Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 26.10.2004

LArbG Baden-Württemberg: negative feststellungsklage, unerlaubte handlung, rechtsschutz, unterlassungsklage, verfügung, arbeitsgericht, gerichtsgebühr, rechtsberatung, prozesskosten, leistungsklage

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 26.10.2004, 5 Ta 25/04
Prozesskostenhilfe für negative Feststellungsklage
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12.07.2004 - 28 Ha 16/04 - unter
Zurückweisung im übrigen teilweise abgeändert:
Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. St. zu den Bedingungen eines am
Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts bewilligt für die gemäß Ziff. 2 seines Schriftsatzes vom 26.05.2004 beabsichtigte Feststellungsklage.
Auf die Prozesskosten sind derzeit keine Zahlungen zu leisten.
Eine Gerichtsgebühr ist nicht zu erheben.
Gründe
1
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und gemäß §§ 569, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des
Antragstellers hat überwiegend Erfolg.
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I. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Feststellungsklage zu Unrecht abgelehnt.
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1. Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung erscheint die beabsichtigte negative Feststellungsklage nicht als mutwillig
im Sinne von § 114 ZPO. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre
Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen oder von der konkret beabsichtigten Rechtsverfolgung absehen würde. Diese Voraussetzungen sind
erfüllt, wenn die Partei den von ihr verfolgten Zweck auf einem billigeren als den von ihr beabsichtigten Weg erreichen kann, denn von der
mittellosen Partei ist grundsätzlich zu verlangen, dass sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte von zwei gleichwertigen prozessualen Maßnahmen
diejenige auswählt, die die geringsten Kosten verursacht. Dagegen kann dem Hilfsbedürftigen nicht überhaupt Rechtsschutz verwehrt werden,
vielmehr darf auch dieser den sichersten und weitestgehenden Rechtsschutz wählen, sofern hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl.
Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rdnrn. 30 ff. mit Nachweisen). Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen ist dem Antragsteller die beantragte
Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu verweigern. Seine beabsichtigte Klage, mit der er die
Feststellung erstrebt, dass der Antragsgegnerin gegen ihn kein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung in Höhe von EUR
418.466,75 zusteht, ist als negative Feststellungsklage zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Der Antragsteller hat ein rechtliches Interesse an der
begehrten Feststellung. Ein solches liegt vor, wenn eine tatsächliche Unsicherheit hierüber zwischen den Parteien besteht, insbesondere wenn
sich der Gegner der negativen Feststellungsklage einer Rechtsposition berühmt. Berühmen bedeutet die eindeutige Aussage, dem Erklärenden
stehe gegen den Erklärungsgegner ein Anspruch oder Recht zu (vgl. BGH NJW 1984, 1754). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die
Antragsgegnerin berühmt sich gegenüber dem Antragsteller eines angeblichen Schadensersatzanspruches aus unerlaubter Handlung in Höhe
von EUR 418.466,75, wie sich aus dem Anspruchsschreiben vom 27.01.2004 unzweifelhaft ergibt. Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen
werden, eine Leistungsklage der Antragsgegnerin oder das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens abzuwarten. Denn insoweit handelt es sich
jeweils nicht um eine billigere von mehreren gleichwertigen prozessualen Möglichkeiten, die ihm zur Durchsetzung seiner Rechte zur Verfügung
stehen. Die negative Feststellungsklage ist vielmehr das einzige Mittel, die für ihn bestehende Unsicherheit zu beseitigen und das
Rechtsverhältnis zur Antragsgegnerin zu klären, woran angesichts der die Existenz des Antragstellers vernichtenden Höhe des
Schadensersatzanspruchs, dessen sich die Antragsgegnerin berühmt, auch ein alsbaldiges Interesse des Antragstellers besteht. Den Weg der
negativen Feststellungsklage zu beschreiten, darf daher dem Antragsteller im Hinblick darauf, dass auch eine arme Partei einen Anspruch auf
effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 Abs. 4 GG) hat, jedenfalls so lange nicht verwehrt werden, wie die Antragsgegnerin dem Antragsteller
gegenüber nicht rechtsverbindlich erklärt, dass ihr der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht.
