Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 06.05.2003

LArbG Baden-Württemberg: abfindung, tarifvertrag, akte, arbeitgeberverband, geschäftsführer, probezeit, auskunft, arbeitsgericht, vergütung, kündigungsfrist

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 6.5.2003, 8 Sa 65/02
Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifvertrag - Gleichstellungsabrede
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.10.02, Az.: 18 Ca 5865/02 wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Abfindung nach dem RSA für Arbeitnehmer der Wohnungswirtschaft e.V. (im folgenden: RSA).
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Für den Parteivortrag erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, das RSA gelte für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Dieser Tarifvertrag
sei nicht allgemein verbindlich. Seine Geltung zum Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin sei von der Klägerin nicht bewiesen. Im Übrigen sehe
der Arbeitsvertrag keinen Verweis auf das RSA vor; lediglich der Manteltarifvertrag und der Tarifvertrag über die Gewährung von
vermögenswirksamen Leistungen zu Gunsten der Angestellten der Wohnungswirtschaft, inzident auch der Vergütungstarifvertrag, seien zitiert.
Gegen die Geltung des Rationalisierungsschutzabkommens kraft betrieblicher Übung spreche die arbeitsvertragliche Schriftformklausel. Auch
sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte in der Vergangenheit bereits gekündigte Tarifverträge angewandt habe. Schließlich könne die Klägerin
ihren Anspruch auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Die näheren Hintergründe der Zahlung einer Abfindung an ihren
Kollegen ... seien nicht bekannt. Soweit diesem aber rechtsirrtümlich eine Abfindung entsprechend dem RSA gezahlt worden sei, könne die
Klägerin insoweit nicht Gleichbehandlung verlangen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin - anders als Herr ... - nahtlos einen
Arbeitsvertrag mit dem früheren Geschäftsführer der Beklagten abgeschlossen habe.
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Das arbeitsgerichtliche Urteil ist der Klägerin am 26.11.02 zugestellt worden. Mit ihrer am 16.12.02 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen
und innerhalb der bis 26.02.03 verlängerten Berufungsfrist am 26.02.03 begründeten Berufung rügt die Klägerin, das Arbeitsgericht habe zu
Unrecht angenommen, dass sie die Beweislast für die Geltung des RSA habe. Vielmehr habe das Arbeitsgericht von sich aus die Geltung
feststellen müssen. Nach einer Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sei das RSA nicht gekündigt. Da die Beklagte Mitglied
im Arbeitgeberverband der Wohnungswirtschaft e.V. sei und das gesamte Tarifwerk auf alle, auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer anwende,
gelte auch das RSA. Da der Arbeitsvertrag quasi alles entsprechend den Tarifverträgen regele, komme auch das RSA zur Anwendung. Auch
nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei das gesamte Tarifvertragswerk anzuwenden, wenn nicht tarifgebundene Arbeitnehmer
(bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers) den wesentlichen tarifvertraglichen Bestimmungen unterlägen. Einer ausdrücklichen Verweisung im
Arbeitsvertrag gerade auch auf das RSA bedürfe es demgemäß nicht.
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Die Klägerin behauptet, bei ihrer Einstellung habe sie die gesamte Tarifsammlung (einschließlich des RSA) übergeben erhalten. Der damalige
Geschäftsführer habe ihr erklärt, die Tarifverträge gelten insgesamt. Er habe das Rationalisierungsschutzabkommen nicht gekannt, habe aber
dennoch angenommen, alle Tarifverträge sollten Anwendung finden. Auch ihr Kollege ... habe seine Abfindung zu Recht erhalten. Da keine
weiteren Entlassungen erfolgt seien, genüge für die Anspruchsbegründung nach Gleichbehandlungsgrundsätzen, dass sich die Klägerin auf
diesen einen Kollegen berufen könne.
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Die Klägerin behauptet, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe die Abfindung zahlen wollen; hierauf habe die Klägerin vertraut.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.10.02 mit dem Aktenzeichen 18 Ca 5865/02 abzuändern und entsprechend den Schlussanträgen
in erster Instanz die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.038,40 EUR brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem
01.01.2002 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
10 die Berufung zurückzuweisen.
11 Sie behauptet, das RSA sei am 31.12.1990 gekündigt worden und gelte demgemäß für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Kraft
vertraglicher Inbezugnahme gelten nur die ausdrücklich benannten Tarifverträge; hätte die Beklagte tatsächlich das gesamte Tarifwerk zur
Geltung bringen wollen, wäre dies so formuliert worden. Die Beklagte beruft sich in zweiter Instanz auf die vertragliche Schriftformklausel. Sie
bestreitet, dass ihr früherer Geschäftsführer eine Abfindung zugesagt habe und dass er der Klägerin anlässlich ihrer Einstellung die Geltung der
Tarifverträge insgesamt zugesagt habe. Die Beklagte behauptet, Grundlage der an Herrn ... bezahlten Abfindung seien die Regelungen der §§ 9
und 10 KSchG gewesen. Herr ... habe sich zu keiner Zeit auf das RSA berufen.
