Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 13.06.2008

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LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 13.6.2008, 9 Sa 12/08
Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel - unangemessene Benachteiligung in der Probezeit - Verbot der geltungserhaltenden Reduktion
Leitsätze
Sieht eine Vertragsstrafenregelung in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag für ein vertragsbrüchiges Ausscheiden des
Arbeitnehmers eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes auch für die Dauer der Probezeit vor, während derer die Kündigungsfrist nur
zwei Wochen beträgt, so benachteiligt diese Regelung den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher unwirksam (BAG, 04.03.2004 - 8 AZR
196/03).
Das gilt auch dann, wenn die vertragsbrüchige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst nach Ablauf der Probezeit erfolgt. Die
Vertragsstrafenregelung ist insgesamt unwirksam und kann nicht mit dem an sich zulässigen Inhalt aufrecht erhalten werden. Andernfalls würde
gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer Klauseln verstoßen (im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz, 28.06.2007, 2 Sa
62/07).
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 11.01.2008, Az. 14 Ca 408/07 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin, ihre ehemalige Arbeitgeberin, eine Vertragsstrafe wegen einer nicht
vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen.
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Die Beklagte war aufgrund eines Arbeitsvertrages mit der Klägerin seit dem 01.04.2006 bei dieser als „Sachbearbeiterin Bustouristik“ eingestellt.
Zu ihren Aufgaben gehörte es unter anderem, die Dienstpläne der Busfahrer zu erstellen und die ordnungsgemäße Reinigung der Busse durch
die Busfahrer anzuweisen und zu überwachen. Das zuletzt vereinbarte Monatsgehalt belief sich auf EUR 2.250,00 brutto. In dem von der
Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag vom 20.02.2006 war in § 3 eine Probezeit für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses
vereinbart. Während dieser Probezeit war eine beiderseitige Kündigungsfrist von zwei Wochen vorgesehen. Nach Ablauf der Probezeit
bestimmte der Arbeitsvertrag in § 3 eine Kündigungsfrist von 12 Wochen zum Monatsende für beide Vertragsparteien.
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Die hier streitgegenständliche Vertragsstrafenregelung findet sich in § 4 des Arbeitsvertrages und lautet:
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§ 4 Vertragsstrafe
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Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung (ohne Überstunden und
sonstige Zuschläge) zu zahlen, wenn er das Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet.
Das gleiche gilt, wenn das Anstellungsverhältnis durch außerordentliche Kündigung durch die Firma beendet wird, wenn der
Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für diese Kündigung gesetzt hat. Die Firma ist berechtigt, einen weitergehenden
Schadenersatzanspruch geltend zu machen.
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Am 16.08.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom selben Tag zum 17.08.2007 unter Hinweis auf
gesundheitliche Schwierigkeiten, die ihre Ursache in Streitigkeiten mit den Busfahrern der Klägerin hätten.
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Gestützt auf § 4 des Arbeitsvertrages erhob die Klägerin mit Schreiben 15.10.2007 Klage beim Arbeitsgericht Freiburg und begehrte die Zahlung
einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 2.250,00 nebst Zinsen von der Beklagten.
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Zur Begründung führte die Klägerin vor dem Arbeitsgericht aus, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis grundlos fristlos gekündigt. Etwaige
gesundheitliche Probleme der Beklagten habe die Klägerin nicht zu verantworten. Nach § 4 des Arbeitsvertrages schuldet die Beklagte der
Klägerin die geltend gemachte Vertragsstrafe. Rechtliche Bedenken gegen die Vertragsstrafenklausel unter dem Gesichtspunkt der AGB-
Kontrolle bestünden nicht.
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Die Klägerin hat daher vor dem Arbeitsgericht beantragt:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.250,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
12.09.2007 zu zahlen.
11 Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
13 Zur Begründung trug die Beklagte vor, die fristlose Kündigung sei weder grundlos gewesen, noch sei § 4 des Arbeitsvertrages als
Rechtsgrundlage für die begehrte Vertragsstrafe wirksam. Grund für die Kündigung sei die mangelnde Unterstützung durch die Klägerin bei dem
schwierigen Umgang mit den Busfahrern gewesen.
14 § 4 des Arbeitsvertrages sei unwirksam, da die Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes unterschiedslos für die Probezeit und die
nachfolgende Zeit des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden sei und hierin eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten liege.
