Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 27.05.2010
LArbG Baden-Württemberg: paritätische kommission, betriebsrat, schiedsstelle, arbeitsorganisation, tarifvertrag, entscheidungskompetenz, arbeitsgericht, werk, begriff, akte
LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 27.5.2010, 3 TaBV 3/09
Entgeltrahmentarifvertrag Metallindustrie Baden-Württemberg - Zuständigkeit der Paritätischen Kommission - Reklamation - Arbeitsaufgabe
Leitsätze
1. Der nach § 7 ERA-TV zu bildenden Paritätischen Kommission sowie der Schiedsstelle nach § 7.3.4 ERA-TV kommt im Rahmen einer Reklamation nach §
10.3 ERA-TV die Entscheidungskompetenz für die Frage zu, ob die einem Arbeitnehmer übertragene Arbeitsaufgabe der bewerteten Arbeitsaufgabe
entspricht.
2. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, in die nach § 7.3.3 ERA-TV zu bildende ständige erweiterte Paritätische Kommission einen stimmberechtigten Vertreter
des Arbeitgeberverbandes zu benennen und die von ihr benannten Mitglieder in die erweiterte Paritätische Kommission zu entsenden und deren
Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten. Es ist Aufgabe der (erweiterten) Paritätischen Kommission zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung
über die erhobenen Widersprüche und Reklamationen gegeben sind.
Tenor
1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15.10.2009 - Aktenzeichen 17 BV 50/09 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
1
Die Beteiligten streiten über die Bildung der erweiterten Paritätischen Kommission nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für Beschäftigte in der Metall-
und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16. September 2003 (künftig: ERA-TV) und der Entscheidungskompetenz der erweiterten Paritätischen
Kommission sowie der in diesem Tarifvertrag vorgesehenen Schlichtungsstelle.
2
Die Beteiligte zu 2 betreibt in S. ein Werk zur Herstellung von Personenkraftwagen, in dem über 35.000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Der Beteiligte zu 1
ist der in diesem Werk eingerichtete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. -
Südwestmetall -.
3
Die Tarifvertragsparteien IG Metall Bezirk Baden-Württemberg, Bezirksleitung Baden-Württemberg (im Folgenden: IG Metall) und der Verband der
Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. - Südwestmetall - (im Folgenden: Südwestmetall) haben im Einführungstarifvertrag zum
Entgeltrahmentarifvertrag vom 16. September 2003 (im Folgenden: ETV ERA) und durch Konkretisierung in späteren Tarifrunden die
Einführungsphase des ERA-TV für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 29. Februar 2008 festgelegt. Im Anschluss an diese Einführungsphase
gilt der ERA-TV verbindlich für alle Betriebe.
4
Die Arbeitgeberin hat auf Grundlage des ETV ERA in ihrem Betrieb zum 1. Januar 2007 den ERA-TV eingeführt, dessen maßgeblichen Vorschriften
lauten:
§ 4
5
Grundsätze der Grundentgeltermittlung
6
4.1Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der Beschäftigten gemäß § 9.1 ist die eingestufte Arbeitsaufgabe.
7
4.2Die Arbeitsaufgabe wird durch die Arbeitsorganisation bestimmt. Sie wird ganzheitlich betrachtet. Zu ihrer Einstufung werden alle
übertragenen Teilaufgaben im Rahmen der folgenden Bestimmungen berücksichtigt.
§ 5
8
Einstufung der Arbeitsaufgabe
9
5.1 Gegenstand der Bewertung
10
5.1.1 Gegenstand der Bewertung und Einstufung sind die Anforderungen der entsprechend der betrieblichen Arbeitsorganisation
übertragenen Arbeitsaufgabe.
11
5.1.2 Bei der Bewertung der Arbeitsaufgabe sind alle Teilaufgaben zu berücksichtigen, soweit sie die Arbeitsaufgabe in ihrer Wertigkeit
prägen.
12
5.2 Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe
13
5.2.1 Die Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe erfolgt unter Anwendung des im Folgenden dargestellten Stufenwertzahlverfahrens
als Methode der Arbeitsbewertung gemäß § 6.
14
5.2.2 Das Stufenwertzahlverfahren kann unmittelbar (§ 6.4.1) oder in der Form einer Vergleichsbewertung, bezogen auf die tariflichen
Niveaubeispiele (§ 6.4.2) oder bezogen auf die betrieblichen Ergänzungsbeispiele (§ 6.4.3), angewendet werden.
15
Bestandteil des Systems der Bewertung und Einstufung ist der im Anhang beigefügte Katalog von tariflichen Niveaubeispielen.
16
5.2.3 Die Tarifvertragsparteien werden den Katalog der Niveaubeispiele, ausgehend von der technischen und organisatorischen Entwicklung,
auf die Notwendigkeit der Aufnahme neuer Beispiele hin überprüfen und eventuell Ergänzungen möglichst unverzüglich vereinbaren.
§ 6
17
System der Bewertung und Einstufung
18
6.1 Stufenwertzahlverfahren
19
6.1.1 Grundlage der Bestimmung des Werts einer Arbeitsaufgabe sind folgende Bewertungsmerkmale für Arbeitsanforderungen (Definition
siehe Anlage 1):
20
1. Wissen und Können
1.1 Anlernen
1.2 Ausbildung und Erfahrung
2. Denken
3. Handlungsspielraum/Verantwortung
4. Kommunikation
5. Mitarbeiterführung
21
6.1.2 Die Anforderungsniveaus der Bewertungsmerkmale werden durch Stufen differenziert (Anlage 1).
22
6.1.3 Die Gewichtung der Bewertungsmerkmale und Stufen ergibt sich aus den zugeordneten Punkten (in Anlage 1).
23
6.1.4 Die Gesamtpunktzahl einer Arbeitsaufgabe ergibt sich aus der Addition der Punkte aus den einzelnen Bewertungsmerkmalen.
24
6.1.5 Die Gesamtpunktzahl wird wie folgt 17 Entgeltgruppen zugeordnet:
25
Entgeltgruppe
Gesamtpunktzahl
Entgeltgruppe
Gesamtpunktzahl
1
6
10
35 - 38
2
7 - 8
11
39 - 42
3
9 - 11
12
43 - 46
4
12 - 14
13
47 - 50
5
15 - 18
14
51 - 54
6
19 - 22
15
55 - 58
7
23 - 26
16
59 - 63
8
27 - 30
17
64 - 96
9
31 - 34
26
6.2Die tariflichen Niveaubeispiele (Anhang) sind unter Anwendung des Stufenwertzahlverfahrens (§ 6.4.1) gemäß Anlage 1 verbindlich
bewertet und eingestuft.
27
6.3 Belastungen werden außerhalb des Stufenwertzahlverfahrens durch eine Zulage gesondert berücksichtigt (siehe Anlage 2).
28
6.4 Systemanwendung
29
Folgende Verfahren sind anwendbar:
30
6.4.1 Das Stufenwertzahlverfahren nach § 6.1 kann unter Beachtung der Einstufungen der tariflichen Niveaubeispiele zur Bewertung der
Arbeitsaufgabe direkt angewendet werden.
31
Grundlage der Einstufung ist eine Beschreibung der Arbeitsaufgabe.
32
Auf die Beschreibung kann mit Zustimmung beider Seiten verzichtet werden.
33
Die Ergebnisse der Bewertung sind mit einer Begründung für jedes Bewertungsmerkmal zu versehen.
34
6.4.2 Eine Arbeitsaufgabe kann durch Vergleichen mit tariflichen Niveaubeispielen bewertet werden.
35
Die Einstufung der Arbeitsaufgabe erfolgt dabei in Bezug zu einem tariflichen Niveaubeispiel. Eine abweichende Bewertung ist in Bezug auf
die Arbeitsaufgabe schriftlich zu begründen.
36
6.4.3 Unter Beachtung der tariflichen Niveaubeispiele können durch die Paritätische Kommission (§ 7) einvernehmlich betriebliche
Ergänzungsbeispiele erstellt werden. Die Zustimmung einer Seite der Paritätischen Kommission kann nicht ersetzt werden.
