werden, wenn die Tarifvertragsparteien ausdrücklich zwischen gewöhnlichen
und schwierigen Aufgaben differenziert haben. Dies ist etwa bei den
Funktionsmerkmal eines Geschäftsstellenverwalters bei den Gerichten der Fall
(BAG 14. August 1985 - 4 AZR 21/84 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 109).
101 (2) Das Arbeitsgericht hat mit der Beklagten angenommen, im Streitfall müsse
bei der Bildung der Arbeitsvorgänge zwischen den eigentlichen Mesnerdiensten
und den sonstigen Diensten unterschieden werden. Hierbei hat das
Arbeitsgericht auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den
Verwaltungsdienst zurückgegriffen. Es hat zwischen den Tätigkeiten, die in der
Regel „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ erforderten und den
sonstigen Tätigkeiten wie Reinigung, Räumdienst, Blumenpflege, Kontrollgänge
etc. unterschieden.
102 Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, für ihre Tätigkeit als
Mesner sei der liturgische Dienst prägend. Die sonstigen Tätigkeiten seien als
Zusammenhangstätigkeiten anzusehen. Ihre Gesamttätigkeit dürfe nicht in
Einzelheiten aufgespalten werden.
103 (3) Nach Auffassung der Kammer stellt die gesamte Tätigkeit der Klägerin als
Mesnerin einen „großen“ Arbeitsvorgang dar. Hierfür sprechen folgende
Gesichtspunkte:
104 Die arbeitsrechtliche Kommission hat für das Berufsbild des Mesners
ausdrücklich eigenständige Tätigkeitsmerkmale festgelegt, wobei sie für die
Eingruppierung nicht an abstrakte Tätigkeitsmerkmale, sondern an eine
vorausgesetzte Funktionsbezeichnung angeknüpft hat. Bereits vor Inkrafttreten
der neuen Entgeltordnung zur AVO-DRS hatte die arbeitsrechtliche Kommission
die Eingruppierung der Mesner mit Beschluss vom 27.06.1991 besondere
Eingruppierungsbestimmungen für die Mesner getroffen (Anlage K 17). In der
neuen Entgeltordnung wurde die Eingruppierung der Mesner im Teil III Abschnitt
2.2 ebenfalls eigenständig geregelt. Zum Verhältnis der einzelnen Teile der
Entgeltordnung wird in den Vorbemerkungen unter Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1
ausgeführt, dass für Beschäftigte, deren Tätigkeit in besonderen
Tätigkeitsmerkmalen aufgeführt ist, nur die Tätigkeitsmerkmale des jeweiligen
Teils gelten. Dies verbietet nach Auffassung dr Kammer den vom Arbeitsgericht
vorgenommenen Rückgriff auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den
Verwaltungsdienst. Die arbeitsrechtliche Kommission hat die Eingruppierung der
Mesner gerade nicht davon abhängig gemacht, dass in einem bestimmten
Umfang „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ in ihrer Tätigkeit anfallen.
Dies geschah in Kenntnis des Umstands, dass die Tätigkeit eines Mesners
Aufgaben umfasst, die in ihrer Wertigkeit unterschiedlich zu betrachten sind. Die
arbeitsrechtliche Kommission hat gerade nicht zwischen den einfachen und den
schwierigen Aufgaben des Mesners unterschieden.
105 Für eine einheitliche Bewertung der Gesamttätigkeit spricht außerdem, dass das
Berufsbild des Mesners in der damals wie heute geltenden Dienstordnung
„ganzheitlich“ angelegt ist. Nach der Präambel zur Dienstordnung vom
17.05.2005 ist der Dienst des Mesners ein Dienst im Auftrag der Kirche. Er
besteht in der Unterstützung der liturgischen Dienste bei Gottesdiensten sowie
in der Pflege und Sicherung des Kirchengebäudes und seines Inventars. Der
Dienst verpflichtet den Mesner in besonderer Weise zu einer Lebensgestaltung
nach dem Glauben der Kirche. Hieraus ergibt sich, dass der Beruf des Mesners
nach dem Selbstverständnis der Kirche weder allgemein arbeitsrechtlich (etwa
hinsichtlich der Loyalitätspflichten) noch eingruppierungsrechtlich aufgespalten
werden darf. Der Beruf des Mesners ist - wie es der Weihbischof Dr. K. in
seinem Vorwort zur Dienstordnung zum Ausdruck gebracht hat, ein Beruf der
Kirche im Sinne von Berufung. Indem die Mesner die Kirche und deren
kultischen Schätze pflegen, verrichten sie eine wichtige Kulturarbeit. Dem
Berufsbild des Mesners würde es widersprechen, wenn einfache Tätigkeiten
wie Reinigung und Winterdienst von der Gesamttätigkeit abgespalten und
eingruppierungsrechtlich gesondert betrachtet würden.