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2. Die gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten negativen Feststellungsklage ist zu bejahen. Eine solche
Klage darf nur abgewiesen werden, wenn der Anspruch, dessen sich der Feststellungsbeklagte berühmt, feststeht. Bleibt unklar, ob die streitige
Forderung besteht, dann muß der auf Negation gerichteten Feststellungsklage ebenso stattgegeben werden wie wenn feststeht, dass der
streitige Anspruch nicht besteht. Dies folgt daraus, dass bei der negativen Feststellungsklage der Beklagte die Beweislast für das Bestehen des
von ihm behaupteten Anspruchs trägt (vgl. etwa BGH NJW 2002, 1806). Davon, dass der Antragsgegnerin dieser Nachweis gelingt, kann nach
ihrem bisherigen Vorbringen nicht ausgegangen werden. Diese hat bisher keinerlei Umstände vorgetragen, die einen tragfähigen Schluss auf
eine Tatbeteiligung des Antragstellers zulassen.
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3. Die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen liegen vor. Ausweislich seiner Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen
Verhältnisse vom 10.03.2004 ist der Antragsteller nicht in der Lage, die Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch nur zum Teil oder in
Raten aufzubringen.
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4. Die Beiordnung beruht auf § 121 Abs. 2 ZPO. Der nicht am Gerichtsort ansässige Rechtsanwalt hat sich bereit erklärt, zu den Bedingungen
eines am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts tätig zu werden (§ 121 Abs. 3 ZPO).
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II. Dagegen hat das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Unterlassungsklage zu Recht abgelehnt.
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Die beabsichtigte Unterlassungsklage, mit der der Antragsgegnerin untersagt werden soll zu behaupten, der Antragsteller habe zu ihren Lasten
eine unerlaubte Handlung begangen und sei deshalb verpflichtet, an sie Schadensersatz in Höhe von EUR 418.466,75 gesamtschuldnerisch mit
weiteren Beteiligten zu zahlen, bietet nicht die in § 114 ZPO vorausgesetzte hinreichende Erfolgsaussicht. Die Antragsgegnerin hat die angeblich
ehrkränkende Behauptung, deren Unterlassung der Antragsteller mit der beabsichtigten Klage erstrebt, ausschließlich zum Zwecke der
Rechtsverfolgung aufgestellt, nämlich zwecks Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs und möglicherweise im Rahmen eines
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Gegen Behauptungen, die der Rechtsverfolgung dienen, können aber Abwehransprüche, also
insbesondere auch Unterlassungsansprüche, grundsätzlich nicht mit Erfolg erhoben werden. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Behauptungen
zur Rechtsverfolgung in einem bereits anhängigen Verfahren (vgl. dazu etwa BGH NJW 1987, 3138) aufgestellt werden, sondern auch dann,
wenn die Unterlassungsklage - wie hier - ersichtlich auch und gerade dem Zweck dient zu verhindern, dass der Gegner die zur Rechtsverfolgung
aufgestellte Behauptung in einem zukünftigen gerichtlichen Verfahren zum Gegenstand seines Vorbringens machen kann (vgl. etwa BGH NJW
1977, 1681; Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., Einführung vor § 823 Rdnr. 21). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als dem Antragsteller mit der
negativen Feststellungsklage ein anderer Weg zur ausreichenden Wahrung seiner Belange zur Verfügung steht und nichts dafür dargetan und
ersichtlich ist, dass die Antragsgegnerin die angeblich ehrkränkende Behauptung außerhalb von anhängigen Verfahren auch gegenüber Dritten
geäußert oder in Kenntnis ihrer Unwahrheit erhoben hat.
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III. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers war daher unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu erkennen wie geschehen.
10 IV. Die Entscheidung, dass eine Gerichtsgebühr nicht zu erheben ist, beruht auf Nr. 8613 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG und trägt dem Umstand
Rechnung, dass die Beschwerde gemessen am Streitwert der beabsichtigten Klagen ganz überwiegend begründet war.
11 V. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlaßt (§ 78 Satz 2
ArbGG).