Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 27.06.2001

LArbG Baden-Württemberg: arbeitsstelle, hafen, fahrtkosten, wohnung, gemeinde, begriff, dienstfahrt, arbeitsort, verfügung, arbeitsgericht

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 27.6.2001, 12 Sa 54/00
Anspruch auf Fahrtkostenerstattung und Mehrarbeitsvergütung nach ALTV 2 - Arbeitsplatz außerhalb des räumlichen Bereichs der
Arbeitsstelle
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 20.04.2000 -- Az.: 9 Ca 56/00 -- wird abgeändert, im Kostenpunkt aufgehoben und zur Klarstellung
insgesamt neu gefasst:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu bezahlen DM 10.455,28 (i. W.: zehntausendvierhundertfünfzigundfünf) brutto nebst 4 % Zinsen
aus DM 328,10 seit dem 01.08.99,
aus DM 810,60 seit dem 01.09.99,
aus DM 1017,03 seit dem 01.10.99,
aus DM 814,71 seit dem 01.11.99,
aus DM 589,01 seit dem 01.12.99,
aus DM 1032,86 seit dem 01.01.00,
aus DM 983,78 seit dem 01.02.00,
aus DM 981,68 seit dem 01.03.00,
aus DM 1079,85 seit dem 01.04.00,
aus DM 677,85 seit dem 01.05.00,
8,42 % Zinsen
aus DM 1030,76 seit dem 01.06.00,
aus DM 618,21 seit dem 01.07.00,
aus DM 490,84 seit dem 01.08.00.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte 6/7 und der Kläger 1/7. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte
allein.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger steht seit Anfang April 1984 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit den US-Streitkräften. Seit dem 01.05.1993 ist er als
Angestellter im Frachtverkehr ("Pier Superintendent") tätig. Es gehört zu seinen Aufgaben, die Be- und Entladung von Binnenschiffen und die
Umladung auf LKW anhand der Ladepapiere zu überwachen. In der Vergangenheit fielen solche Tätigkeiten bei verschiedenen Häfen im
Umkreis von Mannheim an, nämlich in Mannheim Rheinau, Ladestelle K und Ladestelle G, in Germersheim, in Lampertheim und an weiteren
Schiffsladestellen im Gesamtbereich des Mannheimer Hafens. Die Einsätze des Klägers werden gesteuert vom Verwaltungssitz der
Beschäftigungsdienststelle des Klägers, dem administrativen Hauptquartier für allgemeine Büro- und Verwaltungsarbeiten, der in einem
Gebäudekomplex in M Mitte, P 47 gelegen ist. In der Vergangenheit erstatteten die Streitkräfte dem Kläger die Fahrtkosten mit seinem privat-
eigenen PKW nach Maßgabe eines Schreibens vom 11.07.1997 -- Abl. 6 der Akte des Arbeitsgerichtes --. Mit Schreiben vom 06.09.1999 -- Abl. 8
a. a. O. -- teilten die Streitkräfte dem Kläger mit, die Arbeitszeit sei künftig von 07.00 bis 16.00 Uhr von montags bis donnerstags und freitags von
07.00 bis 14.30 Uhr, Arbeitsbeginn und Arbeitsende sei an der Arbeitsstelle; der Beschäftigungsort sei für alle Mitarbeiter die Gemeinde M, die
Arbeitsstelle für die Innendienstmitarbeiter sei das Büro im P 47 und für die Außendienstmitarbeiter -- darunter der Kläger -- sei es die jeweils
eingeteilte Ladestelle; dies habe zu Folge, dass ab sofort nur noch Fahrtkosten entsprechend dem Anhang R des Tarifvertrages für die
Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften (im folgenden TVAL II) erstattet werden; die bisherige Regelung, nämlich die Erstattung von
Fahrtkilometern für den Weg vom Parkring zum Hafen, verstoße gegen den Tarifvertrag und sei nicht länger tragbar.
2
Seitdem werden dem Kläger nicht mehr die bislang gewährte Fahrtkosten für die Strecke zwischen seinem Arbeitsplatz und seiner
Privatwohnung erstattet, welchletztere einige Kilometer südlich vom Parkring 47 annähernd auf der Fahrtstrecke zum Rheinauer Hafen liegt.
