Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 10.02.2010
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LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 10.2.2010, 5 Ta 22/10
Streitwert - Vergleichsmehrwert: Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses im Vergleich im Rechtsstreit über den
Bestandsschutz
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 22. Januar 2010 - 14 Ca 642/09 -
wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Beschwerde der Beschwerdeführer (Prozessbevollmächtigte des Klägers) richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß
§ 63 Abs. 2 GKG.
2
Im Ausgangsverfahren machte der Kläger die Unwirksamkeit einer Kündigung vom 23. November 2009 und den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses im Umfang von 100 Monatsstunden geltend. Darüber hinaus sollte der Beklagte zur Zahlung rückständiger Vergütungen für
die Monate September, Oktober und November in Höhe von insgesamt EUR 3.450,00 brutto verurteilt werden sowie zur Erteilung korrigierter
Abrechnungen für die Monate September und Oktober sowie der Erteilung einer Abrechnung für den Monat November. Im Termin zur
Güteverhandlung vor dem Vorsitzenden am 13. Januar 2010 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien
mit Ablauf des 1. Dezember 2009 geendet hat. Darüber hinaus wurde die Zahlung einer Sozialabfindung in Höhe von EUR 1.300,00 brutto
vereinbart, wobei dem Beklagten Ratenzahlung nachgelassen wurde. Darüber hinaus verpflichtete sich der Beklagte zur Erteilung eines
wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses, der Erteilung einer Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 1 SGB III und die Parteien erzielten
Einigkeit, dass durch den Vergleich sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt seien.
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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22. Januar 2010 den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf EUR 7.000,00 festgesetzt und
die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt. Hiergegen wendet sich die am 29. Januar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene
Beschwerde, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 3. Februar 2010 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung
vorgelegt hat.
II.
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Die nach dem Wert der Beschwer statthafte (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das
Arbeitsgericht hat zu Recht die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines
Vergleichsmehrwerts liegen im Entscheidungsfall nicht vor.
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1. Nichtfestsetzung eines Vergleichsmehrwerts im Hinblick auf § 3 des Vergleiches, wonach sich der Beklagte verpflichtet, dem Kläger ein
wohlwollend formuliertes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, ist nicht zu beanstanden. Nach der ständigen und jahrelangen
Rechtsprechung der Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, von der abzuweichen die zwischenzeitlich zuständige Kammer 5
des Landesarbeitsgerichts keinen Grund hat, gelten für die Annahme eines Vergleichsmehrwerts folgende Grundsätze (statt vieler nur LAG
Baden-Württemberg 21. Februar 2006 - 3 Ta 23/06 -, zu II 4 der Gründe:
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a) Ein Vergleichsmehrwert setzt nach allgemeiner Überzeugung im Sinne des § 779 BGB die Beseitigung eines Streits oder einer
Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch die Vereinbarung voraus (vgl. nur Schneider-Herget, Streitwertkommentar für
den Zivilprozess 11. Auflage Rn. 4559 ff. m. w. N.).
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aa) Ein Rückgriff insoweit auf die Regelung Nr. 1000 VV RVG wird der gesetzlichen Systematik nicht gerecht. Diese Bestimmung regelt
nicht die Frage, wann ein Vergleichsmehrwert anzunehmen ist, sondern wann eine Einigungsgebühr entsteht. Aus welchem Wert sie zu
berechnen ist, ist nicht Gegenstand der Regelung. Erforderlich ist danach auch für das Entstehen einer Einigungsgebühr, dass ein Streit
oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis vertraglich beseitigt wird. Dieser Wortlaut stimmt mit § 779 BGB insoweit überein mit
der Maßgabe, dass auf ein gegenseitiges Nachgeben verzichtet wird. Darüber hinaus soll die Einigungsgebühr die Bemühung der
Rechtsanwälte um eine Beilegung eines Streitfalls ohne streitige Entscheidung unter den dort genannten Voraussetzungen honorieren.