12 Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 13 ff. d. Akte), die Berufungsbeantwortung vom 25.03.03
(Bl. 36 ff. d. Akte) sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 08.04.03 (Bl. 44 ff. d. Akte) und den der Beklagten vom 24.04.03 (Bl. 65 ff. d. Akte)
Bezug genommen.
13 Es ist beim Arbeitgeberverband der Wohnungswirtschaft e.V. eine Auskunft darüber eingeholt worden, ob und gegebenenfalls wann das RSAl
gekündigt wurde. Auf den Inhalt der Auskunft (Schreiben des AGV vom 31.03.03, Bl. 43 d. Akte, sowie weitere Schreiben vom 28.04.03, Bl. 80 ff.
d. Akte) wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte Berufung der Klägerin
hat in der Sache keinen Erfolg. Ihr steht keine Abfindung nach dem Rationalisierungsschutzabkommen für die Arbeitnehmer der
Wohnungswirtschaft zu.
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1. Allerdings war das RSA bei Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien noch in Kraft: Eine schriftliche Kündigung dieses Tarifvertrages
existiert nicht, ebenso wenig das Protokoll über eine - zum Beispiel während laufender Tarifverhandlungen - mündlich erklärte Kündigung.
Im Hinblick auf die von einem der Tarifvertragsparteien, dem Arbeitgeberverband der Wohnungswirtschaft e.V., herausgegebenen
"Anmerkungen zur Neuauflage der wohnungswirtschaftlichen Tarife" (Bl. 56 ff. d. Akte), wonach das
Rationalisierungsschutzabkommen "schon seit längerem gekündigt" sei, war die Einholung einer Auskunft beim tarifvertragsschließenden
Arbeitgeberverband veranlasst (§ 293 ZPO, §§ 56 Abs. 1, 64 Abs. 7 ArbGG). Dieser hat durch seinen Vorstand, Herrn ..., am 31.03.03
mitgeteilt, die Kündigung des Rationalisierungsschutzabkommens nicht bestätigen zu können; auf konkrete Nachfrage und unter
Bezugnahme auf das Rundschreiben Nr. 1 des Arbeitgeberverbandes der Wohnungswirtschaft e.V. vom 17.03.03 hat der
Arbeitgeberverband mitgeteilt, das genannte Rundschreiben betreffe nur das Rationalisierungsschutzabkommen Ost, welches noch vom
seinerzeitigen Verband der Wohnungsgenossenschaften in der DDR mit den Gewerkschaften abgeschlossen worden sei. Dieses
Rationalisierungsschutzabkommen sei zum 31.12.1990 gekündigt. Der Arbeitgeberverband hat in den genannten Auskünften auch bestätigt,
dass sowohl ein früherer Vorstand (nicht benannt) wie auch die damalige Protokollführerin (ebenfalls nicht benannt) eine Kündigung des
hier einschlägigen Rationalisierungsschutzabkommens mitgeteilt hätten, ohne dies jedoch zeitlich oder auch nur nach der Person, die die
Kündigung ausgesprochen hätte, zu präzisieren. Mit dem Arbeitgeberverband ist das Landesarbeitsgericht deshalb davon ausgegangen,
dass sich diese Kündigung "nicht verifizieren" lässt, weshalb von einer Weitergeltung des streitgegenständlichen
Rationalisierungsschutzabkommens auszugehen ist.
