Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 14.09.2005

LArbG Baden-Württemberg: treu und glauben, auflage, befristung, unternehmen, konzern, fusion, gestaltung, juristische person, begriff, vertragsschluss

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 14.9.2005, 13 Sa 32/05
Berufungsbegründung - Befristetes Arbeitsverhältnis - Zitiergebot - Vertragsarbeitgeber - Anschlussverbot
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 17.02.2005 – Az.: 4 Ca
489/04 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund seiner Befristung am 31.08.2004 endete.
2
Zwischen der am ...1974 geborenen Klägerin und der Beklagten bestand vom 01.09.2003 bis 31.08.2004 aufgrund eines befristeten Vertrags
vom 10.06.2003 ein Arbeitsverhältnis. Der Vertrag ist mit "Befristeter Arbeitsvertrag nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete
Arbeitsverträge (TzBfG)" überschrieben. Ziffer 1 Abs. 1 sah einen Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01.09.2003 vor. Nach Ziffern 2 und 7 sollte
das Arbeitsverhältnis am 31.08.2004 enden, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Befristungsgründe nannte der Arbeitsvertrag nicht (vgl.
näher den seitens der Beklagten bereits unter dem 03.06.2003 gezeichneten Arbeitsvertrag, Anlage BB 15 der Berufungsbeantwortung, Blatt 107
ff. der Berufungsakte).
3
Unmittelbar vor ihrem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten war die Klägerin vom 01.09.2001 bis 31.08.2003 – ebenfalls befristet – zunächst von
der E1 GmbH und später der E2 GmbH beschäftigt worden (siehe den von der Klägerin und der E1 GmbH geschlossenen Arbeitsvertrag vom
07.08.2001, Anlage BB 14 der Berufungserwiderung vom 15.06.2005, Blatt 104 ff. der Akte zweiter Instanz). Die der E2 GmbH entstandenen
Pflichten aus geleisteter Überarbeit der Klägerin und ihre Urlaubsgewährungsverpflichtungen wurden bei Beendigung dieses Vertrags auf die
Beklagte "übertragen". Vor dem Arbeitsverhältnis mit der E1 GmbH bzw. der E2 GmbH hatte die Klägerin bereits vom 19.02.2001 bis 31.08.2001
in einem Arbeitsverhältnis mit der H Personal-Leasing GmbH gestanden. Von diesem Leiharbeitsunternehmen war sie während der gesamten
Vertragsdauer an die E1 GmbH verliehen worden.
4
Die Beklagte ist ebenso wie die E1 GmbH und die E2 GmbH eine hundertprozentige Konzerntochter der E. AG. Die E2 GmbH wurde mittlerweile
mit der E3-gesellschaft mbH verschmolzen und firmiert seitdem unter E4 Gesellschaft mbH. Schon im Jahr 2003 waren bei der E2 GmbH
verschiedene Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt worden. Unter anderem wurde eine Teamleiterstruktur
eingeführt, um die Entscheidungswege zu verkürzen. Die bislang handschriftliche Abrechnungsweise wurde auf ein elektronisches
Abrechnungssystem umgestellt. Zum 01.09.2003 wurde die N. AG & Co. KG auf die E2 GmbH verschmolzen.
5
Die Klägerin wurde während der gesamten dreijährigen Dauer ihrer Arbeitsverhältnisse mit Unternehmen der E-Gruppe und auch schon in der
Zeit ihres Arbeitsverhältnisses mit der H Personal-Leasing GmbH auf demselben Arbeitsplatz und in unveränderter Funktion als Bürogehilfin
beschäftigt. Die Stelle war zunächst der Organisationseinheit Bilanzen/Buchhaltung – Durchleitung (SVG FD, Netznutzung/Beistellung Yello) der
E1 GmbH zugeordnet. Im Rahmen eines Betriebs(teil)übergangs im Sinne von § 613 a BGB wurden diese Einheit und das Arbeitsverhältnis der
Klägerin am 01.11.2002 auf die E2 GmbH überführt (vgl. das Informationsschreiben der E2 GmbH vom 24.10.2002, Blatt 9 der Akte erster
Instanz). Bei der E2 GmbH hieß die Einheit Kreditorenmanagement Yello (Y-KM).
6
Unternehmensgegenstand der Beklagten ist neben der Erbringung von Werkleistungen – zum Beispiel dem Rückbau kerntechnischer Anlagen –
konzerninterne und externe Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte verfügt seit November 1999 über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen
Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG.
7
Nach der von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittenen Behauptung der Beklagten entstand die Beklagten 1996 aus der Abteilung P. der
damaligen B. AG, der Rechtsvorgängerin der E. AG. In dieser Abteilung habe die B. AG Arbeitnehmer zusammengefasst, die infolge eines
Personalüberhangs ohne konkrete Beschäftigung bei der B. AG gewesen seien und deswegen konzernintern an die mit der B. AG verbundenen
Gesellschaften hätten vermittelt werden sollen.
8
Mittlerweile unstreitig ist die Beklagte im Rahmen ihrer verleihenden Tätigkeit gegenwärtig zum einen beauftragt, das konzernweite "Programm
zur Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigung junger Menschen" durchzuführen. Der E.-Konzern bildet mit einer Ausbildungsquote von
7,5 % – in den Kerngesellschaften 8,5 % – überdurchschnittlich viele junge Menschen aus. Das bereits 1995 vor der rechtlichen
Verselbständigung der Beklagten durch die B. AG aufgelegte Beschäftigungsprogramm soll vermeiden, dass diejenigen Ausgebildeten, für die
kein Beschäftigungsbedarf im ausbildenden Unternehmen besteht, ohne Berufserfahrung entlassen werden (vgl. zu den Zielen des Programms
im Einzelnen Anlagen BB 2 bis BB 6 der Berufungserwiderung, Blatt 63 bis 73 der Berufungsakte). Die Beklagte bietet ihnen deswegen befristete
Arbeitsverträge an und verleiht sie an andere Konzernunternehmen oder externe Arbeitgeber.
9
Zum anderen nimmt die Beklagte bei bestehenden Personalüberhängen Arbeitnehmer anderer Konzerngesellschaften in Form befristeter
Arbeitsverhältnisse auf, qualifiziert sie teils weiter und verleiht sie an Schwestergesellschaften des Konzerns oder externe Unternehmen. Diesem
so genannten "TOP-FIT-Programm" liegt inzwischen der – allerdings nach dem Ende der Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien am
31.08.2004 – zwischen der Konzernmutter, der Beklagten und ver.di geschlossene Tarifvertrag
"Zeitarbeit/Arbeitnehmerüberlassung/Qualifizierung im Rahmen des Personalumbaus und der Beschäftigung junger Menschen" vom 13.10.2004
zugrunde. Mittelfristiges tarifliches Ziel ist es, für diese Arbeitnehmer wieder eine Daueraufgabe im Konzern zu finden. Fremdpersonaleinsätze
sollen minimiert werden (vgl. näher die Präambel des Tarifvertrags vom 13.10.2004, Anlage BB 7 der Berufungsbeantwortung vom 15.06.2005,
Blatt 74 f. der Akte zweiter Instanz). Erste Priorität hat nach Protokollnotiz c des Tarifvertrags die Rückführung der Arbeitnehmer auf offene
unbefristete Stellen im Konzern. Nur wenn das nicht möglich ist, sollen sie als Leiharbeitnehmer auf befristet zu besetzende Arbeitsplätze
vermittelt und im schlechtesten Fall an externe Kunden verliehen werden.
10 Ein weiterer Hintergrund des TOP-FIT-Programms ist unter anderem der am 30.01.2004 zwischen dem Arbeitgeberverband der Elektrizitätswerke
Baden-Württembergs und ver.di geschlossene Tarifvertrag "Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen". § 3 Nr. 3 dieses Tarifvertrags gestattet
betriebsbedingte Beendigungskündigungen bis zum 28.02.2009 im Wesentlichen nur dann, wenn der betroffene Arbeitnehmer den Wechsel in
ein anderes Konzernunternehmen abgelehnt hat (siehe den als Anlage BB 8 der Berufungserwiderung vom 15.06.2005 vorgelegten Tarifvertrag
vom 30.01.2004, Blatt 76 der Berufungsakte).
11 Für die Weitervermittlung von Beschäftigten des Konzerns erhielt die Beklagte von der damaligen B. AG zunächst Vermittlungsprovisionen (vgl.
die Vereinbarung der beiden Unternehmen vom 03.01.1998, Anlage BB 9 der Berufungsbeantwortung vom 15.06.2005, Blatt 77 der
zweitinstanzlichen Akte). Aufgrund der inzwischen veränderten Konzeption, wonach die zu vermittelnden Arbeitnehmer in ein befristetes
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wechseln, endeten die Provisionszahlungen der Konzernmutter.
12 Die Beklagte beschäftigt den ganz überwiegenden Teil ihrer Arbeitnehmer nur befristet. Im Juni 2003 – bei Abschluss des Arbeitsvertrags der
Parteien – standen bei der Beklagten 499 Arbeitnehmer unter Vertrag. 275 Arbeitnehmer waren ehemalige Auszubildende anderer
Konzerngesellschaften, 224 Mitarbeiter waren frühere befristet Beschäftigte anderer Konzernunternehmen oder von Personalüberhängen der
Konzernschwestern betroffene Arbeitnehmer. 69 dieser 224 Mitarbeiter verlieh die Beklagte an andere Konzernunternehmen als ihre bisherigen
Arbeitgeber. 155 Mitarbeiter wurden an ihre bisherigen Arbeitgeber verliehen und mit denselben Aufgaben betraut. Insgesamt betrug die Quote
der "rückverliehenen" Arbeitnehmer 31,06 %. Am 31.03.2005 beschäftigte die Beklagte noch 434 Arbeitnehmer, die sich aus 392 befristet
beschäftigten und 42 unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern zusammensetzten. 88 der befristet Tätigen – also eine Quote von 20,27 % der
Arbeitnehmer der Beklagten – wurden zu diesem Zeitpunkt bei ihrem bisherigen Arbeitgeber eingesetzt. Seit 2001 vermittelte die Beklagte 503
Mitarbeiter in Arbeitsverhältnisse mit ihren Konzernschwestern, davon 262 in unbefristete Arbeitsverhältnisse.
13 Auch der Arbeitsvertrag der Parteien vom 10.06.2003 sah vor, dass die Klägerin als Bürogehilfin oder in anderer Funktion innerhalb des
Konzerns der E. AG beschäftigt werden sollte. Darüber hinaus konnte sie bei anderen Unternehmen (Kunden) eingesetzt werden (vgl. Ziff. 1 Abs.
2 des Vertrags, Anlage BB 15 der Berufungsbeantwortung vom 15.06.2005, Blatt 107 ff. der Berufungsakte). Während ihres Einsatzes bei der E2
GmbH wurden ihr von dieser Gesellschaft die Aufgaben zugewiesen. Unterstellt war die Klägerin dennoch der Geschäftsleitung der Beklagten.
