Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 02.07.2002

LArbG Baden-Württemberg: akte, arbeitsgericht, berufserfahrung, betriebsrat, fachhochschule, ausführung, versetzung, wagen, berufsausbildung, verfügung

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 2.7.2002, 8 TaBV 3/01
Eingruppierung eines Qualitätsprüfers bei der Deutschen Bahn
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 07.09.2001, Az.: 4 BV 2/01, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
I. Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch um die Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung des Mitarbeiters ..
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Wegen des Sachvortrages der Beteiligten und ihrer Anträge in erster Instanz wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 07.09.2001 Bezug
genommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Antragsgegners (im Folgenden: Betriebsrat) zur Versetzung des Herrn ... ersetzt, den weitergehenden
Antrag aber zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, hinsichtlich der Versetzung sei die
Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Dagegen verstoße die von der Antragstellerin (im Folgenden:
Arbeitgeber) beabsichtigte Eingruppierung des Herrn ... in die Entgeltgruppe E 8 des Konzern ETV gegen diesen Tarifvertrag; Herr ... sei in die
Vergütungsgruppe E 9 einzugruppieren, weshalb der Betriebsrat zu Recht seine Zustimmung verweigert habe. In die Vergütungsgruppe E 8
seien (unter anderem) Wagenmeister einzuordnen. Demgegenüber seien die Tätigkeiten des Qualitätsprüfers durch höherwertige technische
Aufgaben geprägt, höben sich in ihrem Arbeitsinhalt von E 8 ab, die weitere Anforderung der abgeschlossenen Ausbildungen einer
Fachhochschule könne und werde im vorliegenden Fall durch Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Wege einer betrieblichen Ausbildung oder
durch langjährige Berufserfahrung in einer einschlägigen Tätigkeit erworben worden seien, ersetzt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird
ebenfalls auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
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Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 07.09.01 ist der Antragstellerin am 09.10.01 zugestellt worden. Die Beschwerde ist am 09.11.01 beim
Landesarbeitsgericht eingegangen und innerhalb der antragsgemäß bis 31.01.02 verlängerten Begründungsfrist am 31.01.02 ausgeführt
worden. Mit der Beschwerde erstrebt der Arbeitgeber weiter, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Herrn ... in die
Vergütungsgruppe E9 ersetzen zu lassen. Wagenmeister (also die Arbeitnehmer, deren Qualität der Qualitätsprüfer zu prüfen habe) seien in die
Vergütungsgruppe E7 einzugruppieren. Wegen der von den Wagenmeistern zu verrichtenden Tätigkeit wird auf II.1.b der Berufungsbegründung
(Blatt 34 ff. d. Akte) Bezug genommen. Sie seien im Übrigen den Konzernrichtlinien (KoRili) 936.0102, 936.103, 936.0104, 936.0110 nebst
Anhang 1 und insbesondere der den Kernbereich des Wagenmeisters regelnden KoRili 936.112 wie auch der KoRili 936.1300 (Blatt 59 ff. d.
Akte) zu entnehmen. Der Wagenmeister nehme keine technisch höherwertigen Überprüfungen vor, was er innerhalb der ihm zur Verfügung
stehenden Zeit (durchschnittlich vier Minuten pro Wagen) gar nicht bewältigen könne. Für die Tätigkeit des Herrn ... als Qualitätsprüfer sei Seite 2
der KoRili 936.0772 sowie die Seiten 1 - 4 Mitte der KoRili 936.0775 einschlägig (Blatt 97 ff. d. Akte sowie Blatt 151 ff. der erstinstanzlichen Akte).
Der Kläger erstelle keine Prüfpläne. Wegen der vom Qualitätsprüfer zu absolvierenden Ausbildung wird auf II.2. der Berufungsbegründung (Blatt
38 ff. d. Akte) Bezug genommen.
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In technischer Hinsicht sei die Tätigkeit des Wagenmeisters weniger kompliziert und damit weniger hochwertig als die eines Schlossers,
Elektrikers oder sonstigen Handwerkers, der in die Vergütungsgruppe E 6, allenfalls noch in E 7 einzugruppieren sei. Die Tätigkeit des
Wagenmeisters sei demnach andersartig als die des Handwerkers, aber nicht technisch oder gar kaufmännisch höherwertig. Die
Wagenmeisterausbildung sei auch keine berufliche Spezialausbildung oder entsprechende betriebliche Ausbildung eines "E 6 Handwerkers".