3
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgerichts vorgetragen, bereits bei seiner Einstellung sei ihm mündlich durch den Vorgesetzten Klaus R zugesagt
worden, dass die Fahrtkosten für die Strecke zwischen Parkring und Arbeitsplatz vergütet würden. -- So ist es dann auch unstreitig bis Anfang
September 1999 gehandhabt worden, und zwar unabhängig davon, ob er in Rheinau, in Germersheim oder in Lampertheim eingesetzt wurde. --
Er sei nicht verpflichtet, seine Arbeit an der jeweiligen Einsatzstelle zur gleichen Zeit zu beginnen und zu beenden, wenn seine Freizeit durch
einen längeren Anfahrts- und Abfahrtsweg verkürzt werde.
4
Normalerweise sei zwar die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsplatz nicht als Arbeitszeit vergütungspflichtig, dies gelte aber nicht für dienstlich
veranlasste Wegezeiten zwischen Beschäftigungsstelle und Arbeitsort.
5
Der Kläger hat Fahrtkostenerstattung für die Zeit vom 07.09.1999 bis Ende Februar 2000 in Höhe von DM 2.125,00 und Überstundenvergütung
für jeweils eine Stunde täglich für den Zeitraum von Juli 1999 bis Ende Februar 2000 in Höhe weiterer DM 5.546,58 klageweise geltend gemacht.
6
Demgemäß hat der Kläger beantragt:
7
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu bezahlen DM 5.661,18 brutto nebst 4 % Zinsen
8
aus DM 328,10 seit dem 01.08.99,
9
aus DM 810,60 seit dem 01.09.99,
10
aus DM 1.299,20 seit dem 01.10.99,
11
aus DM 1.081,20 seit dem 01.11.99,
12
aus DM 777,12 seit dem 01.12.99,
13
aus DM 1.364,96 seit dem 01.01.00,
14
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 2.010,40 brutto nebst 4 % Zinsen aus DM 1.005,20 seit dem 01.02.2000 und aus
DM 1.005,20 seit dem 01.03.2000 zu zahlen.
15 Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt mit der Behauptung, die mündliche Zusage bei Vertragsschluss habe als Nebenabrede gegen das
Schriftformgebot von § 4 Abs. 2 des einzelvertraglich vereinbarten TVAL verstoßen. Das Schreiben vom 11.07.1997, auf welches sich der Kläger
bezogen hat, habe keine konstitutive Zusage übertariflicher Leistungen zum Gegenstand gehabt, sondern sich auf die Mitteilung der
Entfernungsdaten hinsichtlich der vorgegebenen tarifvertraglichen Regelungen beschränkt. Die Zahlung der Kilometerpauschale und die
Handhabung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit seien irrtümlich erfolgt, sodass die Streitkräfte befugt gewesen seien, sich mit Schreiben
vom 06.09.1999 hiervon loszusagen. Der Arbeitsort und die Dienststelle des Klägers sei die Ladestelle K, bzw. die Ladestelle G im Mannheimer
Rheinau-Hafen. Dort beginne und ende die Arbeitszeit. Am Parkring 47 sei der Kläger -- von seltenen Ausnahmen abgesehen -- nie eingesetzt
worden. Dort habe er keinen Arbeitsplatz und keinen Schreibtisch, vielmehr sei ihm ein Büroraum an der Ladestelle in einem Container
zugewiesen worden.
16 Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.04.2000 nach den Klaganträgen des Klägers erkannt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt,
der Anspruch auf Fahrtkostenersatz und auf Vergütung der Reisezeit als Arbeitszeit beruhe auf einer betrieblichen Übung, von der sich die
Streitkräfte nicht durch das Schreiben vom 06.09.1999 hätten lossagen können.
17 Gegen dieses am 29.05.2000 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 29.06.2000 eingelegten und am Montag, den 31.07.2000
begründeten Berufung. Sie wiederholt ihre Behauptung, dass das Schreiben vom 11.07.1997 keine Gesamtzusage enthalten habe, es seien
lediglich die Entfernungskilometer zwischen Verwaltungssitz und Arbeitsort festgeschrieben worden. Der Kläger habe seinen Arbeitsplatz im
tariflichen Sinne nicht am Parkring, sondern -- bezogen auf die streitgegenständlichen Zeiträume -- ausschließlich an der Ladestelle K gehabt. Im
übrigen habe er für die einfache Fahrt zwischen Wohnung und Ladestelle allenfalls 15 Minuten aufwenden müssen. Die Strecke zwischen seiner
Wohnung und der Ladestelle in Rheinau betrage 21 Kilometer, diejenige von seiner Wohnung in die Gegenrichtung zum Parkring 5 Kilometer.