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2. Das Rationalisierungsschutzabkommen gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Es ist unstreitig nicht ausdrücklich im schriftlichen
Arbeitsvertrag in Bezug genommen. Nach Auffassung der Kammer liegt auch eine konkludente Inbezugnahme nicht vor. Arbeitsvertraglich
ist in § 2, § 3 und § 4 der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Wohnungswirtschaft, in § 2 außerdem der Tarifvertrag über die
Gewährung vermögenswirksamer Leistungen zu Gunsten der Angestellten der Wohnungswirtschaft in Bezug genommen. Über § 3 Ziffer 1
des Manteltarifvertrages lässt sich auch eine ausdrückliche Inbezugnahme des Vergütungstarifvertrages annehmen; damit hat es allerdings
sein Bewenden. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber bereits die
arbeitsvertraglich vereinbarte Anwendung wesentlicher Tarifbedingungen, insbesondere die Gewährung des Tariflohns, zu der Annahme
führt, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt den einschlägigen Tarifverträgen unterliegen soll, wenn nicht besondere Umstände des
Einzelfalles dagegen sprechen (BAG AP Nr. 9 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag) ist der Kammer bekannt; ihr kann aber nicht gefolgt
werden. Den Arbeitsvertragsparteien ist es nämlich unbenommen, das Arbeitsverhältnis insgesamt unter die Geltung der jeweils
einschlägigen Tarifverträge zu stellen; sie tun dies auch in einer Vielzahl von Fällen. Beschränkt sich ein Arbeitgeber - und in aller Regel
werden Arbeitsverträge vom Arbeitgeber formuliert - auf die Inbezugnahme einzelner Tarifvorschriften oder aber einzelner Tarifverträge so
kann daraus zwar geschlossen werden, er wolle die Beschäftigen hinsichtlich der hier geregelten Materien gleichmäßig behandeln.
Insbesondere was die Vergütungsseite angeht, drängt sich die Bewertung allerdings auf, der Arbeitgeber wolle ein gleichmäßiges
Vergütungsgefüge in seinem Betrieb aufstellen und erhalten und "Außenseiter" nicht anders als Gewerkschaftsmitglieder stellen. Dasselbe
gilt für Regelungen wie Urlaubsdauer und Urlaubsentgelt sowie der Arbeitszeit, die bereits aus Praktikabilitätsgründen eine einheitliche,
gleichmäßige Behandlung aller Beschäftigten nahe legen. Neben diesen, im betrieblichen Alltag massenhaft anzuwendenden
Tarifvorschriften gibt es indessen zahlreiche Regelungen, deren einheitliche Anwendung auf alle Arbeitsverhältnisse - aus Arbeitgebersicht -
nicht notwendig erscheint. Bezogen auf den hier einschlägigen Manteltarifvertrag sind dies insbesondere die Regelungen über
Arbeitsbefreiung (§ 13 MTV) und die Alterssicherung nach § 15 Ziffer 4 MTV. Deshalb hat die Kammer bereits Bedenken, die Inbezugnahme
der "maßgeblichen" Regelungen eines Tarifvertrages als ausreichende Auslegungsgrundlage für eine insgesamte Inbezugnahme dieses
Tarifvertrages anzusehen. Auf keinen Fall kann aber die vertragliche Inbezugnahme eines oder mehrerer Tarifverträge zur stillschweigenden
Einbeziehung auch anderer Tarifverträge führen. Speziell im vorliegenden Fall sind für das Arbeitsverhältnis einer in den alten
Bundesländern beschäftigten Angestellten fünf Tarifverträge einschlägig: Der genannte Manteltarifvertrag, der Tarifvertrag über
vermögenswirksame Leistungen, der Vergütungstarifvertrag, das Rationalisierungsschutzabkommen und der Tarifvertrag zur
Altersteilzeitarbeit. Das Tarifwerk ist damit übersichtlich; es ist - anders als etwa im öffentlichen Dienst - den Vertragsparteien unschwer
möglich, sich einen Überblick über die tarifvertraglich geregelten Gegenstände zu verschaffen. Nimmt der Arbeitsvertrag in einem solchen
Fall nur einen Teil der Tarifverträge ausdrücklich in Bezug, so müssen entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht etwa
besondere Umstände dafür vorliegen, dass die anderen Tarifverträge nicht gelten sollen, sondern es müssen besondere Umstände dafür
gegeben sein, dass auch diese, nicht genannten Tarifverträge entgegen dem schriftlich geäußerten Willen der Arbeitsvertragsparteien ihr
Arbeitsverhältnis bestimmen sollen.
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Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
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Im Übrigen kann nicht übersehen werden, dass das Arbeitsverhältnis auf 3 Jahre befristet war. Die (stillschweigende) Inbezugnahme
des Tarifvertrages zur Altersteilzeit erscheint geradezu abwegig (der Kläger war bei Vertragsabschluss 37 Jahre alt), die des RSA
fernliegend.