14 Die Klägerin hat in ihrer am 17.09.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 27.09.2004 zugestellten Klage die
Auffassung vertreten, die Befristung des mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrags sei nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unwirksam.
Jedenfalls umgehe die gewählte Vertragsgestaltung rechtsmissbräuchlich die Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, deren Sinn es
sei, derartige Kettenarbeitsverträge zu verhindern.
15 Bei den befristeten Arbeitsverhältnissen der Klägerin zunächst mit der E1 GmbH bzw. der E2 GmbH und später der Beklagten handle es sich in
Wahrheit um ein einheitliches Arbeitsverhältnis. Faktische Arbeitgeberin sei während der gesamten Vertragsdauer vom 01.09.2001 bis
31.08.2004 die E2 GmbH gewesen. Die durch das Bundesarbeitsgericht 1988 entschiedene Konstellation, wonach selbst dann verschiedene
Vertragsarbeitgeber anzunehmen seien, wenn nacheinander Arbeitsverhältnisse mit dem Verleiher und dem Entleiher begründet worden seien,
sei ein völlig anderer Fall als der nun zu entscheidende. Die frühere Vertragspartnerin der Klägerin – zuletzt die E2 GmbH – und die Beklagte
hätten die bestehende Konzernstruktur dazu missbraucht, die sachgrundlose Befristung des in Wirklichkeit nur mit der E2 GmbH bestehenden
Arbeitsverhältnisses künstlich über zwei Jahre hinaus zu verlängern.
16 Nach einer Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags hat die Klägerin folgende Anträge gestellt:
17
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom
03.06.2003 mit Ablauf des 31.08.2004 geendet hat.
18
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Organisationseinheit
Kreditorenmanagement in der Niederlassung Karlsruhe weiterzubeschäftigen.
19 Die Beklagte hat beantragt,
20
die Klage abzuweisen.
21 Sie hat die Befristung ihres Vertrags mit der Klägerin verteidigt. Die Befristung verstoße weder gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG noch gegen § 242
BGB. Arbeitgeber im Sinne des § 14 Abs. 2 TzBfG sei der jeweilige rechtlich verselbständigte Vertragsarbeitgeber. Die Verträge der Klägerin
seien auch völlig unterschiedlich ausgestaltet. Der Vertrag mit der Beklagten zeichne sich vor allem durch seine Leiharbeitnehmerklausel aus.
Von einer faktisch einheitlichen Arbeitgeberstellung der E2 GmbH sei schon deshalb nicht auszugehen, weil die Beklagte während des
Einsatzes der Klägerin bei der E2 GmbH nur auf ihr fachliches Direktionsrecht verzichtet habe, während die disziplinarische Weisungsbefugnis
stets von der Beklagten ausgeübt worden sei.
22 Mit den der Klägerin und anderen Arbeitnehmern angebotenen befristeten Arbeitsverträgen habe die Beklagte dazu beitragen wollen, die
schwierige Arbeitsmarktsituation zu bewältigen und zumindest eine befristete Weiterbeschäftigung zu ermöglichen, zumal nur die Beklagte über
eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfüge. Ein "Personalkarussell" mit mehrfachem Arbeitgeberwechsel könne es angesichts der
Lebenszeitsperre des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht geben. Bei einem bloßen einmaligen Arbeitgeberwechsel mit Rückleihe handle es sich
dagegen um den Normalfall einer rechtlich zulässigen Gestaltung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Alternativ sei nur die Entlassung der Klägerin in
die Arbeitslosigkeit in Betracht gekommen. Eine unbefristete Beschäftigung der Klägerin bei der E2 GmbH sei – wie die Beklagte behauptet hat –
nicht möglich gewesen, da aufgrund der Liberalisierung des Strommarkts und der bevorstehenden Fusion der E. AG und einiger ihrer
Tochtergesellschaften mit der N. AG nicht vorauszusehen gewesen sei, ob ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf bestehen werde.
23 Mit Urteil vom 17.02.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Befristung für wirksam gehalten. Weder verletze die Befristung §
14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG noch verstoße es gegen Treu und Glauben, dass sich die Beklagte auf die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung
nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG berufe.
24 Arbeitgeber im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei nach Wortlaut, Systematik, Zweck und Gesetzesgeschichte der Vertragsarbeitgeber. Der
Gesetzgeber habe das Anschlussverbot gerade nicht an die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb, an den Betriebsinhaber, die Betriebs-
oder Unternehmenszugehörigkeit geknüpft. Vielmehr habe er auf die individualvertragliche Bindung an den Arbeitgeber abgestellt. Eine
erweiternde Auslegung des Anschlussverbots dahin, dass es sich auch dann um denselben Arbeitgeber handle, wenn die
Personalentscheidungen innerhalb der in einem Konzern verbundenen Unternehmen einheitlich getroffen würden, sei abzulehnen. Mit einer
solchen Interpretation werde die klare Abgrenzung nach dem Merkmal des Vertragsarbeitgebers aufgegeben.
25 Die von der Beklagten gewählte Vertragsgestaltung nutze die durch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eröffneten Befristungsmöglichkeiten auch nicht
rechtsmissbräuchlich aus. Eine dem Zweck des Teilzeit- und Befristungsgesetzes widersprechende Gestaltung sei allerdings dann denkbar,
wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber mit einem Arbeitnehmer nur deshalb in bewusstem und gewolltem
Zusammenwirken abwechselnd befristete Arbeitsverträge schlössen, um über die nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen
Konstellationen hinaus sachgrundlose Befristungen aneinander reihen zu können. Einer solchen Annahme stünden hier aber rechtlich nicht zu
missbilligende Gründe für den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Beklagten entgegen.
26 Die Einrichtung eines Leiharbeitsunternehmens in einem Konzern sei für sich betrachtet nicht zu beanstanden, zumal sich aus Sicht des
Bundesarbeitsgerichts eine sachgrundlose Befristung bei einem entleihenden Unternehmen unmittelbar an das Arbeitsverhältnis eines
entliehenen Arbeitnehmers mit seinem Verleiher anschließen könne. Der Einsatz auf demselben Arbeitsplatz sei bei einem Arbeitsverhältnis mit
dem Entleiher, das dem Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher vorangehe oder folge, nicht ungewöhnlich. Erst bei einem dritten befristeten
Arbeitsverhältnis im Konzern ohne Änderung der ausgeübten Tätigkeit sei an ein "Personalkarussell" und eine Umgehung des Teilzeit- und
Befristungsgesetzes zu denken.
27 Die Reihung zweier sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse von jeweils höchstens zwei Jahren im Konzern entspreche möglicherweise
nicht der gesetzgeberischen Intention des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, erreiche aber nicht die Schwelle der Treuwidrigkeit. § 242 BGB biete
keine Handhabe zur Rechtsfortbildung im Interesse vermeintlicher Billigkeit. Sofern der Gesetzgeber derartige Gestaltungen missbillige, müsse
er selbst tätig werden.
28 Mit ihrer am 23.03.2005 eingegangenen und am 25.04.2005 begründeten Berufung wendet sich die Klägerin gegen die ihr am 24.02.2005
zugestellte arbeitsgerichtliche Entscheidung.
29 Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, dass die Vorgehensweise der Beklagten gegen § 14 TzBfG verstoße.
30 In ihrer Berufungsbegründung vom 25.04.2005 führt die Klägerin aus, die offensichtliche Absprache der Beklagten mit ihrer Muttergesellschaft
und der E2 GmbH ermögliche sonst vierjährige sachgrundlose Befristungen. Jedenfalls verletze die weitere Befristung den Grundsatz von Treu
und Glauben, der eine solche Begünstigung von Großkonzernen nicht zulasse. Da der Rechtsstreit lediglich über die rechtliche Bewertung
unstreitiger Tatsachen geführt werde, beziehe sich die Klägerin auf ihre Schriftsätze erster Instanz, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden.
31 In ihrem nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingereichten Schriftsatz vom 21.07.2005 äußert die Klägerin weiter die Ansicht, der Fall
eines Arbeitsverhältnisses mit einem konzerneigenen Leiharbeitsunternehmen sei von der Konstellation eines Arbeitsvertrags mit einem
externen Leiharbeitsunternehmen zu unterscheiden. Bei einem Arbeitsverhältnis mit einer gewöhnlichen Leihfirma wisse der Arbeitnehmer, dass
er unter Umständen an verschiedene Unternehmen verliehen werde. Der im Konzernverbund eingesetzte Arbeitnehmer gehe demgegenüber
davon aus, ordnungsgemäß, wenn auch befristet beschäftigt zu sein. Der eigentliche Rechtsmissbrauch der E2 GmbH und der Beklagten
bestehe in dem Ziel, die Arbeitskraft der eingearbeiteten Klägerin ausschließlich auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz nutzen zu können, ohne ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis begründen zu müssen.
32 Darüber hinaus behauptet die Klägerin in ihrem die Berufungsbegründung ergänzenden Schriftsatz vom 21.07.2005, sie sei nur mit dem
Argument, es handle sich um eine bloße Formalie, dazu gebracht worden, den Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu unterschreiben. Dabei sei sie
überrumpelt und – wie die Klägerin meint – regelrecht getäuscht worden, weil sie nicht darüber informiert worden sei, dass es sich bei der
Beklagten um eine andere Arbeitgeberin handle, zumal auch bei dem ersten Arbeitsverhältnis der Klägerin in der E-Gruppe ein
Arbeitgeberwechsel stattgefunden habe.
33 Der Klägerin sei es auch nicht verwehrt, ihre Feststellungsklage gegen die Beklagte als Verleiherin zu richten. Da die Beklagte, ihre
Muttergesellschaft und die E2 GmbH kollusiv zusammengewirkt hätten, verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte darauf
berufe, nicht die richtige Arbeitgeberin zu sein.
34 Die Klägerin beantragt und stellt dabei klar, dass dem letzten Halbsatz des Sachantrags keine eigenständige prozessuale Bedeutung zukommen
soll:
35
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 17.02.2005 (Az. 4 Ca 489/04) wird aufgehoben.
36
2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der am 01.09.2003 vereinbarten
Befristung zum 31.08.2004 geendet hat, sondern unbefristet fortbesteht.
37 Die Beklagte beantragt,
38
die Berufung zurückzuweisen.
39 Die Beklagte hält die Berufung bereits für unzulässig nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO, da sie sich nicht einzelfallbezogen
mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander setze. Es genüge auch bei Rechtsfragen nicht, dass der Berufungsführer in der
Berufungsbegründung kursorisch die Argumente seines früheren Vortrags wiederhole und im Übrigen auf seinen Vortrag erster Instanz verweise.
40 Jedenfalls sei die Berufung unbegründet. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe, sei "Arbeitgeber" im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG auch nach In-Kraft-Treten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes der Vertragsarbeitgeber, zumal nach Auffassung des
Bundesarbeitsgerichts sogar ein Betriebsübergang im Zusammenhang mit einer Verschmelzung nicht dazu führe, dass übertragender und
übernehmender Rechtsträger als derselbe Arbeitgeber anzusehen seien.
