Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 28.06.2002
LArbG Baden-Württemberg: fristlose kündigung, kündigungsfrist, ordentliche kündigung, gespräch, arbeitsgericht, interessenabwägung, nebenpflicht, geschichte, meinungsfreiheit, abmahnung
LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 28.6.2002, 5 Sa 93/01
Funktionsträger und Sonderkündigungsschutz und tarifliche Unkündbarkeit
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.04.2001 – 15 Ca 5248/00 – wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Revision nicht unterliegt (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Entscheidungsgründe
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Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des beklagten Landes ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der
Kündigungsfeststellungsklage und als Folge hiervon auch der Weiterbeschäftigungsklage zu Recht entsprochen.
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1. Die Annahme des Arbeitsgerichts, die gegenüber der Klägerin am 28.06.2000 mit Schreiben gleichen Datums (Blatt 106, 107 d. A. 1. Instanz)
ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen seien gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG unwirksam, ist nicht zu beanstanden.
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a) Da die Klägerin im Zeitpunkt des Kündigungszugangs Personalratsmitglied war, unterfiel sie dem Kündigungsschutz des § 15 Abs. 2 Satz 1
KSchG. Nach dieser Vorschrift kann Personalratsmitgliedern nur gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur
Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Mit dieser Formulierung wird auf die in § 626 BGB
geregelte Kündigung aus wichtigem Grund Bezug genommen. Daher sind die in § 626 BGB enthaltenen und aus dieser Vorschrift abgeleiteten
Regeln zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung auch im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG anzuwenden (BAG AP Nrn. 35, 36
zu § 15 KSchG 1969; Urteil vom 27.09.2001 – 2 AZR 487/00).
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b) Das beklagte Land hat mit Schreiben vom 28.06.2000 die gegenüber der Klägerin als Funktionsträgerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG
mögliche außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund in erster Linie als fristlose Kündigung ausgesprochen. Fristlos kann einem
Funktionsträger nach §§ 15 KSchG, 626 BGB aber nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren Nichtfunktionsträger
dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre (vgl. etwa BAG AP Nr. 42 zu § 15
KSchG 1969; Urteil vom 27.09.2001 – 2 AZR 487/00). Ein Abrücken vom Prüfungsmaßstab der „fiktiven Kündigungsfrist“ bei der
Zumutbarkeitsprüfung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB im Falle der fristlosen Kündigung ist im Streitfall auch nicht deshalb
gerechtfertigt, weil der Klägerin unstreitig auch gemäß § 58 MTArb nur noch aus einem wichtigen Grund gekündigt werden konnte. Denn auch im
Falle des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung kann gegenüber dem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer nur dann eine
fristlose Kündigung wirksam erfolgen, wenn bei unterstellter Kündbarkeit eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB wirksam wäre (vgl. BAG AP
Nr. 9 zu § 626 BGB Krankheit m. Nachw.).
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Ein Abrücken vom Prüfungsmaßstab der „fiktiven Kündigungsfrist“ kommt daher lediglich hinsichtlich der mit Schreiben vom 28.06.2000 zugleich
hilfsweise unter Gewährung einer der sonst nach § 57 Abs. 2 MTArb einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen
Auslauffrist zum 31.12.2000 erklärten außerordentlichen Kündigung in Betracht. In einem solchen Fall kann es sich nach der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts (AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969; Urteil vom 27.09.2001 – 2 AZR 287/00) im Rahmen der Interessenabwägung zu
Lasten des Arbeitnehmers auswirken, dass der vom Arbeitgeber für unzumutbar gehaltene Zustand voraussichtlich nicht nur bis zum Ablauf der
fiktiven Kündigungsfrist, sondern zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach Ablauf des Sonderschutzes nach § 15 Abs. 2 KSchG
fortdauern wird. In Konsequenz dieser Auffassung wäre bei einem neben dem Sonderschutz nach § 15 Abs. 2 KSchG bestehenden Schutz durch
einen tariflichen oder vertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Rahmen der Interessenabwägung nicht auf die Dauer einer
fiktiven Kündigungsfrist oder den Zeitraum bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist nach Ablauf des Sonderschutzes nach § 15 Abs. 2 KSchG,
sondern auf die tatsächliche künftige Vertragsbindung – hier gemäß § 63 MTArb bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres – abzustellen (vgl.