18 Die Beklagte beantragt:
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1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 20.04.2000 -- Az.: 9 Ca 56/00 -- wird abgeändert.
20
2. Die Klage -- einschließlich der Klagerweiterung zweiter Instanz -- wird abgewiesen.
21 Der Kläger beantragt:
22
1. Auf die Berufung der Beklagten und die Klagerweiterung in der zweiten Instanz wird das Urteil der Arbeitsgerichtes Mannheim vom
20.04.2000 -- Az.: 9 Ca 56/00 -- abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
23
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu bezahlen DM 10.455,28 brutto nebst 4 % Zinsen
24
aus DM 328,10 seit dem 01.08.99,
25
aus DM 810,60 seit dem 01.09.99,
26
aus DM 1017,03 seit dem 01.10.99,
27
aus DM 814,71 seit dem 01.11.99,
28
aus DM 589,01 seit dem 01.12.99,
29
aus DM 1032,86 seit dem 01.01.00,
30
aus DM 983,78 seit dem 01.02.00,
31
aus DM 981,68 seit dem 01.03.00,
32
aus DM 1079,85 seit dem 01.04.00,
33
aus DM 677,85 seit dem 01.05.00,
34
8,42 % Zinsen
35
aus DM 1030,76 seit dem 01.06.00,
36
aus DM 618,21 seit dem 01.07.00,
37
aus DM 490,84 seit dem 01.08.00.
38 Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und erweitert mit seiner Berufungserwiderung die Anspruchszeiträume auf die Monate
April 2000 bis Juli 2000 einschließlich wie folgt: An Fahrtkosten seien in den folgenden Monaten Kosten angefallen in Höhe von DM 205,13, DM
121,21, DM 195,80, DM 121,21 und DM 93,24. An Überstundenvergütung stehe dem Kläger für die vorgenannten Monate zu DM 874,72, DM
556,64, DM 834,96, DM 497,00 und DM 397,60.
39 Darüber hinaus ermäßigt der Kläger seine Klage hinsichtlich der Fahrtkosten für die Monate September 1999 bis Februar 2000 einschließlich auf
DM 1.011,19 unter Hinweis darauf, den Faktor: 0,49 bei der ursprünglichen Berechnung außer acht gelassen zu haben.
40 Die Beklagte erhebt keine Einwendung gegen die vorgenannte Erweiterung und die Ermäßigung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
41 Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da der Kläger trotz der "Lossagungs"-Erklärung vom 06.09.1999 auch für die Zeit ab
dem 01.09.1999 Fahrtkostenerstattung (im folgenden: 1.) und ab dem 01.07.1999 Mehrarbeitsvergütung (im folgenden: 2.) verlangen kann.
1.
42 a. Zum Grund des Anspruchs auf Fahrtkostenerstattung für die Zeit vom 07.09.1999 bis zum 14.07.2000 hinsichtlich der Fahrten des Klägers von
seiner Mannheimer Privatwohnung zum Hafen in Mannheim Rheinau, Ladestelle K, mit seinem eigenen PKW:
43 Anspruchsgrundlage ist Ziff. VII des Anhangs R vom 01.07.1986 zum einzelvertraglich vereinbarten Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den
Stationierungs-Streitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 16.12.1966 (TVAL II), welcher folgenden Wortlaut hat:
44
Dienstfahrten
45
"Der Arbeitnehmer, der auf Anordnung Dienstgeschäfte außerhalb seiner Beschäftigungsstelle und außerhalb seiner Wohnung -- ohne dass
eine Dienstreise vorliegt -- erledigt, erhält Fahrkostenerstattung gemäß Ziff. II. sowie Nebenkostensatz gemäß Ziff. I. 4 d"
46 Die positiv formulierten Teile der Anspruchsvoraussetzungen erschließen sich -- wie die oben erwähnte Parenthese erhellt -- durch die Negation
der definitorischen Voraussetzungen für eine "Dienstreise", welche in Ziff. I. 1 a wie folgt lautet:
47
Begriff der Dienstreise
48
"Eine Dienstreise liegt vor, wenn der Arbeitnehmer auf Anordnung zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb seines ständigen
Beschäftigungsortes (Gemeinde) in mindestens 15 km Entfernung (kürzeste benutzbare Straßenverbindung) von seiner Beschäftigungsstelle
vorübergehend tätig wird."