41 Die Beklagte habe das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch nicht rechtsmissbräuchlich umgangen. Die Rückleihe eines
Arbeitnehmers stelle eine nach § 14 Abs. 2 TzBfG zulässige Gestaltung dar, wie die Gesetzesgeschichte zeige. Der Gesetzgeber habe bei der
Reform des Beschäftigungsförderungsgesetzes im Jahr 1996 in § 1 Abs. 3 BeschFG – ebenso wie heute in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG – in
Kenntnis der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.02.1988 zur befristeten Folgebeschäftigung im Entleiherbetrieb an dem Begriff
"desselben Arbeitgebers" festgehalten. Daran zeige sich der gesetzgeberische Wille, mit dem Anschlussverbot ausschließlich an die
individualvertragliche Bindung und nicht an die frühere tatsächliche Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers anzuknüpfen.
42 Für eine unterschiedliche Behandlung der Konstellationen der Folgebeschäftigung beim Entleiher und des Folgearbeitsverhältnisses bei einem
Leiharbeitsunternehmen bestehe kein Grund. Rechtsmissbräuchlich werde eine Rückleihe erst dann, wenn die Arbeitnehmer in ein
"Personalkarussell" gerieten, das dazu führe, dass auf die begründeten Arbeitsverhältnisse stets Befristungsrecht anzuwenden sei. Ein solcher
mehrfacher Arbeitgeberwechsel könne jedoch nur eintreten, wenn die beteiligten Arbeitgeber ausschließlich das Ziel verfolgten, sachgrundlose
Befristungen aneinander zu reihen. Trete dagegen wie hier nur ein Arbeitgeberwechsel mit Rückleihe ein, handle es sich um den Normalfall
einer rechtmäßigen Gestaltung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.
43 Bei der Beklagten handle es sich mit Blick auf ihre differenzierte Aufgabenstellung und ihre Mitarbeiterstruktur auch keineswegs um ein bloßes
"Werkzeug zur Umgehung von Befristungsbeschränkungen". Nur ergänzend sei daher darauf hinzuweisen, dass es nicht auf einen "kollektiven
Rechtsmissbrauch" ankomme, sondern der Gesamtcharakter des einzelnen befristeten Arbeitsvertrags der Klägerin und der Beklagten
maßgeblich sei.
44 Selbst wenn entgegen der Ansicht der Beklagten bei einer Rückleihe an den früheren Arbeitgeber eine rechtsmissbräuchliche Umgehung des
Anschlussverbots angenommen werde, könne sich der betroffene Arbeitnehmer aber allenfalls an den Entleiher halten. Der Verleiher sei der
falsche Beklagte.
45 Für die Befristung des Arbeitsvertrags der Klägerin mit der Beklagten habe auch ein sachlicher Grund bestanden. Bei Vertragsschluss sei
absehbar gewesen, dass der Personalbedarf im E.-Konzern sinken werde. Das belegten die verschiedenen im Jahr 2003 durchgeführten
Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen. Die Einführung der Teamleiterstruktur bei der E2 GmbH habe mithilfe der
Bindegliedfunktion der Teamleiter zu einer rascheren Umsetzung von Unternehmerentscheidungen und einer Effektivierung der Arbeitsabläufe
geführt. Aufgrund der Umstellung von der handschriftlichen Abrechnungsweise auf ein elektronisches Abrechnungssystem seien
Rationalisierungswirkungen eingetreten. Mit der Verschmelzung der N. AG & Co. KG auf die E2 GmbH seien Synergieeffekte erzielt worden, die
zu einem weiteren Personalüberhang im Servicebereich, in dem die Klägerin eingesetzt gewesen sei, geführt hätten.
46 Schließlich sei die Behauptung der Klägerin, sie sei bei Vertragsschluss getäuscht worden, falsch. Ergänzend zu dem eindeutigen Wortlaut des
Vertragsangebots sei die Klägerin bei seiner Übergabe ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass mit ihrer Unterzeichnung ein
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten entstehen werde, zumal der Unternehmensgegenstand der Beklagten der Klägerin ebenso wie wohl allen
Arbeitnehmern des E.-Konzerns ein Begriff gewesen sei.
47 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands verweist das Gericht gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze, ihre
Anlagen und die Sitzungsniederschriften.
Entscheidungsgründe
48
A. Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft. Die Berufung ist
auch form- und fristgerecht eingelegt und vor Ablauf der Begründungsfrist ordnungsgemäß begründet worden. Die Kammer vermag sich der
Auffassung der Beklagten nicht anzuschließen, die Berufung sei bereits unzulässig, weil sich die Berufungsbegründung vom 25.04.2005 nicht
hinreichend mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils auseinander setze.
49
I. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO verlangt die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die
angefochtene Entscheidung ergibt. Der Berufungsführer kann eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nur im Rahmen der
Berufungsgründe des § 513 Abs. 1 ZPO und des Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts nach § 529 ZPO erreichen. Die Kammer verkennt
nicht, dass es deshalb nicht genügt, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Erstgerichts mit formelhaften Wendungen zu rügen oder
lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (für die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGH 06.05.1999 – III ZR
265/98 – NJW 1999, 3126, zu II 1 der Gründe; BGH 24.06.1999 – I ZR 164/97 – NJW 1999, 3269, zu II 1 der Gründe; BGH 15.06.2000 – I ZR
231/97 – NJW 2001, 228, zu I 2 der Gründe, jeweils noch zu § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F., wonach die Berufungsbegründung die bestimmte
Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und
Beweiseinreden enthalten musste, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hatte). Ebenso wie § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F.
will § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO n. F. gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird. Die
Bestimmung soll den Berufungsführer dazu anhalten, die Beurteilung des Falls durch das Erstgericht zu überprüfen und – auf die konkrete
Konstellation zugeschnitten – darauf hinzuweisen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art und aus welchen Gründen er das
angefochtene Urteil für unrichtig hält. Die bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen reicht selbst dann nicht aus, wenn der Streit
nur eine einzelne Rechtsfrage betrifft (vgl. die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.08.2002 – 2 AZR
473/01 – AP ZPO § 519 Nr. 55, zu 2 der Gründe, unter Hinweis auf BGH 18.02.1981 – IV b ZB 505/81 – NJW 1981, 1620).
50
II. Eine in allen Details schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann aber nicht verlangt werden (BAG 09.10.1997 – 2 AZR 32/97 – n. v., zu II
2 der Gründe). Die Berufungsbegründungsschrift muss sich lediglich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angegriffenen
Urteils befassen, die der Berufungsführer bekämpfen will (vgl. BAG 28.02.2002 – 6 AZR 731/00 – n. v., zu 1 der Gründe). Diesen Anforderungen
wird die Berufungsbegründung vom 25.04.2000 noch gerecht, wobei es sich aus Sicht der Kammer um einen Grenzfall handelt.
51
1. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit vielfältigen Folgebegründungen im Wesentlichen deswegen abgewiesen, weil Arbeitgeber im Sinne des
§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der Vertragsarbeitgeber sei. Die Verkettung zweier sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse im Konzern von
jeweils höchstens zwei Jahren entspreche möglicherweise nicht dem gesetzgeberischen Leitbild, sei wegen der hier gegebenen nicht zu
beanstandenden Gründe für die gewählte Konstruktion aber noch nicht mit dem Verdikt des Rechtsmissbrauchs behaftet.
52
2. Dem ist die Klägerin in der Berufungsbegründungsschrift vom 25.04.2005 in den beiden Problemkreisen des Verstoßes gegen das
Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und des Rechtsmissbrauchs mit zwei Argumenten entgegengetreten: Die offensichtliche
Absprache der Beklagten mit ihrer Muttergesellschaft und der vorherigen Arbeitgeberin der Klägerin verletze § 14 TzBfG. Sonst seien
sachgrundlose Befristungen von vierjähriger Dauer möglich. Jedenfalls sei ein Verstoß gegen § 242 BGB durch Umgehung des § 14 Abs. 2
Satz 1 TzBfG anzunehmen, da Großkonzerne andernfalls begünstigt würden.
53
Zwar hat sich die Klägerin auf diese Weise nicht mit den Einzelheiten der Argumentation des Arbeitsgerichts befasst, vor allem nicht mit der
Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zugunsten des Vertragsarbeitgebers und der nach Auffassung des Arbeitsgerichts auch vor dem
Hintergrund des Anschlussverbots nicht zu beanstandenden Einrichtung eines Leiharbeitsunternehmens im Konzern bei nur einmaligem
Arbeitgeberwechsel. Dennoch genügen die beiden Angriffe auf die Hauptargumentationslinien des Arbeitsgerichts noch dem Erfordernis einer
ausreichenden Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils. Die in der Berufungsfrist eingereichte Berufungsbegründung
erschöpft sich insbesondere nicht in einer bloßen Bewertung der Gründe des Arbeitsgerichts als unrichtig, sondern greift – wenn auch nicht
näher ausdifferenziert – auf zwei Begründungsansätze zurück. Unter dieser Voraussetzung war es der Klägerin nicht verwehrt, sich im Übrigen
auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zu beziehen. Die Berufung ist daher zulässig, §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG, 222 Abs. 2, 519, 520
ZPO.
54
B. Die Berufung ist aber nicht begründet. Die zulässige punktuelle Feststellungsklage hat in der Sache keinen Erfolg, wie das Arbeitsgericht zu
Recht erkannt hat. Die Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien vom 10.06.2003 ist wirksam. Sie verstößt weder gegen § 14 Abs. 2 Satz 1
und 2 TzBfG noch gegen § 242 BGB und beendete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.08.2004. Der im ersten Rechtszug ohnehin nur als
unechter Hilfsantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist in der Berufung schon nicht angefallen, weil die Klägerin ihn auch nicht für den
Fall ihres Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zur Entscheidung gestellt hat.
55
I. Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien wahrt die Erfordernisse des § 14 Abs. 2 TzBfG.
56
1. Da die Befristung das Arbeitsverhältnis auch ohne Sachgrund beendet, kommt es nicht darauf an, ob der im Berufungsrechtszug zuletzt
gehaltene Vortrag der Beklagten zusätzlich auf den sachlichen Grund des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG oder einen anderen Sachgrund schließen lässt.