15 Das Arbeitsgericht Freiburg schloss sich mit Urteil vom 11.01.2008 im Wesentlichen der Ansicht der Beklagten an und begründete dies damit,
dass § 4 des Arbeitsvertrages wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sei. Die vereinbarte Vertragsstrafe von einer
Bruttomonatsvergütung sei angesichts der während der Probezeit bestehenden Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von 14 Tagen
unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe sei nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts nicht möglich. Diese Vorschrift sei nur anwendbar, wenn die vereinbarte Vertragsstrafenregelung wirksam sei. Die
Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel wegen der überhöhten Vertragsstrafe für die Probezeitkündigung führe dazu, dass sie auch im
vorliegenden Fall einer Kündigung nach Ablauf der Probezeit unwirksam sei. Zwar sei bei isolierter Betrachtung eine Vertragsstrafenklausel mit
einer Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt im Verhältnis zu einer Kündigungsfrist, welche 12 Wochen zum Monatsende betrage, nicht zu
beanstanden. Allerdings sei nicht der Zeitpunkt des Vertragsverstoßes maßgeblich für die Frage der Auslegung von Klauseln. Maßgeblich sei
vielmehr der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei jedoch sowohl die Probezeitkündigung als auch die
vertragswidrige Beendigung nach Ablauf der Probezeit erfasst worden. Daher sei die Klausel aufgrund dieser unterschiedslosen Erfassung
insgesamt unwirksam. Die vereinbarte Vertragsstrafe könne auch nicht mit dem noch zulässigen Inhalt aufrecht erhalten werden. Dies würde
gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verstoßen und mit dem Sinn und Zweck der §§ 305 ff. BGB nicht vereinbar sein. Auch der
sogenannte Blue-Pencil-Test sei nicht durchführbar, denn die Vertragsstrafenklausel sei nicht teilbar. Eine ergänzende Vertragsauslegung
scheide aus, sie würde den Regelungszweck des § 306 BGB unterlaufen.
16 Gegen das der Klägerin am 24.01.2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die am Montag, den 25.02.2008 beim
Landesarbeitsgericht eingegangen ist, und innerhalb der bis zum 17.04.2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist an diesem Tag begründet
worden ist.
17 Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor, das Arbeitsgericht habe die Vertragsstrafenklausel in § 4 des Arbeitsvertrages zu Unrecht an
§ 307 Abs. 1 BGB scheitern lassen. Es habe fälschlich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geschlossen, dass die
Vertragsstrafenabrede wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion insgesamt unwirksam sei. Diese Auffassung sei im vorliegenden
Fall nicht haltbar, denn die Beklagte habe ohne jegliche Vorwarnung die Arbeit niedergelegt und für die Klägerin völlig überraschend fristlos
gekündigt und das zu einem Zeitpunkt, als das Arbeitsverhältnis schon über nahezu eineinhalb Jahre bestanden habe. Bezogen auf diesen
Zeitpunkt könne die Vertragsstrafe gerade nicht beanstandet werden. Im Übrigen sei auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-
Holstein vom 02.02.2005 - 3 Sa 515/04 - zu verweisen.
18 Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht übersehen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung festgelegt habe, dass selbst bei
der Vereinbarung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist während der Probezeit eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts
gerechtfertigt sei, wenn das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung aufgrund besonderer Umstände typischerweise
und generell übersteige. So sei es im vorliegenden Fall, denn die von der Beklagten ausgeübte Position im Unternehmen der Klägerin verlange
eine gesteigerte Qualifikation und die Einarbeitung sei mit einem erheblichen Kostenaufwand für die Klägerin verbunden gewesen. Die Beklagte
sei zuvor nicht in der Touristikbranche tätig gewesen, so dass sie über einen Zeitraum von sechs Monaten überhaupt keine produktive, für die
Klägerin gewinnbringende Leistung erbringen konnte. Durch die vereinbarte Vertragsstrafe habe die Klägerin eine besonders intensive
Verbindung schaffen wollen, um dem Mitarbeiter bewusst zu machen, welchen Wert dessen Arbeitsleistung für das Unternehmen habe, wobei
diese Intention auch schon während der Probezeit Geltung gehabt habe. Im Übrigen sei entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts der
Blue-Pencil-Test gleichwohl möglich. Die vereinbarte Klausel sei teilbar, weil in § 3 des Arbeitsvertrages ausdrücklich auf die Kündigungsfristen
im Rahmen der Probezeit und nach deren Ablauf hingewiesen worden sei.
19 Die Klägerin beantragt daher:
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Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Freiburg vom 11.01.2008 - 14 Ca 408/07 - wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin
EUR 2.250,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2007 zu zahlen.