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Geltung des
Rationalisierungsschutzabkommens vorliegend zweifelhaft wäre: Denn die Reichweite der Verweisung auf Tarifverträge soll anhand der
Umstände des Einzelfalles zu ermitteln sein. Dabei soll es für eine umfassende Bezugnahme sprechen, wenn sich bei der Durchführung
des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Arbeitsbedingungen (Entgeltarbeitszeit, Urlaub) nach den tariflichen Regelungen richten,
ohne das hinsichtlich anderer Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers von den tariflichen Regelungen abgewichen würde
(BAG a.a.O.). Der Arbeitsvertrag der Parteien weicht hinsichtlich der Kündigungsfristen in der Probezeit zum Nachteil der Klägerin vom
Tarifvertrag ab: § 1 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrages sieht eine Kündigungsfrist während der Probezeit von zwei Wochen vor, wonach
nach § 15 Ziffer 2 MTV die Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit nicht unter einem Monat zum Monatsende betragen darf. Zwar
verweist § 4 e des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Kündigung ausdrücklich auf den "jeweils gültigen Manteltarifvertrag". Ersichtlich gilt
dies aber nicht für die Probezeitkündigung. Die im Vergleich zur tariflichen Regelung nachteilige Vertragsklausel wirkte sich für die
Klägerin zwar nur sechs Monate lang aus; aus ihr kann jedoch geschlossen werden, dass die Inbezugnahme von Tarifverträgen nicht
umfassend sondern selektiv gewollt war.
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Das RSA gilt auch nicht kraft mündlicher Inbezugnahme: dem steht § 6 des Arbeitsvertrages entgegen. Zwar kann die vertraglich
vereinbarte Schriftform jederzeit, auch konkludent aufgehoben werden. Dafür ist es zumindest erforderlich, dass die Parteien die
Maßgeblichkeit des mündlich vereinbarten übereinstimmend gewollt haben (BAG BB 89, 1124). Die Klägerin trägt selbst vor, der
ehemalige Geschäftsführer der Beklagten habe im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Übergabe des Tarifvertrags-Ordners die
Existenz des RSA nicht gekannt. Dann wolle er aber auch nicht, dass dieses - abweichend von der Vertragsurkunde - Inhalt des
Arbeitsverhältnisses wurde.
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3. Der Klägerin steht auch kein Abfindungsanspruch aus betrieblicher Übung zu. Soweit sie sich auf die Geltung sämtlicher Tarifverträge für
die Arbeitnehmer der Wohnungswirtschaft kraft betrieblicher Übung bezieht, hat sie hierzu keinen ausreichenden Vortrag gehalten.
Insbesondere folgt ihre eigene Vergütung nicht etwa aus einer kraft betrieblicher Übung in Bezug genommenen Geltung des
Vergütungstarifvertrages sondern aus § 2 des Arbeitsvertrages, der als "Grundlage für die Vergütung" den Manteltarifvertrag und sodann
zwei unterschiedliche Gehaltsgruppen für die Probezeit und die Zeit danach enthält. § 3 Ziffer 1 des Manteltarifvertrages verweist wiederum
auf die Tarifgruppen gemäß Vergütungstarifvertrag. Der Konstruktion einer betrieblichen Übung für die Geltung des Vergütungstarifvertrages
bedarf es demnach nicht. Dass im Betrieb der Beklagten jemals der Tarifvertrag über Altersteilzeit zur Anwendung gekommen wäre,
behauptet auch die Klägerin nicht; für die Geltung des Rationalisierungsschutzabkommens hat sie nur einen einzigen Fall, nämlich ihren
Kollegen ... benannt, was keine betriebliche Übung schaffen kann. Denn darunter wird die ständige Gewährung von Leistungen oder eine
bestimmte ständige Handhabung verstanden, wenn die Arbeitnehmer darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitgeber sich binden wollte.
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4. Schließlich steht der Klägerin auch kein Abfindungsanspruch aus Gleichbehandlungsgrundsätzen zu. Der Gleichbehandlungsgrundsatz
verbietet die willkürliche, d.h. sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen in vergleichbarer Lage
befindlichen. Verboten ist die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Dagegen verhindert er
nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer. Erste Voraussetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist damit eine vergleichbare Lage
mehrerer Arbeitnehmer. Es müssen sich Gruppen von Arbeitnehmern bilden lassen. Der Anspruch der Klägerin scheitert daran, dass sich
keine Gruppe bilden lässt, zu welcher sie Zugehörigkeit beanspruchen könnte. Vielmehr kann sie nur einen Kollegen, Herrn ..., benennen,
der anders als sie anlässlich seiner Kündigung eine Abfindung erhalten hat. Unabhängig davon, ob diese Abfindung nach dem
Rationalisierungsschutzabkommen oder als reine Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz gezahlt wurde, durfte die Beklagte Herrn ...
gegenüber der Klägerin besser stellen, ohne dass dieser daraus ein Rechtsanspruch erwachsen würde.
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Die Berufung der Klägerin ist daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückgewiesen worden.
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Die Revision ist für die Klägerin zugelassen worden, da das Urteil vom Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.01.1999 - Az.: 1 AZR
606/98, AP Nr. 9 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag abweicht.
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Kaiser Czakaj Ritter