37
Die Ergänzungsbeispiele werden gemäß § 6.4.1 bewertet. Arbeitsaufgaben können durch Vergleichen mit betrieblichen
Ergänzungsbeispielen (entsprechend § 6.4.2) bewertet werden.
38
Betriebliche Ergänzungsbeispiele können einvernehmlich durch eine Paritätische Kommission auf Unternehmensebene einheitlich festgelegt
werden. Die Mitglieder dieser Paritätischen Kommission werden durch den Gesamtbetriebsrat bzw. durch die Unternehmensleitung bestimmt.
§ 7
39
Paritätische Kommission
40
7.1In den Betrieben wird eine paritätisch besetzte Einstufungs- bzw. Reklamationskommission (im Folgenden: Paritätische Kommission)
gebildet (siehe auch § 8).
41
7.1.1 Die Paritätische Kommission besteht aus je drei Vertretern des Arbeitgebers einerseits sowie der Beschäftigten andererseits. Mindestens
ein Vertreter der Beschäftigten muss dem Betriebsrat angehören.
42
7.1.2 Die Vertreter des Arbeitgebers werden von diesem, die Vertreter der Beschäftigten vom Betriebsrat bestimmt. Beide Seiten benennen
eine entsprechende Anzahl von Stellvertretern.
43
7.1.3 Arbeitgeber und Betriebsrat können einvernehmlich vereinbaren:
44
- eine abweichende Zahl der Mitglieder der Paritätischen Kommission, jedoch nicht weniger als zwei Mitglieder je Seite,
- einen zusätzlichen Einigungsversuch zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vor Bildung der erweiterten Paritätischen Kommission (§ 7.3.3),
- einen Losentscheid gemäß § 7.3.5 statt der Anrufung der Schiedsstelle gemäß § 7.3.4, dies kann auch von Fall zu Fall erfolgen,
- ein abweichendes Verfahren zur Festlegung und zur Entscheidungsfindung des außerbetrieblichen Vorsitzenden der Schiedsstelle.
45
7.1.4 Arbeitgeber und Betriebsrat können sich einvernehmlich auf eine Geschäftsordnung für die Regelung von Fristen und anderen
Formalien verständigen. Die Paritätische Kommission kann hierzu einen Vorschlag machen.
46
7.1.5 Jede Seite der Paritätischen Kommission kann nach fachlichen Gesichtspunkten ausgewählte Berater aus dem Unternehmen
hinzuziehen.
47
7.1.6 Die Mitglieder und Stellvertreter der Paritätischen Kommission sind für ihre Aufgaben aus diesem Tarifvertrag ohne Minderung des
Entgelts freizustellen.
48
Dasselbe gilt für Schulungen zu diesem Tarifvertrag.
49
7.2 Aufgaben der Paritätischen Kommission
50
7.2.1 Der Paritätischen Kommission obliegt die
51
- Einstufung bestehender, aber nicht bewerteter Arbeitsaufgaben,
- Einstufung neu entstehender oder veränderten Arbeitsaufgaben,
52
soweit dieser Tarifvertrag ihr nicht weitere Aufgaben zuweist.
53
7.2.2 Sie ist darüber hinaus berichtigt, von Fall zu Fall bestehende Einstufungen zu überprüfen, sofern dargelegt werden kann, dass sich auf
Grund veränderter Anforderungen eine Veränderung der Einstufung ergeben könnte.
54
7.3 Entscheidungsfindung in der Paritätischen Kommission
55
7.3.1 Der Arbeitgeber übergibt der Paritätischen Kommission zur Vorbereitung der Entscheidung die entsprechenden Unterlagen (§ 6.4) und
teilt die vorläufige Einstufung mit.
56
Jede Seite der Paritätischen Kommission kann unter Angabe von Gründen vom Arbeitgeber die Überprüfung der Beschreibung der
Arbeitsaufgabe hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der übertragenen Arbeitsaufgabe und ggf. die Überarbeitung der Beschreibung
verlangen.
57
Der vorläufigen Einstufung kann jede Seite der Paritätischen Kommission bis zum Ablauf von acht Wochen widersprechen.
58
Erfolgt kein Widerspruch gegen die vorläufige Einstufung, gilt diese endgültig.
59
Erfolgt kein Widerspruch gegen die Einstufung, sondern gegen die Bewertung einzelner Bewertungsmerkmale und ihrer Begründung, wird
dieser dokumentiert und der Einstufungsunterlage beigefügt. In diesem Fall wird die vorläufige Einstufung verbindlich.
60
Bei Widerspruch gilt die vorläufige Einstufung bis zur verbindlichen Entscheidung (siehe § 7.3.7 Abs. 2).
61
Weicht die verbindliche Entscheidung von der vorläufigen Einstufung ab, so gilt diese neue Einstufung rückwirkend vom Zeitpunkt der
Mitteilung an die Paritätische Kommission.
62
Führt die verbindliche Entscheidung zu einer niedrigeren als der bisherigen Einstufung, so gilt die neue Einstufung ab dem Zeitpunkt der
verbindlichen Entscheidung.
63
7.3.2 Bei einer Überprüfung der Einstufung gemäß § 7.2.2 gilt die bestehende Einstufung bis zum Zeitpunkt einer anders lautenden
verbindlichen Entscheidung im Rahmen des Verfahrens nach § 7.3.
64
7.3.3 Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, so wird auf Antrag einer Seite je ein sachkundiger stimmberechtigter
Vertreter der Tarifvertragsparteien hinzugezogen (erweiterte Paritätische Kommission).
65
7.3.4 Kommt nach eingehender Beratung in dieser erweiterten Paritätischen Kommission eine einheitliche oder mehrheitliche Meinung nicht
zu Stande, wird auf Antrag einer Seite eine Schiedsstelle gebildet.
66
Diese besteht aus den Mitgliedern der erweiterten Paritätischen Kommission und einer/m Vorsitzenden.
67
Der Vorsitz wird durch Los aus einem durch die Tarifvertragsparteien festgelegten Personenkreis ermittelt.
68
Ein Mitglied der erweiterten Paritätischen Kommission kann nicht den Vorsitz dieser Schiedsstelle übernehmen.
69
Der Vorsitzende der Schiedsstelle unternimmt zunächst einen Vermittlungsversuch. Scheitert dieser, so entscheidet die Schiedsstelle sowohl
bezüglich der Merkmalstufen als auch der Entgeltgruppe im Rahmen der gestellten Anträge.
70
Die Entscheidung ist durch den Vorsitzenden binnen einer Frist von drei Wochen schriftlich zu begründen.
71
7.3.5 Der Arbeitgeber kann festlegen, dass die Entscheidung anstatt durch die Schiedsstelle durch Losentscheid in der erweiterten
Paritätischen Kommission herbeigeführt wird.
72
An dieser Festlegung ist der Arbeitgeber für die Dauer von 2 Jahren gebunden. Davon kann nur mit Zustimmung des Betriebsrates
abgewichen werden.
73
Vor der Abstimmung in der erweiterten Paritätischen Kommission entscheidet das Los, welcher der Vertreter der Tarifvertragsparteien eine
zweite Stimme erhält. Dieser hat die Entscheidung binnen einer Frist von drei Wochen schriftlich zu begründen.
74
7.3.6 Das Verfahren der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten soll innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden.
75
7.3.7 Mit der Entscheidung der Paritätischen Kommission nach § 7.3.1, der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.3, der
Schiedsstelle nach § 7.3.4 oder der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.5 ist das Einstufungsverfahren abgeschlossen.
76
Die Entscheidung ist damit verbindlich, sofern nicht - binnen einer Frist von zwei Wochen nach der Entscheidung bzw. dem Vorliegen der
Begründung - Arbeitgeber oder Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung unverbindlich ist, weil ein
Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze in §§ 4 - 6 vorgenommen worden ist.
77
7.3.8 Wird die Entscheidung aufgehoben, ist die Arbeitsaufgabe durch die Paritätische Kommission unter Beachtung der gerichtlichen
Begründung erneut zu bewerten.
