Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 18.07.2002

LArbG Baden-Württemberg: arbeitsgericht, vorschlag, prämie, einspruch, ex nunc, ex tunc, montage, ausschuss, stimmrecht, form

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 18.7.2002, 21 Sa 13/02
Überprüfbarkeit von Entscheidungen paritätisch besetzter Bewertungs- und Prüfungsausschüsse des betrieblichen Vorschlagswesens
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 20.11.2001 -- Az.: 1 Ca 387/01 -- wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Prämierung eines von ihm eingereichten betrieblichen Verbesserungsvorschlages (im
folgenden VV).
2
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen der ..., welches insbesondere ... herstellt. Der Kläger war bei ihr von August 1996 bis
November 2000 als Montierer in der Niederlassung ... im Leistungslohn beschäftigt und mit der Fertigung von ... betraut.
3
Als der Kläger die Arbeit in der Sonderabteilung ... -- Kostenstelle 5299 -- aufnahm, wurden dort ca. 230 ... pro Schicht gefertigt. Dabei wurde
zunächst der ... im ... montiert, dieser anschließend separat abgelegt und in einem zusätzlichen Arbeitsgang durch eine weitere Person auf
Dichtheit geprüft, um sodann in einem Container abgelegt zu werden.
4
Im Oktober 1999 schlug der Kläger vor, durch eine rechtwinklige Anordnung der Montagetische und der Dichtprüfvorrichtung die Arbeitsgänge
Montage und Dichtprüfen gleichzeitig von einer Person ausführen zu lassen. Dieser Vorschlag wurde auch von dem zuständigen Meister
befürwortet. Durch die geänderte Arbeitsplatzanordnung konnte die Fertigung nach Angaben des Klägers auf 363, nach Angaben der Beklagten
auf 357 ... pro Schicht erhöht werden.
5
Der Kläger reichte daraufhin unter der Nummer 6835 einen Verbesserungsvorschlag ein.
6
In den Betrieben der Beklagten, darunter auch im Werk ..., wird eine von der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat
abgeschlossene "Betriebsvereinbarung Betriebliches Vorschlagswesen" (im folgenden kurz BV-BVW vom 18.03.1991) nebst "Prämienrichtlinien
für Verbesserungsvorschläge mit errechenbarem und nicht errechenbarem Nutzen" (Anlage A2, ArbG Akte Bl. 8-34) angewendet. Darin ist unter
anderem bestimmt:
"1. ... 2. ...
7
3. Definition des Verbesserungsvorschlages (VV)
8
Verbesserungsvorschläge sind Anregungen, durch die ein Ablauf oder ein bestehender Zustand in unserem Unternehmen verbessert
werden soll...
9
Es ist nicht erforderlich, dass die vorgeschlagene Maßnahme an sich neu ist. Lediglich Anwendungsbereich oder Anwendungszweck
müssen neu sein.
10
Verbesserungsvorschläge können z.B. betreffen
a) ...
11
b) Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeit, Verbesserung der Arbeitsbedingungen,
12
c) Vereinfachung von Konstruktionen, Verbesserung und bessere Nutzung von Fertigungsmitteln und Einrichtungen,
13
d) Verbesserungen im Arbeitsablauf, z.B. durch Senkung von Rüst- und Fertigungszeiten, Verkürzung von Transportzeiten und
Transportwegen, Reduzierung von Stillstands- und Wartezeiten, Einführung von Arbeitserleichterungen, ...
14
Kein Verbesserungsvorschlag liegt vor, wenn
1. ... 2. ... 3. ...
15
4. Die (Wieder) Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes gefordert wird,
5. ... 6. ...
16
4. Einreichen und Bearbeiten eines Verbesserungsvorschlages (VV)...
17
5. Organe des Betrieblichen Vorschlagswesens (BVW)
18
5.1. Beauftragter für das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW)...
19
5.2 Gutachter...
20
5.3 Prämienausschuss.
21
Als Prämienausschuss wird ein zentraler Ausschuss für alle inländischen Werke der Fa. ... mit Sitz in ... gebildet.
22
Der Prämienausschuss ist paritätisch besetzt.
23
Ihm gehören als ständige Mitglieder an:
24
-- Zwei Firmenvertreter mit Stimmrecht oder deren Stellvertreter.
25
-- Zwei Arbeitnehmervertreter mit Stimmrecht oder deren Stellvertreter.
26
-- Der BVW-Beauftragte ohne Stimmrecht als Vorsitzender...
27
Der Ausschuss wird vom BVW-Beauftragten einberufen. Der Prämienausschuss tritt vierteljährlich einmal oder nach Bedarf zusammen.
...
28
5.4 Aufgaben des Prämienausschusses
29
Der Prämienausschuss hat die Aufgabe, die vom BVW-Beauftragten bearbeiteten Verbesserungsvorschläge daraufhin zu prüfen, ob die
Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung beachtet wurden. Danach entscheidet er über die vom BVW-Beauftragten vorgeschlagene
Prämie.
30
Der Ausschuss kann in besonders begründeten Fällen einen Gutachter aus einer Fachabteilung hinzuziehen. Der Gutachter hat kein
Stimmrecht.
31
Der Ausschuss soll keine Gutachter einladen, die bereits ein Gutachten über den zur Entscheidung anstehenden
Verbesserungsvorschlag erstellt haben.
32
Der Prämienausschuss entscheidet bei Verbesserungsvorschlägen mit errechenbarem Nutzen bis DM 10.000,00 und bei
Verbesserungsvorschlägen mit nicht errechenbarem Nutzen in der Regel im Umlaufverfahren.
33
Auf Verlangen eines Ausschussmitglieds wird der Verbesserungsvorschlag im Ausschuss behandelt.
34
Bei Verbesserungsvorschlägen mit einem errechenbarem Nutzen von mehr als DM 10.000,00 kann der Prämienausschuss im
Umlaufverfahren entscheiden, wenn alle Ausschussmitglieder diesem Verfahren zustimmen.