Dies beinhaltet ohne Weiteres auch eine Regelung von begleitenden Umstände oder Folgewirkungen des Vergleichs; denn die
Vergleichsbereitschaft einer Partei hängt häufig davon ab, dass mit dem Vergleich weitere Regelungen getroffen werden über
Umstände, die zwar rechtlich nicht umstritten waren, die aber als Ansatzpunkt für eigene Forderungen bezüglich des Inhalts der
Vereinbarung benutzt werden, um in einer anderen Frage der Gegenpartei entgegenzukommen. Eine doppelte Honorierung der
Rechtsanwälte durch die Einigungsgebühr und durch die Erhöhung des Vergleichswerts kommt im Rahmen des § 63 Abs. 2 GKG nur in
Betracht, soweit nach den Grundsätzen, die für die Berechnung der Gerichtsgebühren maßgeblich sind, eine Werterhöhung stattfindet.
Wegen der Einheitlichkeit der im Rahmen des Gerichtskostengesetzes zu beachtenden Regelungen ist für diese Frage auf die
Gebührentatbestände zurückzugreifen, die in den anderen dort geregelten Gerichtsverfahren anzuwenden sind.
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bb) Dass im Bereich des arbeitsgerichtlichen Verfahrens für den Vergleichswert, soweit dieser den Wert der rechtshängigen Ansprüche
übersteigt, keine Gebühren verlangt werden, ändert nichts daran, dass in einem Verfahren, bei dem sich die Gebühren nach dem
Streitwert richten, eine Wertfestsetzung zu erfolgen hat. In Nr. 1900 KV GKG ist dies wie bei den anderen dieselbe Gebührenfrage
betreffenden Regelungen (vgl. z. B. Nr. 5600 KV GKG) der Fall, wenn der Wert dessen, worüber der Vergleich geschlossen worden ist,
den Wert dessen übersteigt, der Gegenstand des Rechtsstreits war (vgl. etwa Hartmann Kostengesetze 38. Auflage KV 1900 Rn. 6 ff.).
Nicht maßgeblich ist also, welche Leistungspflicht im Vergleich festgelegt wird, also der Inhalt des Vergleichs (LAG Baden-Württemberg
29. Juli 2009 - 5 Ta 30/09 -, zu II 2 a der Gründe).
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b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist im Entscheidungsfall nicht ersichtlich, dass § 3 des Vergleiches vom 13. Januar 2010 einen
Mehrwert in vorstehendem Sinn hat. Hierauf hat das Arbeitsgericht bereits in seinen Beschlüssen deutlich hingewiesen. Nach der
vorgelegten Korrespondenz und der Beschwerdeschrift kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Frage der Verpflichtung des
Beklagten zur Erteilung eines wohlwollend qualifizierten Arbeitszeugnisses, wie es sich aus § 109 GewO ergibt, streitig war. Die
Beschwerdeführer selbst haben mit Schriftsatz vom 20. Januar 2010 gegenüber dem Arbeitsgericht wörtlich vorgetragen „trifft es zu, dass
das Zeugnis nicht streitig war“. Wenn nunmehr im Beschwerdeschriftsatz vom 28. Januar 2010 die Behauptung aufgestellt wird, der
Zeugnisanspruch sei nicht unstreitig gewesen, so steht diese Behauptung im diametralen Gegensatz zur früheren Erklärung. Auch bei
Berücksichtigung der Ausführungen unter II 1 des Schriftsatzes vom 28. Januar 2010 und des dort geschilderten Verlaufs der
Vergleichsgespräche, sind diese Ausführungen nicht geeignet, einen Vergleichsmehrwert zu rechtfertigen.
10 2. Die Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes auf EUR 7000,00 wird von der Beschwerde erkennbar nicht angegriffen.
Diese Wertfestsetzung ist vom Arbeitsgericht auch zweifelsfrei zutreffend vorgenommen worden.
III.
11 Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).