57
a) Dem steht nicht entgegen, dass im Arbeitsvertrag der Parteien vom 10.06.2003 kein Grund für die Befristung angegeben ist. Für keinen der
drei Tatbestände der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2, 2a und 3 TzBfG besteht ein gesetzliches Zitiergebot. Die Geltung des § 14
Abs. 2 TzBfG setzt deswegen keine Vereinbarung der Parteien voraus, die Befristung auf § 14 Abs. 2 TzBfG stützen zu wollen. Maßgeblich ist
allein, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen bei Vertragsschluss erfüllt waren und das Anschlussverbot nicht verletzt wird (ständige
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 und 1996, vgl. zu § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 beispielsweise BAG
15.08.2001 – 7 AZR 219/00 – EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 26, zu B II 2 a der Gründe; zu § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 etwa BAG 04.12.2002 – 7 AZR
545/01 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 17, zu II 1 a aa der Gründe). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den in § 1 Abs. 1 BeschFG
1985 und 1996 enthaltenen Vorgängerregelungen ist nach Ansicht der Kammer auf § 14 Abs. 2 bis 3 TzBfG zu übertragen (ebenso zum
Beispiel Arnold/Gräfl, Gräfl, Praxiskommentar zum TzBfG, 1. Auflage 2005, § 14 Rn. 208; Meinel/Hein/Herms, Meinel, TzBfG, 1. Auflage 2002, §
14 Rn. 91; zweifelnd demgegenüber Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR, 6. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 168 f., der das fehlende
Zitiergebot zwar grundsätzlich anerkennt, bei einem nicht eindeutig zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen aber wegen des in der Begründung
des Regierungsentwurfs – in BT-Drs. 14/4374 S. 13 – genannten Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 14 Abs. 1 und 2 TzBfG in Richtung
einer ausschließlichen Überprüfbarkeit als Sachgrundbefristung tendiert).
58
b) Ein Zitiergebot ergibt sich insbesondere nicht aus § 14 Abs. 4 TzBfG. Die Norm bestimmt nur, dass die Befristung selbst schriftlich vereinbart
werden muss, während der Rechtfertigungsgrund für die Befristung nicht dem Schriftformerfordernis unterfällt (statt vieler Arnold/Gräfl, Gräfl,
Praxiskommentar zum TzBfG, 1. Auflage 2005, § 14 Rn. 208). Auch ein tariflicher Zitierzwang besteht im zu entscheidenden Fall nicht.
59
c) Da der Arbeitsvertrag der Parteien erst am 10.06.2003 geschlossen wurde, ergibt sich aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ebenfalls
kein Zitiergebot. Die in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AÜG a. F. enthaltene Regelung, wonach in der Vertragsurkunde die Gründe für eine Befristung
anzugeben waren, trat nach der Übergangsregelung des § 19 Satz 1 AÜG schon mit Ablauf des 31.12.2002 außer Kraft (Schüren/Feuerborn,
AÜG, 2. Auflage 2003, § 11 AÜG Rn. 11 c; zu dem Gesetzeszweck des in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AÜG a. F. enthaltenen Zitiergebots, die
Beachtung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG a. F. durch die damalige Bundesanstalt für Arbeit sicherzustellen, und dem Einfluss der anzugebenden
Befristungsgründe auf die Darlegungs- und Beweislast im Entfristungsprozess Schüren, AÜG, 1. Auflage 1994, § 11 Rn. 27 und § 9 Rn. 100 ff.;
zu der späteren vollständigen Anwendbarkeit des Teilzeit- und Befristungsgesetzes auf Leiharbeitsverhältnisse seit dem 01.01.2004 KR/Lipke,
7. Auflage 2004, § 14 Rn. 278). Die seit dem 01.01.2003 geltende Neufassung des § 11 Abs. 1 AÜG verlangt nicht länger, dass die
Befristungsgründe in der Niederschrift oder dem Vertrag angegeben werden. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NachwG und § 14 Abs. 4 TzBfG schreiben
bei Zeitbefristungen nur die hier in Ziffern 1 Abs. 1, 2 und 7 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 10.06.2003 erfolgte Angabe der Befristungsdauer vor
(Schüren/Feuerborn, AÜG, 2. Auflage 2003, § 11 AÜG Rn. 29).
60
d) Trotz des fehlenden Zitiergebots kommt vorliegend ausschließlich eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG in Betracht. Die
Sonderformen des § 14 Abs. 2a oder 3 TzBfG, auf die sich die Beklagte selbst nicht beruft, scheiden aufgrund der folgenden – nur ergänzenden
Überlegungen – aus.
61
aa) Zwar ist das Existenzgründerprivileg des § 14 Abs. 2a TzBfG nicht auf Unternehmen beschränkt, die erst nach In-Kraft-Treten der
Bestimmung am 01.01.2004 gegründet wurden. Maßgeblich ist nur, ob der Vierjahreszeitraum noch nicht verstrichen ist. Bis zu der gesetzlichen
Höchstdauer von vier Jahren können nach § 14 Abs. 2a TzBfG auch vor dem 01.01.2004 sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse in neu
gegründeten Unternehmen verlängert werden, selbst wenn diese Arbeitsverhältnisse zunächst auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 TzBfG
begründet wurden (HaKo-Mestwerdt, KSchG, 2. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 189).
62
Hier handelte es sich jedoch zum einen um eine Erstbefristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien, auf die nach den allgemeinen Regeln die
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 10.06.2003 geltende Fassung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes anzuwenden war. Die Altfassung
des Gesetzes enthielt § 14 Abs. 2a aber gerade noch nicht. Eine nach dem In-Kraft-Treten der Norm am 01.01.2004 vereinbarte Verlängerung
steht hier nicht im Streit. Zum anderen ist die Beklagte nach ihrem insoweit maßgeblichen eigenen Vortrag keine Neugründung, sondern ein seit
1996 verselbständigtes und am Markt eingeführtes Unternehmen. Selbst wenn die Beklagte erst sehr viel später aus der Abteilung P. der
damaligen B. AG hervorgegangen wäre, als es nach ihrem eigenen Vorbringen geschah, käme ihr das Befristungsprivileg des § 14 Abs. 2a
TzBfG nicht zugute. Das Existenzgründerprivileg verfolgt den Zweck, den unternehmerischen Neuanfang zu erleichtern, soll dagegen nicht die
Fortsetzung einer unternehmerischen Aktivität in einer neuen Rechtsform begünstigen (HaKo-Mestwerdt, KSchG, 2. Auflage 2004, § 14 TzBfG
Rn. 190).
63
bb) Die Klägerin hatte bei Vertragsschluss am 10.06.2003 auch bei weitem noch nicht das 52. Lebensjahr vollendet, also nicht das seit dem In-
Kraft-Treten der hierfür maßgeblichen Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes am 01.01.2003 nötige Lebensalter erreicht (Art. 7 des
Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl. I S. 4607). Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG
sind demnach nicht erfüllt. Die Beklagte stützt die Befristung – soweit sie keinen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG geltend macht – folgerichtig
ausschließlich auf § 14 Abs. 2 TzBfG.
64
e) Hier spricht auch nichts dafür, dass die Parteien die Anwendbarkeit von § 14 Abs. 2 TzBfG schlüssig abbedingen wollten (zu diesem
Prüfungserfordernis BAG 05.06.2002 – 7 AZR 241/01 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 13, zu II 1 der Gründe). Der schriftliche Arbeitsvertrag und die
Umstände des Vertragsschlusses ergeben hierfür selbst dann keine Anhaltspunkte, wenn die streitige Täuschung an dieser Stelle als wahr
unterstellt wird. Die Klägerin behauptet lediglich, sie sei über die Person ihrer Vertragspartnerin getäuscht worden. Dagegen macht sie nicht
geltend, die seitens der Beklagten handelnden Personen hätten aus der Sicht eines objektiven Dritten zum Ausdruck gebracht, dass die
Befristung ausschließlich auf einen Sachgrund gestützt werden solle.
65
2. Die von der Kammer bejahte Befristungsgrundlage des § 14 Abs. 2 TzBfG ist ferner gemeinschaftsrechtskonform. Sie verstößt weder gegen
Art. 2 der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge
noch gegen §§ 5 und 8 der Rahmenvereinbarung der genannten europäischen Sozialpartner über befristete Arbeitsverträge vom 18.03.1999.
Die Rahmenvereinbarung wird mithilfe der Richtlinie durchgeführt und ist in ihrem Anhang enthalten (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften L 175/43).
66
Die Frage einer möglichen richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung des nationalen Umsetzungsrechts mit dem Ziel, dem im
Privatrechtsverkehr – nach zumindest bisher überwiegender Auffassung – nicht unmittelbar wirkenden sekundären Gemeinschaftsrecht
weitestmöglich zum Durchbruch zu verhelfen, stellt sich daher nicht (die horizontale Direktwirkung unter Privaten erneut verneinend zum
Beispiel EuGH Pfeiffer und andere vom 05.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 – AP EWG-Richtlinie Nr. 93/104 Nr. 12 Rn. 108 f.; BAG 18.02.2003
– 1 ABR 2/02 – AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12, zu B IV 4 b cc der Gründe; ErfK/Wißmann 5. Auflage Vorbemerkung zum EG Rn. 10 f.,
vgl. dort auch Rn. 9 bis 15; Kerwer NZA 2002, 1316, 1320 f. m. w. N., auch zu der Gegenmeinung; Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5,
22, 23; zu den Notwendigkeiten einer richtlinienkonformer Auslegung im weiteren Sinn bei fehlender horizontaler Direktwirkung EuGH Pfeiffer
und andere vom 05.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 – AP EWG-Richtlinie Nr. 93/104 Nr. 12 Rn. 110 ff.; BAG 18.02.2003 – 1 ABR 2/02 – AP
BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12, zu B IV 3 b dd der Gründe, dazu beispielsweise auch Schlachter RdA 2005, 115, 117 ff. und dieselbe
jüngst in Festschrift Wißmann 2005, 412 ff. sowie Wißmann RdA 1998, 221, 227 f.).
67
a) Die Befristungsrichtlinie selbst regelt in Art. 2 nur das allgemeine Umsetzungserfordernis in den nationalstaatlichen Rechtsordnungen der
Mitgliedstaaten. § 5 der Rahmenvereinbarung sieht im Unterschied dazu bestimmte Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch vor. Um
missbräuchlichen Gestaltungen durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse entgegenzuwirken, müssen die
Mitgliedstaaten nach § 5 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen ergreifen, wenn keine gleichwertigen
gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen:
68
(a) die Vorgabe nötiger sachlicher Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
69
(b) die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinander folgender Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse;
70
(c) die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.
71
§ 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu festzulegen, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge
oder (so genannte) Beschäftigungsverhältnisse
72
(a) als "aufeinander folgend" zu betrachten sind;
73
(b) als unbefristete Verträge oder Verhältnisse zu gelten haben.
74
§ 8 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung gestattet es den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern ausdrücklich, günstigere Bestimmungen für
Arbeitnehmer beizubehalten oder einzuführen, als sie in der Vereinbarung vorgesehen sind. Nach § 8 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung
schließlich darf ihre Umsetzung nicht als Rechtfertigung für die Senkung des allgemeinen Niveaus des Arbeitnehmerschutzes in dem von der
Vereinbarung erfassten Bereich dienen.