35
Der Prämienausschuss entscheidet mit einfacher Mehrheit. Er ist nur bei Anwesenheit von mindestens drei stimmberechtigten
Ausschussmitgliedern beschlussfähig. Stimmenthaltung ist nicht zulässig.
...
36
Die Ergebnisse der Beratungen des Ausschusses werden in einer Niederschrift festgehalten, die von dem Vorsitzenden und zwei
weiteren Mitgliedern des Ausschusses unterschrieben werden.
37
6. Prämie
38
6.1 Prämien für Verbesserungsvorschläge mit errechenbarem Nutzen...
39
6.2 Prämien für Verbesserungsvorschläge mit nicht errechenbarem Nutzen...
40
6.3 Anerkennung bei nicht eingeführten Verbesserungsvorschlägen...
41
7. Zusatzbestimmungen
7.1 ... 7.2 ... 7.3 ... 7.4 ... 7.5 ... 7.6 ... 7.7 ...
42
7.8 Einspruchsmöglichkeit
43
Der Einreicher hat das Recht, innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Entscheidung über seinen Vorschlag bei dem BVW-
Beauftragten Einspruch einzulegen.
44
Der Einspruch ist schriftlich zu begründen.
45
Der Prämienausschuss überprüft den Einspruch in sachlicher Hinsicht, sofern er auf bisher nicht bekannte Tatsachen gestützt wird. Die
im Einspruchsverfahren durch den Prämienausschuss getroffene Entscheidung ist endgültig. Die Abstimmung über den Einspruch
richtet sich nach 5.4.
46
Kommt eine Entscheidung des Prämienausschusses über den Einspruch nicht zu Stande, entscheidet der zuständige GF-Bereich
abschließend. Vor der Entscheidung der Geschäftsführung wird den im Prämienausschuss vertretenen Arbeitnehmervertretern
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
47
7.9 Prämiengarantie
48
Durch den Prämienausschuss festgelegte und ausgezahlte Prämien können nicht zurückgefordert werden.
...
49
Prämienrichtlinien für Verbesserungsvorschläge (VV) mit errechenbarem und nicht errechenbarem Nutzen
50
1. Prämien für Verbesserungsvorschläge mit errechenbarem Nutzen
51
Eingeführte Verbesserungsvorschläge werden prämiert, sobald die damit verbundene Verbesserung ermittelt werden kann.
52
Bei eingeführten Vorschlägen mit errechenbarem Nutzen beträgt die Prämie max. 50 % der in den ersten 12 Monaten nach Einführung
des Verbesserungsvorschlages erzielten bzw. erzielbaren Nettoersparnis.
53
Bei einer Jahresnettoersparnis von über DM 10.000,00 reduziert sich der genannte Prozentsatz entsprechend Tabelle 1.
54
Die Mindestprämie beträgt DM 100,00, die Höchstprämie DM 100.000,00.
55
Die Einführung eines Vorschlages hängt von seinem wirtschaftlichen und/oder sonstigem Nutzen ab. Der wirtschaftliche Nutzen wird in
betriebsüblicher Form (z.B. mit Hilfe einer WIRE) ermittelt.
...
56
2. Prämien für Verbesserungsvorschläge mit nicht errechenbarem Nutzen einschließlich solcher zur Arbeitssicherheit
57
Die Prämie für eingeführte Verbesserungsvorschläge wird mit Hilfe der Tabellen 2, 3 und 4 ermittelt. Sie beträgt mindestens DM 100,00
und höchstens DM 2.000,00.
..."
58 In einem Erstgutachten wurde dem Betrieblichen Vorschlagswesen nach einer Zeitaufnahme in der Kostenstelle 5299 mitgeteilt, dass durch den
Verbesserungsvorschlag des Klägers eine Zeitreduzierung von 185 auf 177 Minuten und unter Berücksichtigung einer jährlichen
Fertigungsstückzahl von 60.000 Stück ... eine Einsparung in Höhe von DM 3.802,00 zu erwarten sei. Hieraus errechne sich eine Prämie gemäß
BV-BVW in Höhe von DM 1.910,00. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben vom 29.09.2000 (Anlage B1, LAG ABl. 57) zur Kenntnis gebracht.
Zugleich wurde ihm eine Prämie in Höhe von DM 1.910,00 brutto ausbezahlt.
59 Damit gab sich der Kläger jedoch nicht zufrieden. Er legte gegen den ihm erteilten Bescheid Einspruch ein.
60 Mit Schreiben vom 22.02.2001 (Anlage B2, LAG ABl. 58) teilte der Mitarbeiter ... der Beklagten dem Kläger mit, dass eine abschließende
Begutachtung seiner Sache bis dahin noch nicht möglich gewesen sei, da noch verschiedene Daten recherchiert würden. Der Leiter des
Betrieblichen Vorschlagswesens holte sodann eine weitere Stellungnahme zum Einspruch des Klägers seitens der betrieblichen Vorgesetzten
im Betrieb ... ein, welche mit Datum 19.06.2001 (Anlage B3, LAG ABl. 59/60) vorgelegt wurde. Der Leiter des Betrieblichen Vorschlagswesens
erstellte daraufhin unter dem 27.06.2001 eine "abschließende Stellungnahme zum Verbesserungsvorschlag, VV 6835, geänderte
Arbeitsplatzanordnung in KST 5299". Dieses Schreiben wurde nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten von dem paritätisch besetzten
Prämienausschuss freigegeben. Dementsprechend wurde dem Kläger mit Datum vom 27.06.2001 (Anlage B5, LAG ABl. 63) eröffnet, dass die
Überprüfung seines Einspruches keine neuen Aspekte erbracht habe, die eine Nachprämierung seines Vorschlages rechtfertigen könnten, und
die abschließende Stellungnahme vom paritätisch besetzten Prämienausschuss geprüft und bestätigt worden sei, dies auch in Abstimmung mit
der Geschäftsführung. In der Anlage wurde dem Kläger die abschließende Stellungnahme des Leiters des Betrieblichen Vorschlagswesens
übersandt. Darin heißt es unter anderem, dass sich bei der in Auftrag gegebenen Zeitstudie nach Änderung der Arbeitsplatzanordnung in der
Kostenstelle KST 5299 herausgestellt habe, dass nicht gemäß Arbeitsplanvorgabe gearbeitet worden sei. Eine frühere Zeitaufnahme habe
nämlich bereits eine rechtwinklige Anordnung des Montage- und Dichtprüfarbeitsplatzes vorgesehen. Insoweit entspreche der Vorschlag des
Klägers dem bereits existierenden Arbeitsplan. Der vom VV betroffene Arbeitsplatz sei auch für die Montage anderer ... eingerichtet worden. Aus
diesem Grunde sei die betroffene Dichtvorrichtung extra mit Rollen ausgestattet worden. Bei Nichtgebrauch werde diese in den hierfür
vorgesehenen Freiraum (Abstellbereich) geschoben. Der Vorschlag sei deshalb nur für einen bestimmten ... anwendbar. Aufgrund der neueren
Zeitaufnahme sei die Vorgabezeit in den Arbeitsplänen von 185 auf 177 Minuten reduziert worden. Daraus resultiere eine Erhöhung der zu
fertigenden Stückzahl pro Schicht von 343 auf 357 Stück. Dies entspreche in etwa der im Einspruch des Klägers genannten Stückzahl von 363.