106 Schließlich spricht für eine ganzheitliche Betrachtung, dass die arbeitsrechtliche
Kommission nach der Protokollerklärung Nr. 1 zum Abschnitt 2.2 zu den
Mesnertätigkeiten ausdrücklich auch Hausmeistertätigkeiten zählt. Dies steht im
Zusammenhang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur
Eingruppierung der Hausmeister. Aufgabe eines Hausmeisters ist es, für den
ordnungsgemäßen Zustand eines Gebäudes und des dort befindlichen
Inventars zu sorgen. Das Berufsbild des Hausmeisters entspricht somit - von
den liturgischen Diensten abgesehen - in weiten Teilen dem Berufsbild des
Mesners. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12.
Februar 1997 - 4 AZR 330/95 - AP BAT - O §§ 22, 23 Nr. 6) stellt die Tätigkeit
eines Hausmeisters einen einzigen großen Arbeitsvorgangs dar. Aus der
Zusammenfassung der Mesnerdiensten mit den Hausmeisterdiensten folgt,
dass die in der Dienstordnung unter § 3 c bis j aufgeführten Tätigkeiten nicht
von den der §§ 3 a und b liturgischen Diensten abgetrennt werden dürfen.
Allenfalls hinsichtlich der Innenraumreinigung (§ 3 k) ließe sich noch vertreten,
dass diese häufig speziellen Reinigungskräften obliegt und daher nicht zum
typischen Berufsbild eines Hausmeisters zählt.
107 ee) Ist die Gesamttätigkeit der Klägerin als ein einziger großer Arbeitsvorgang
anzusehen, kommt es für die Eingruppierung auf eine Feststellung der
Zeitanteile für die Einzeltätigkeiten nicht an. Selbst wenn man die Innenreinigung
als eigenständigen Arbeitsvorgang betrachten sollte, hätte dies auf die
Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 6 keine Auswirkungen. Gleich
ob man nun davon ausgeht, ob die Gesamttätigkeit der Klägerin 15,87
Stunden/Woche (= 49.680 Minuten/Jahr) - so die Klägerin (Anlagen K 10 und
11) oder die lediglich 13,81 Stunden/Woche (= 43.230 Minuten/Jahr) beträgt - so
die Beklagte (Anlage B 4), umfasst die regelmäßige Kirchenreinigung lediglich
9.360 Minuten, ggfs. mit der außerordentlichen Kirchenreinigung weitere 1.200
Minuten. Die liturgischen Dienste und Hausmeisterdienste erreichen hingegen
einen Zeitanteil von weit über 50 %. Sie sind daher für die Eingruppierung
maßgeblich.
108 ff) Hiernach war die Klägerin spätestens ab dem 01.07.2004 nach Ziff. 1 des
Beschlusses der Bistums-Koda vom 27.06.1991 in die Vergütungsgruppe VII
BAT eingruppiert. Nach - unbestrittener - sechsjähriger Bewährung dieser
Vergütungsgruppe erfolgte die Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe VI b
BAT. Im Zuge der Überleitung in AVO-DRS wurde die Klägerin nach § 4 Abs. 1
AVO-DRS-Ü iVm. der Anlage 2 in die Entgeltgruppe 6 übergeleitet.
109 d) Die Nachzahlung des Differenzbetrags zwischen der Entgeltgruppe 2 und der
Entgeltgruppe 6 steht der Klägerin erst ab dem 01.01.2012 zu. Die
Nachzahlungsbeträge sind ab dem 01.02.2012 zu verzinsen. Ihre zutreffende
Eingruppierung hat die Klägerin erst mit Schreiben vom 18.01.2013 geltend
gemacht. Aufgrund der nach § 37 Abs. 1 AVO-DRS geltenden zwölfmonatigen
Ausschlussfrist waren somit alle Ansprüche vor dem 01.01.2012 verfallen. Da die
Zahlung der Arbeitsvergütung § 24 Abs. 1 Satz 2 AVO-DRS am letzten Tag des
Monats erfolgt, beginnt der Zinslauf ab dem 01.02.2012.
III.
110 Die Beklagte hat gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen. Das geringfügige Unterliegen der Klägerin fällt nach § 92 Abs. 2 ZPO
nicht ins Gewicht. Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision
zugelassen, weil, soweit ersichtlich, zur Eingruppierung der Mesner noch keine
höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.