78
7.3.9 Über jeden Einstufungsvorgang ist ein geeigneter Nachweis zu führen, der die Ergebnisse und Unterlagen der Systemanwendung
gemäß § 6.4 beinhaltet.
79
(…)
§ 9
80
Grundentgeltanspruch der Beschäftigten
81
9.1Der Beschäftigte hat Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen Entgeltgruppe, die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten
Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht.
82
Protokollnotiz zu § 9.1:
83
Es besteht Einigkeit, dass der Grundentgeltanspruch des Beschäftigten ausschließlich davon bestimmt ist, wie die Arbeitsaufgabe im
betrieblichen Verfahren nach den Bestimmungen des Tarifvertrages bewertet worden ist.
84
Da ein besonderer Eingruppierungsvorgang, also die Zuordnung des Beschäftigten zu einer bestimmten Entgeltgruppe, nicht mehr stattfindet,
gehen die Tarifvertragsparteien ebenso übereinstimmend davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 99
BetrVG bezüglich einer Eingruppierung/Umgruppierung nicht mehr vorliegen.
85
9.2Der Arbeitgeber teilt diese Entgeltgruppe dem Beschäftigten und dem Betriebsrat schriftlich mit.
86
Dem Betriebsrat ist zusätzlich der zu Grunde gelegte Einstufungsvorgang schriftlich mitzuteilen.
(...)
§ 10
87
Reklamation
88
10.1Beschäftigte oder Betriebsrat können die mitgeteilte Entgeltgruppe (siehe § 9.2) schriftlich beim Arbeitgeber reklamieren.
89
Bei der Reklamation ist schriftlich oder mündlich darzulegen, dass - und aus welchen Gründen - die Entgeltgruppe nicht zutreffend sein soll.
90
10.2Nach der Reklamation ist die Entgeltgruppe und ggf. die Einstufung der Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber zu überprüfen.
91
Dies soll in der Regel innerhalb von 2 Monaten erfolgen.
92
Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Beschäftigten und dem Betriebsrat unverzüglich schriftlich mitzuteilen.
93
10.3Wird über das Ergebnis der Überprüfung kein Einverständnis erzielt, erfolgt eine weitere Überprüfung der Einstufung in der Paritätischen
Kommission (§ 7.1 bzw. § 8.3).
94
In diesem Fall hat der Arbeitgeber, soweit nicht vorhanden, eine Aufgabenbeschreibung anzufertigen, in der die im Rahmen der festgelegten
Arbeitsorganisation ausgeführte Arbeitsaufgabe dargestellt ist. Die entsprechenden Unterlagen gemäß § 6.4 sind der Paritätischen
Kommission zu übergeben.
95
10.4Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, ist entsprechend § 7.3.3 ff zu verfahren.
96
10.5Führt die Überprüfung zu einer höheren Entgeltgruppe, so gilt diese ab dem Zeitpunkt der Reklamation.
97
10.6Führt die Überprüfung zu einer niedrigeren Entgeltgruppe, so gilt diese ab dem Zeitpunkt der verbindlichen Entscheidung.
98
10.7Der Beschäftigte kann im Hinblick auf das Ergebnis der Überprüfung den Rechtsweg beschreiten.
99
Er kann jedoch nur geltend machen, dass ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze der §§ 4
- 6 vorgenommen worden ist.
100 Der ETV-ERA regelt unter anderem Folgendes:
§ 3
101
Sachliche Voraussetzungen zur Einführung des ERA-TV
102
3.1 Zur Schaffung der sachlichen Voraussetzungen zur betrieblichen Einführung des ERA-TV sind die Bestimmungen des ERA-TV
entsprechend anzuwenden. Entgeltansprüche entstehen bis zum Stichtag der Einführung hieraus nicht.
103
3.2 Ersteinstufung
104
3.2.1 Grundlage für die Einführung des ERA-TV ist die Neubewertung der betrieblichen Arbeitsaufgaben. Bis zum Einführungsstichtag soll
möglichst eine verbindliche, muss jedoch zumindest eine vorläufige Einstufung des Arbeitgebers vorliegen.
105
Die Entgeltgruppen sind den Beschäftigten mindestens einen Monat vor dem Stichtag schriftlich mitzuteilen.
106
3.2.2 Erfolgt die Neubewertung im Wege des vereinfachten Einstufungsverfahrens gemäß § 8 ERA-TV, so kann der Betriebsrat innerhalb einer
Frist von 8 Wochen die ihm mitgeteilte Entgeltgruppe entsprechend § 10 ERA-TV reklamieren. In diesem Fall tritt an die Stelle der Zeitpunkte in
§§ 10.5 und 10.6 ERA-TV der Stichtag der ERA-Einführung.
107
In anderen Fällen ist eine Reklamation vor dem Einführungsstichtag nicht zulässig.
108
3.2.3 Verbindliche Einstufungen können innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach der betrieblichen ERA-Einführung nur mit der Begründung
reklamiert werden, dass die im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführte Arbeitsaufgabe nicht der bewerteten Arbeitsaufgabe
entspricht.
109 Im Werk der Arbeitgeberin wurden zunächst zur Einführung des ERA-TV für eine Vielzahl von Bereichen innerhalb des Betriebs jeweils unterschiedlich
besetzte Paritätische Kommissionen zur Einstufung von Arbeitsaufgaben gebildet. In verschiedenen Fällen konnte dabei keine Einigung gefunden
werden.
110 Gemäß einer Regelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung des ERA-TV bei der Arbeitgeberin vom 10.05.2007 teilte die Arbeitgeberin
dem Betriebsrat die beabsichtigte Zuordnung der Entgeltgruppen zu den Mitarbeitern mit und erörterte diese mit dem Betriebsrat. Auch hierbei konnte
in vielen Fällen keine Einigung gefunden werden. Nach Ziff. 2 der Anlage 1 zu dieser Gesamtbetriebsvereinbarung gelten bei einer Nichteinigung
diese Fälle als „reklamiert/widersprochen“. Auch betroffene Mitarbeiter haben, nachdem die Arbeitgeberin ihnen die jeweilige Entgeltgruppe mitgeteilt
hat, diese reklamiert.
111 Für sämtliche Bereiche, in denen danach Reklamationen vorlagen, wurden daraufhin erneut Paritätische Kommissionen gebildet, die die
Reklamationen prüften. Dabei erfolgte aus Sicht der Arbeitgeberin die Behandlung der Reklamationen in den Paritätischen Kommissionen freiwillig,
um eine innerbetriebliche Einigung zu erzielen. Eine solche konnte auch in vielen Fällen gefunden werden. Sofern eine Einigung in der Paritätischen
Kommission nicht erzielt werden konnte, wurden die in den jeweiligen Protokollen der Paritätischen Kommissionen aufgeführten Reklamationen mit
dem Zusatz „arbeitgeberseitige Zuordnung“ versehen (s. die beispielhaft vorgelegten Protokolle in Anlagen 8 ff. und 14 f. zur Antragsschrift vom 17.
März 2009, Bl. 44 ff. und 78 ff. der erstinstanzlichen Akte). Die Reklamationen, über die eine Einigung nicht erzielt werden konnten, stützen sich
insbesondere darauf, dass die tatsächlich ausgeführte Arbeitsaufgabe der bewerteten Arbeitsaufgabe nicht entsprechen, sondern sich durch andere
oder zusätzliche Tätigkeiten von der bewerteten Arbeitsaufgabe unterscheiden würde. Diese angebliche abweichende Tätigkeiten wurden in den
Begründungen der Reklamationen im Einzelnen aufgeführt (s. die beispielhaft vorgelegten Reklamationen, Anlagen 12 f. und 16 f. zur Antragsschrift
vom 17.03.2009, Bl. 74 ff. und 83 ff. der erstinstanzlichen Akte). In den Fällen, in denen über die Reklamation keine Einigung erzielt werden konnte,
informierte die Arbeitgeberin die Mitarbeiter darüber, dass der Reklamation nicht entsprochen werde und daher die aktuelle Zuordnung gültig sei.