Das Ergebnis entspreche der genannten Einsparung in Höhe von DM 3.802,00 und der daraus folgenden Prämie in Höhe von DM 1.910,00. Der
vom Kläger angegebene Ausgangswert von 230 Stück pro Schicht könne nicht als Basis herangezogen werden.
61 Im Grunde handle es sich bei dem Vorschlag des Klägers nicht um einen VV im Sinne der BV-BVW, sondern um die Wiederherstellung eines
ordnungsgemäßen Zustandes im Sinne von Ziff. 3 (4) BV-BVW. Dieser Sachverhalt sei vom Betrieblichen Vorschlagswesen bei der Eingabe des
Klägers nicht erkannt worden, weshalb auch die Bewertung der Idee im Fachbereich erfolgt sei.
62 Auch mit diesem Bescheid gab sich der Kläger nicht zufrieden. Er ließ am 03.08.2001 über seinen Rechtsanwalt die vorliegende -- nicht
unterzeichnete -- Zahlungsklage vom 27.07.2001 beim Arbeitsgericht Karlsruhe einreichen, welche zuständigkeitshalber an das Arbeitsgericht
Pforzheim verwiesen wurde.
63 Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, vor der Einreichung seines VV seien pro Schicht täglich nur 230 ... pro Arbeiter hergestellt worden. Nach
Änderung der Arbeitsplatzanordnung habe sich die Zahl der gefertigten ... auf durchschnittlich 363 pro Schicht und Tag erhöht. Setze man die
von der Beklagten konzedierte Erhöhung der Stückzahl von 14 Stück pro Tag ins Verhältnis zur tatsächlichen Erhöhung von 230 auf 363 Stück,
also zu 133 Stück am Tag, so stehe ihm nicht nur eine Prämie von DM 1.910,00, sondern eine von DM 18.145,00 zu. Er habe deshalb noch
Anspruch auf weitere DM 16.235,00.
64 Dementsprechend hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht beantragt:
65
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 16.235,00 zu zahlen.
66 Die Beklagte hat beantragt,
67
die Klage abzuweisen.
68 Sie hat behauptet, der VV des Klägers habe sich letztendlich mit dem Arbeitsplatzbeispiel gedeckt, welches unter Nichtberücksichtigung der
gesundheitlichen Beeinträchtigungen der in der Sonderabteilung beschäftigten Arbeitnehmer (Mutterschutzfälle und Schwerbehinderte) nach
rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten hätte umgesetzt werden sollen. Es habe bereits ein im Detail beschriebener Arbeitsplatzablauf vorgelegen,
welcher aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht eingehalten worden sei. Deshalb sei dem Kläger kein Prämienanspruch erwachsen, da nach
der BV-BVW der Vorschlag, einen Arbeitsablauf in bereits vorgedachter Form einzurichten, nicht prämienberechtigt sei. Damit sei lediglich ein
"ordnungsgemäßer Zustand" wiederhergestellt worden. Auf seinen Vorschlag sei lediglich die Vorgabezeit von 185 Minuten auf 177 Minuten pro
100 Stück reduziert worden, so dass sich bei einem Leistungsgrad von 140 % statt 343 ... 357 ... pro Schicht hätten fertigen lassen.
69 Das Arbeitsgericht hat durch sein am 20.11.2001 verkündetes und dem Kläger am 10.01.2002 zugestelltes Urteil die Klage abgewiesen.
70 In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Betriebspartner, indem sie einen Bewertungsausschuss mit der Annahme bzw. Ablehnung
und der Prämierung eines Verbesserungsvorschlages betraut hätten, einen sogenannten Schiedsgutachtervertrag mit unmittelbarer Wirkung für
die betroffenen einzelnen Arbeitnehmer vereinbart hätten. Der Prämienausschuss habe die Aufgabe, aufgrund seiner besonderen Sachkunde
und Kenntnisse betrieblicher Zusammenhänge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bindend die Feststellung zu treffen, ob es sich um einen
Verbesserungsvorschlag im Sinne der von den Betriebsparteien vorgegebenen Verbesserungsvorschlagsrichtlinien handele und wie dieser
Vorschlag zu prämieren sei. Zwar seien die Entscheidungen des Bewertungsausschusses der gerichtlichen Prüfung nicht völlig entzogen, durch
eine Betriebsvereinbarung könne der Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Die Nachprüfungsbefugnis der Gerichte für Arbeitssachen
erstrecke sich jedoch nur noch darauf, ob die Entscheidung des Bewertungsausschusses offenbar unrichtig, unsachlich, unvernünftig oder
willkürlich oder in einem grob fehlerhaften Verfahren getroffen worden sei.