etwa BAG AP Nr. 3 zu § 626 BGB Krankheit). Dieser veränderte Prüfungsmaßstab setzt aber zunächst einmal voraus, dass eine außer-
ordentliche Kündigung unter Gewährung einer der sonst einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden notwendigen Auslauffrist
gegenüber Funktionsträgern nach § 15 Abs. 2 KSchG im Falle einer verhaltens- oder personenbedingten Kündigung überhaupt für zulässig zu
erachten ist (offen gelassen vom BAG in AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969 und im Urteil vom 27.09.2001 – 2 AZR 487/00), was nach Auffassung der
Kammer jedenfalls für den hier gegebenen Fall der Beendigungskündigung aus den zutreffenden Gründen im Urteil des Bundesarbeitsgerichts
vom 18.02.1993 – 2 AZR 526/92 (AP Nr. 35 zu § 15 KSchG 1969 unter II. 3. der Gründe), auf die verwiesen wird, zu verneinen ist. Die
außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist kommt praktisch einer ordentlichen Kündigung gleich, die nach § 15 Abs. 2 KSchG
gerade ausgeschlossen sein soll.
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c) Selbst wenn man aber zu Gunsten des beklagten Landes davon ausgeht, dass auch bei einer personen- und verhaltensbedingten
Beendigungskündigung die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist mit § 15 Abs. 2 KSchG vereinbar ist und
für diese – wie vorstehend dargelegt – ein anderer Prüfungsmaßstab gilt als für die außerordentliche fristlose Kündigung, ist nicht nur die mit
Schreiben vom 28.06.2000 erklärte fristlose, sondern auch die zugleich hilfsweise unter Gewährung einer der fiktiven Kündigungsfrist
entsprechenden Auslauffrist erklärte außerordentliche Kündigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG unwirksam. Hierzu ist im Wesentlichen
auszuführen:
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aa) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer
dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – im Fall der streitgegenständlichen fristlosen Kündigung – bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist
oder – im Fall der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist - bis zu der vereinbarten Beendigung
des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der wichtige Grund ist in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst ist zu prüfen, ob ein
bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist
zu prüfen, ob dieser Sachverhalt auf Grund der unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden
umfassenden Interessenabwägung auch im Streitfall ausreichend ist, eine außerordentliche fristlose Kündigung oder wenigstens eine
außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa
BAG DB 1985, 655, 1192). Gründe, die dem Arbeitgeber schon länger als zwei Wochen bekannt gewesen sind, können allein keine
außerordentliche Kündigung rechtfertigen (§ 626 Abs. 2 BGB), sind als solche also nicht an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne
von § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Sie können lediglich unterstützend berücksichtigt werden, wenn es sich bei ihnen und den nicht verfristeten
Gründen um gleichartige Vorgänge handelt (vgl. BAG AP Nrn. 4, 7 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).
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bb) Das beklagte Land stützt die streitgegenständlichen Kündigungen auf insgesamt zwei Sachverhalte, die nach seinem bestrittenen
Vorbringen nicht gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet sind, nämlich das Verhalten der Klägerin im Anschluss an den im Protokoll vom
18.05.2000 (Blatt 209 der Akten 1. Instanz) wiedergegebenen Vorfall (1) sowie auf das in der Gesprächsnotiz vom 08.06.2000 (Blatt 98 der
Akten 1. Instanz) festgehaltene Verhalten der Klägerin während eines Gesprächs mit zwei Arbeitskolleginnen (2).