Vielmehr wechsle der Mitarbeiter bei der Ausbildung zum Wagenmeister von einer reparierenden zu einer überprüfenden Tätigkeit. Ihm seien
auch keine Mitarbeiter unterstellt, von denen er sich in der Eingruppierung abheben müsse. Allerdings setze die Wagenmeistertätigkeit über E 6
hinaus erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten voraus und hebe sich gegenüber E 6 durch gesteigerten Arbeitsinhalt ab. Damit sei die
Eingangseingruppierung für Wagenmeistertätigkeiten die Entgeltgruppe E 7, die mit den höherwertigen Tätigkeiten als Wagenmeister WTS
(Entgeltgruppe E 8) und als Bezirkswagenmeister (Entgeltgruppe E 9) fortgeführt werde. Für diese Auslegung spreche auch, dass ansonsten die
Vergütungsgruppe E 7 im Hinblick auf Wagenmeister leer laufe, da die Handwerker nach ihrer Ausbildung zum Wagenmeister TWB unmittelbar
von der Vergütungsgruppe E 6 in die Gruppe E 8 springen würden, was indessen für den Aufbau eines Tarifvertrages völlig atypisch sei.
6
Die Qualitätsprüfertätigkeit hebe sich wiederum gegenüber der Tätigkeit des Wagenmeisters TWB durch gesteigerten Arbeitsinhalt ab, weshalb
hier die Entgeltgruppe E 8 zutreffend sei.
7
Im Bereich des Wagenuntersuchungsdienstes sei nur der Bezirkswagenmeister in die Vergütungsgruppe E 9 einzugruppieren; für dessen
Aufgaben wird auf die Berufungsbegründung (Blatt 44 ff. d. Akte) sowie die KoRili 936.1002 (Blatt 156 ff. d. Akte) Bezug genommen. Die
unterschiedliche Ausbildung und Wertigkeit der Tätigkeiten als Qualitätsprüfer und Bezirkswagenmeister zeige, dass insoweit unterschiedliche
Entgeltgruppen zur Anwendung kommen müssten.
8
Die Eingruppierung des Herrn ... könne auch nicht mehr über die Anbindung an das durch den KonzernETV gerade aufgehobene Richtbeispiel
"...meister" erfolgen, wie dies früher, unter Geltung des ETV gehandhabt worden sei. Denn zwischenzeitlich gelte allein das neue Tarifwerk,
nämlich der KonzernETV.
9
Das Arbeitsgericht habe die ersten beiden alternativen Tarifmerkmale der Entgeltgruppe E 8 offenbar vermengt. Es habe zu Unrecht die
höherwertige technische Aufgabe mit dem Inhalt des Ausbildungsplans zum ... meister begründet, der indessen für die Frage der technischen
Höherwertigkeit - anders als die spätere Tätigkeit - nicht erheblich sei. Soweit das Arbeitsgericht seine Entscheidung damit begründet habe, die
Qualitätsprüfer seien derzeit in der Regel in E 9 eingruppiert, beruhe dies darauf, dass diese noch unter der Geltung des ETV eingruppiert
worden seien.
10 Schließlich habe das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen, das gesamte dritte Tarifmerkmal (Tätigkeiten die zu ihrer Ausführung einer
abgeschlossenen Ausbildung an einer Fachhochschule erfordern) könne ersetzt werden. Vielmehr verlange diese Tarifvorschrift, dass zur
Ausübung der Tätigkeiten grundsätzlich die Fachhochschulausbildung erforderlich sei und nur dann, wenn ein Arbeitnehmer auf einer E 9 Stelle
eingesetzt werde, der diese Ausbildung nicht nachweisen könne, bei entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten eine betriebliche Ausbildung
oder eine langjährige Berufstätigkeit genüge. Die Eingruppierung des Herrn ... in die Entgeltgruppe E 9 scheitere deshalb jedenfalls daran, dass
sein Aufgabenbereich und seine Tätigkeit keinerlei akademischen Zuschnitt hätten und keine Fachhochschulausbildung erforderten. Selbst
wenn jedoch von einer Ersetzungsmöglichkeit auszugehen wäre, komme das nur dann in Betracht, wenn der Fachhochschulausbildung
gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten vorlägen. Auch dies sei vorliegend nicht der Fall.