71 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe der Kläger seinen Anspruch nicht mit hinreichender Substanz schlüssig begründet, vor allem
habe er sich nicht damit auseinandergesetzt, dass gemäß Ziff. 3 (4) BV-BVW kein VV vorliege, wenn die Wiederherstellung eines
ordnungsgemäßen Zustandes gefordert werde und sich aus dem vor der Realisierung seines VV geltenden Arbeitsplans eine Stückzahl von 343
Wasserkästen pro Schicht ergeben habe. Vor diesem Hintergrund stelle die Aussage des Klägers über den Ausgangswert von 230 ... pro Schicht
eine bloße Behauptung ohne Tatsachengehalt dar. Angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes habe keine Veranlassung bestanden,
der Beklagten eine weitergehende Darlegungs- und Dokumentationspflicht aufzubürden.
72 Wegen der weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug
genommen.
73 Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers vom 11.02.2002, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, welche mit
Schriftsatz vom 08.03.2002, eingegangen am 11.03. (LAG ABl. 11-23), ausgeführt worden ist. Der weitere Sachvortrag der Parteien im
Berufungsverfahren erschließt sich aus dem Schriftsatz des Klägers vom 11.07.2002 (LAG-ABl. 72-76) und dem der Beklagten vom 14.05.2002
(LAG-ABl. 46-63) und ihren Anlagen sowie dem Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 18.07.2002 (LAG-ABl. 77/78). Hierauf wird Bezug genommen.
74 Der Kläger rügt zuvörderst, das Arbeitsgericht habe bei seiner ablehnenden Entscheidung übersehen, dass der Prämienausschuss der
Beklagten wesentliche in der BV-BVW niedergelegte Verfahrensförmlichkeiten nicht hinreichend beachtet habe. Nach Ziff. 4.4 BV - BVW müsse
die Entscheidung des Prämienausschusses über den Vorschlag dem Einreicher schriftlich bekannt gegeben und eine Ablehnung begründet
werden. Dies sei weder ihm noch seinem vormaligen Prozessbevollmächtigten gegenüber geschehen. Vielmehr habe er immer wieder erfolglos
darum gebeten, die erforderliche schriftliche Entscheidung des Prämienausschusses einsehen zu dürfen. Nach Ziff. 5 der BV-BVW solle der
Beauftragte für das BVW bei den fachlich zuständigen Abteilungen Gutachten anfordern und darüber hinaus alle Maßnahmen treffen, die zur
Vorbereitung und anschließenden Bewertung durch den Prämienausschuss erforderlich seien; die Gutachter seien verpflichtet, die
Verbesserungsvorschläge neutral und sachlich zu prüfen. Diese Förmlichkeiten dienten dazu, die Entscheidung des Prämienausschusses für
den Einreicher transparent zu machen. Deswegen solle diesem auch eine umfassende schriftliche Entscheidung zugeleitet werden, wie sich
insbesondere aus Ziff. 5.4 der BV-BVW ergebe.
75 Das Arbeitsgericht hätte deshalb in besonderer Weise prüfen müssen, inwieweit die Entscheidung des Prämienausschusses vom 27.06.2001
nicht auf einem groben fehlerhaften Verfahrensverstoß beruhe. Dazu fehlten jegliche Ausführungen.
76 Auch in der Sache selbst habe das Arbeitsgericht den von der Rechtsprechung vorgegebenen Prüfungsmaßstab verkannt. Er habe am
01.10.1999 seinen Vorschlag eingereicht und dieser sei als Verbesserungsvorschlag im Sinne der BV-BVW registriert und bewertet worden.
Dass es sich in Wirklichkeit um keinen VV im Sinne der Betriebsvereinbarung handeln solle, sei erst im Einspruchsverfahren erkannt worden.
Dies zeige, dass die Beklagte erst nach Einlegung des Einspruches in eine strenge Prüfung nach den Richtlinien der BV-BVW eingetreten sei. Im
Übrigen sei die Auslegung der Ziff. 3 (4) der BV-BVW falsch. Des Weiteren habe das Arbeitsgericht seinen Sachvortrag nicht hinreichend
gewürdigt. Er habe dezidiert und bestimmt dargelegt, dass sich sein Verbesserungsvorschlag gerade auf die Praxis in seiner Abteilung beziehe.
Von welcher anderen betrieblichen Dokumentation er habe ausgehen sollen, sei ihm unbegreiflich. Vorsorglich weise er daraufhin, dass die
nach Vortrag der Beklagten vorgegebenen Stückzahlen (230) durch den Vorarbeiter angesagt und in das vorhandene EDV-Programm
eingegeben worden seien. Außerdem hätten die Vorgaben lediglich durch die Beschäftigung von zwei Mitarbeitern erreicht werden können.
Einer der beiden habe 343 ... pro Schicht montiert, der andere dieselbe Zahl geprüft. Aufgrund seines Vorschlages habe ein Mitarbeiter genau
diese Stückzahl alleine erreichen können.
77 Er habe erstmals mit dem Berufungserwiderungsschriftsatz Kenntnis von der als Anlage B3 beigefügten Stellungnahme vom 19.06.2001 erlangt.
Er müsse mit Nichtwissen bestreiten, dass die Unterzeichner dieser Stellungnahme Mitglieder des Prämienausschusses gewesen seien. Der
Vortrag der Beklagten im Berufungserwiderungsschriftsatz auf Seite 2 unter Ziff. 6 decke sich im Übrigen nicht mit dem Inhalt der Anlage B3.
78 Die Beklagte stütze ihre unter dem 27.06. bekannt gegebene Entscheidung vor allem darauf, dass bereits eine Arbeitsplanvorgabe in der
Abteilung bestanden und diesem Verbesserungsvorschlag entsprochen habe. Aus eigener Wahrnehmung sei ihm dies nicht bekannt, so dass er
mit Nichtwissen bestreiten müsse, dass es einen verbindlichen Arbeitsablaufplan bereits vor dem Zeitpunkt der Einreichung seines VV gegeben
habe. Andernfalls hätte die Beklagte dies mit Leichtigkeit dokumentieren können.