21 Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
23 Zur Begründung führt sie aus, das Arbeitsgericht habe den vorliegenden Rechtsstreit zutreffend entschieden und verteidigt das
arbeitsgerichtliche Urteil. Die Klägerin verweist auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.02.2006 - 8 Sa 677/06 -
und vom 28.06.2007 - 2 Sa 62/07 - und bemängelt, dass sich die Berufung mit diesen Entscheidungen nicht auseinandersetze. Die
Vertragsstrafenklausel sei unwirksam, da sie sich unterschiedslos sowohl auf die Probezeit als auch auf die nachfolgende Beschäftigungszeit
beziehe. Eine geltungserhaltende Reduktion komme nicht in Betracht, ebenso wenig könne der Blue-Pencil-Test der Klage zum Erfolg verhelfen,
worauf das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung zutreffend hingewiesen habe. Selbst wenn die Vertragsstrafe wirksam vereinbart worden wäre,
hätte die Klägerin im konkreten Fall keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe, denn der Beklagten könne nicht der Vorwurf gemacht
werden, dass sie schuldhaft das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet habe. Die Beklagte habe erstinstanzlich ärztliche Atteste vorgelegt, aus
denen sich ergebe, dass sie sich am 16.08.2007, dem Zeitpunkt der Kündigung in einem Zustand totaler Erschöpfung und Depression befunden
habe und in dieser Situation das Kündigungsschreiben verfasst habe. Die Beklagte habe entsprechend den dringenden ärztlichen und
therapeutischen Empfehlungen gehandelt, das Arbeitsverhältnis keineswegs fortzusetzen, weil ansonsten mit einer Verschlechterung ihres
Gesundheitszustandes in psychischer wie physischer Hinsicht zu rechnen sei. Hätte die Beklagte, wie von der Klägerin verlangt, das
Arbeitsverhältnis nicht fristlos gekündigt, sondern sich krank schreiben lassen, so wäre die Klägerin nicht nur nicht in den Genuss der
Arbeitsleistung der Beklagten gekommen, sondern hätte zudem auch für mindestens sechs Wochen Entgeltfortzahlung leisten müssen, wäre also
darüber hinaus auch noch nicht unerheblich wirtschaftlich belastet worden.
24 Wegen des weiteren Vortrags wird auf die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung sowie auf das Protokoll vom 13.06.2008 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
25 Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthafte Berufung ist nach § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. § 66 Abs. 1 ArbGG form- und fristgerecht
eingelegt und nach § 520 Abs. 3 ZPO ebenso formgerecht begründet worden. Sie ist jedoch unbegründet, was zur Zurückweisung der Berufung
führen muss.
26 Im Einzelnen:
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1. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen zu Recht die Klage abgewiesen. Aus diesem Grunde wird auf die ausführlichen
rechtlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts im Urteil vom 11.01.2008 vollumfänglich Bezug genommen.
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Das Vorbringen in der Berufung führt zu keinem anderen Ergebnis.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach § 4 des Arbeitsvertrages, da diese Vorschrift nach § 307 Abs. 1
BGB unwirksam ist.
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a) Es handelt sich unstreitig um eine Bestimmung, die nach den § 305 ff. BGB der AGB-Kontrolle unterliegt. Auf die Ausführungen des
Arbeitsgerichts im angegriffenen Urteil, insbesondere bezüglich der Zulässigkeit von Vertragsstrafenvereinbarungen und der
unangemessenen Benachteilung des Arbeitnehmers, wenn die Höhe der Vertragsstrafe im Hinblick auf die einzuhaltende
Kündigungsfrist unangemessen hoch ist, wird ausdrücklich verwiesen. Das Berufungsgericht macht sich diese Ausführungen zu eigen.
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b) Für den vorliegenden Fall ist entscheidend, ob die Vertragsstrafenregelung auch dann unwirksam ist, wenn sie lediglich für die Dauer
der vereinbarten Probezeit unangemessen hoch ist, das von der Klägerin behauptete vertragswidrige Beenden des Arbeitsverhältnisses
jedoch nach Ablauf der Probezeit erst stattfindet und für die Zeit nach der Probezeit die Vertragsstrafe bei isolierter Betrachtung nicht zu
beanstanden wäre.
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aa) Dem Vortrag der Klägerin, sie habe ein besonderes Interesse daran gehabt, auch während der Probezeit eine höhere Vertragsstrafe
im Umfang eines Bruttomonatsgehaltes zu vereinbaren, kann nicht gefolgt werden. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit widersprüchlich.
Einerseits trägt sie vor, die Arbeitsleistung der Klägerin in der Probezeit sei für die Beklagte ohne wirtschaftlichen Wert gewesen, weil
die Beklagte auch habe eingearbeitet werden müssen. Zum einen ist es das typische Kennzeichen jeder Probezeit, dass in dieser
Phase eine Einarbeitung des Arbeitnehmers erfolgt. Die Probezeit wird gerade deswegen vereinbart, weil beide Parteien die
Möglichkeit haben sollen, das Arbeitsverhältnis für den Fall, dass die Einarbeitungsphase nicht positiv verläuft, sich möglichst kurzfristig
wieder voneinander zu trennen. Die Klägerin argumentiert insoweit widersprüchlich. Wenn ihr auch in der Probezeit die Arbeitsleistung
der Beklagten so wichtig gewesen wäre, hätte es keinerlei Grund gegeben, eine Probezeit mit der entsprechend verkürzten
Kündigungsfrist zu vereinbaren.
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Darüber hinaus mag dieses Argument möglicherweise eine höhere Vertragsstrafe für die Zeiten gegen Ende der Probezeit und damit
der Einarbeitungsphase, in denen die Arbeitnehmerin dann in der Lage gewesen wäre, nach Vorstellung der Klägerin schon eine
wirtschaftlich ins Gewicht fallende Arbeitsleistung zu erbringen. Die Klägerin hat die Vertragsstrafe jedoch von dem ersten Tag an des
Arbeitsverhältnisses in einem zunächst die Dauer der Kündigungsfrist wirtschaftlich übersteigenden Umfang festgesetzt, so dass selbst
dann, wenn man ihr Argument grundsätzlich akzeptiert, für die Anfangsphase der Probezeit die Vertragsstrafe jedenfalls immer noch
überzogen gewesen wäre. Die Intention der Beklagten, der Klägerin deutlich zu machen, welchen Wert ihre Arbeitsleistung für das
Unternehmen habe, mag ein Grund sein, eine Vertragsstrafe nach Ablauf der Probezeit zu vereinbaren, rechtfertigt jedoch nicht eine
überhöhte Vertragsstrafe während der Probezeit festzulegen, wenn die Arbeitsleistung hier angeblich noch keinen Wert hat. Darüber
hinaus ist es für die Probezeit typisch, dass diese der Einarbeitung des Arbeitnehmers dient und in der Phase der Einarbeitung eine
volle wirtschaftliche Leistung noch nicht erbracht werden kann. Im Übrigen ist es auch angesichts der von der Klägerin ausgeübten
Tätigkeit nur schwer nachvollziehbar, dass es hier ausnahmsweise gerechtfertig sein soll, während der Probezeit eine erhöhte
Vertragsstrafe zu vereinbaren.
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bb) Die vereinbarte Vertragsstrafenklausel ist insgesamt unwirksam und aus diesem Grunde auch nicht auf eine möglicherweise
vertragbrüchige Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte nach Ablauf der Probezeit, für die die Klausel an sich nicht zu
beanstanden gewesen wäre, anzuwenden. Das ergibt sich indirekt aus § 306 Abs. 2 BGB. Soweit die Bestimmungen unwirksam sind,
richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften. Damit ist aber zugleich gesetzgeberisch zum Ausdruck
gebracht, dass eine Auslegung der Klausel mit dem gerade noch zulässigen Inhalt nicht unwirksam ist (Verbot der geltungserhaltenden
Reduktion).
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(1) Die Klausel ist zunächst, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, bezüglich der Höhe der Vertragsstrafe nicht teilbar. Bei
teilbaren Klauseln entfällt nur der Teil, der unwirksam ist, der Rest der Klausel kann aufrecht erhalten bleiben. Im vorliegenden Fall ist
die Klausel jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin in dieser Hinsicht nicht teilbar, sondern allenfalls hinsichtlich der Tatbestände,
die zur Verwirkung der Vertragsstrafe führen. Wenn die Klägerin meint, die Teilbarkeit der Klausel ergebe sich daraus, dass sie sowohl
für die Kündigungen während der Probezeit als für Kündigungen nach der Probezeit gelte, wird dadurch gerade deutlich, dass es an der
Teilbarkeit der Klausel fehlt. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Vertragsparteien in § 3 hinsichtlich der
Kündigungsfrist differenziert haben. Aufgrund des Umstandes, dass sie diese oben vorgenommene Differenzierung hinsichtlich der
unterschiedlichen Kündigungsfrist während und nach der Probezeit in § 4, der Vertragsstrafenklausel, gerade nicht mehr aufgenommen
haben, ergibt sich, dass es sich nicht um eine teilbare, sondern um eine einheitliche Klausel handelt, die gerade Sachverhalte
gleichbehandelt, die nach den obigen Ausführungen nicht gleichbehandelt werden dürfen, nämlich die Kündigung während und die
Kündigung nach der Probezeit.