75
b) Was § 14 Abs. 2 TzBfG im Besonderen angeht, wird Satz 1 der Regelung für sich betrachtet – soweit erkennbar, einhellig – für
richtlinienkonform gehalten. Denn Buchstaben b und c des § 5 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung eröffnen den Mitgliedstaaten alternativ die
Möglichkeiten, anstelle des Erfordernisses eines sachlichen Grundes für eine Verlängerung nach § 5 Abs. 1 lit. a der Rahmenvereinbarung die
Zahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung zu begrenzen. Hiervon hat der nationale Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 Satz 1
TzBfG (und in § 14 Abs. 2a TzBfG) Gebrauch gemacht (Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR, 6. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 151). Ein
Verstoß gegen das Verbot des § 8 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung, das allgemeine Schutzniveau zu senken, wird aber aus zwei Gründen
diskutiert:
76
– Erstens wird der Übergang auf eine Dauerregelung problematisiert, nachdem das Beschäftigungsförderungsgesetz in seinen
unterschiedlichen Fassungen seit 1985 immer nur zeitlich beschränkt in vier- bis fünfjährigen Perioden gegolten hatte (zu diesem
Einwand insbesondere Blanke AiB 2000, 734; Däubler ZIP 2000, 1967 und derselbe in Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, 6. Auflage
2004, § 14 TzBfG Rn. 152 sowie Schmalenberg NZA 2000, 1043 f.).
77
– Zweitens wird die durch die Tariföffnung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ermöglichte größere Anzahl der Verlängerungen und die
Ausdehnung der Höchstbefristungsdauer für bedenklich gehalten (Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR, 6. Auflage 2004, § 14
TzBfG Rn. 152 und 173, der hinsichtlich des zweiten Problemkreises auch eine richtlinienkonforme Interpretation für nur schwerlich
durchführbar hält).
78
c) Die Kammer geht dennoch davon aus, dass § 14 Abs. 2 TzBfG in seinem intrasystematischen Gesamtgefüge § 8 Abs. 3 der
Rahmenvereinbarung entspricht.
79
aa) Ein Argument hierfür ist, dass sachgrundlose Befristungen bereits seit 1985 zulässig waren. Für den Vergleich des Schutzniveaus ist nicht
auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 12.10.1960 abzustellen, mit dem die durch das Teilzeit- und
Befristungsgesetz abgelöste Umgehungsdogmatik begründet wurde (– GS 1/59 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16). Vielmehr ist
der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der die Rahmenvereinbarung durchführenden Befristungsrichtlinie am 10.07.1999 – dem Tag ihrer
Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Art. 3 der Richtlinie) – entscheidend (ebenso APS/Backhaus, 2. Auflage 2004,
§ 14 TzBfG Rn. 366; Boewer, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 225; KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 273; in einer Nuance abweichend
Löwisch NZA 2000, 1044 f., der auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Rahmenvereinbarung am 18.03.1999 abhebt und damit Schmalenberg
NZA 2000, 1043 f. widerspricht). Bei In-Kraft-Treten der Richtlinie am 10.07.1999 bestand im deutschen Recht aber bereits seit In-Kraft-Treten
des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26.04.1985 (BGBl. I S. 710) am 01.05.1985 – also seit über 14 Jahren – eine gesetzliche
Grundlage für sachgrundlose Befristungen. Maßgeblich war am 10.07.1999 die am 01.10.1996 in Kraft getretene Fassung des so genannten
Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996 (BGBl. I S. 1476).
80
bb) Soweit die mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz eingeführte Dauerregelung und die in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG enthaltene Tariföffnung
überhaupt als Verschlechterungen des nationalen Schutzniveaus betrachtet werden, steht diesem abgesenkten Schutzstandard ein erheblich
erhöhter Arbeitnehmerschutz durch das verschärfte Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gegenüber. Danach schadet einer
sachgrundlosen Befristung – anders als nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 – ausnahmslos jegliche Vorbeschäftigung im
Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ohne zeitliche Beschränkung. Befristungsketten sind deutlich erschwert. Im Unterschied zu § 1 Abs. 3 Satz 1
BeschFG 1996 verbietet § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch dann sachgrundlose Befristungen, wenn kein enger sachlicher Zusammenhang im
Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996 zu einem früheren unbefristeten oder befristeten Arbeitsvertrag besteht. Demgegenüber waren
solche Kettenbefristungen – insbesondere auch Kombinationen aus Sachgrundbefristungen und ihnen folgenden sachgrundlosen Befristungen
– während der Geltung des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1996 möglich. Sie setzten lediglich voraus, dass nach § 1 Abs. 3 Satz 1
BeschFG 1996 kein enger Zusammenhang der beiden Arbeitsverträge bestand (BAG 22.03.2000 – 7 AZR 581/98 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 1,
zu B II 1 a der Gründe; BAG 28.06.2000 – 7 AZR 886/98 – RzK I 9 b Nr. 42, zu I 5 der Gründe). Das Anschlussverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1
BeschFG war abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG also nur beschränkt.
81
Der in § 8 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung verwendete Begriff der Senkung des allgemeinen Niveaus des Arbeitnehmerschutzes bringt dabei
in bemerkenswerter Klarheit den Willen der europäischen Sozialpartner und des durchführenden Richtliniengebers zum Ausdruck, nur das
Gesamtgefüge des nationalen Schutzniveaus daraufhin zu messen, ob es sich nach der Umsetzung der Richtlinie aus Arbeitnehmerperspektive
verschlechterte. Einzelne Komponenten – wie die mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz eingetretene Dauerregelung und die Tariföffnung des
§ 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG – können nach dem Richtlinienzweck nicht isoliert betrachtet werden, wie die Begriffspaarung "allgemeinen Niveaus"
zeigt (ebenso APS/Backhaus, 2. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 366, der aus der in § 8 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung enthaltenen
Formulierung der "Rechtfertigung für die Senkung des allgemeinen Niveaus ..." ein weiteres Wortlautargument ableitet, wonach die
Rahmenvereinbarung nicht Anlass der nach deutschem Recht bereits seit geraumer Zeit möglichen sachgrundlosen Befristung gewesen sei;
Boewer, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 225; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, 2004, Rn. 523; Arnold/Gräfl, Gräfl, Praxiskommentar zum
TzBfG, 1. Auflage 2005, § 14 Rn. 242; KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 273; HaKo-Mestwerdt, KSchG, 2. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 151;
MünchArbR/Wank, Ergänzungsband Individualarbeitsrecht, 2. Auflage 2001, § 116 Rn. 78).
82
§ 14 Abs. 2 TzBfG hält einer Überprüfung nach § 8 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung deshalb stand (im Ergebnis wie hier APS/Backhaus, 2.
Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 366; Bauer NZA 2000, 756 entgegen Schmalenberg NZA 2000, 582; Boewer, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn.
225; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, 2004, Rn. 522 f.; Arnold/Gräfl, Gräfl, Praxiskommentar zum TzBfG, 1. Auflage 2005, § 14 Rn. 242;
Hanau NZA 2000, 1045; KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 272 f.; Löwisch NZA 2000, 756 gleichfalls entgegen Schmalenberg NZA 2000,
582; Löwisch NZA 2000, 1044 entgegen Schmalenberg NZA 2000, 1043 f.; HaKo-Mestwerdt, KSchG, 2. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 151;
MünchArbR/Wank, Ergänzungsband Individualarbeitsrecht, 2. Auflage 2001, § 116 Rn. 78; anderer Ansicht Däubler in ZIP 2000, 1967 und in
Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, 6. Auflage 2004 sowie Schmalenberg NZA 2000, 1043 f.).
83
3. § 14 Abs. 2 TzBfG begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (abweichend Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR, 6.
Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 149). Mit Däubler (a. a. O.) ist allerdings davon auszugehen, dass Art 12. Abs. 1 GG ein Minimum an
Bestandsschutz verlangt. Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses darf nicht von willkürlichen oder diskriminierenden Erwägungen des
Arbeitgebers abhängen.
84
Der Normzweck des § 14 Abs. 2 TzBfG und das in seinen Satz 2 aufgenommene absolute Anschlussverbot sprechen jedoch für einen mit der
Regelung gefundenen schonenden Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers, die jeweils aus
Art. 12 Abs. 1 GG folgen. Intention der Bundesregierung war es, Unternehmen mithilfe der erleichterten Zulassung sachgrundlos befristeter
Arbeitsverträge die Möglichkeit zu geben, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage sowie wechselnde Marktbedingungen durch
Neueinstellungen flexibel zu reagieren. Damit sollte die Wettbewerbsfähigkeit gerade auch der kleinen und mittleren Unternehmen gesichert
und gestärkt werden (BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Dabei ging die Bundesregierung davon aus, dass eine befristete Beschäftigung für viele
Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und zugleich eine Brücke in eine Dauerbeschäftigung sein könne (APS/Backhaus, 2. Auflage
2004, § 14 TzBfG Rn. 360). Die Erwartung der Brückenfunktion hat sich nach jüngeren Einschätzungen der Bundesregierung anlässlich der
angestrebten Neufassung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG allerdings nicht im erhofften Maß erfüllt (dazu Preis NZA 2005, 714, 715).
85
Das der Arbeitgeberseite durch § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG verliehene Flexibilisierungsinstrument der sachgrundlosen Befristung wird aber
begrenzt. Diese Restriktion bewirken zunächst die in § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG vorgesehene Höchstdauer von zwei Jahren und die auf die
dreimalige Verlängerung beschränkte "Stückelung" des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus tritt der seit In-Kraft-Treten des Teilzeit- und
Befristungsgesetzes unbeschränkten Geltungsdauer des § 14 Abs. 2 TzBfG nicht zuletzt auch das absolute Anschlussverbot des § 14 Abs. 2
Satz 2 TzBfG gegenüber. Diese "Lebenszeitsperre" begrenzt Kettenarbeitsverträge und damit verbundene Missbräuche effektiv (dazu schon
oben B I 2 c bb). Durch das verschärfte Anschlussverbot wird zugleich das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Absatz 1 und 2 des § 14 TzBfG
betont (dem in der Neuregelung ausgedrückten Gesetzeszweck des Anschlussverbots grundsätzlich zustimmend beispielsweise
APS/Backhaus, 2. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 360; Däubler ZIP 2001, 224; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, 2004, Rn. 530; Lakies
DZWIR 2001, 13; KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 296 ff.; kritisch etwa Bauer BB 2001, 2473, 2475; Kliemt NZA 2001, 296, 299 f.; Löwisch
BB 2001, 254, 255 f.; Annuß/Thüsing-Maschmann, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 69 ff. und jüngst Preis NZA 2005, 714, 715 f., die zum Teil
eine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG befürworten).
86
Der mit § 14 Abs. 2 TzBfG gefundene Grundrechtsausgleich wird damit jedenfalls den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG gerecht. Ob ein
milderes Anschlussverbot, wie es der in dritter Lesung durch den Bundestag beschlossene Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vorsieht, noch den Konkordanzerfordernissen genügte, braucht hier nicht entschieden
zu werden. (Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in BT-Drs. 15/5556 und der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft
und Arbeit vom 15.06.2005 in BT-Drs. 15/5714 soll § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG künftig wie folgt lauten: "Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht
zulässig, wenn zwischen dem Beginn des befristeten Arbeitsvertrages und dem Ende eines vorhergehenden unbefristeten oder befristeten
Arbeitsvertrages mit demselben Arbeitgeber ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren liegt." Das Schicksal der Neufassung ist aus Gründen
der Diskontinuität ungewiss, vgl. zu dem Entwurf näher Preis NZA 2005, 714, 715.).