79 Dementsprechend beantragt der Kläger im zweiten Rechtszug sinngemäß:
80
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 20.11.2001 -- Az.: 1 Ca 387/01 -- wird abgeändert.
81
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 8.300,81 zu zahlen.
82 Die Beklagte beantragt,
83
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
84 Sie verteidigt in erster Linie das arbeitsgerichtliche Urteil und rügt ausdrücklich, dass die Klageschrift nicht unterzeichnet gewesen sei und sie
davon auch bei Stellung der Anträge vor dem Arbeitsgericht keine Kenntnis gehabt habe.
85 Die Rügen des Klägers seien unbegründet. Die Bestimmungen der BV-BVW seien bei der Beurteilung des VV des Klägers beachtet worden. Der
Prämienausschuss habe ihr Schreiben vom 20.09.2000 nach Vorlage der Erstbegutachtung freigegeben. Aufgrund des Einspruchs des Klägers
habe er sich erneut mit dem Verbesserungsvorschlag befasst und eine erneute Begutachtung beauftragt, obwohl dies wegen der Nichteinhaltung
der Einspruchsfrist gar nicht mehr erforderlich gewesen wäre. Auch die abschließende Stellungnahme zum Verbesserungsvorschlag vom
27.06.2001 sei durch den paritätisch besetzten Prämienausschuss freigegeben worden. Es könne keine Rede davon sei, dass dem Kläger
dessen Entscheidung über seinen Verbesserungsvorschlag nicht bekannt gegeben worden sei. Eine ausführliche Begründung sei nicht
erforderlich gewesen, weil sein VV nicht abgelehnt worden sei. Auch ein Verstoß gegen Ziff. 5.1 BV-BVW liege nicht vor. Schließlich sei die
zuständige Abteilung beauftragt worden, ein Gutachten über den VV zu erstellen. Weshalb aufgrund der BV-BVW die Entscheidung des
Prämienausschusses umfassend schriftlich zu begründen sei, erschließe sich ihr nicht.
86 Außerdem sei die Zurückweisung des Einspruches materiellrechtlich zutreffend. Schließlich habe eine Arbeitsplanvorgabe für den
Sonderarbeitsplatz KST 5299 bestanden, welche die vom Kläger vorgeschlagene rechtwinklige Anordnung des Montage- und
Druckprüfarbeitsplatzes vorgesehen habe, so dass der VV des Klägers dem bereits existierenden Arbeitsplan entsprochen habe. Dass nicht
entsprechend der Arbeitsplatzvorgabe gearbeitet worden sei, ändere daran nichts, da die BV-BVW bei (Wieder-) Herstellung eines
ordnungsgemäßen Zustandes einen Verbesserungsvorschlag nicht anerkenne. Dieser Sachverhalt sei zunächst verkannt worden. Die Annahme
des Klägers, deshalb sei die nach der BV-BVW vorgeschriebene Begutachtung bei der Erstbescheidung nicht vorgenommen worden, da man
zunächst davon ausgehe, dass ein Verbesserungsvorschlag im Sinne der BV-BVW vorliege, sei irrig. Aufgrund der Feststellung, dass bereits bei
dessen Einreichung eine dementsprechende Arbeitsplanvorgabe existiert habe, habe auch das Arbeitsgericht nicht von dem ihm mitgeteilten
Ausgangswert von 230 ... pro Schicht ausgehen und darüber Beweis erheben müssen.
87 In der Kammerverhandlung hat die Beklagte noch einen Computerausdruck vorgelegt, aus welchem sich ergeben soll, dass bereits seit dem
19.12.1996 eine Arbeitsanweisung existiert habe, derzufolge während des Prüfvorganges die Montage eines weiteren ... erfolgen sollte, wie dies
der Kläger in seinem Verbesserungsvorschlag beschrieben habe, außerdem die Kopie einer Meldung an die Zeitaufnahme vom 08.06.1998,
wonach die Zeitvorgabe für Montage- und Prüfvorgang nicht ausreichten und auf der handschriftlich vermerkt ist, dass, wenn dem so sei, die
Mitarbeiter nicht nach dem vorgeschriebenen Ablauf arbeiteten. Der Klägervertreter hat dieses Vorbringen als verspätet gerügt, der
Beklagtenvertreter das Vorbringen im Schriftsatz des Klägers vom 11.07.2002. Beide Parteivertreter haben sich vorsorglich ein Schriftsatzrecht
erbeten, welches ihnen aber nicht gewährt wurde.
88 Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten
Schriftsätze und ihrer Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
89
A. Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung des Klägers (vgl. § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) wurde form- und fristgerecht
eingelegt und innerhalb der Begründungsfrist ordnungsgemäß ausgeführt (vgl. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG a.F., 518, 519 ZPO a.F.). Sie ist
auch im Übrigen zulässig.
B.
90
Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg.
91
Denn das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zu Recht und nach seinem Erkenntnisstand in erster Instanz auch mit zutreffenden
Erwägungen abgewiesen. Die hiergegen im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente und das neue Vorbringen des Klägers rechtfertigen
keine andere Entscheidung.
I.
92
Die Klage ist zulässig.
93
Zwar war die beim Arbeitsgericht eingegangene Klageschrift von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht unterzeichnet worden, was
einen erheblichen Verfahrensmangel darstellt. Denn abweichend vom Wortlaut des § 130 Nr. 6 ZPO wird es als zwingend angesehen, dass
bestimmende Schriftsätze, wozu die Klageschrift gehört, unterschrieben sein müssen. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG auch für die
arbeitsgerichtliche Klage (vgl. hierzu BAG AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969 unter B II.1. der Gründe).