112 Mit Beschluss vom 6. Juni 2008 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, ihre Vertreter für die erweitere Paritätische Kommission zu benennen, um
eine weitere Behandlung der streitigen Fälle zu ermöglichen und benannte seinerseits hierfür einen Vertreter der IG Metall. Die Arbeitgeberin kam
dieser Aufforderung nicht nach. Sie begründete ihre Weigerung damit, dass für die Bearbeitung der Reklamationen, die die Zuordnung der
Entgeltgruppe betreffen, die Paritätische Kommission nicht zuständig sei.
113 Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch darauf zu, dass die erweiterte Paritätische Kommission gebildet und diese
hinsichtlich der Reklamationen, über die bislang keine Einigung erzielt werden konnte, tätig werde.
114 Der Betriebsrat hat beantragt:
115
1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, einen sachkundigen stimmberechtigten Vertreter der Tarifvertragspartei gem. § 7.3.3 des
Entgeltrahmen-Tarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg vom 16.09.2003 (ERA-TV) zu benennen und
die von ihr benannten Mitglieder in die erweiterte Paritätischen Kommission zu entsenden.
116
2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die von ihr benannten Mitglieder der Paritätischen Kommission gem. § 7 ERA-TV
anzuweisen, an Beratungen und Entscheidungen der erweiterten Paritätischen Kommission über diejenigen Reklamationen, bei
denen nach Beratung der Paritätischen Kommission eine „arbeitgeberseitige Zuordnung“ erfolgte oder über die sonst keine
Einigung in der örtlichen Paritätischen Kommission erfolgte, mitzuwirken.
117
Hilfsweise,
118
festzustellen, dass im M. Werk S. eine erweiterte Paritätischen Kommission gem. § 7 ERA-TV zu bilden ist und diese für die
Bearbeitung der Reklamationen in den Fällen zuständig ist, in denen eine „arbeitgeberseitige Zuordnung“ erfolgte oder über die
sonst keine Einigung in der örtlichen Paritätischen Kommission erzielt wurde.
119 Die Arbeitgeberin hat beantragt,
120
den Antrag zurückzuweisen.
121
Hilfsweise:
122
Es wird festgestellt, dass die erweiterte Paritätischen Kommission gemäß § 7.3.3 ERA-TV und die Schiedsstelle gemäß § 7.3.4 ERA-
TV keine Entscheidungskompetenz bzgl. der im Rahmen einer Reklamation gemäß § 10 ERA-TV zur Überprüfung gestellten Frage
haben, ob die im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführte Arbeitsaufgabe der bewerteten Arbeitsaufgabe
entspricht.
123 Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass die Paritätische Kommission zur Prüfung der Frage, ob die übertragene und die bewertete
Arbeitsaufgabe übereinstimmen nicht zuständig sei. Daher seien insbesondere Reklamationen, die unter den eingeschränkten Voraussetzungen des §
3.2.3 ETV ERA erhoben wurden, keiner Überprüfung durch die Paritätische Kommission, erweiterte Paritätische Kommission oder Schiedsstelle
zugänglich.
124 Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 den Anträgen des Betriebsrats entsprochen und den Widerantrag der Arbeitgeberin
zurückgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Überprüfung der Einstufung durch die Paritätische Kommission nach § 10.3 ERA-TV umfasse
nicht nur eine tatsachenbefreite Bewertung, sondern auch eine Überprüfung der Einstufung hinsichtlich der tatsächlichen Inhalte einer zugewiesenen
Arbeitsaufgabe.
125 Gegen diesen der Arbeitgeberin am 26. Oktober 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 4. November 2009 eingelegte und am 23. Dezember
2009 ausgeführte Beschwerde der Arbeitgeberin.
126 Beide Beteiligten vertiefen das erstinstanzliche Vorbringen.
127 Die Arbeitgeberin beantragt:
128
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15.10.2009, AZ. 17 BV 50/09, wird abgeändert.
129
2. Die Anträge werden zurückgewiesen.
130
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens beantragt die Arbeitgeberin:
131
Es wird festgestellt, dass die erweiterte Paritätische Kommission gemäß § 7.3.3 ERA-TV und die Schiedsstelle gemäß § 7.3.4 ERA-
TV keine Entscheidungskompetenz bezüglich der im Rahmen einer Reklamation gemäß § 10 ERA-TV zur Überprüfung gestellten
Frage haben, ob die vom Arbeitnehmer oder Betriebsrat geltend gemachte Arbeitsaufgabe der im Rahmen der festgelegten
Arbeitsorganisation übertragenen Arbeitsaufgaben entspricht.
132 Der Betriebsrat beantragt,
133
die Beschwerde zurückzuweisen.
B.
134 Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht
hat den Anträgen des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Der Widerantrag der Arbeitgeberin ist auch in der nunmehr zur Entscheidung gestellten
Fassung unbegründet.
I.
135 1. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.
136
a) Über die Anträge ist im Beschlussverfahren zu entscheiden. Es handelt sich um Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne
von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das Beschlussverfahren für alle Streitigkeiten eröffnen wollen, die aus dem
Betriebsverfassungsrecht entstehen können. Dies gilt auch dann, wenn Rechte des Betriebsrats im Streit sind, die sich nicht aus dem
Betriebsverfassungsgesetz selbst ergeben, sondern ihre Grundlage nur in einem Tarifvertrag haben können. Wenn die Tarifpartner dem
Betriebsrat bestimmte Rechte oder Befugnisse zuweisen, so schalten sie damit den Betriebsrat nicht als beliebigen Dritten, sondern als Organ der
Betriebsverfassung in die Regelung der Arbeitsbedingungen ein.
137
Im vorliegenden Verfahren stehen tarifvertraglich begründete betriebsverfassungsrechtliche Rechte des Betriebsrats im Streit. Der Betriebsrat will,
dass das Reklamationsverfahren nach § 10.4 i. V. m. § 7.3.3 ERA-TV durchgeführt wird.
138
b) Der Betriebsrat ist im vorliegenden Verfahren gemäß § 10 ArbGG beteiligtenfähig und antragsbefugt. Eine Antragsbefugnis ist dann gegeben,
wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen wird (BAG
20.05.2008 - 1 ABR 19/07 - AP Nr. 4 zu § 81 BetrVG 1972). Im vorliegenden Verfahren beruft sich der Betriebsrat darauf, dass ihm im
Reklamationsverfahren nach §§ 10.3 und 10.4 i. V. m. §§ 7.3.3 ff. ERA-TV ein tarifvertraglich begründeter Anspruch auf Überprüfung der
Übereinstimmung der zugrunde gelegten Arbeitsaufgabe mit der tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe durch die erweitere Paritätische
Kommission zustehe. Er behauptet danach eine Betroffenheit in einer eigenen Rechtsposition und ist deshalb antragsbefugt.
139
c) Nicht zu beteiligen sind dagegen die im Betrieb der Arbeitgeberin gebildeten Paritätischen Kommissionen. Dahingestellt bleiben kann, ob diese
durch den ERA-TV mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet sind (vgl. LAG Baden-Württemberg 21.04.2010 - 2 TaBV 3/09). Zu beteiligten im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist nur, wer von der zu erwartenden Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung
unmittelbar betroffen oder berührt wird (BAG 31.05.2005 - 1 ABR 22/04 - AP Nr. 125 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Die von den
Betriebsparteien gebildeten Paritätischen Kommissionen sind jedenfalls nicht in eigenen Rechten unmittelbar berührt, denn das
Beschlussverfahren betrifft unmittelbar alleine die Konstituierung und Zuständigkeit der erweiterten Paritätischen Kommission und der
Schiedsstelle nach §§ 7.3.3 und 7.3.4 ERA-TV.
140
Einer Beteiligung der erweiterten Paritätischen Kommission beziehungsweise der Schiedsstelle steht bereits entgegen, dass diese noch nicht
gebildet wurden, also noch gar nicht existent sind. Das vorliegende Beschlussverfahren zielt vielmehr gerade darauf, dass die erweiterte
Paritätische Kommission und gegebenenfalls die Schiedsstelle durch die Mitwirkung der Betriebsparteien gebildet werden.