49 Wesentlich für die Bejahung einer Dienstreise ist das nur vorübergehende Verlassen des ständigen Beschäftigungsortes, also die zeitliche und
inhaltlich-sachliche Begrenzung des Dienstgeschäftes aufgrund seiner Zweckbestimmung, sofern dies in Folge einer konkreten Anordnung des
Dienstherrn erfolgt (BAG 06.03.1974 -- Az.: 4 AZR 244/73 -- AP Nr. 1 zu § 35 TVAL.
50 Für die Abgrenzung der "Dienstfahrt" von der "Dienstreise" ist zunächst eine Klärung der verwendeten Begriffe "Beschäftigungsstelle" und
"Beschäftigungsort (Gemeinde)" von Nöten.
51 Darüber hinaus kommt es -- notwendiger Weise -- auch auf einen dritten Ort an, nämlich denjenigen, an welchem der Arbeitnehmer -- im Falle
der Dienstreise -- vorübergehend tätig ist oder -- im Falle der Dienstfahrt -- seine "Dienstgeschäfte erledigt". Dieser dritte Ort ist mithin der
"Arbeitsplatz", welcher -- wenngleich in einem etwas anderen Zusammenhang, nämlich in § 9 Abs. VII. a des TVAL -- zur Bestimmung von Beginn
und Ende der Arbeitszeit bezeichnet wird als derjenige Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit (effektiv) ausübt.
52 Der Begriff der "Beschäftigungsstelle" ist ebenfalls in § 9 Abs. VII. b TVAL II vorausgesetzt. Sie ist -- wie der Zusammenhang mit § 9 Abs. VII. a
TVAL II erschließen lässt -- nicht stets identisch mit dem "Arbeitsplatz". Hier drängt sich eine Parallele zu der Begriffswelt von § 15 Abs. VII des
Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) auf, der wegen der weitgehenden Ähnlichkeit der zu regelnden Materie des TVAL II bei der
Formulierung derselben Pate gestanden haben dürfte;
53 zumindest sprechen keine Gesichtspunkte gegen die Anwendung der Begriffe in der Entscheidung des BAG vom 18.01.1990 -- Az.: 6 AZR
386/89 = AP Nr. 16 zu § 15 BAT --, in welcher zwischen dem "Arbeitsplatz" und der "Arbeitsstelle" i. S. v. § 15 Abs. VII. BAT unterschieden wird,
auf den vorliegenden Fall. Der "Arbeitsstelle" i. S. d. BAT entspricht die "Beschäftigungsstelle" i. S. v. § 9 Abs. VII. b TVAL II und dem
gleichlautenden Begriff in Ziff. 1 des Anhangs R zum TVAL. Diese "Arbeitsstelle" (sprich "Beschäftigungsstelle") ist nach der oben erwähnten
Entscheidung nicht notwendigerweise mit dem "Arbeitsplatz" gleichzusetzen. Vielmehr beschreibt der Begriff "einen weiteren räumlichen
Bereich", der in der Regel identisch ist mit dem der "Dienststelle" des öffentlichen Dienstes, der "Zwillingsschwester" des privatrechtlichen
"Betriebes" i. S. v. § 1 Abs. 2 Ziff. 2 b des KSchG.
54 Der Sachverhalt der vorgenannten Entscheidung des BAG zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitsplatz der klagenden Partei innerhalb des
räumlichen Bereiches der Arbeitsstelle gelegen war ('weshalb sich die -- wegen der Mehrarbeitsvergütung auch hier (vgl. nachstehend 2.)
streitentscheidende Frage stellt, ob die Arbeit am Arbeitsplatz oder an der Arbeitsstelle zu Dienstbeginn aufzunehmen ist). Im vorliegenden Fall
ist es anders. Der Arbeitsplatz des Klägers liegt außerhalb des räumlichen Bereichs der Arbeitsstelle ('quasi eine Exklave des ehemaligen
Mömpelgard (jetzt Montbeliard) gleich, welche in der vor-napoleonischen Zeit zu Württemberg gehörte, von französischem Hoheitsgebiet
umgeben und insbesondere zu Zeiten der französischen Revolution häufig Anlass für mannigfaltige völkerrechtliche Verwicklungen war).