87
4. Wie das Arbeitsgericht mit sorgfältiger Begründung ausgeführt hat, ist § 14 Abs. 2 TzBfG dahin auszulegen, dass sich alle Sätze der Norm auf
den so genannten Vertragsarbeitgeber beziehen. Vertragsarbeitgeber ist dabei die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer
den Arbeitsvertrag geschlossen hat (noch zu dem beschränkten Anschlussverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BeschFG in der Fassung vom
25.09.1996 BAG 25.04.2001 – 7 AZR 376/00 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10, zu II 1 a aa der Gründe; zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG BAG
10.11.2004 – 7 AZR 101/04 – NZA 2005, 514, zu II 1 a und b der Gründe).
88
a) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Vorgängerregelungen der beschränkten Anschlussverbote des
Beschäftigungsförderungsgesetzes in seinen unterschiedlichen Fassungen insbesondere vom 26.04.1985 und 25.09.1996 ist – was den Begriff
des Vertragsarbeitgebers betrifft – auf § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zu übertragen (BAG 10.11.2004 – 7 AZR 101/04 – NZA 2005, 514, zu II 1 a und
b der Gründe).
89
§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unterscheidet sich von seinen Vorgängernormen neben der Strenge seiner Lebenszeitsperre durch die Anknüpfung
an ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG vom 26.04.1985 zuletzt in der Fassung vom 26.07.1994 und § 1
Abs. 3 Satz 1 BeschFG in der Fassung vom 25.09.1996 bezogen sich demgegenüber auf einen Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber. Aus
dem Übergang zum Begriff des Arbeitsverhältnisses lässt sich gleichwohl kein veränderter gesetzgeberischer Wille und Gesetzeszweck
schließen, weil jedes Arbeitsverhältnis durch den ihm zugrunde liegenden Arbeitsvertrag begründet wird, wenn die seltene Ausnahme der
Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch gesetzliche Fiktion außer Acht gelassen wird. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses deutet
demnach in keiner Weise darauf hin, dass der Gesetzgeber das Anschlussverbot nun anstelle der individualvertraglichen Beziehung an die
tatsächliche Eingliederung in den Betrieb hätte binden wollen. Vielmehr stellt der Gesetzgeber des Teilzeit- und Befristungsgesetzes
unverändert auf "denselben Arbeitgeber" ab.
90
Die an Wortlaut, Systematik, Gesetzeszweck und – im Wege einer bestätigenden Kontrollüberlegung – an der Gesetzesgeschichte orientierten
Erwägungen des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 25.04.2001 (– 7 AZR 376/00 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10,
zu II 1 a aa der Gründe) treffen deshalb mit der Modifikation der Anknüpfung an das Arbeitsverhältnis gleichermaßen auf die veränderte
Gesetzesfassung zu (vgl. BAG 10.11.2004 – 7 AZR 101/04 – NZA 2005, 514, zu II 1 b der Gründe).
91
aa) Auch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG meint den Arbeitgeber im arbeitsvertraglichen Sinn. Isoliert könnte der Terminus des Arbeitgebers zwar
abweichend – etwa als Organ der Betriebsverfassung – verstanden werden. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nennt aber das Arbeitsverhältnis mit
demselben Arbeitgeber. Die Bindung an den Arbeitsvertrag spiegelt sich auch nach wie vor in § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG wider. Maßgeblich soll
ersichtlich die individualvertragliche Bindung und nicht die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb sein.
92
bb) Sinn und Zweck des Gesetzes stehen dieser Auslegung anhand des Wortlauts und des Zusammenhangs nicht entgegen. Die Verschärfung
des Anschlussverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG spricht für einen Zweck, der in dieselbe Richtung wie die Vorgängerregelungen weist, aber
über sie hinausgeht. Sozialpolitisch unerwünschte Kettenbefristungen sollen weitestgehend ausgeschlossen werden (dazu schon oben B I 2 c
bb). Hierfür hätte der Gesetzgeber auch auf die Beschäftigung in demselben Betrieb abstellen können, ein solcher Bezug war jedoch nicht
zwingend geboten. Genauso sinnvoll war die Anknüpfung an die vertragliche Beziehung.
93
In den Begriff desselben Arbeitgebers die Beschäftigung in demselben Betrieb hineinzulesen, sprengte daher die Grenzen der grammatischen,
systematischen und teleologischen Interpretation. Der von Däubler (in Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR, 6. Auflage 2004, § 14 TzBfG
Rn. 162) vorgeschlagenen Lösung, den Begriff "desselben Arbeitgebers" bei Tätigkeiten für verschiedene Unternehmen eines Konzerns in
einer Sonderkonstellation erweiternd auszulegen, kann aus diesem Grund nicht gefolgt werden. Auch dann, wenn Personalentscheidungen in
einem Konzern oder einer Gruppe von Unternehmen an einer Stelle konzentriert sind, bleibt es wegen der klaren Anknüpfung des Gesetzes an
die individualvertragliche Bindung bei der Trennung der Vertragsbeziehungen mit den einzelnen Arbeitgebern, wenn im konkreten Fall keine
rechtsmissbräuchliche Umgehung vorliegt. Die von Däubler angeregte erweiternde Auslegung lässt sich mit dem erklärten Gesetzeszweck,
eine rechtssichere Handhabung der Befristungsvorschriften zu gewährleisten, nicht vereinbaren (Meinel/Hein/Herms, Meinel, TzBfG, 1. Auflage
2002, § 14 Rn. 83). Die von § 14 Abs. 2 TzBfG gewollte rechtliche Trennung wird deswegen auch nicht durch eine Konzernversetzungsklausel
überwunden (ebenso KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 304; Osnabrügge NZA 2003, 639, 641; anderer Ansicht Kittner/Däubler/Zwanziger-
Däubler, KSchR, 6. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 162 und möglicherweise auch Annuß/Thüsing-Maschmann, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn.
75 bei konzerneinheitlichen Arbeitsverhältnissen oder zumindest konzerndimensionalem Bezug).
94
cc) Für die Anknüpfung an den Vertragsarbeitgeber spricht ferner die Gesetzesgeschichte. Der Gesetzgeber des Teilzeit- und
Befristungsgesetzes entschied sich in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowohl zu § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG 1985 als
auch zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996 offensichtlich bewusst dagegen, einen theoretisch möglichen anderen Bezugspunkt als den des
Arbeitgebers – wie etwa den Betrieb, die Betriebszugehörigkeit, den Betriebsinhaber oder alternativ sowohl die Betriebszugehörigkeit als auch
die Unternehmenszugehörigkeit oder sogar die Konzernzugehörigkeit – zu wählen (vgl. zu § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG 1985 BAG 08.12.1988 –
2 AZR 308/88 – AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 6, zu 3 b der Gründe, die Entscheidung behandelt ein sich an das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher
anschließendes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher; zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996 BAG 25.04.2001 – 7 AZR 376/00 – AP BeschFG 1996 §
1 Nr. 10, zu II 1 a aa der Gründe, zu aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen mit verschiedenen Unternehmen, die gemeinsam denselben
Betrieb führten; zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG BAG 10.11.2004 – 7 AZR 101/04 – NZA 2005, 514, zu II 1 a und b der Gründe).
95
Wird die hier in der juristischen Person der Beklagten gegebene Identität des Arbeitgeber- und des Unternehmensbegriffs berücksichtigt,
entspricht der Bezug des Gesetzgebers auf den Vertragsarbeitgeber in § 14 Abs. 2 TzBfG spiegelbildlich auch der gesetzgeberischen
Richtungsentscheidung in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG. Für die Wartezeit und die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf freien
Arbeitsplätzen knüpft der allgemeine Kündigungsschutz gleichfalls nur an die Unternehmens-, nicht die Konzernzugehörigkeit an (vgl. zu dem
nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lediglich in besonderen Ausnahmefällen konzerndimensionalen Bezug des
Kündigungsschutzgesetzes grundlegend BAG 14.10.1982 – 2 AZR 568/80 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 1, zu B II und III der Gründe;
bestätigt durch BAG 27.11.1991 – 2 AZR 255/91 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 6, zu B III der Gründe und BAG 21.01.1999 – 2 AZR 648/97
– AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 9, zu II 3 und 4 der Gründe).
96
b) Die soeben genannten Argumente lassen auch eine entsprechende Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthaltenen
Anschlussverbots auf die beiden Arbeitgeberinnen der Klägerin im E.-Konzern – die E2 GmbH bzw. heute E4 Gesellschaft mbH und die
Beklagte – nicht zu. Eine ausfüllungsbedürftige, weil planwidrige Gesetzeslücke besteht erkennbar nicht. Der rechtsmissbräuchlichen
Ausnutzung der durch § 14 Abs. 2 TzBfG eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten kann deshalb nur durch eine Überprüfung im Einzelfall anhand
des Grundsatzes von Treu und Glauben begegnet werden (vgl. BAG 25.04.2001 – 7 AZR 376/00 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10, zu II 1 a bb der
Gründe, noch zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996; ebenso Boewer, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 233).
97
II. Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der Beklagten umgeht das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG aber auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.
98
1. Die Frage des Rechtsmissbrauchs wird in diesem Zusammenhang bisher vor allem im Hinblick auf vier in der Praxis auftretende
Problemlagen diskutiert, für die im Ausgangspunkt – nach jedenfalls überwiegender Auffassung – unterschiedliche Arbeitsverhältnisse mit
verschiedenen Vertragsarbeitgebern angenommen werden (vgl. hierzu zum Beispiel die Übersichten bei APS/Backhaus, 2. Auflage 2004, § 14
TzBfG Rn. 396 ff.; Boewer, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 231, 233 f.; Arnold/Gräfl, Gräfl, Praxiskommentar zum TzBfG, 1. Auflage 2005, § 14
Rn. 229 ff.; KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 304 ff.; Annuß/Thüsing-Maschmann, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 75 ff.; Meinel/Hein/Herms,
Meinel, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 82 ff.; ErfK/Müller-Glöge, 5. Auflage 2005, § 14 TzBfG Rn. 120, 122; anderer Ansicht
Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR, 6. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 162 in dem Sonderfall mehrerer Arbeitsverhältnisse mit
verschiedenen Konzernunternehmen und dennoch an einer Stelle konzentrierter Personalentscheidungsbefugnis, dazu soeben I 4 a bb am
Ende). Dabei handelt es sich um
99
– Folgearbeitsverhältnisse mit dem früheren Entleiher eines Leiharbeitsverhältnisses (dazu BAG 08.12.1988 – 2 AZR 308/88 – AP
BeschFG 1985 § 1 Nr. 6),
100
– aufeinander folgende Arbeitsverhältnisse mit verschiedenen Unternehmen eines gemeinschaftlich geführten Betriebs (BAG 25.04.2001
– 7 AZR 376/00 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10),
101
– sich aneinander anschließende Arbeitsverhältnisse mit verschiedenen Konzernunternehmen und
102
– im Zeitpunkt eines Betriebsübergangs beendete Arbeitsverhältnisse mit dem Betriebsveräußerer und anschließende Arbeitsverhältnisse
mit dem Erwerber, gegebenenfalls auch im Zuge einer Verschmelzung von Rechtsträgern unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege
der Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG (vgl. zu dem Fall eines vor einer aufnehmenden Verschmelzung vollzogenen Betriebsübergangs
nach § 324 UmwG in der bis zum 31.03.2002 geltenden Fassung BAG 10.11.2004 – 7 AZR 101/04 – NZA 2005, 514).