11 Der Arbeitgeber beantragt,
12
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 07.09.2001 - Az.: 4 BV 2/01 - wird abgeändert.
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2. Die vom Beteiligten zu 2 verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers ... in die Entgeltgruppe E 8 wird ersetzt.
14 Der Betriebsrat beantragt,
15
die Beschwerde zurückzuweisen.
16 Er meint, Wagenmeister seien zutreffenderweise in die Vergütungsgruppe E 8 einzugruppieren. Deren Tätigkeitsbereich sei umfassender als
vom Arbeitgeber beschrieben; auf die Beschwerdebegründung (Blatt 201 ff. d. Akte) wird Bezug genommen. Die gegenüber den Handwerkern
gegebene Höherwertigkeit der Tätigkeit eines Wagenmeisters ergebe sich daraus, dass dieser in eigener und abschließender Verantwortung
eine Prognoseentscheidung über die künftige Entwicklung eines regelwidrigen Zustands treffen müsse, wobei auch gegebenenfalls erhebliche
wirtschaftliche Auswirkungen zu berücksichtigen seien. Der Betriebsrat meint, die Ausbildung zum Wagenmeister sei als berufliche
Spezialausbildung oder entsprechende betriebliche Ausbildung zu sehen. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Abschluss einer
Berufsausbildung in einem Metall- oder Elektroberuf und zusätzlich die Absolvierung der 12-monatigen vorbereitenden Tätigkeit in der
Güterwageninstandhaltung Zulassungsvoraussetzungen für die Fachausbildung zum Wagenmeister seien. Der Qualitätsprüfer sei
demgegenüber in die Vergütungsgruppe E 9 einzugruppieren. Beim Merkmal der Fachhochschulausbildung handle es sich um ein objektives
Tätigkeitsmerkmal, da es auf die Anforderungen der Tätigkeit, nicht auf das Innehaben eines Zeugnisses ankomme. Gerade die Ausbildung an
einer Fachhochschule, welche in Anführungszeichen gesetzt seien, könnten ersetzt werden durch das objektive Tätigkeitsmerkmal
"Anforderungen von Kenntnissen und Fertigkeiten aus einer betrieblichen Ausbildung oder langjährigen Berufserfahrung in einer einschlägigen
Vortätigkeit". Dies entspreche auch dem sonstigen Inhalt des Tarifvertrages, der nirgendwo einen bestimmten Ausbildungsgang in der Weise als
maßgeblich ansehe, dass die Eingruppierung nur erfolgen dürfe, wenn die übertragenen Tätigkeiten objektiv einen solchen bestimmten
Ausbildungsgang erforderten. Der Betriebsrat weist sodann auf die früheren Richtbeispiele zur Entgeltgruppe E 9 hin, welche Tätigkeiten
beträfen, für deren Ausübung ein einschlägiger Fachhochschulstudiengang überhaupt nicht existiere. Mit der Aufnahme von Richtbeispielen
hätten die Tarifvertragsparteien aber klarstellen wollen, dass diese die Anforderungen der Obersätze der Tarifvorschrift erfüllten. Der unverändert
gebliebene Obersatz zur Tarifvorschrift könne daher nicht so gelesen werden, dass nunmehr zwingend ein Hochschulabschluss erforderlich sei.
Insoweit seien auch Spezifika des Eisenbahnbetriebes zu berücksichtigen, welche gängige Fachhochschulausbildungen nicht vermittelten.
Dementsprechend setze der Arbeitgeber noch heute für Tätigkeiten, die auch nach ihrer Ansicht nach E 9 zu vergüten seien, nicht etwa
Fachhochschulabsolventen sondern berufserfahrene Eisenbahnbeamte ein, insbesondere in der Position als Bezirkswagenmeister.
17 Die Erklärung vom 18.03.99 sei nicht als Besitzstandsregelung sondern als "rein deklaratorisch" zu verstehen und bisher auch so angewandt
worden.
18 Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten wird auf die Beschwerdebegründung (Blatt 29 ff. d. Akte), die Beschwerdeerwiderung
(Blatt 198 ff. d. Akte) und den Schriftsatz des Arbeitgebervertreters vom 12.06.2002 (Blatt 259 ff. d. Akte) Bezug genommen.
II.