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(1) Das der Klägerin im Anschluss an den Vorfall vom 18.05.2000 zur Last gelegte Verhalten könnte dann an sich geeignet sein, jedenfalls
nach vorheriger einschlägiger Abmahnung einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zu bilden, wenn die Klägerin durch dieses
die dem Arbeitnehmer obliegende Nebenpflicht, Störungen des Betriebsfriedens und des Arbeitsablaufs zu vermeiden, verletzt hätte und
hierdurch auch derartige konkrete Störungen eingetreten wären. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorbringen des beklagten
Landes, die Klägerin habe die Frauenbeauftragte hinsichtlich der Handhabung und des Inhalts des von dieser auf Grund des Vorfalls vom
18.05.2000 erstellten bzw. zu erstellenden Protokolls regelrecht „vor sich hergetrieben“ und den Vorfall zum Anlass für den „üblichen
18.05.2000 erstellten bzw. zu erstellenden Protokolls regelrecht „vor sich hergetrieben“ und den Vorfall zum Anlass für den „üblichen
Krawall“ genommen, stellt eine Wertung dar, der keine Tatsachen zu Grunde liegen, die ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin
erkennen lassen. Aus der von der Frauenbeauftragten angefertigten „Dokumentation der Ereignisse“ (Blatt 95 – 97 der Akten 1. Instanz)
ergibt sich hierzu lediglich, dass die Klägerin die Frauenbeauftragte am 18.05.2000 mehrmals drängte, das Protokoll schnell zu erstellen und
ihr auszuhändigen sowie dass sich die Klägerin mit dessen Inhalt am späten Nachmittag des 18.05.2000 zunächst telefonisch einverstanden
erklärte, sich diese im Widerspruch hierzu dann aber erst am dritten Tag ihrer am 22.05.2000 erfolgten Wiederaufnahme der Tätigkeit mit der
Frauenbeauftragten erneut in Verbindung setzte und ihre Unterzeichnung des Protokolls davon abhängig machte, dass in dieses ein
Vermerk über die Lautstärke der den Vorfall vom 18.05.2000 bildenden Äußerung der Frau E.S. gegenüber der Klägerin aufgenommen wird.
Dieses in zweifacher Hinsicht widersprüchliche Verhalten der Klägerin mag zwar bei der Frauenbeauftragten Verärgerung und
Enttäuschung hervorgerufen haben, eine Verletzung der Nebenpflicht, Störungen des Betriebsfriedens und des Arbeitsablaufs zu
vermeiden, liegt in diesem aber nicht, insbesondere lässt sich aus diesem Ablauf nicht darauf schließen, dass die Klägerin die nach Ansicht
des beklagten Landes „unbedachte, gleichwohl harmlose“ Äußerung der Frau E.S. gegenüber der Klägerin („schaffst du eigentlich auch mal
was für das viele Geld, das du bekommst?“) zum Anlass dafür genommen hat, den (üblichen) „Krawall“ zu machen und die
Frauenbeauftragte regelrecht „vor sich herzutreiben“. Die Pflicht, Störungen des Betriebsfriedens und des Arbeitsablaufs zu vermeiden,
verbietet es nicht, hinsichtlich der Beurteilung der Dringlichkeit einer Angelegenheit und der Frage, ob ein Vorgang in einem Protokoll richtig
und vollständig wiedergegeben ist, einen Meinungswechsel zu vollziehen, soweit dies nicht aus schikanösen oder sonstigen unlauteren
Motiven gegenüber dem hiervon betroffenen Mitarbeiter geschieht, wofür im Streitfall Anhaltspunkte nicht gegeben sind. Auch liegt allein
darin, dass die Frauenbeauftragte über das Verhalten der Klägerin verärgert und enttäuscht war, noch keine konkrete Störung des
Betriebsfriedens oder des Arbeitsablaufs. Im Übrigen übersieht das beklagte Land, dass diese im Zusammenhang mit der Handhabung und
dem Inhalt des zu erstellenden bzw. erstellten Protokolls entstandenen „Störungen des Betriebsfriedens“ nicht in erster Linie ursächlich auf
das Verhalten der Klägerin und der mit dieser „verbündeten“ Frau A.S. zurückzuführen sind, sondern auf die Äußerung der Frau E.S. und den
Umstand, dass die von der Klägerin in Kenntnis gesetzte Verwaltungsleitung nicht selbst zwecks sofortiger Bereinigung des Vorgangs tätig
wurde. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für den Umstand, dass sich die Klägerin entgegen ihrer der
Frauenbeauftragten gegebenen Zusage wegen der Äußerung der Frau E.S. an ihren Anwalt gewendet hat, worin das beklagte Land einen
Affront gegenüber der Frauenbeauftragten sieht.