94
Der Unterschriftsmangel ist vorliegend jedoch geheilt worden, weil sich die Beklagte rügelos auf die Klage eingelassen hat. Nach § 295 ZPO
kann nämlich die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt
werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des
betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und
ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.
95
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn das Fehlen einer ordnungsgemäßen Unterzeichnung der Klageschrift verstößt gegen eine
das Verfahren betreffende Vorschrift in diesem Sinne, auf deren Befolgung die Beklagte nach § 295 Abs. 2 ZPO wirksam verzichten konnte (vgl.
BAG a.a.O.). Eine Heilung nach § 295 ZPO erfordert keinen besonderen Verzichtswillen. Wenn eine Partei, der gegenüber eine mangelhafte
prozessuale Handlung vorgenommen worden ist, diesen erkennbaren Mangel nicht rügt, so ergibt sich daraus, dass sie für sich den
Schwebezustand auch durch die mangelhafte Klagerhebung als beendet -- mit den aus der Klagerhebung folgenden Konsequenzen --
gesehen hat.
96
Davon kann vorliegend ausgegangen werden. Die Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts Karlsruhe hatte nämlich der Beklagten ausweislich des
Eingangsstempels und der Verfügung vom 08.08.2001 (ArbG Akte Blatt 35) lediglich die Doppel der Klageschrift, nicht aber beglaubigte
Abschriften zugestellt. Der Prozessbevollmächtigte erster Instanz -- ein gestandener, für das Personalwesen und die Prozessvertretung vor
Gericht zuständiger Rechtsassessor -- hätte dies bei genügender Aufmerksamkeit unschwer erkennen können und müssen.
97
Durch die rügelose Verhandlung im Kammertermin vom 20.11.2001 ist der Mangel der Nichtunterzeichnung der Klageschrift geheilt worden. Ob
die Heilungsfolgen ex tunc -- bezogen auf den Zeitpunkt der Klageinreichung -- oder erst ex nunc -- mit der Antragstellung im Termin vom
20.11.2001 eingetreten sind (so die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vergleiche BGH NJW 1996, 1351), kann hier dahinstehen. In
jedem Falle ist die Klage zulässig und somit einer Sachprüfung zugänglich geworden. Für die Frage der Begründetheit der Klage (etwa im
Zusammenhang mit einem Verfristungseinwand oder einer Verjährungseinrede) spielt die Frage des Eintritts der Heilung nach § 295 ZPO
vorliegend keine Rolle.
II.
98
Die Klage ist auch begründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der von ihm begehrten erhöhten Prämie.
99
1. Mit dem Arbeitsgericht, dem LAG Köln (Urteil vom 14.12.1998 -- Az.: 3 Sa 1139/98, NZA-RR 1999, 354 f.) und dem LAG Hamm (Urteil vom
20.08.1997 -- Az.: 14 Sa 2118/96, dokumentiert bei Juris) ist auch das Berufungsgericht der Auffassung, dass Bewertungs- oder
Prüfungsausschüsse, die im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens paritätisch gebildet werden, die Funktion von Schiedsgutachtern
einnehmen, deren Entscheidungen in entsprechender Anwendung der §§ 317 ff. BGB nur beschränkt überprüfbar sind. Dieser Grundsatz der
beschränkten Nachprüfbarkeit gilt auch im Bereich des Vorschlagswesens in der Bundesverwaltung (vgl. BVerwGE 59, 348 ff.). Die von solchen
Gremien getroffenen Bewertungsentscheidungen können nur dann gerichtlich korrigiert werden, wenn sie offensichtlich unrichtig und/oder
willkürlich sind (vgl. BAGE 34, 365). Auch das Bundesverwaltungsgericht meint, dass Entscheidungen von Bewertungsausschüssen über
Prämien für Verbesserungsvorschläge nur dahin überprüft werden dürfen, ob sie willkürlich, also ohne sachlichen Bezug, getroffen worden
seien.
100
a) Dass die in den Betrieben der Beklagten bestehende BV-BVW ein differenziertes Regelwerk über die Behandlung von VV und die
Gewährung einer VV-Prämie beinhalten, schließt die Anwendung obiger Grundsätze und der §§ 317 ff. BGB nicht aus. Schiedsgutachten
im engeren Sinne können einerseits einen objektiv vorhandenen, dem Unkundigen verborgenen, von einem Sachkundigen aber
auffindbaren Vertragsinhalt für die Parteien verbindlich feststellen, andererseits aber auch Tatsachen und sonstige Umstände, die für die
Art oder den Umfang der Vertragsleistung von Bedeutung sind, verbindlich festlegen. Die Feststellungsmacht des Schiedsgutachters kann
sich auf die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten beschränken, kann aber auch die Subsumtion und die rechtliche Beurteilung von
Vorfragen mit umfassen (vgl. dazu beispielsweise Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 317 Rdnr. 4 ff. mit weiteren Nachweisen). Diese
Funktionen des Schiedsgutachters setzen einen in der Natur der Sache begründeten Beurteilungs- und Ermessensspielraum, dessen
Umfang fallabhängig ist, bei seinen Entscheidungen voraus. Deshalb ist es angebracht, die §§ 317 ff. BGB auch dann entsprechend
anzuwenden, wenn die Schiedsgutachter bei ihrer Tätigkeit ein differenziertes vertragliches Regelwerk zu beachten haben, solange sie
eine Ermessensentscheidung treffen müssen. Dann gilt die Auslegungsregel des § 317 Abs. 1 BGB, dass im Zweifel die Entscheidung des
Schiedsgutachters nach billigem Ermessen zu treffen ist. Damit will das Gesetz lediglich klarstellen, dass die Ermessensentscheidung nicht
nach freiem Belieben getroffen werden kann (vgl. § 319 Abs.2 BGB), solange dies die Parteien nicht ausdrücklich so bestimmt haben.