19 Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte Beschwerde des Arbeitgebers hat in
der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Arbeitnehmer ... nicht in die Vergütungsgruppe E 8 des KonzernETV
sondern in E 9 einzugruppieren ist.
20 Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers ... ausschließlich nach dem seit
01.06.1999 geltenden KonzernETV zu richten hat. Die im vorangegangenen ETV aufgeführten Richtbeispiele sind im KonzernETV ersatzlos
weggefallen; sie können deshalb für die Eingruppierung nicht mehr herangezogen werden. Dem Arbeitgeber ist darin zuzustimmen, dass die von
ihm in der Erklärung zu Eingruppierungsfragen vom 18.03.99 in Ziff. 1 a so bezeichnete "Besitzstandsschutzklausel" dafür spricht, dass es durch
den Wegfall der Richtbeispiele zu Eingruppierungen kommen kann, die von der bisherigen Praxis abweichen. Wäre mit abweichenden,
gegebenenfalls also auch verschlechternden Eingruppierungen nach dem neuen KonzernETV nicht zu rechnen, machte diese Klausel von
vornherein keinen Sinn, sondern wäre entbehrlich.
21 Die Eingruppierung ist demnach mittels der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppen des KonzernETV vorzunehmen, wobei zur Tarifauslegung
der Wortlaut und über diesen hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtige ist wie er in den tariflichen Normen seinen
Niederschlag gefunden hat. Dazu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, bei Zweifelsfällen über die zutreffende
Auslegung ist auch die Heranziehung weiterer Auslegungskriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des
Tarifvertrages möglich (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z. B. BAG AP Nr. 117 zu § 1 TVG Auslegung).
22 Gemäß § 3 KonzernETV richtet sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Entgeltgruppe nach der von ihm ausgeübten und nicht nur
vorübergehend übertragenen Tätigkeit und nicht nach seiner Berufsbezeichnung. Der Arbeitnehmer ... wird seit seiner Versetzung als
Qualitätsprüfer beschäftigt. Dafür kommen die Vergütungsgruppen E 8 oder E 9 des KonzernETV in Betracht, welche lauten:
23 E 8
24 Tätigkeiten,
25
- die
26
durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind und
27
zu ihrer Ausführung
28
- eine berufliche Spezialausbildung oder
29
- eine entsprechende betriebliche Ausbildung
30
erfordern
31
oder
32
- die sich gegenüber E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.
33 E 9
34 Tätigkeiten,
35
- die
36
- durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind,
37
- sich in ihrem Arbeitsinhalt von E 8 abheben und
38
- die zu ihrer Ausführung eine abgeschlossene Ausbildung an einer Fachhochschule erfordern.
39 Die "Ausbildung an einer Fachhochschule" kann durch
40
- Kenntnisse und Fertigkeiten,
41
- die im Wege einer betrieblichen Ausbildung oder
42
- durch langjährige Berufserfahrung in einer einschlägigen Vortätigkeit erworben wurden,
43 ersetzt werden.
44 Die einzelnen Entgeltgruppen des Tarifvertrages bauen derart aufeinander auf, dass sie jeweils als Alternativmerkmal das Abheben durch einen
gesteigerten Arbeitsinhalt aus der vorangegangenen Gruppe enthalten.
45 Ausgehend von der Tätigkeit des Wagenmeisters ist das Gericht der Auffassung, dass diese in die Vergütungsgruppe E 8 einzuordnen ist: sie ist
gegenüber den von der Vergütungsgruppe E 6 abgedeckten Tätigkeiten durch höherwertige technische Aufgaben geprägt und setzt zu ihrer
Ausführung eine berufliche Spezialausbildung oder eine entsprechende betriebliche Ausbildung voraus:
46 Die Ausbildung zum Wagenmeister, welche sieben Monate dauert und mit einer mündlichen, schriftlichen und praktischen Prüfung endet, hat die
Kammer als "berufliche Spezialausbildung" oder jedenfalls "entsprechende betriebliche Ausbildung" angesehen. Voraussetzung insoweit ist
nicht, wie der Arbeitgeber meint, dass die Ausbildung eine Spezialisierung auf einen Teilbereich der bisherigen allgemeinen Ausbildung
darstellt. Maßgeblich ist vielmehr, dass zunächst eine allgemeine Berufsausbildung vorhanden ist und zu dieser eine weitere Ausbildung
hinzukommt. Die "Spezialisierung" bezieht sich nach Auffassung der Kammer auf das Ziel der betrieblichen Ausbildung, nicht auf die Basis, von
der aus weitergebildet wird.