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(2) Grobe Beleidigungen durch den Arbeitnehmer, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den betroffenen
Arbeitskollegen bedeuten, sind als Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis an sich auch zur
Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignet, wenn hierdurch der Betriebsfrieden nachhaltig gestört wird (vgl. KR-Etzel, 6.
Aufl., Rdnr. 464 zu § 1 KSchG; ErfK/Müller-Glöge, 2. Aufl., Rdnr. 152 zu § 626 BGB; BAG AP Nr. 151 zu § 626 BGB). Entsprechendes gilt für
bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand einer üblen Nachrede ausfüllen. Der
Arbeitnehmer kann sich dann nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Dies beruht darauf, dass das
Grundrecht der Meinungsfreiheit weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen
schützt.
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Solche grob ehrverletzenden Äußerungen hat die Klägerin ausweislich des Inhalts der Gesprächsnotiz vom 08.06.2000 (Blatt 98 der Akten 1.
Instanz) während des etwa einstündigen Gesprächs, in das die Arbeitskolleginnen K. und S. die Klägerin nach dem Vorbringen des
beklagten Landes während der Arbeitszeit am 02.06.2000 verwickelt haben, nicht getan. Die Äußerungen, die die Klägerin danach in Bezug
auf die Frauenvertreterin gemacht haben soll, nämlich dass “dieser nicht zu trauen sei, diese über Frau K. hinter deren Rücken schlecht
rede, Frau K. würde nichts taugen, diese Aussagen im ganzen Haus herumgehen würden und die Frauenvertreterin da mitziehen würde“,
stehen erkennbar im Zusammenhang mit dem nach dem Inhalt der Gesprächsnotiz von der Klägerin zuvor Frau K. erteilten Rat, nicht mehr
von dem ihr erst kürzlich im Damenchor/Garderobe neu zugewiesenen Arbeitsplatz in die Färberei – dem Arbeitsplatz der Frauenvertreterin
– zu gehen, da ihr dies schaden würde, weil sie hinsichtlich der Dauer ihres Aufenthaltes in der Färberei beobachtet würde. Dies erhellt,
dass die Äußerungen der Klägerin, soweit es sich bei diesen nicht ohnehin um von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckte reine
Werturteile („Der Frau L. ist nicht zu trauen“) handelt, schon deshalb nicht als grobe Ehrverletzungen zu qualifizieren sind, weil es der
Klägerin hiernach erkennbar nicht darum ging, die Frauenbeauftragte bewusst und gewollt aus gehässigen Motiven in ihrer Ehre zu kränken
(vgl. dazu etwa KR-Fischermeier a.a.O., Rdnr. 415 zu § 626 BGB m. Nachw.), sondern darum, Frau K. vor der Gefahr des Verlusts ihres –
neuen – Arbeitsplatzes zu bewahren. Dafür spricht auch, dass die Klägerin Frau K. im Zusammenhang mit dem Verlust ihres früheren
Arbeitsplatzes im Ballett (die alte „Ballett-Geschichte“) zu helfen versucht und diese zum Anwalt mitgenommen hatte. Hiervon abgesehen
beinhalten die vom beklagten Land beanstandeten Äußerungen der Klägerin auch objektiv keine schwerwiegenden Ehrverletzungen,
vielmehr handelt es sich bei diesen erkennbar um „Tratsch“, wie er in einem – wie hier – nicht aus dienstlichem, sondern privatem Anlass
zwischen Arbeitskollegen im kleinen Kreis geführten Gespräch, bei dem man nicht jedes Wort auf die „Goldwaage“ legt, nicht ungewöhnlich
ist. Gerade weil das Gespräch rein privaten Charakter hatte und dieses zudem nicht von der Klägerin initiiert wurde, vielmehr die
Arbeitskolleginnen S. und K. die Klägerin zu diesem Zweck eigens an ihrem Arbeitsplatz aufsuchten, konnte und durfte die Klägerin zudem
auch ohne die von ihr am Schluss des Gesprächs nochmals ausdrücklich geäußerte dahingehende Ermahnung von der Vertraulichkeit des