141 2. Die Anträge des Betriebsrats sind auch begründet. Die Arbeitgeberin hat in die erweiterte Paritätische Kommission einen stimmberechtigten Vertreter
der Tarifvertragspartei zu benennen und die von ihr benannten Mitglieder in die erweiterte Paritätische Kommission zu entsenden. Die von ihr
benannten Mitglieder der erweiterten Paritätischen Kommission haben an der Beratung über die noch nicht beschiedenen Reklamationen mitzuwirken.
142 Die Verpflichtung für die Arbeitgeberin zur Benennung eines Vertreters der Tarifvertragspartei zur Bildung der erweiterten Paritätischen Kommission
sowie zur Mitwirkung der von ihr benannten Mitglieder an der erweiterten Paritätischen Kommission ergibt sich aus § 10.4 i. V. m. § 7.3.3 ERA-TV. Sie
besteht unabhängig davon, ob die erweiterte Paritätische Kommission zuständig ist, im Rahmen einer Reklamation zu überprüfen, ob die tatsächlich
ausgeübte Aufgabe der bewerteten Arbeitsaufgabe entspricht.
143
a) Nach der tarifvertraglichen Konzeption des ERA-TV ist - außerhalb des vereinfachten Einstufungsverfahrens für kleinere Betriebe nach § 8 ERA-
TV - eine ständige Paritätische Kommission zu bilden. Dies ergibt sich aus § 7.1 ERA-TV. Nichts anderes gilt für die erweiterte Paritätische
Kommission gemäß § 7.3.3 ERA-TV. Nach dem Tarifvertrag hat die Benennung eines sachkundigen stimmberechtigten Vertreters der
Tarifvertragsparteien für die erweiterte Paritätische Kommission durch die Betriebsparteien nicht erst zu erfolgen, wenn über Widersprüche oder
Reklamationen in der Paritätischen Kommission keine Einigung erzielt werden konnte. Vielmehr haben die Betriebsparteien einen ständigen
sachkundigen stimmberechtigten Vertreter zu benennen, der im Bedarfsfall von der Paritätischen Kommission hinzugezogen werden kann, um
eine erweiterte Paritätische Kommission zu bilden.
144
b) Die Hinzuziehung des Vertreters der Tarifvertragsparteien und die Mitwirkung aller Mitglieder der Paritätischen Kommission an dieser ist auch
nicht davon abhängig, ob eine der Betriebsparteien die angerufene Paritätische Kommission für zuständig hält. Dem Tarifvertrag kann
insbesondere kein Vorprüfungsrecht des Arbeitgebers darüber entnommen werden, ob Widersprüche oder Reklamationen in zulässiger Weise
begründet wurden oder nicht. Vielmehr sind die Betriebsparteien nach § 7 ERA-TV verpflichtet, alle erforderlichen Schritte für die Bildung einer
Paritätischen Kommission, einer erweiterten Paritätischen Kommission sowie einer Schiedsstelle zu unternehmen und die Arbeitsfähigkeit dieser
Stellen zu gewährleisten. Es ist dann Aufgabe dieser Stellen darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung über die
erhobenen Widersprüche bzw. Reklamationen gegeben sind. In diesem Rahmen haben sie auch zu prüfen, ob sie für die Entscheidung über die
mit einem Widerspruch bzw. einer Reklamation erhobenen Einwendungen zuständig sind. Es steht weder dem Arbeitgeber noch dem Betriebsrat
zu, eine Entscheidung dieser Stellen, hier namentlich der erweiterten Paritätischen Kommission dadurch zu verhindern, dass die jeweils nach §§
7.1.1, 7.3.3 bzw. 7.3.4 zu bestimmenden Vertretern nicht benannt werden oder aufgrund des Willens einer Betriebspartei nicht mitwirken, um eine
Entscheidung über die Zuständigkeit oder Begründetheit eines Widerspruchs oder Reklamation zu verhindern. Etwas anderes ergibt sich auch
nicht aus § 10.1 Abs. 1 ERA-TV, wonach Adressat der Reklamation der Arbeitgeber ist. Damit wird vielmehr gerade zum Ausdruck gebracht, dass
der Arbeitgeber die Prüfung der Reklamation sicherzustellen hat, insbesondere die eigene Prüfung der Einwände nach § 10.2 ERA-TV und im
Falle, dass danach kein Einverständnis erzielt werden kann, nach § 10.3 f. ERA-TV die Prüfung und Bescheidung durch die Paritätische
Kommission, erweiterte Paritätische Kommission und gegebenenfalls Schiedsstelle gewährleisten muss. Eine Vorlage einer Reklamation, über die
kein Einvernehmen erzielt werden konnte, kann bei einer ständigen (erweiterten) Paritätischen Kommission nach § 7 ERA-TV nur dann
unterbleiben, wenn bereits durch das Arbeitsgericht rechtskräftig die Unzuständigkeit für bestimmte Reklamationen festgestellt worden ist.
145
c) Die Verpflichtung zur Bestimmung eines sachkundigen stimmberechtigten Vertreters der Tarifvertragsparteien für die erweiterte Paritätische
Kommission trifft auch die Arbeitgeberin und nicht unmittelbar die Tarifvertragspartei.
146
Bei § 7.3.3 ERA-TV handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Tarifnorm, die die Tarifparteien nur insoweit bindet, als sie für ihre
Mitgliedsunternehmen bzw. für die bei dem Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbandes gebildeten Betriebsräte, die in dieser Tarifnorm
vorgesehenen Vertreter zur Verfügung stellen. Im Verhältnis der Betriebsparteien untereinander sind aber diese dafür verantwortlich, die Bildung
der erweiterten Paritätischen Kommission sicherzustellen. Nötigenfalls hat die Arbeitgeberin die Benennung gegenüber ihrem Arbeitgeberverband
durchzusetzen.
II.
147 1. Der Hilfswiderantrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Er fällt zur Entscheidung an, weil die Hauptanträge des Betriebsrats Erfolg haben.
148
a) Der Antrag bedarf der Auslegung. Er ist darauf gerichtet festzustellen, dass der erweiterten Paritätischen Kommission und der Schiedsstelle
keine Entscheidungskompetenz hinsichtlich einer Reklamation des Betriebsrats oder eines Beschäftigten zukommt, soweit diese darauf gestützt
wird, die tatsächlich ausgeführte Arbeitsaufgabe, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übertragen wurde, entspreche nicht der vom Arbeitgeber
für die Grundgeldermittlung zugrundegelegten bereits eingestuften Aufgabe. Mit dieser Auslegung ist der Antrag hinreichend bestimmt im Sinne
von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Umfang der materiellen Rechtskraft einer dem Antrag entsprechenden oder ihn abweisenden Sachentscheidung
ist zuverlässig feststellbar.
149
b) Der Arbeitgeberin kommt für ihren Feststellungsantrag das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse zu.
150
Nach § 256 Abs. 1 ZPO, der auch im Beschlussverfahren Anwendung findet, kann einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis
durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (BAG 03.06.2003 - 1 ABR 19/02 - AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972). Gegenstand des
Feststellungsantrags kann dabei auch der Umfang eines Rechtes sein. Im vorliegenden Verfahren bestreitet die Arbeitgeberin, dass die erweiterte
Paritätische Kommission und die Schiedsstelle das Recht haben, die Übereinstimmung der tatsächlichen übertragenen und ausgeführten mit der
bewerteten Arbeitsaufgabe zu prüfen. Damit betrifft der Feststellungsantrag die Abgrenzung des Umfangs der Prüfungsrechte der erweiterten
Paritätischen Kommission und Schiedsstelle gegenüber den Rechten der Arbeitgeberin.
151
c) Die Arbeitgeberin hat auch ein Interesse an einer baldigen Feststellung.