47 Die Tätigkeiten des Wagenmeisters sind auch durch höherwertige technische Aufgaben geprägt. Hierfür spricht zunächst, dass für ihre Ausübung
eine besondere Ausbildung erforderlich ist, die überwiegend technische Aspekte betrifft. Das Arbeitsgericht hat zu Recht auf den Inhalt des
Ausbildungsplanes abgehoben und ausgeführt, die Wagenmeister seien für den reibungslosen Transportablauf verantwortlich, indem sie für die
Überprüfung von Bremsen, Zug und Stoßeinrichtungen, Rädern etc. sowie für die regelgerechte Beladung sorgten. Das ihnen in ihrer
mehrmonatigen Ausbildung vermittelte Spezialwissen befähigt sie gerade zur technischen Überwachung der Wagen und Züge und damit zur
Feststellung des betriebssicheren und verkehrstauglichen Zustandes. Die Vielzahl der beim Arbeitgeber verwendeten Wagentypen erfordert vom
Wagenmeister über die Kenntnis der entsprechenden Baureihen hinaus die Beurteilung, ob die Züge verkehrssicher zusammengestellt sind,
insbesondere auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Ladungen. Neben der vom Arbeitgeber hervorgehobenen klanglichen Prüfung hat
auch eine Sichtprüfung zu erfolgen, die ohne umfangreiches, und zwar technisches, Detailwissen nicht gelingen kann. Das vermittelte
Zusatzwissen ist demnach als technisches Wissen einzustufen, die vom Wagenmeister ausgeübten Tätigkeiten als höherwertige technische
Aufgaben. Wagenmeister sind deshalb in die Vergütungsgruppe E 8 des KonzernETV einzugruppieren.
48 Die von Herrn ... übernommene Tätigkeit des Qualitätsprüfers ist darüber hinaus nach der Entgeltgruppe E 9 zu vergüten. Seine Tätigkeiten sind
durch höherwertige technische Aufgaben geprägt, heben sich in ihrem Arbeitsinhalt von E 8 ab und erfordern Kenntnisse und Fertigkeiten, die im
Wege einer betrieblichen Ausbildung oder durch langjährige Berufserfahrung, die in einer einschlägigen Vortätigkeit erworben wurden, welche
die Ausbildung an einer Fachhochschule ersetzen.
49 Dass sich die Tätigkeit des Qualitätsprüfers gegenüber der Tätigkeit des Wagenmeisters durch gesteigerten Arbeitsinhalt abhebt, ist zwischen
den Beteiligten nicht streitig.
50 Die Tätigkeit des Qualitätsprüfers ist darüber hinaus geprägt durch höherwertige technische Aufgaben. Gerade die Überprüfung der Tätigkeit der
Wagenprüfer, die ihrerseits durch höherwertige technische Tätigkeiten geprägt ist, setzt (zumindest) dasselbe technische Wissen und
Verständnis wie das der Wagenprüfer voraus. Diese Überprüfungstätigkeit ist auch der Kernbereich, nicht etwa nur ein Teilaspekt der Tätigkeit
der Qualitätsprüfer, weshalb ebenso wie bei den Wagenprüfern von höherwertiger technischer Tätigkeit auszugehen ist.