Gesprächs ausgehen, wie das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 17.02.2000 – 2 AZR 927/98 m. Nachw.) zutreffend angenommen hat. Daher
sind die die Frauenvertreterin betreffenden Äußerungen der Klägerin auch aus diesem Grund nicht geeignet, eine außerordentliche
Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin bezüglich der von ihr geäußerten
Meinung, der Frauenvertreterin sei nicht zu trauen, die Arbeitskollegin K. an die weitere Arbeitskollegin A.S. mit dem Hinweis verwiesen hat,
„da war nämlich was“. Denn durch die Aufforderung, bei der Arbeitskollegin A.S. nachzufragen, wurde die Vertraulichkeit des Gesprächs
entgegen der Ansicht des beklagten Landes keineswegs auch nur insoweit durch die Klägerin selbst wieder aufgehoben, da die Nachfrage,
ob der Frauenvertreterin zu trauen sei, ohne Weiteres ohne Bezugnahme auf die Äußerungen der Klägerin hätte erfolgen können. Im
Übrigen hat die Frauenvertreterin von den Äußerungen der Klägerin nicht etwa auf Grund einer Nachfrage der Arbeitskollegin K. bei der
Arbeitskollegin A.S. Kenntnis erlangt, sondern dadurch, dass Frau K. am 05.06.2000 die Frauenvertreterin von dem mit der Klägerin am
02.06.2000 geführten Gespräch unterrichtet hat.
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Gleiches gilt für die weitere im Gespräch am 02.06.2000 von der Klägerin angeblich gemachte Äußerung, dass sie wegen eines
schwebenden Verfahrens leider im Moment nichts machen könne und solange stillhalten müsse, sie es aber in einem halben Jahr einigen
Leuten zeigen werde und es dann nochmals richtig Ärger gebe. Auch diese Äußerung wurde nämlich von der Vertraulichkeit des Gespräch
erfasst. Hiervon abgesehen ist die Inaussichtstellung von „Ärger“ entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht gleichzusetzen mit
der Ankündigung, wieder „Krawall“ zu machen, also wieder Unruhe in der Belegschaft zu erzeugen und so den Betriebsfrieden ernstlich zu
stören. Auch wenn die Gesprächsnotiz vom 08.06.2000 den Ablauf des etwa einstündigen Gesprächs vom 02.06.2000 ersichtlich nur
bruchstückhaft wiedergibt, ergibt sich aus dieser doch mit aller Deutlichkeit, dass die Klägerin mit dieser Äußerung lediglich angekündigt hat,
nach Ablauf der Stillhaltezeit sich wieder aktiv als Personalrätin zu betätigen, was ihrer Ansicht nach bei einigen der davon Betroffenen zur
Verärgerung führen werde, worin eine Pflichtverletzung oder die Ankündigung einer solchen nicht liegt.
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Soweit das beklagte Land der Klägerin schließlich anlastet, die Klägerin habe die Arbeitskollegin K. hinsichtlich ihrer arbeitsrechtlichen Lage
im Gespräch am 02.06.2000 entgegen deren ausdrücklich erklärten Willen nachhaltig zu verunsichern versucht, übersieht es, dass nicht die
Klägerin die Arbeitskollegin K. aufgesucht hat, sondern umgekehrt die Arbeitskollegin K. gemeinsam mit Frau S. die Klägerin, ohne dass sich
dem Vorbringen des beklagten Landes auch nur ansatzweise entnehmen lässt, aus welchem konkreten Grunde und zu welchem konkreten
Zweck dies geschah. Schon dieser Geschehensablauf spricht dagegen, dass die Klägerin mit ihren Äußerungen bezweckte, die
Arbeitskollegin K. zu verunsichern. Auch ergibt sich aus dem Zusammenhang der in der Gesprächsnotiz vom 08.06.2000 wiedergegebenen
Äußerungen der Klägerin hinreichend deutlich, dass diese nicht von dieser Absicht getragen waren, sondern von der Sorge, dass die
Arbeitskollegin K. in Verkennung ihrer Situation durch ihr Verhalten ihren Arbeitsplatz gefährdet. Im Übrigen muss sich die Arbeitskollegin K.