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Auch in rein gestalterischer Hinsicht lässt sich § 4 durch Streichung des rechtswidrigen Inhaltes nicht so umgestalten, dass die Klausel
mit einem gesetzeskonformen Inhalt, der lediglich die Kündigung nach Ablauf der Probezeit erfassen würde, in verständlicher Weise
weiter existieren könnte (sog. „Blue-Pencil-Test“). Das liegt daran, dass die Klägerin als Klauselverwender eben nicht die notwendige
Differenzierung zwischen einer Vertragsstrafe für eine nicht vertragsgerechte Kündigung während der Probezeit und eine nicht
vertragsgerechte Kündigung nach Ablauf der Probezeit gestalterisch differenziert hat.
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(2) Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass im Hinblick auf die nicht mögliche Teilbarkeit der Klausel ein
Aufrechterhalten der Klausel mit dem Inhalt, dass die Vertragsstrafe nur für eine Kündigung nach Ablauf der Probezeit als vereinbart gilt,
gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verstoßen würde. Auf die zutreffenden Rechtsausführungen unter Ziff. 10 des
arbeitsgerichtlichen Urteils wird ausdrücklich Bezug genommen. In diesem Sinne hat bereits auch das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom
28. 06.2007 - 2 Sa 62/07 - Juris-Dokument, Rnr. 40) entschieden. Dem Verwendungsgegner soll die Möglichkeit sachgerechter
Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich
nicht erreichen, wenn jeder Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst einmal ungefährdet bis zur Grenze dessen
gehen könnte, was zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise angeführt werden kann. Damit würde nicht verhindert, dass
der Vertragspartner des Verwenders in der Vertragsabwicklungspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert wird. Erst in einem
Prozess würde er vielmehr den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der
Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko
einer Klauselunwirksamkeit tragen (so auch BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 196/03 -).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 02.02.2005 - 3 Sa 514/04 -, NZA RR 2005, 351 ff.
Der dort zu beurteilende Fall betrifft eine andere Konstellation als der vorliegende Sachverhalt. Dort ging es um eine
Vertragsstrafenabrede, die für ein zunächst befristetes, aber später fortgesetztes Arbeitsverhältnis vereinbart werden sollte. Ein
Unterschied ergibt sich insoweit schon daraus, dass das befristete Arbeitsverhältnis nach § 15 Abs. 3 TzBfG regelmäßig nicht ordentlich
kündbar ist und daher eine entsprechende Kündigungsfrist als Anhaltspunkt für eine Angemessenheitskontrolle nicht herangezogen
werden kann. Dementsprechend beschäftigt sich das LAG Schleswig-Holstein in dieser Entscheidung auch ebenso wenig mit der
Angemessenheit der Klausel unter den hier interessierenden Gesichtspunkten.
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(3) Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet im vorliegenden Falle aus, denn sie würde den Regelungszweck des § 307 ff.
BGB unterlaufen. Auf die zutreffenden Ausführungen unter Ziff. 12 des arbeitsgerichtlichen Urteils wird in vollem Umfang Bezug
genommen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem vorliegenden Arbeitsvertrag und der Vertragsstrafenklausel in §
4 nicht um einen „Altvertrag“ vor in Kraft treten der Schuldrechtsreform vom 01.01.2002 handelt.
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Da die Klausel unwirksam ist und es an einer gesetzlichen Regelung über eine Vertragsstrafe fehlt, besteht kein Anspruch der Klägerin
gegen die Beklagte auf Zahlung der Vertragsstrafe.
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2. Die Frage, ob selbst dann, wenn die Vertragsstrafe wirksam vereinbart worden wäre, sie in diesem Fall auf Null herabzusetzen ist,
weil die Beklagte nach ihrem Vortrag und nach den vorliegenden Attesten aufgrund ärztlicher Empfehlung das Arbeitsverhältnis zur
Vermeidung einer weiteren Arbeitsunfähigkeit beendet hat und letztendlich die Klägerin durch das Verhalten der Beklagten sich
finanziell besser stellt, als wenn die Beklagte die Kündigungsfrist mit entsprechender Arbeitsunfähigkeit eingehalten hätte, braucht
daher im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.
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3. Die Berufung der Klägerin war unbegründet und war daher auf ihre Kosten zurückzuweisen. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs.
1 ZPO.
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Da die vorliegende Rechtsfrage in der Entscheidung des BAG vom 04.03.2004 (a. a. O.) ausdrücklich offen gelassen worden ist, war
wegen grundsätzlicher Bedeutung ebenso wie in der zitierten Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz die Revision zuzulassen.