51 Schließlich ist dem Arbeitsgericht darin zuzustimmen, dass die in der Tarifvorschrift erwähnte "abgeschlossene Ausbildung an einer
Fachhochschule" durch "Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Wege einer betrieblichen Ausbildung oder durch langjährige Berufserfahrung in
einer einschlägigen Tätigkeit erworben wurden" ersetzt werden kann. Mit dem Arbeitgeber ist dabei zunächst davon auszugehen, dass die
Tätigkeit des Qualitätsprüfers keiner akademischen Ausbildung bedarf. Weder die rein praktischen Aspekte der Tätigkeit (Stichproben, Prüfung
der bereits überprüften Wagen) noch die vom Qualitätsprüfer zu veranlassenden Maßnahmen und insbesondere die Prognoseentscheidung
über die Entwicklung eines festgestellten regelwidrigen Zustandes bedürfen eines vertieften theoretischen Fachwissens, wie sie nur eine
akademische Ausbildung vermittelt. Das ist nach der zitierten Tarifvorschrift aber auch nicht der Fall. Dass es sich bei den Ausbildungs-
Alternativen um ein Regel-/Ausnahmeverhältnis handelt, lässt sich dem Wortlaut der Tarifvorschrift nicht entnehmen. Die Versetzungsmöglichkeit
ist vielmehr ohne jegliche Einschränkungen gegeben. Auch aus dem systematischen Zusammenhang der aufeinander aufbauenden
Vergütungsgruppen und der Tarifgeschichte ergibt sich nichts anderes: so ist insbesondere kein Widerspruch zur Eingruppierung in die
Vergütungsgruppe E 8 zu sehen, welche Tätigkeiten betrifft, die (ebenfalls) einer besonderen Ausbildung, die ihrerseits nicht akademischer Natur
ist, bedürfen. Das Abheben der jeweils höheren Vergütungsgruppe von der niedrigeren erfolgt nach dem KonzernETV durch das Merkmal
"gesteigerten Arbeitsinhalt". Es ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass auch alle anderen Tarifmerkmale gegenüber der niedrigeren
Tarifgruppe "gesteigert" sein müssen. Nach Auffassung der Kammer stellt es daher keinen Widerspruch dar, dass gegebenenfalls eine Tätigkeit
nach der Vergütungsgruppe E 9 bezahlt wird, die zu ihrer Ausführung "nur" langjährige Berufserfahrung in einer einschlägigen Vortätigkeit
erfordert, wohingegen nach der Vergütungsgruppe E 8 Berufserfahrung allein nicht genügt. Denn eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe
E 9 setzt immer noch die gegenüber E 8 gesteigerten Arbeitsinhalte voraus. Auch die Tarifgeschichte spricht gegen die hier vertretene
Auslegung. Der Arbeitgeber hat seinerseits nicht dazu vorgetragen, die Richtbeispiele insbesondere bei der Vergütungsgruppe E 9 seien gerade
deshalb gestrichen worden, weil sie nach Auffassung einer oder beider Tarifvertragsparteien dem Obersatz nicht entsprochen hätten. Der
Betriebsrat weist daher zu Recht daraufhin, dass nach dem ETV zahlreiche Tätigkeiten als Richtbeispiele angeführt waren, für die keine spezielle
akademische Ausbildung existiert und die eine solche auch nicht erfordern (wie z. B.: Abnahmelokomotivführer/in, Bühnen-, Hallenleiter/in,
Disponent/in im Frachtzentrum für Personal- und Fahrzeugeinsatz, Sozialarbeiter/in. Fielen aber bei identischem Wortlaut des Obersatzes die
genannten Richtbeispiele unter die Vergütungsgruppe E 9, so würde die vom Arbeitgeber gewünschte Auslegung bedeuten, dass die
Tarifvertragsparteien in der Vergangenheit nicht nur in Einzelfällen sondern in beachtlicher Anzahl Richtbeispiele gebildet haben, die
Voraussetzungen des Obersatzes nicht erfüllten. Davon kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht ausgegangen werden.
52 Die Tätigkeit des Wagenprüfers erfordert auch Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Wege einer betrieblichen Ausbildung erworben wurden:
Voraussetzung für die Tätigkeit ist das Absolvieren der internen Fortbildungen Z 13, Z 15 und Z 16, darüber hinaus die ebenfalls interne
Schulung zum Wagenprüfer. Beides zusammen kann, da es zielgerichtet auf die Besonderheiten des Bahnbetriebes ausgerichtet ist, die
Fachhochschulbildung ersetzen, zumal der Arbeitgeber über diese Ausbildungen hinaus "Erfahrungen in der technischen Wagenbehandlung
Betrieb" verlangt, also das in der Tarifvorschrift alternativ genannte Merkmal der Berufserfahrung (wenn auch nicht als "langjährige") zusätzlich
als unabdingbar für die Tätigkeit des Qualitätsprüfers ansieht.
53 Nach alldem ist festzustellen, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur Eingruppierung des Herrn ... in die Vergütungsgruppe E 8 zu Recht
verweigert hat, weshalb die Beschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen war.
III.
54 Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, die die Auslegung des bundesweit geltenden KonzernETV betrifft, ist der Anregung zu
Arbeitgebers entsprechend die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen worden.
55 Kaiser, ..... Homann, ..... Lamprecht