fragen lassen, warum sie das Gespräch nicht einfach durch Verlassen des Raums beendet hat, wenn sie über ihre jetzige Stellung im
Betrieb sowie die „alte Ballett-Geschichte“ mit der Klägerin nicht hat sprechen wollen. Daher ist auch das insoweit der Klägerin zur Last
gelegte Verhalten nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Störung des Betriebsfriedens nach § 626
Abs. 1 BGB zu rechtfertigen, selbst wenn man insoweit zu Gunsten des beklagten Landes davon ausgeht, dass die Klägerin hinsichtlich
dieses Teils ihrer Äußerungen deshalb nicht von der Vertraulichkeit des Gesprächs ausgehen konnte und durfte, weil er nicht unbeteiligte
Dritte betraf.
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cc) Ist das Verhalten der Klägerin, von dem das beklagte Land nach seinem Vorbringen am 14.06.2000 und damit innerhalb der
Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB Kenntnis erlangt hat, somit bereits nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem
Grund nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen, so können die streitgegenständlichen Kündigungen auch nicht mit Erfolg auf die vom
beklagten Land behaupteten früheren Fehlverhaltensweisen der Klägerin, die bis in das Jahr 1981 zurückreichen, gestützt werden. Denn
fehlt es an innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB bekannt gewordenen Pflichtverletzungen, die an sich geeignet sind, eine
außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, überhaupt oder sind diese wegen Bruchs der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes zu
Lasten des Gekündigten nicht zu berücksichtigen, so würde der Zweck des § 626 Abs. 2 BGB vereitelt, würde die außerordentliche
Kündigung gleichwohl auf Vorfälle gestützt werden können, mit denen der Kündigende nach dieser Vorschrift ausgeschlossen ist. Mangels
Vorliegens einer nicht verfristeten und berücksichtigungsfähigen Pflichtverletzung, die an sich geeignet wäre, einen wichtigen Grund zu
bilden, fehlt es an einem rechtserheblichen Vorfall, der mit früheren Fehlverhaltensweisen der Klägerin in einem inneren Zusammenhang
stehen könnte. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass das beklagte Land den letzten vorangegangenen
Vorfall vom 21.02.2000 („Anpöbelei“ eines Arbeitskollegen) in Kenntnis der früheren der Klägerin zur Last gelegten Fehlverhaltensweisen
mit Schreiben vom 21.03.2000 (Blatt 74 – 76 der Akten 1. Instanz) lediglich zum Anlass für den Ausspruch einer Abmahnung genommen und
damit selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass es durch die verfristeten – angeblichen – Pflichtverletzungen der Klägerin das
Arbeitsverhältnis nicht als unzumutbar belastet ansieht.
16 d) Das Arbeitsgericht hat daher der Kündigungsfeststellungsklage zu Recht im vollen Umfang entsprochen.
17 2. Die Begründetheit der Weiterbeschäftigungsklage folgt aus der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigungen (BAG GS AP Nr. 14 zu
§ 611 BGB Beschäftigungspflicht). Schützenswerte Interessen der Dienststelle, die das Interesse der Klägerin, bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Kündigungsrechtsstreits weiterbeschäftigt zu werden, überwiegen könnten, hat das beklagte Land auch im Berufungsverfahren nicht
vorgetragen.
18 3. Die Berufung des beklagten Landes war daher mit der auf § 97 Abs. 1 ZPO beruhenden Kostenfolge zurückzuweisen.
19 4. Die Zulassung der Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst.