Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 15.05.2000

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LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 15.5.2000, 1 Ta 30/00
Sachdienliche Verfahrensweise als Voraussetzung für Erstattung von Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts; Keine Pflicht des
Berufungsklägers eine Prozessgebühr des gegnerischen Anwalts zu erstatten die dadurch entstanden ist dass vor Begründung der Berufung
die schriftsätzliche Ankündigung des Antrags auf deren Zurückweisung erfolgt ist
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.03.2000 - 25 Ca 11136/98 -
wird auf Kosten des Beteiligten Ziff. 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 863,51 DM festgesetzt.
Gründe
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Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Festsetzung
einer 13/10 Anwaltsgebühr nach §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und der Auslagen für das Berufungsverfahren zu Recht
zurückgewiesen.
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1. Die Frage, ob die schriftsätzliche Ankündigung eines Antrags auf Zurückweisung der Berufung nach Einlegung der Berufung, aber vor deren
Begründung, die Erstattungsfähigkeit einer vollen Anwaltsgebühr auslöst, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. statt Vieler die
Nachweise bei: Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 14. Aufl., § 31 Rz. 20; OLG München JurBüro 1990, 1162; KG JurBüro 1990, 1004; OLG
Karlsruhe JurBüro 1993, 159).
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2. Mit der Beauftragung und dem Tätigwerden des Anwalts ist zwar gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO die Prozessgebühr angefallen. Hiervon
unabhängig ist die Frage zu beantworten, ob die volle angefallene Prozessgebühr vom Berufungskläger im Rahmen der Kostentragungspflicht
zu ersetzen sei. Das ist nur dann der Fall, wenn der Gebühren auslösende Schriftsatz mit der Ankündigung der Berufungszurückweisung zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich war.
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Die maßgebliche Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO enthält im Gegensatz zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO keine ausdrückliche Einschränkung
dahingehend, dass nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten
seien. Gleichwohl gilt dieser das gesamte Kostenerstattungsrecht beherrschende Grundsatz auch für die Frage der Erstattungsfähigkeit der
Anwaltskosten nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die besondere Aufführung derjenigen Kosten in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ist der kodifikatorische Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens von Treu und
Glauben, der prinzipiell auch das Verfahrensrecht beherrscht. Insoweit handelt es sich in dieser Vorschrift lediglich um eine redaktionelle
Klarstellung des Gesetzgebers, dass nämlich die unterliegende Partei nicht auch solche Kosten des Gegners zu tragen hat, die nicht zur
sachdienlichen Wahrnehmung der eigenen Rechtsstellung erforderlich waren. Insoweit kann aus dieser Vorschrift durchaus das Gebot der
Schonung des Gegners entnommen werden.
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Dieser Grundsatz ist in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht aufgegeben. Denn nach ihrer gesetzgeberischen Intention legt diese Vorschrift lediglich klar,
inwieweit Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts zu erstatten sind. Das betrifft den Umfang der zu erstattenden Kosten, wie die Sätze 2 ff.
aufweisen, die sich mit Reisekosten und Mehrkosten bei bestimmten Konstellationen befassen. Deshalb sind nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO
allgemein nur diejenigen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts zu erstatten, die bei einer sachdienlichen Verfahrensweise entstanden
sind.
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3. Die schriftsätzliche Ankündigung des Antrags auf Zurückweisung der Berufung, bevor diese begründet ist, vermag diese Voraussetzung nicht
zu erfüllen. Denn das Ankündigen des Antrags ist dem Grunde nach ungeeignet, die verfahrensrechtliche Stellung des Berufungsbeklagten im
Verhältnis zum Prozessgegner zu beeinflussen, auch nicht im Sinne einer Verbesserung. Die Ankündigung des Antrags ist sonach der Stärkung
der eigenen Rechtsposition nicht dienlich, also überflüssig und damit willkürlich, weil sie keinen Einfluss auf die Verfahrensgestaltung nehmen
kann. Erst wenn die Berufung begründet ist, kann eine sachliche Auseinandersetzung mit ihr stattfinden, und erst in diesem Verfahrensabschnitt
ergibt sich die Notwendigkeit zu prüfen, ob, gegebenenfalls in welcher Weise zu reagieren sei.
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Der Einwand, dass die Überprüfung der Sachdienlichkeit der Antragstellung das Kostenfestsetzungsverfahren überfordere (so LAG Hamm
JurBüro 1988, 467; OLG Koblenz JurBüro 1991; LAG Nürnberg JurBüro 1992, 605), verkennt den Grundsatz, dass im
Kostenfestsetzungsverfahren nur die Kosten einer sachgerechten Maßnahme einer Partei oder ihres Anwalts rechtlich relevant werden. Deshalb
muss und kann nur in diesem Verfahren die Prüfung erfolgen, ob die von einer Partei oder einem Anwalt entfaltete Tätigkeit zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
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4. Die Frage, ob der vorgenannte Grundsatz ausnahmslos das Kostenfestsetzungsverfahren bestimmt, mag dahinstehen. Jedenfalls vorliegend
vermochte der Schriftsatz des Klägers vom 27.06.1999, mit welchem die Zurückweisung der Berufung beantragt war, dessen
verfahrensrechtliche Stellung als Berufungsbeklagten nicht zu beeinflussen. Er war in Bezug auf das letztlich angestrebte Ziel, auch im
Berufungsverfahren zu obsiegen, in der bestehenden Verfahrenssituation ersichtlich überflüssig, weshalb er einen Sachbezug zur
Rechtsverteidigung vermissen ließ. Die aus dieser sonach sachfremden Maßnahme erwachsenen Kosten hat die Beklagte nicht zu erstatten.
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Mit dieser Maßgabe erweist sich die Beschwerde in der Sache als unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen ist.
10 5. Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
11 Der Gegenstandswert ergibt sich aus dem Betrag, um den sich der Beteiligte Ziff. 1 mit der Beschwerde verbessern will.
12 Dieser Beschluss unterliegt keiner weiteren Beschwerde.