55 Diese -- auch hier den Anlass des Streites bildende -- Außenstellung kann aber hinsichtlich des tarifvertraglichen Regelungszweckes keinen
Unterschied machen, geht es doch darum, einen Ausgleich für die Überbrückung von Wegstrecken zu schaffen, gleichgültig, ob diese innerhalb
oder außerhalb der Arbeitsstelle zu bewältigen sind.
56 Dies bedeutet für die Abgrenzung der "Dienstfahrt" von der "Dienstreise", dass keine Dienstreise vorliegt, wenn die Entfernung vom Arbeitsplatz
zur Dienststelle geringer ist als 15 km und wenn die Reise/das Dienstgeschäft sich innerhalb der gleichen politischen Gemeinde abspielt (Ziff. I. 1
a des Anhang R). Auch vorliegend kann demnach keine Dienstreise in Frage stehen, da der Rheinauer Hafen und die Dienststelle am
Mannheimer Parkring innerhalb Grenzen der gleichen politischen Gemeinde liegen.
57 Demnach kommt es nun auf die positiven Voraussetzungen von Ziff. VII. des Anhang R für die Bejahung einer Dienstfahrt an.
58 Die Erledigung des Dienstgeschäftes des Klägers erfolgt am Arbeitsplatz im Rheinauer Hafen. Dieser liegt außerhalb der Beschäftigungsstelle,
da der Gebäudekomplex am Parkring 47 in Mannheim Mitte sich nicht bis zum Hafen in Rheinau erstreckt.
59 Die Erledigung erfolgt auch durch ausdrückliche Anordnung des Dienstherrn, der US-Armee.
60 Die Rechtsfolgen ergeben sich aus Ziff. II. 1 bis 3 des Anhang R: Es besteht ein Anspruch auf ein Kilometer-Geld in Höhe von DM 0,42 pro
gefahrenen Kilometer bei Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges, sofern kein freier Transport durch den Dienstherrn gestellt wird.
61 Diese Voraussetzungen liegen vor (; erst nach dem 14.07.2000 haben die Streitkräfte dem Kläger ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt und
ihn angewiesen, zusammen mit seinen Kollegen vom Parkring aus die Fahrt zum Rheinauer Hafen anzutreten).
62 b. Zur Höhe des Anspruches:
63 Die vom Kläger arbeitstäglich vorgetragenen Zeiten der Dienstgeschäfte sind zwischen den Parteien unstreitig (und im übrigen
streitgegenständlich hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Insbesondere hat der Kläger die ersparten Fahrtkosten zwischen
seiner Privatwohnung und der Arbeitsstelle gem. Ziff. II. 3 des Anhang R in Abzug gebracht. Die erstinstanzlich geltend gemachten DM 2.125,00
für den Zeitraum von September 1999 bis Februar 2000 einschließlich hat der Kläger zweitinstanzlich -- aufgrund eines erkannten Rechtsfehlers
-- ermäßigt auf DM 1.011,19 und sodann die Klage erweitert auf den Zeitraum für die Monate März bis Juli 2000 einschließlich um DM 736,59.
Hieraus resultiert ein Gesamterstattungsbetrag für aufgewandte Fahrtkosten in Höhe von DM 1.747,78.
64 Die Zinsforderung aus den monatlich fällig werdenden Teilbeträgen ist nach Grund und Höhe unstreitig.
2.
65 Zum Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung:
66 a. Dem Grunde nach resultiert der Anspruch aus § 9 Abs. 1, 7 a i. V. m. § 10 Abs. 1 TVAL II.
67 Nach § 9 Abs. 7 a "... beginnt und endet die Arbeitszeit an dem Platz, an dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt (Arbeitsplatz), oder an dem
er sich vor Aufnahme und/oder nach Beendigung der Arbeit einzufinden hat."
68 § 9 Abs. 7 b lautet:
69 "Beträgt die Entfernung vom Eingang der Beschäftigungsstelle -- oder von der Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels im Gelände der
Beschäftigungsstelle -- bis zum Arbeitsplatz mehr als zwei Kilometer und wird in diesem Fall vom Betrieb kein Beförderungsmittel gestellt, so
beginnt und endet die Arbeitszeit am Eingang der Beschäftigungsstelle bzw. an der Haltestelle."
70 Im vorliegenden Fall kommt die Ausnahmevorschrift von § 9 Abs. 7 b zur Anwendung, da der Arbeitsplatz des Klägers mehr als zwei Kilometer
vom Eingang der Beschäftigungsstelle entfernt liegt. Die tatsächliche Entfernung ist aus dem von den Streitkräften selbst mitgeteilten Schreiben
vom 11.07.1997 zu entnehmen. Hinsichtlich des Begriffes "Beschäftigungsstelle" und des hiervon getrennt liegenden "Arbeitsplatzes" des
Klägers kann auf die obigen Ausführungen unter I. 1. a. verwiesen werden. Der Zeitraum, der aufgewandt werden muss, um vom Eingang der
Beschäftigungsstelle zum Arbeitsplatz zu gelangen, ist vom Kläger richtig angegeben worden.
71 Dies gilt auch dann, wenn in Rechnung gestellt wird, dass die Wohnung des Klägers auf der -- nahezu direkten -- Strecke zwischen
Beschäftigungsstelle und Arbeitsplatz liegt; der Kläger spart bei einer direkten Fahrt von seiner Wohnung zur Beschäftigungsstelle etwa 1/5 der
Wegstrecke und damit auch der Wegezeit. Die verbleibende Zeit hat der Kläger zutreffend mit 1/2 Stunde angegeben. Das Gericht hat in diesem
Zusammenhang den Stadtplan von Mannheim eingesehen und vermag insbesondere aufgrund des gerichtsbekannten Berufsverkehrs im
Mannheimer Stadtgebiet den erforderlichen Zeitaufwand gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Die Beklagte hält allerdings dafür, dass die
Hälfte hiervon ausreichend sei; allerdings trägt sie in tatsächlicher Hinsicht hierfür nichts vor. Zu idealen, verkehrsarmen Zeiten mag dies im
Einzelfall durchaus zutreffen, es ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass der Kläger die üblichen verkehrsreichen Zeiten -- morgens 06.30 bis
07.00 Uhr und abends 16.00 bis 16.30 Uhr -- nicht vermeiden kann.
72 b. Die weitere Berechnung der Höhe des Lohnanspruches einschließlich der Zinsen ist zwischen den Parteien nicht streitig. Daher kann der
Kläger von der Beklagten weitere DM 8.707,50 verlangen.
3.
73 Nach all dem kommt es nicht mehr darauf an, ob, wie das Arbeitsgericht es angenommen hat, die Ansprüche des Klägers aus einer
Kollektivzusage vom 11.07.1997 respektive vom 20.11.1999 herrühren und ob die Beklagte befugt war, sich hiervon infolge einer irrtümlichen
Tarifauslegung loszusagen (vgl. BAG 16.02.2000 -- Az.: 4 AZR 62/99 -- für den Fall einer korrigierenden Rückgruppierung).
II.
74 Da die Beklagte im Berufungsrechtszug unterliegt, hat sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens im vollen Umfang zu
tragen.
75 Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten ist eine Kostenquotelung zu Lasten des Kläger in Höhe von 1/7 vorzunehmen, da der Kläger die
erstinstanzlich anhängig gemachte Klagsumme über DM 7.671,58 infolge eines Rechenfehlers auf DM 1.011,19 reduzierte.
76 Diese quantitative Beschränkung des Klagantrages gilt zwar gemäß § 264 Ziff. 2 ZPO nicht als Klagänderung, gleichwohl kommt § 269 ZPO zur
Anwendung, wonach die Kosten einer -- auch teilweisen -- Klagrücknahme die klagende Partei zu tragen hat (Münchner Kommentar -- ZPO --
Luke, § 264 Rdz. 23 mit weiteren Nachweisen). Unerheblich ist, dass diese Beschränkung erst im Berufungsrechtszug erfolgte. Die gleichzeitige
Klagerweiterung um weitere Streitgegenstände ändert an dem Umstand der teilweisen Klagrücknahme nichts.
77 Hennemann
78 Uhl
79 Gaissert