152
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auch dann noch ein Interesse an einer alsbaldigen Feststellung bestünde, wenn die erweiterte Paritätische
Kommission bzw. die Schiedsstelle bereits gebildet wären. Wie oben dargelegt, kommt diesen Stellen an sich selbst die Kompetenz zu, über ihre
Zuständigkeit für die in den Widersprüchen und Reklamationen erhobenen Einwendungen zu entscheiden. Entsprechend dem Rechtsgedanken
von § 1032 Abs. 2 ZPO spricht viel dafür, das Interesse an einer vorweggenommenen gerichtlichen Feststellung dann zu verneinen, wenn die
erweiterte Paritätische Kommission oder Schiedsstelle selbst bereits mit der Prüfung ihrer Kompetenz befasst ist. In diesem Fall kann die der
Paritätischen Kommission oder der Schiedsstelle unterliegende Betriebspartei beziehungsweise der Beschäftigte die Entscheidung nach § 7.3.7
ERA-TV beziehungsweise § 10.7 ERA-TV überprüfen lassen.
153
Im vorliegenden Fall sind aber die erweiterte Paritätische Kommission und Schiedsstelle noch gar nicht gebildet, so dass nicht in ein laufendes
Entscheidungsverfahren eingegriffen wird. Zudem betrifft die begehrte Feststellung nicht lediglich ein oder einzelne Reklamationsverfahren,
sondern ist für die der Paritätischen Kommission und Schiedsstelle zugewiesenen Aufgaben von grundsätzlicher Bedeutung.
154 2. Der Feststellungsantrag der Arbeitgeberin ist aber nicht begründet. Der erweiterten Paritätischen Kommission und der Schiedsstelle kommt die
Entscheidungskompetenz auch für die Frage zu, ob die dem Arbeitnehmer übertragene Arbeitsaufgabe der bewerteten Arbeitsaufgabe entspricht. Dies
ergibt sich aus § 10.3. i. V. m. § 7.3.3 ERA-TV.
155
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung
von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist,
ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen,
soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser
Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden
können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen weitere Kriterien wie die
Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktischen Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität
denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen,
sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. BAG 06.07.2006 - 2 AZR 587/05 - NZA 2007, 167).
156
b) Der Tarifwortlaut ist nicht eindeutig.
157
§ 10.1 ERA-TV enthält keine Einschränkungen hinsichtlich des Inhalts einer Reklamation. Vielmehr wird von dem Beschäftigten lediglich gefordert,
dass er die Richtigkeit der mitgeteilten Entgeltgruppe in Abrede stellt und dies begründet. Zudem legt § 10.1 ERA-TV den Adressaten der
Reklamation, den Arbeitgeber, fest.
158
§ 10.2 ERA-TV statuiert die Pflicht des Arbeitgebers, die Reklamation umfassend zu überprüfen und das Ergebnis dieser Überprüfung dem
Beschäftigten und dem Betriebsrat mitzuteilen.
159
Die für die zwischen den Betriebsparteien im vorliegenden Verfahren entscheidende Regelung des § 10.3 Abs. 1 ERA-TV betrifft den Fall, dass
das Ergebnis der Überprüfung durch den Arbeitgeber vom Betriebsrat oder dem Beschäftigten nicht akzeptiert wird.
160
Der Wortlaut dieser tariflichen Regelung lässt einerseits eine Auslegung dahingehend zu, dass eine weitere Überprüfung der reklamierten
Entgeltgruppe nur erfolgt, wenn die Wertigkeit der vom Arbeitgeber mitgeteilten Arbeitsaufgabe des Beschäftigten im Streit ist. Wird dagegen eine
Reklamation darauf gestützt, dass die vom Arbeitgeber mitgeteilte und der Bewertung zugrunde gelegte Arbeitsaufgabe nicht derjenigen
entspricht, die dem Beschäftigten tatsächlich übertragen wurde, wäre nach dieser Auslegung die Prüfung der Reklamation mit der Mitteilung des
Arbeitgebers an den Betriebsrat und den Beschäftigten nach § 10.2, 3. Absatz ERA-TV beendet. Für eine solche Auslegung spricht, dass in § 10.2
ERA-TV bei der Beschreibung der Überprüfungspflicht durch den Arbeitgeber, die Entgeltgruppe und die Einstufung aufgezählt wird, während in §
10.3 ERA-TV nur noch von einer Überprüfung der Einstufung durch die Paritätische Kommission die Rede ist. Aus der Gegenüberstellung der
Überprüfung der Entgeltgruppe und der Überprüfung der Einstufung könnte geschlossen werden, dass die Einstufung ausschließlich als derjenige
Vorgang zu verstehen ist, in dem eine definierte Arbeitsaufgabe nach §§ 5 f. ERA-TV bewertet und dieser Arbeitsaufgabe eine Entgeltgruppe
zugeordnet wird.
161
Andererseits lässt der Wortlaut des § 10.3 Abs. 1 ERA-TV aber auch die Auslegung zu, dass mit dieser tariflichen Regelung der Paritätischen
Kommission umfassend die Kompetenz zur inhaltlichen Überprüfung derjenigen Reklamationen zugewiesen wird, über die nach der vorrangigen
Überprüfung durch den Arbeitgeber kein Einverständnis erzielt werden konnte. Hierfür spricht, dass eine ausdrückliche Bestimmung, nach der eine
auf den Einwand, die tatsächliche dem Beschäftigten zugewiesene Aufgabe entspreche nicht der bewerteten Aufgabe, gestützte Reklamation mit
der Überprüfung durch den Arbeitgeber beendet sei, dem Tarifvertrag nicht entnommen werden kann. Auch der Begriff der „Einstufung“ ist trotz § 5
ERA-TV nicht eindeutig definiert. § 5 ERA-TV kann nur entnommen werden, dass es sich bei dem Einstufungsvorgang um einen
personenunabhängigen Vorgang handelt, also um die Bewertung einer Arbeitsaufgabe und nicht um die Bewertung der Arbeitsausführung durch
den einzelnen Beschäftigten. Berücksichtigt man dabei allerdings, dass § 5 ERA-TV zwischen Bewertung und Einstufung unterscheidet, läge in der
Einstufung an sich nur die auf eine Bewertung der Arbeitsaufgabe folgende Zuordnung einer Arbeitsaufgabe zu einer Entgeltgruppe (so zutreffend
Südwestmetall, Erläuterungen zum Entgeltrahmentarifvertrag, 1. Auflage - künftig: SWM, Erläuterungen -, Rn. 17). Wurde die Arbeitsaufgabe nach
§ 6.1 ERA-TV bewertet, besteht danach die Einstufung in der Ermittlung der sich aus der Gesamtpunktzahl nach § 6.1.5 ergebenden
Entgeltgruppe, also einem zwingenden Vorgang ohne jeden Wertungsspielraum (so auch SWM, Erläuterungen a.a.O.). Einstufung im Sinne von §
10.3 oder beispielsweise im Sinne von § 7.2.1 ERA-TV kann aber ersichtlich nicht in diesem engen Sinne verstanden werden, denn - um es
zugespitzt zu formulieren - für einen Ablesevorgang aus einer Tabelle bedürfte es keiner Paritätischen Kommission. Daher ist sowohl zwischen
den Tarifparteien als auch den Betriebsparteien unstreitig, dass Einstufung im Sinne von § 10.3 und 7.2.1 ERA-TV jedenfalls auch die Bewertung
der Arbeitsaufgabe selber mit umfasst. Deutlich wird damit aber zumindest, dass der Begriff der Einstufung im ERA-TV nicht abschließend definiert
und mit keiner einheitlichen Bedeutung verwendet wird. Daher ist auch vom Wortlaut her eine Auslegung nicht ausgeschlossen, die mit dem Begriff
„Einstufung“ in § 10.3, 1. Abs. ERA-TV den gesamten Vorgang bezeichnet sieht, der zur Mitteilung einer bestimmten Entgeltgruppe geführt hat.
162
c) Der tarifliche Gesamtzusammenhang verdeutlicht jedoch, dass mit § 10.3 ERA-TV der Paritätischen Kommission eine umfassende Kompetenz
zur Prüfung der Reklamation zugewiesen wurde, die auch die Frage umfasst, welche Aufgabe dem Beschäftigten tatsächlich übertragen wurde.