101
b) Die Schiedsgutachter sind in der Gestaltung des anzuwendenden Verfahrens grundsätzlich frei. Die Zivilprozessordnung findet für ihre
Tätigkeit keine Anwendung. Selbst die Verletzung rechtlichen Gehörs soll die Wirksamkeit des Schiedsgutachtens nicht berühren (vgl. dazu
Palandt/Heinrichs, a.a.O. Rdnr. 8). Sehen die Parteien allerdings eine eigenständige Verfahrensordnung vor und wird diese falsch
angewendet, so kann daraus nach Auffassung der Kammer die Vermutung folgen, dass die getroffenen Entscheidungen offenbar unrichtig
sind, es sei denn, die andere Vertragspartei könnte den Nachweis führen, dass deren Inhalt nicht auf der Verletzung der
Verfahrensvorschriften beruht.
102
Die Darlegungs- und Beweislast für die offenbare Unrichtigkeit oder Willkür der von einem Schiedsgutachter getroffenen Entscheidung
trägt allerdings diejenige Partei, welche sie behauptet. Soweit eine Partei zur Prüfung der offenbaren Unrichtigkeit auf Informationen
der Gegenpartei angewiesen ist, kann ihr gemäß § 242 BGB ein Auskunftsanspruch zustehen (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O, §
319 Rdnr. 7). Dazu bedarf es jedoch gewisser Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht bezüglich einer offenbaren Unrichtigkeit oder
Willkür der getroffenen Entscheidung.
103 2. Diesen Anforderungen ist der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht gerecht geworden. Denn auch unter Zugrundelegung des von ihm
vorgetragenen Lebenssachverhaltes vermochte die Kammer nicht zu erkennen, dass der Prämienausschuss im Unternehmen der Beklagten
eine offensichtlich unrichtige, unsachliche oder willkürliche Bewertungsentscheidung des Verbesserungsvorschlags des Klägers getroffen
hätte.
104
a) Soweit der Kläger die Nichtbeachtung strenger Verfahrensförmlichkeiten der BV-BVW rügt, erscheint sein Vortrag nicht schlüssig.
105
aa) Entgegen der (verständlicherweise ergebnisorientierten) Rechtsauffassung des Klägers lässt sich diesen Bestimmungen
beispielsweise kein Rechtssatz des Inhalts entnehmen, dem Einreicher eines VV müsse nach Durchführung eines
Ermessensprozesses eine umfassende schriftliche Entscheidung des Prämienausschusses zugeleitet werden. Zwar prüft dieser
gemäß Ziff. 5.4 BV-BVW, ob der BVW-Beauftragte bei der Bearbeitung eines VV die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung beachtet
hat und entscheidet danach über die von ihm vorgeschlagene Prämie. Bei VV mit errechenbarem Nutzen bis DM 10.000,00 und bei VV
mit nicht errechenbarem Nutzen entscheidet der Prämienausschuss jedoch in der Regel im Umlaufverfahren. Eine besondere
Erörterung und Beratung über einen zu beurteilenden Vorgang kann deshalb zwangsläufig nicht erfolgen. Einer besonderen
Begründung der durch sukzessive Abzeichnung dokumentierten Billigung der Stellungnahme des BVW-Beauftragten bedarf es dann
nicht. Nur wenn es eine Beratung im Rahmen einer Ausschusssitzung gibt -- und dies ist die Ausnahme -- sind die Ergebnisse der
Beratungen in einer Niederschrift festzuhalten, die vom Vorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern des Ausschusses unterschrieben
werden, wie der letzte Satz der Ziff. 5.4 BV-BVW besagt. Von einem ausführlichen Begründungszwang der getroffenen Entscheidung
ist auch dort nicht die Rede.
106
bb) Wenn es in Ziff. 4.4 BV-BVW heißt, die Entscheidung über den VV werde dem Einreicher schriftlich bekannt gegeben, eine
Ablehnung sei zu begründen, so muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Prämienausschuss selbst eine schriftlich
begründete Entscheidung bekannt geben müsste. Die Bekanntgabe kann schon nach dem Wortlaut der Bestimmung auch von
anderen Stellen durchgeführt werden. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist auch keine andere Auslegung geboten. Nur im
Ablehnungsfall ist die Entscheidung zu begründen. Auch die Begründung muss der Prämienausschuss nicht selbst schriftlich
formulieren. Diesen Vorgaben der BV-BVW ist die Beklagte aber gerecht geworden: Durch Schreiben vom 20.09.2000 wurde dem
Kläger die Entscheidung über seinen Vorschlag schriftlich bekannt gegeben. Einer näheren Begründung bedurfte es nicht, da sein VV
nicht abgelehnt worden ist.
107
cc) Soweit der Kläger ferner meint, der BVW-Beauftragte habe seiner Verpflichtung aus Abs. 2 der Ziff. 5.1 BV-BVW, bei den fachlich
zuständigen Abteilungen Gutachten anzufordern, nicht genügt, vermag die Kammer diese Auffassung nicht zu teilen. Ein Gutachten
muss der BVW-Beauftragte bei verständiger Würdigung der Intention der Vorschrift doch wohl nur dann einholen, wenn er dies
aufgrund der Sachlage für erforderlich hält. Insofern hat er einen Ermessensspielraum ebenso wie der Prämienausschuss, der nur in
besonders begründeten Fällen einen Gutachter aus einer Fachabteilung hinzuziehen kann (vgl. Ziff. 5.4 Abs. 2 BV-BVW). Im Übrigen
wäre der behauptete Pflichtverstoß des BVW-Beauftragten, wenn man denn einen solchen bejahen wollte, nicht kausal für die
nachfolgende letztverbindliche Entscheidung des Prämienausschusses gewesen. Denn in Vorbereitung seiner Entscheidung über den
Einspruch des Klägers wurde eine Stellungnahme seitens der Fachvorgesetzten des Klägers im Betrieb ... eingeholt und damit den
Vorgaben der Betriebsvereinbarung zur Sachaufklärung entsprochen. Die Einholung eines sachverständigen Gutachtens von einer
neutralen Stelle -- wie etwa in der Zivilprozessordnung vorgesehen -- schreibt die BV-BVW dagegen nicht vor.