103 2. Der zu entscheidende Fall zeichnet sich dabei durch zwei Besonderheiten aus: die Beschäftigung der Klägerin während der Gesamtdauer
der verschiedenen Arbeitsverhältnisse mit Unternehmen des E.-Konzerns und auch schon zuvor während ihrer Vertragsbeziehung mit der H
Personal-Leasing GmbH auf immer nur einem Arbeitsplatz sowie die Kombination aus Leiharbeitsverhältnis und Konzernkonstellation (vgl. zu
der Identität des Arbeitsplatzes im Zusammenhang mit der Rechtsmissbrauchsfrage etwa Boewer, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 234 und
Annuß/Thüsing-Maschmann, TzBfG, 1. Auflage 2002, § 14 Rn. 78). In einer solchen Gestaltung ist – wie die Klägerin zu Recht anmahnt –
sorgsam zu prüfen, ob der von der Beklagten mit der Klägerin geschlossene Vertrag das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht
entgegen dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Gebot der Redlichkeit umgehen sollte.
104 a) Die sich aus einer Rechtsnorm ergebenden Rechtsfolgen müssen wegen der in § 242 BGB ausgedrückten allgemeinen Schranke der
Rechtsausübung zurücktreten, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren Ergebnis führen. Das ist unter anderem anzunehmen,
wenn ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu nutzt, um
sich zum Nachteil des Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Bestimmung nicht vorgesehen sind. Von
verschiedenen arbeitsvertraglichen Gestaltungsformen, die für den Arbeitnehmer jeweils unterschiedlichen Schutz zur Folge haben, darf der
Arbeitgeber beispielsweise nicht willkürlich die für ihn günstige Alternative wählen (BAG 25.04.2001 – 7 AZR 376/00 – AP BeschFG 1996 § 1
Nr. 10, zu IV 1 der Gründe m. w. N.).
105 In der zuletzt zitierten, zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996 ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2001 führt der
Siebte Senat aus, von einer missbräuchlichen, dem Zweck des Beschäftigungsförderungsgesetzes widersprechenden Gestaltung könne
insbesondere dann gesprochen werden, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem
Zusammenwirken abwechselnd mit einem Arbeitnehmer befristete Arbeitsverträge schlössen, eine Befristung der Arbeitsverträge nach dem
Beschäftigungsförderungsgesetz ohne Auswechslung des Arbeitgebers nicht mehr möglich sei und der Wechsel ausschließlich deshalb
erfolge, um über die nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz vorgesehenen Möglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinander
reihen zu können. In einem solchen Fall sei das Verhalten des Vertragsarbeitgebers darauf angelegt, durch die Vertragsgestaltung zum
Nachteil des Arbeitnehmers eine Rechtsposition zu erlangen, die nach dem Zweck des Beschäftigungsförderungsgesetzes nicht vorgesehen
sei. Ein Rechtsmissbrauch scheide allerdings aus, wenn für den Austausch des Arbeitgebers andere, rechtlich nicht zu missbilligende Gründe
maßgeblich gewesen seien. Bei der Prüfung der Frage, ob sich die Berufung des Arbeitgebers auf § 1 BeschFG ausnahmsweise als
Rechtsmissbrauch darstelle, könnten noch weitere Umstände des Einzelfalls von Bedeutung sein (zu allem BAG 25.04.2001 – 7 AZR 376/00 –
AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10, zu IV 1 a der Gründe).
106 b) Entsprechende Überlegungen sind auch und gerade unter Geltung des absoluten Anschlussverbots nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG
anzustellen. Bei der Prüfung, ob nicht zu beanstandende Gründe für den Arbeitgeberwechsel vorliegen, handelt es sich nach Auffassung der
Kammer nicht um die dogmatisch fragwürdige Untersuchung eines gewissermaßen "minderschweren" sachlichen Grundes im Sinne von § 14
Abs. 1 TzBfG. Vielmehr gebietet der Ausnahmecharakter des Rechtsmissbrauchseinwands, dass keinerlei rechtlich zu missbilligende Gründe
für den Arbeitgeberwechsel erkennbar sind. Diese Gründe brauchen nicht das Gewicht eines sachlichen Grundes im Sinne von § 14 Abs. 1
TzBfG aufzuweisen. Sonst würde das oben unter B I 4 gefundene Ergebnis der Anknüpfung des Anschlussverbots an die einzelvertragliche
Bindung und der daraus folgenden regelmäßigen Trennung der verschiedenen Vertragsbeziehungen und Arbeitgeberstellungen konterkariert.
Die Kammer ist hier auch davon überzeugt, dass es derartige nicht zu beanstandende Gründe für den Arbeitgeberwechsel gab (§ 286 Abs. 1
Satz 1 ZPO).
107 aa) Das Gericht folgt der Klägerin allerdings in ihrem rechtlichen Ausgangspunkt, wonach nicht erst der mehrfache Arbeitgeberwechsel,
sondern bereits der einmalige Austausch des Vertragsarbeitgebers rechtsmissbräuchlich sein kann. Die Verschärfung des in § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG enthaltenen Anschlussverbots gegenüber seinen Vorgängerbestimmungen in § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG 1985 und § 1 Abs. 3 Satz 1
BeschFG 1996 belegt eindrücklich, dass der Gesetzgeber eine vollständige Abkehr von den zuvor anzutreffenden phantasievollen
Personalaustauschmodellen vollziehen wollte (vgl. zu einem "Personalkarussell" im engeren Sinn Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler, KSchR,
6. Auflage 2004, § 14 TzBfG Rn. 146 m. w. N.: Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 BeschFG in einer
"Pause" zwischen den Arbeitsverhältnissen eines ebenfalls aufgrund sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge tätigen Arbeitnehmers; zu dem
früher unter Zuhilfenahme sowohl des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1996 als auch der alten Fassung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes praktizierten so genannten Perlenschnurmodell beispielsweise APS/Backhaus, 2. Auflage 2004, § 14
TzBfG Rn. 400 und KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 296: ein Jahr Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher und Ausleihe an das
Produktionsunternehmen, ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis mit dem Produktionsunternehmen, im Folgejahr wieder
Arbeitnehmerüberlassung usw.; siehe auch KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 296 zu so genannten Reißverschlusssystemen befristeter
Arbeitsverhältnisse: abwechselnd mit und ohne Sachgrund befristete Arbeitsverhältnisse). Die aktuell – zumindest noch – geltende
Gesetzeslage erlaubt dem Arbeitgeber nur ein einziges Mal eine sachgrundlose Befristung, die eine weitere Befristung ohne Sachgrund
während der Lebenszeit des Arbeitnehmers ausschließt (KR/Lipke, 7. Auflage 2004, § 14 Rn. 296; anderer Ansicht die unter B I 3 genannten
Vertreter einer nötigen teleologischen Reduktion des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG). Folglich kann auch der einmalige Arbeitgeberwechsel bereits
rechtsmissbräuchlich sein.
108 bb) Das starke Indiz der dauernden Beschäftigung der Klägerin auf ein und demselben Arbeitsplatz wird hier aber durch mehrere gewichtige,
gegen ein rechtsmissbräuchliches Zusammenwirken der beiden Vertragsarbeitgeber des E.-Konzerns sprechende Umstände widerlegt.
109 (1) Bei dieser Prüfung vermag sich die Kammer der Argumentation der Klägerin nicht anzuschließen, wonach die hier gegebene Konstellation
eines "gewöhnlichen" befristeten Arbeitsverhältnisses vor dem Leiharbeitsverhältnis nicht mit dem Fall eines Folgearbeitsverhältnisses mit dem
früheren Entleiher zu vergleichen sei (zu der letzten Gestaltung BAG 08.12.1988 – 2 AZR 308/88 – AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 6). Aus der
unterschiedlichen Abfolge der Arbeitsverhältnisse ergibt sich noch kein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Gestaltungsmacht
der beiden Arbeitgeber, die es rechtfertigte, die von § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehene rechtliche Trennung der beiden Vertragsbeziehungen zu
durchbrechen.
110 Für die Klägerin war nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrags mit der Beklagten vom 10.06.2003 klar ersichtlich, dass ihr ein anderer
Vertragsarbeitgeber als die E2 GmbH gegenübertrat. Die Beklagte wurde in der Überschrift des Vertrags eindeutig bezeichnet, während der
Kopf des früheren Arbeitsvertrags der Klägerin mit der E1 GmbH vom 07.08.2001 diese Arbeitgeberin als Vertragspartnerin auswies (vgl. die als
Anlagen BB 14 und 15 der Berufungserwiderung vom 15.06.2005 vorgelegten Arbeitsverträge, Blatt 104 ff. und 107 ff. der Berufungsakte). Der
von der Beklagten verfolgte, vorrangig auf konzerninterne, aber gegebenenfalls auch externe Arbeitnehmerüberlassung gerichtete Zweck ging
aus Ziffer 1 des unstreitig von der Beklagten entworfenen Arbeitsvertrags vom 10.06.2003 ebenfalls unzweideutig hervor. Die Klägerin durfte
daher nicht auf den Fortbestand der ursprünglichen Vertragsbeziehung mit der E2 GmbH vertrauen.
111 Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob der Vortrag der Klägerin zu der von ihr erstmals im Berufungsrechtszug behaupteten Täuschung der
Beklagten eine Erwiderung erlaubte. In rechtlicher Hinsicht kann weiter auf sich beruhen, ob eine etwaige Täuschung Rechtsfolgen auslöste,
die über einen Anfechtungsgrund hinausgingen. Eine Anfechtung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Willenserklärung der Klägerin entspräche
jedenfalls nicht ihrem prozessualen Ziel, die unterbliebene Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststellen zu lassen, zumal eine Anfechtung
selbst bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis wegen seiner Durchführung nur für die Zukunft möglich wäre bzw. auf den Zeitpunkt zurückwirkte,
zu dem die Klägerin aufhörte, für die Beklagte zu arbeiten.