163
Bei dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten System der Grundentgeltfindung nach dem ERA-TV handelt es sich um ein zweistufiges
Verfahren. In einer ersten Stufe wird eine vom Arbeitgeber abstrakt beschriebene personenunabhängige Arbeitsaufgabe bewertet und eingestuft.
Die Einstufung erfolgt unabhängig davon, ob die Arbeitsaufgabe im Betrieb aktuell existiert. Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, auch
Arbeitsaufgaben bewerten zu lassen, die erst zukünftig in der von ihm bestimmten Arbeitsorganisation eine Rolle spielen sollen. Zwar kann jede
Seite der Paritätische Kommission nach § 7.3.1 gegen die vorgelegte Beschreibung der Arbeitsaufgabe Bedenken erheben und vom Arbeitgeber
eine Überprüfung verlangen. Letztlich bleibt es aber allein die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er die Beschreibung der zur Bewertung und
Einstufung vorgelegten Arbeitsaufgabe verändert (SWM, Erläuterungen, Rn. 59).
164
In der zweiten Stufe wird dem Beschäftigten nach § 9.1 ERA-TV eine eingestufte Arbeitsaufgabe zugeordnet, aus der sich die Entgeltgruppe ergibt,
die dem Beschäftigten mitgeteilt wird.
165
Die nach § 10.1 ERA-TV erhobene Reklamation richtet sich gegen diese mitgeteilte Entgeltgruppe. Inhalt einer Reklamation ist, dass diese
Entgeltgruppe nicht zutreffend sein soll. Beruht die Reklamation darauf, dass behauptet wird, die zugeordnete eingestufte Arbeitsaufgabe
entspreche nicht der dem Beschäftigten vom Arbeitgeber übertragenen Arbeitsaufgabe, liegt darin die Behauptung, entgegen § 9.1 ERA-TV sei der
vom Beschäftigten ausgeführten Arbeitsaufgabe keine entsprechende bereits eingestufte Arbeitsaufgabe zugeordnet worden. Sofern sich dieser
Einwand als zutreffend erweist und auch keine andere bewertete Arbeitsaufgabe der vom Kläger ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht, muss
daher die noch nicht eingestufte in der vom Arbeitgeber bestimmten Arbeitsorganisation aber existente Arbeitsaufgabe entsprechend der ersten
Stufe des tariflichen Verfahrens beschrieben, bewertet und eingestuft werden.
166
Ob tatsächlich eine Arbeitsaufgabe vorliegt, die bislang nicht eingestuft wurde, hängt nicht alleine von der Frage ab, ob die tatsächlich dem
Arbeitnehmer übertragene Aufgabe Elemente enthält, die in der bereits beschriebenen und eingestuften Arbeitsaufgabe keine Erwähnung finden.
Maßgeblich ist alleine, ob Abweichungen vorliegen, denen ein wertigkeitsprägender Charakter zukommt. Die Überprüfung einer Reklamation, die
darauf gestützt wird, die zugeordnete eingestufte Arbeitsaufgabe entspreche nicht der tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe, weil bestimmte
vom Arbeitnehmer ausgeführte Elemente in der bewerteten Arbeitsaufgabe keine Erwähnung finden, umfasst daher insbesondere zunächst die
Prüfung, ob diesen Elementen überhaupt eine wertigkeitsprägende Bedeutung zukommt. Diese Prüfung gehört aber nach der Konzeption des
ERA-TV zur Kernkompetenz der Paritätischen Kommission. Es würde daher Sinn und Zweck dieses Tarifvertrages widersprechen, wenn die
Prüfung, ob bestimmte in einer bewerteten Arbeitsaufgabe nicht beschriebenen Elemente wertigkeitsprägend sind, alleine dem Arbeitgeber und
nicht der Paritätischen Kommission zukäme. Dies schließt eine Auslegung von § 10.3 ERA-TV aus, nach der die Reklamation, die im Rahmen der
festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführte Arbeitsaufgabe entspreche nicht der bewerteten Arbeitsaufgabe (vgl. § 3.2.3 ETV-ERA), nicht von §
10.3 Abs. 1 ERA-TV umfasst wird.
167
Bereits § 10.3 Abs. 2 ERA-TV weist hierauf hin. Danach hat der Arbeitgeber für die Paritätische Kommission soweit eine Beschreibung der vom
Arbeitnehmer im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe nicht besteht, eine solche anzufertigen und der
Paritätischen Kommission zu übergeben. Damit bringt der Tarifvertrag zum Ausdruck, dass Ausgangspunkt für die Entscheidung über die
Reklamation diejenige Arbeitsaufgabe ist, die dem Arbeitnehmer im Rahmen der vom Arbeitgeber festgelegten Arbeitsorganisation tatsächlich
übertragen wurde. Im Rahmen der Reklamation kann also einerseits weder ein anderer als der vom Arbeitgeber gewünschte Zuschnitt einer
Arbeitsaufgabe festgelegt werden noch eine überobligatorische Leistung eines Arbeitnehmers, die über die von seiner Arbeitsaufgabe an sich
verlangten Aufgabenerfüllung hinausgeht, bewertet werden. Andererseits bringt § 10.3 Abs. 2 ERA-TV zum Ausdruck, dass Grundlage die
tatsächlich ausgeführte Arbeitsaufgabe ist, also maßgeblich für eine zu treffende Einstufung die Bewertung der nach dem Willen des Arbeitgebers
tatsächlich ausgeführte Arbeitsaufgabe ist. Dies setzt voraus, dass bei einem Streit darüber, welchen Inhalt die tatsächliche und nach dem Willen
des Arbeitgebers ausgeführte Arbeitsaufgabe hat, auch diese Frage durch die Paritätische Kommission zu entscheiden ist. Die vom
Arbeitgeberverband Südwestmetall herausgegebenen Erläuterungen zum ERA-TV vermerken daher zutreffend zu diesem Absatz (a. a. O., Rn. 97):
„Die Verwendung des Begriffs 'ausgeführte' Arbeitsaufgabe im Gegensatz zur Verwendung des Begriffs 'übertragene' Arbeitsaufgabe in § 5.1.1 ist
nur folgerichtig. Da es ja auch zu einer Prüfung im Rahmen des Arguments kommen kann, die bewertete Arbeitsaufgabe entspreche nicht der
übertragenen, also ausgeführten Arbeitsaufgabe, macht es hier Sinn, von der ausgeführten Arbeitsaufgabe zu sprechen.“
168
Auch die allgemeine Aufgabenbeschreibung für die Paritätische Kommission in §§ 7.2.1 f. ERA-TV spricht für eine solche Auslegung. Auch mit
dieser grundsätzlichen Aufgabenbeschreibung der Paritätische Kommission wird die Aufgabe nicht auf die Bewertung unter kritikloser Hinnahme
der Aufgabenbeschreibung des Arbeitgebers begrenzt. Insbesondere das Initiativrecht der Paritätischen Kommission nach § 7.2.2 ERA-TV setzt
voraus, dass die Paritätische Kommission zur Auffassung gelangt, die bislang beschriebene und bewertete Arbeitsaufgabe werde dem aktuellen
Zuschnitt der tatsächlich ausgeführten und übertragenen Arbeitsaufgabe nicht mehr gerecht.
169
Die Arbeitgeberin erweckt mit der von ihr vertretenen Auslegung des ERA-TV den unzutreffenden Eindruck, die vom Arbeitgeber einem
Beschäftigten übertragene Arbeitsaufgabe bestimme sich alleine nach der ihm im Rahmen der Grundentgeltfindung zugeordneten bewerteten
Arbeitsaufgabe. Tatsächlich ergibt sich aber die von einem Beschäftigten auszuführende Aufgabe aus der Gesamtheit der vom Arbeitgeber
hinsichtlich eines konkreten Arbeitsplatzes im Rahmen seines Direktionsrechts und seiner Arbeitsorganisation erteilten Weisungen. Diese im
Rahmen der vom Arbeitgeber bestimmten Arbeitsorganisation ausgeführte Aufgabe ist von der Paritätischen Kommission einzustufen und
bestimmt gemäß § 9.1 ERA-TV die Entgeltgruppe des Beschäftigten.