108
dd) Soweit der Kläger schließlich mit Nichtwissen bestreitet, dass die Unterzeichner der Stellungnahme vom 19.06.2001 (Anlage B3)
Mitglieder des Prämienausschusses gewesen waren, ist dies unbehelflich. Denn die Beklagte hat Solches zu keinem Zeitpunkt
behauptet. Bei der Stellungnahme handelt es sich nämlich um eine Begutachtung im Sinne des § 5.1 BV-BVW seitens der fachlich
zuständigen Abteilung.
109
Dass der Prämienausschuss überhaupt nicht tätig geworden sei, der BVW-Beauftragte etwa selbstherrlich über den VV des
Klägers befunden habe, ohne die vorgesehenen paritätisch besetzten Entscheidungsgremien damit zu befassen, hat der Kläger
selbst nicht behauptet. Dies oder pauschales Bestreiten, dass der Prämienausschuss nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei,
seine Mitglieder nicht an den entscheidenden Beratungen teilgenommen hätten oder dergleichen mehr, hätte im Übrigen die
grundsätzlich zu vermutende Richtigkeit der Verfahrensabläufe nicht in Frage stellen können. Vielmehr hätte der Kläger allenfalls
konkrete -- auch belegbare -- Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Bearbeitung seines VV darlegen müssen. Andernfalls würde
die beim Streit über die Wirksamkeit eines Schiedsgutachtens vorgesehene Darlegungs- und Beweislast auf den Kopf gestellt.
Wenn der Kläger schon aufgrund der überlangen Dauer der Bearbeitung seines Verbesserungsvorschlages vermutete, der von
der BV-BVW vorgesehene Verfahrensablauf könnte nicht eingehalten worden sein, hätte er sich durch entsprechende Nachfragen
bei den betrieblichen Stellen (Abteilung Betriebliches Vorschlagswesen, Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat) konkret informieren oder
aber konkrete Auskünfte von der Beklagten erbitten sollen, etwa über die Besetzung des Prämienausschusses, Zeitpunkt und
Tagesordnung seiner Sitzungen, oder aber über die Existenz von Sitzungsniederschriften und schriftlichen Stellungnahmen von
Fachabteilungen. Nur dann hätte er mit seiner Rüge, das nach der BV-BVW anzuwendende Verfahren sei nicht eingehalten
worden und die getroffenen Entscheidungen seien offenbar unrichtig, Erfolg haben können.
110 3. Soweit der Kläger schließlich rügt, der Prämienausschuss habe die seinem VV zugrundeliegenden Tatsachen inhaltlich falsch bewertet,
weshalb die getroffenen Entscheidungen (Erstentscheidung und Einspruchsbescheidung) deshalb offenbar unrichtig und willkürlich seien,
vermag das Berufungsgericht dem nicht zu folgen. Dass der BVW-Beauftragte unter Zugrundelegung der Stellungnahme der Fachvorgesetzten
des Klägers im Werk ... zu der Feststellung gelangte, es habe bereits seit 1996 ein Arbeitsplan betreffend die Arbeitsabläufe in der Kostenstelle
5299 gegeben, welcher dem VV des Klägers vom Oktober 1999 entsprochen habe, mag möglicherweise den wirklichen betrieblichen
Gegebenheiten nicht entsprochen haben. Dass diese Tatsachenfeststellung allerdings offensichtlich unrichtig gewesen wäre, erschließt sich
dem unbeteiligten Betrachter der Szene nicht. Gleiches gilt hinsichtlich der Einschätzung des wirtschaftlichen Vorteils für die Beklagte, welcher
sich aus der vom Kläger vorgeschlagenen Änderung der Arbeitsabläufe in der Kostenstelle 5299 ab Oktober 1999 ergeben hat, oder
hinsichtlich der Auslegung der Ziff. 3 (4) BV-BVW, dass nämlich der Vorschlag des Klägers kein VV im Sinne der BV-BVW sei, sondern auf die
(Wieder --) Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes hinauslaufe, was nicht zu einem Prämienanspruch führe. Auch wer das Rad neu
erfindet, hat -- aus seiner Sicht -- Großartiges geleistet, ohne dass dieser Umstand von dritten Personen in gleicher Weise beurteilt werden
müsste.
111
Um die Feststellungen des BVW-Beauftragten und die darauf aufbauende Entscheidung des Prämienausschusses als offenbar unsachlich,
falsch oder willkürlich erscheinen zu lassen, hätte der Kläger von sich aus weitere Tatsachen vortragen und den Nachweis führen müssen,
dass es den von der Beklagten behaupteten, seinem VV entsprechenden Arbeitsablaufplan nicht gegeben hatte und die Argumentation der
Beklagten deshalb nur vorgeschoben sei. Entsprechende Beweisantritte hat der Kläger jedoch bis zuletzt unterlassen, so dass von der
Richtigkeit der vom Prämienausschuss zuletzt getroffenen Entscheidung auszugehen war. Weiterer Sachverhaltsermittlungen bedurfte es
nicht, insbesondere auch nicht der Einräumung weiterer Schriftsatzrechte, wie sie von beiden Parteien im Termin vom 18.07.2002 gefordert
worden sind.
112 Nach allem konnte der Berufung des Klägers kein Erfolg beschieden sein.
C.
113 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels diejenige Partei zu tragen, die
es eingelegt hat. Dies ist vorliegend der Kläger.
114 2. Im Hinblick auf den streitigen Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB auf die Entscheidungen von paritätisch besetzten Bewertungs- oder
Prüfungsausschüssen im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens und die Bedeutung der gerichtlichen Überprüfbarkeit von
Entscheidungen dieser Gremien für eine Vielzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer hält die Kammer die Zulassung der
Revision für den Kläger gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für geboten.
115 gez. Leicht
116 gez. Köhler
117 gez. Klook