112 (2) Entscheidend gegen einen bloßen rechtsmissbräuchlichen Austausch des Vertragsarbeitgebers spricht hier der eine der beiden der von der
Beklagten vorgebrachten Gründe für die nicht mögliche unbefristete Weiterbeschäftigung der Klägerin bei ihrer früheren Arbeitgeberin, der E2
GmbH: die bevorstehende Fusion der E. AG und einiger ihrer Tochtergesellschaften mit der N. AG. Die zu erwartende Fusion macht die
Annahme der damaligen E2 GmbH plausibel, wonach der für die Klägerin zuvor bestehende Beschäftigungsbedarf über das Vertragsende am
31.08.2003 hinaus nicht sicher fortbestehen werde. Das gilt umso mehr, als die E2 GmbH im Jahr 2003 unstreitig verschiedene
Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen – wie die Einführung der Teamleiterstruktur und die Umstellung des
Abrechnungswesens – durchgeführt hatte. Ein gewichtiges Indiz gegen eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der durch § 14 Abs. 2 TzBfG
verliehenen Gestaltungsmöglichkeiten ist weiter der Umstand, dass der Vertrag der Parteien die Höchstbefristungsdauer des § 14 Abs. 2 Satz 1
TzBfG von zwei Jahren nicht ausschöpfte, sondern sich mit einer einjährigen Vertragsbeziehung begnügte. Trotz der durch § 14 Abs. 2 Satz 1
TzBfG eröffneten Verlängerungsmöglichkeiten macht dieser Umstand die ungewisse Beschäftigungslage bei der als Erstentleiherin
vorgesehenen E2 GmbH und damit den Normalfall des § 14 Abs. 2 TzBfG deutlich. Vor diesem Hintergrund wäre es in gleicher Weise
nachzuvollziehen gewesen, wenn die E2 GmbH eine von dem Konzerngefüge der E.-Unternehmen völlig unabhängige externe
Leiharbeitsgesellschaft beauftragt hätte.
113 Normzweck des § 14 Abs. 2 TzBfG ist es gerade, den im Wettbewerb stehenden Unternehmen die Möglichkeit zu geben, auf einen unsicheren
und schwankenden Arbeitsanfall sowie wechselnde Marktbedingungen flexibel reagieren zu können (näher oben B I 3). Die nur befristete
Weiterbeschäftigung der zweifellos eingearbeiteten Klägerin war wegen der erwarteten Fusion und der Umstrukturierung der E2 GmbH
erkennbar nicht das einzige Ziel des Arbeitgeberwechsels, sondern die bloße – wenn auch sicher willkommene – Folge der Beauftragung des
konzerninternen Leiharbeitsunternehmens, der Beklagten. Die so genannte Übertragung von Urlaubspflichten und Verpflichtungen aus
Überarbeit der Klägerin von der E2 GmbH auf die Beklagte bietet deswegen kein ausreichendes Indiz für ein rechtsmissbräuchliches
Zusammenwirken der beiden Vertragsarbeitgeberinnen und gegebenenfalls ihrer Konzernmutter, sondern sollte den Wechsel für die Klägerin
offenbar einfacher gestalten.
114 Der Vortrag der bevorstehenden Fusion enthält im Unterschied zu der abstrakt gebliebenen Liberalisierung des Strommarkts auch
ausreichende tatsächliche Substanz, um der Klägerin eine Entgegnung zu ermöglichen. Würden dem Arbeitgeber in der
Rechtsmissbrauchsprüfung einer sachgrundlosen Befristung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO Einlassungspflichten auferlegt, die den
Darlegungspflichten für einen inner- oder außerbetrieblichen Grund bei einer auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützten Kündigung
entsprächen, würde der soeben genannte, auf Flexibilisierung gerichtete Gesetzeszweck des § 14 Abs. 2 TzBfG vereitelt. Die Beklagte konnte
sich demnach darauf beschränken, einen in sich schlüssigen Grund für den Arbeitgeberwechsel und die Rahmenbedingungen des befristeten
Arbeitsvertrags vorzutragen.
115 Die Klägerin hat die von der Beklagten behauptete künftige Fusion in erster Instanz zwar einfach bestritten, ohne hierzu eigenen
Tatsachenvortrag zu halten. Damit ist sie der ihr im Rahmen des Rechtsmissbrauchseinwands obliegenden – wenn auch gestuften –
Darlegungslast und ihrer letztlichen Beweislast jedoch nicht nachgekommen, zumal die beabsichtigte Fusion Gegenstand des
Medieninteresses war.
116 Die Behauptungs- und Beweislast für den Rechtsmissbrauch trägt derjenige, der sich darauf beruft, hier die klagende Arbeitnehmerin. Zwar
muss sich der Arbeitgeber konkret zu der Behauptung des Arbeitnehmers einlassen, die Auswechslung des Vertragsarbeitgebers habe nur zur
Umgehung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gedient. Der beklagte Arbeitgeber hat also Gründe für den Arbeitgeberwechsel zu nennen.
Dieser Verpflichtung ist die Beklagte jedenfalls mit dem Vortrag der zu erwartenden Fusion nachgekommen. Der Arbeitnehmer muss in der
Folge vorbringen und gegebenenfalls beweisen, dass die vom Arbeitgeber behaupteten Gründe für den Arbeitgeberwechsel keine Rolle
spielten. Aufgabe des Tatrichters ist es, sich gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Überzeugung davon zu bilden, ob die Umgehung des
Teilzeit- und Befristungsgesetzes ausschlaggebender Grund für den Arbeitgeberwechsel war. Bei dieser Überzeugungsbildung hat der
Tatrichter alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Das Risiko der Unbeweisbarkeit – eines so genannten non liquet – trägt der
Arbeitnehmer, der sich auf den Rechtsmissbrauch beruft (zu allem BAG 25.04.2001 – 7 AZR 376/00 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10, zu IV 1 a
der Gründe, noch zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996; vgl. zu einer im Einzelfall abgelehnten rechtsmissbräuchlichen Gestaltung schon unter
Geltung von § 14 Abs. 2 TzBfG LAG Niedersachsen 29.01.2003 – 10 SHa 18/02 – NZA-RR 2003, 624, zu B II 3 der Gründe).
117 Hier musste die Kammer die Klägerin nicht zu weiterem Vortrag auffordern und auch nicht ausdrücklich klären, ob die Klägerin ihr Bestreiten der
bei Vertragsschluss bevorstehenden Fusion im Berufungsrechtszug überhaupt aufrechterhalten wollte. Denn der weitere Inhalt des
Arbeitsvertrags der Parteien, der Unternehmensgegenstand der Beklagten und ihre Mitarbeiterstruktur überzeugten das Gericht in Verbindung
mit dem von der Beklagten in plausibler Weise vorgebrachten Zusammenhang der Fusion mit dem schwankenden Arbeitskräftebedarf der E2
GmbH davon, dass der konkrete Arbeitgeberwechsel nicht darauf abzielte, § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG zu umgehen. Für die
Rechtsmissbrauchsprüfung kommt es dabei zwar auf die konkrete Vertragsbeziehung der Parteien an. Der Geschäftszweck der Beklagten und
die Begleitumstände des Vertragsschlusses sind dennoch indiziell bedeutsam.
118 (a) Auf einen fehlenden Umgehungswillen der beiden Vertragsarbeitgeberinnen der Klägerin aus dem E.-Konzern deutet in dem mit der
Beklagten geschlossenen Vertrag insbesondere die in Ziffern 1 Abs. 2, 3 Abs. 3 sowie 4 Satz 2 und 3 des Arbeitsvertrags der Parteien vom
10.06.2003 enthaltene multiple Versetzungsklausel hin. Die Klägerin konnte wie die Arbeitnehmerin eines "gewöhnlichen" externen
Leiharbeitsunternehmens auch bei konzernfremden Dritten an anderen Arbeitsorten eingesetzt und mit anderen Funktionen betraut werden,
obwohl dieser Fall tatsächlich nicht eintrat. Das Beschäftigungsrisiko der Klägerin trug gleichwohl eindeutig die Beklagte als Leihfirma, die bei
Vertragsschluss unstreitig auch nicht länger durch Provisionszahlungen der Konzernmutter gestützt wurde, sondern "auf eigenes Risiko
arbeitete". Wie bei einem externen Leiharbeitsunternehmen erlangte die Beklagte mit Ausnahme des fachlichen Direktionsrechts die
Weisungsbefugnis und das Einsatzbestimmungsrecht (Ziffer 3 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 10.06.2003). Das Zusammenspiel dieser
Vertragsbestimmungen, der bei der E2 GmbH 2003 durchgeführten Umstrukturierung und der in schlüssiger Weise vorgetragenen
bevorstehenden Fusion mit der N. AG lässt auch erkennen, dass die äußere Gestaltung des Arbeitsvertrags der Parteien nicht nur
vorgeschoben war.
119 (b) Wegen der Maßgeblichkeit der individualvertraglichen Beziehung der Beklagten ist die Quote von 31,06 % der bei ihr im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses der Parteien am 10.06.2003 an ihre früheren Arbeitgeber rückverliehenen Mitarbeiter grundsätzlich nicht entscheidend.
Dennoch bestätigt die darin ausgedrückte nicht systematische ausschließliche Rückleihe die auf die oben genannten Indizien gegründete
Überzeugung der Kammer, dass die Beklagte und die E2 GmbH das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht planvoll umgehen
wollten. Entsprechendes gilt abgeschwächt für den dreigliedrigen Unternehmensgegenstand der Beklagten, der nicht nur eine Auffang- und
Qualifizierungsfunktion für die Opfer von Personalüberhängen anderer Konzerngesellschaften beinhaltet, sondern auch einen
Weiterbeschäftigungsauftrag für frühere Auszubildende der Konzernschwestern sowie – über die Dienstleistungsaufgaben hinaus – einen
produktiven Werkleistungsanteil.
120 Indiziell bedeutsam sind auch die erheblich nach dem Vertragsschluss der Parteien am 10.06.2003 von dem Arbeitgeberverband der
Elektrizitätswerke Baden-Württembergs und ver.di bzw. der Konzernmutter, der Beklagten und ver.di geschlossenen Tarifverträge vom
30.01.2004 und 13.10.2004. An ihnen wird einerseits deutlich, dass für die befristet beschäftigten Arbeitnehmer – soweit möglich – eine
Dauerbeschäftigung in einem der E.-Konzernunternehmen gefunden werden sollte. Andererseits zeigen die Tarifwerke aber auch, dass sich die
von der E2 GmbH bei dem Ende ihres Vertrags mit der Klägerin am 31.08.2003 erstellte Prognose eines schwankenden Beschäftigungsbedarfs
in der Folge bestätigte.
121 III. Da die Kammer davon überzeugt ist, dass die beiden Vertragsarbeitgeberinnen der Klägerin § 14 Abs. 2 TzBfG nicht rechtsmissbräuchlich
umgehen wollten, kommt es nicht auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage ihrer fehlenden Passivlegitimation als bloßer – aus Sicht der
Klägerin – rechtsmissbräuchlich "zwischengeschalteter" Verleiherin an. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob es sich bei diesem
Argument tatsächlich um ein Problem der Beklagtenstellung oder vielmehr nur um die Frage handelt, ob ausschließlich die Entleiherin – die E2
GmbH bzw. heute E4 Gesellschaft mbH – im Fall tatsächlichen Rechtsmissbrauchs diesem Einwand ausgesetzt werden könnte (vgl. zu der
Problemstellung LAG Berlin 07.01.2005 – 6 Sa 2008/04 – BB 2005, 672, nur in den Leitsätzen veröffentlicht).
122 Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts hatte nach allem keinen Erfolg.
123 C. Nebenentscheidungen
124 I. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).
125 II. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hat die Kammer die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
126 Gallner
127 Kober
128 Müller