170
Dass die Paritätische Kommission auch bei einem Streit darüber, ob die bewertete Arbeitsaufgabe mit der tatsächlich übertragenen Arbeitsaufgabe
übereinstimmt zur Prüfung und Entscheidung berufen ist, ergibt sich auch aus dem nach § 10.7 ERA-TV lediglich eingeschränkten
arbeitsgerichtlichen Überprüfungsmaßstab. § 10.7 ERA-TV geht davon aus, dass der Beschäftigte nach der Überprüfung einer Reklamation vor
dem Arbeitsgericht nur geltend machen kann, dass ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze von
§§ 4 bis 6 ERA-TV vorgenommen worden ist. Eine solche Einschränkung des Rechtsschutzes ist aber im Hinblick auf einen effektiven
Rechtsschutz des Beschäftigten nur gerechtfertigt, soweit die Überprüfung der für einen Beschäftigten maßgeblichen Entgeltgruppe nicht alleine
durch den Arbeitgeber, sondern durch die Paritätische Kommission erfolgt (vgl. §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB; ebenso Matthes in dem im Auftrag
der Tarifvertragsparteien erstellten Gutachten vom 20.02.2000, S.23 ff., Bl. 189 ff. der erstinstanzlichen Akte). § 10.7 ERA-TV bezieht sich nach
seinem Wortlaut aber auf jede Überprüfung einer Reklamation. Nach dieser tariflichen Bestimmung würde daher der eingeschränkte
Prüfungsmaßstab auch gelten, soweit bestimmte mit einer Reklamation vorgebrachten Einwände gegen die mitgeteilte Entgeltgruppe alleine durch
den Arbeitgeber überprüft würden. Das Fehlen jeder Differenzierung in dieser tariflichen Bestimmung spricht daher dafür, dass die
Tarifvertragsparteien nicht davon ausgegangen sind, dass einzelne Elemente der Einstufung und Bestimmung der Entgeltgruppe alleine vom
Arbeitgeber zu überprüfen sind.
171
Schließlich widerspräche auch eine Auslegung von § 10.3 i. V. m. § 10.7 ERA-TV, die den Arbeitsgerichten die Überprüfung eines Einwandes, die
bewertete Arbeitsaufgabe entspreche nicht der tatsächlich übertragenen Arbeitsaufgabe, dem Sinn und Zweck des Reklamationsverfahrens. Das
gesamte Einstufungs- und Reklamationsverfahren im ERA-TV zeigt, dass die Tarifvertragsparteien dem staatlichen Rechtsschutz ein
innerbetriebliches Konfliktlösungsverfahren vorgeschalten wollten. Dabei haben die Tarifvertragsparteien ersichtlich den Zweck verfolgt, den
innerbetrieblichen Sachverstand bei der Bewertung der Arbeitsaufgaben zu nutzen. Anders als die staatlichen Gerichte verfügen die Vertreter von
Arbeitgeber und Beschäftigten in der Paritätischen Kommission, in der erweiterten Paritätischen Kommission und im Schiedsgericht in der Regel
aus eigener Anschauung über die notwendige Sachkenntnis für die im Betrieb bestehenden Arbeitsaufgaben (LAG Baden-Württemberg
02.02.2009 - 4 TaBV 1/09 -). Auch die Überprüfung der tatsächlich übertragenen Arbeitsaufgabe erfordert diese Sachkenntnis. Die Beschreibung
einer Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber wird sich im Hinblick auf die Komplexität der einzelnen Elemente einer Aufgabe grundsätzlich auf die
nach seiner Auffassung wertigkeitsprägenden Elemente beschränken. Daher ist die Beantwortung der Fragen, ob ein Element zur Beschreibung
einer Arbeitsaufgabe gehört, ob es zur Bewältigung der vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsaufgabe nach der von ihm vorgegebenen
Arbeitsorganisation tatsächlich auszuführen ist und ob es wertprägend, ist, eng miteinander verwoben. Die Paritätische Kommission kann daher
nicht alleine auf die Beschreibung einer Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber verwiesen sein. Für die Beurteilung der Frage, ob eine
Arbeitsaufgabe auf Basis der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation hinreichend beschrieben wurde, ist ebenso wie bei der
Bewertung einer bereits vollständig beschriebenen Arbeitsaufgabe der innerbetriebliche Sachverstand gefragt. Entgegen der Auffassung der
Arbeitgeberin könnte die Streitfrage, ob eine Arbeitsaufgabe von einer vorhandenen Aufgabenbeschreibung zutreffend erfasst wird, von den
Arbeitsgerichten mit den Mitteln des Strengbeweises nicht besser aufgeklärt werden als mit den Mitteln der Paritätischen Kommission, die im
Übrigen außer auf ihren eigenen betrieblichen Sachverstand gemäß § 7.1.5 ERA-TV auch auf die Möglichkeit der Hinzuziehung fachkundiger
Berater aus dem Unternehmen zurückgreifen kann. Im Gegensatz zur Auffassung der Arbeitgeberin ist eine Tatsachenfeststellung durch die
Paritätische Kommission und das Schiedsgericht nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil wertet das im Auftrag der Tarifparteien erstellte Gutachten
von Matthes die Bewertung des dem Arbeitnehmer übertragenen Arbeitsbereich im Verhältnis der Betriebspartner nicht in erster Linie als Akt
rechtlicher Wertung, sondern als Tatsachenfeststellung (Matthes a. a. O., Seite 27).
172
Dass die Tarifvertragsparteien ein umfassendes innerbetriebliches Konfliktlösungsverfahren dem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltet sehen
wollten, zeigt sich auch in der Protokollnotiz zu § 9.1 ERA-TV, wonach die Tarifvertragsparteien mit dem ERA-TV ein Einstufungsverfahren schaffen
wollten, das einen förmlichen Eingruppierungsvorgang ausschließt, bei dem der Betriebsrat zu beteiligen wäre. Die Funktion des
Beteiligungsrechts des Betriebsrats nach § 99 BetrVG liegt darin, gemeinsam mit dem Arbeitgeber die Rechtsfrage zu beantworten, ob die dem
Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale einer bestimmten Lohngruppe erfüllen. Nur wenn es darauf nach der Konzeption des
Tarifvertrages nicht mehr ankommt, weil die Entscheidung über die Bewertung der dem Beschäftigten übertragenen Arbeitsaufgabe durch eine
Paritätische Kommission und nicht durch eine Entscheidung des Arbeitsgebers erfolgt, erübrigt sich eine entsprechende Entscheidung der
Betriebspartner (vgl. Matthes a. a. O., S. 23 f. u. 29). Die Tarifvertragsparteien gingen davon aus, dass ein Eingruppierungsvorgang nicht mehr
vorliegt, weil die jeweils übertragene Aufgabe bereits im betrieblichen Verfahren bewertet worden ist. Dies setzt aber voraus, dass in dem auf der
Arbeit der Paritätischen Kommission basierenden betrieblichen Verfahren auch geprüft werden kann, ob die übertragene Aufgabe vom
Arbeitgeber zutreffend beschrieben wurde.
173
d) Da somit der Paritätischen Kommission im Rahmen einer Reklamation nach § 10.3 1. Absatz ERA-TV eine Entscheidungskompetenz auch
dahingehend zukommt, welche Arbeitsaufgabe dem Arbeitnehmer nach der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation übertragen
wurde, steht im Falle einer fehlenden Einigung der Paritätischen Kommission gemäß § 10.4 i.V.m. § 7.3.3 ERA-TV der erweiterten Paritätischen
Kommission bzw. gemäß § 7.3.4 ERA-TV der Schiedsstelle dieselbe Kompetenz zu.
III.
174 Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der für diese Entscheidung
erheblichen Rechtsfragen zuzulassen.