Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 01.02.2011

LArbG Baden-Württemberg: ordentliche kündigung, arbeitsgericht, auszahlung, herausgabe, zeitlohn, arbeitsentgelt, gehalt, rechtsberatung, begriff, hessen

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 1.2.2011, 5 Ta 189/10
Wertfestsetzung - Arbeitsentgelt i.S.d. § 42 Abs 3 S 1 GKG 2004
Leitsätze
Arbeitsentgelt im Sinne des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG sind - unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt - nicht nur die monatlich anfallenden
(Grund)vergütungsbestandteile (Gehalt, Zeitlohn, Fixum, Zuschläge, Prämien, Sachbezüge etc.), sondern auch in anderen Zyklen erfolgende
Zuwendungen (wie etwa Urlaubsentgelt, 13. Monatsgehalt), soweit diese nicht Gratifikations-, sondern Entgeltcharakter haben.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 3. August 2010 - 8 Ca
272/10 - in Gestalt des teilweisen Abhilfebeschlusses vom 10. September 2010 - 8 Ca 272/10 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gem. § 63 Abs. 2 GKG.
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Im Ausgangsverfahren wandte sich der seit 1. Mai 2008 bei der Beklagten beschäftigte Kläger gegen die ihm am 30. Juni 2010 zugegangene
ordentliche Kündigung vom 29. Juni 2010 zum 31. Juli 2010, begehrte die allgemeine Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses
sowie ein Zwischenzeugnis und machte für den Fall der Abweisung der Kündigungsschutzklage die Erteilung eines qualifizierten
Beendigungszeugnisses sowie die Herausgabe diverser Arbeitspapiere sowie Bescheinigungen geltend.
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Der Rechtsstreit endete durch Vergleich gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21. Juli 2010, worin die Parteien außer Streit stellten, dass
das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund Kündigung vom 29. Juni 2010 zum 31. Oktober 2010 enden wird, die Beklagte sich
zur Erteilung eines wohlwollend qualifizierten Beendigungszeugnisses mit der Leistungs- und Führungsbeurteilung „gut“ und im Gegenzug der
Kläger zur Herausgabe sämtlicher Arbeitsmaterialien sowie Geschäftsunterlagen und des ihm überlassenen Dienstwagens verpflichtete.
Darüber hinaus trafen die Parteien noch weitere Regelungen im Rahmen der Gesamtabwicklung des Arbeitsverhältnisses und hoben die
Verfahrenskosten gegeneinander auf.
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Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert zuletzt auf 23.059,55 EUR festgesetzt sowie einen Vergleichsmehrwert
in Höhe von 2.842,16 EUR veranschlagt. Dabei hat es für den Bestandsschutzantrag ein Viertel der Jahreslohnsumme 2009 (= 54.142,98 EUR)
als Quartalsverdienst (= 13.535,73 EUR) zugrunde gelegt. In ersterer waren - arbeitsvertraglich als verbindliche Ansprüche zugesagt - ein im Juni
2009 ausbezahltes Urlaubsgeld in Höhe von 696,00 EUR brutto und ein im November 2009 bezahltes „Weihnachtsgeld“ in Höhe von 4.071,00
EUR brutto enthalten.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde insoweit, als er das Urlaubs- und das „Weihnachtsgeld“ als für die Ermittlung des
Vierteljahreseinkommens im Sinne des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht relevant ansieht. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen
und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zur Vorlage an das Beschwerdegericht wird auf die Sachverhaltswiedergabe im
angegriffenen Beschluss in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Im Übrigen wird von
der Sachverhaltswiedergabe abgesehen, da der Beschluss des Beschwerdegerichts einem weiteren Rechtsmittel nicht unterfällt.
II.
7
Die Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG) und
auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert und den
Vergleichsmehrwert zutreffend festgesetzt. Es hat sowohl die einzelnen Anträge und die zusätzlichen Vergleichsgegenstände in nicht zu
beanstandender Weise bewertet als auch, soweit dies angezeigt war, eine Streitwertaddition vorgenommen.
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1. Die gem. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG erfolgte Bewertung des Kündigungsschutzantrags mit einer Quartalsvergütung des Klägers in Höhe von
13.535,73 EUR lässt Ermessensfehler nicht erkennen und wird von den Beteiligten dem Grunde nach auch nicht angegriffen. Auch die vom
Arbeitsgericht ermittelte Höhe des Vierteljahreseinkommens ist nicht zu beanstanden.
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a) Insoweit besteht Einigkeit, dass dasjenige Bruttoentgelt zugrunde zu legen ist, das der Arbeitnehmer bei Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses in dem auf den streitigen Beendigungstermin folgenden Vierteljahr erzielen würde (vergl. BAG 19. Juli 1973 - 2 AZR
190/73 - AP ArbGG 1953 § 12 Nr. 20 = EzA ArbGG § 12 Nr. 1, zu II 1 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 20. Januar 2009 - 1 Ta 1/09 - MDR
2009, 454, zu II 1 der Gründe; LAG Baden-Württemberg 7. Dezember 2009 - 5 Ta 133/09 - zu II 2 b bb (2) der Gründe - www.LAG-Baden-
Württemberg.de unter "Hinweise/Streitwertkatalog").
10
Inwieweit nicht monatlich anfallende Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsgehalt, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Jubiläumszuwendungen,
Tantiemen etc.) anteilig zu berücksichtigen sind, ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand etwa KR-Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 274 sowie
GK-ArbGG/Schleusener Stand September 2009 § 12 ArbGG Rn. 254, jeweils mwN). Die erkennende Kammer hat bislang die Auffassung
vertreten, dass Sonderzahlungen - unbeschadet des Charakters der Leistung - jedenfalls dann nicht streitwertrelevant seien, wenn sie nicht
in dem o.g. Vierteljahreszeitraum zur Auszahlung anfallen (vgl. etwa 28. August 2009 - 5 Ta 55/09 -).
11
b) Daran wird nach erneuter Überprüfung nicht länger festgehalten. Die für Streitwertbeschwerden zuständige Kammer 5 des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg geht nunmehr davon aus, dass unter den Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 42 Abs. 3
Satz 1 GKG neben den monatlich anfallenden (Grund)Vergütungsbestandteilen (Gehalt, Zeitlohn, Fixum, Zuschläge, Prämien, Sachbezüge
etc.) anteilig auch solche nicht monatlich, sondern in anderen Zyklen erfolgende Zuwendungen fallen, soweit diese nicht Gratifikations-,
sondern Entgeltcharakter haben (so auch LAG Hessen 12. August 1999 - 15 Ta 137/99 - NZA-RR 1999, 660; LAG Köln 17. November 1995 -
5 Ta 288/95 - NZA-RR 1996, 392). Diese Differenzierung erscheint aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Vermeidung von Zufälligkeiten
bei der Ermittlung des maßgeblichen Arbeitsentgelts iSd. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG geboten. Es vermag nicht einzuleuchten, warum der
wirtschaftliche Wert eines Arbeitsverhältnisses, das von in monatlichen und in sonstigen Rhythmen auszubezahlenden
Vergütungsbestandteilen gekennzeichnet ist, unterschiedlich hoch sein soll, je nach dem, zu welchem Zeitpunkt dieses sein Ende finden
soll. Diese Erwägungen gelten im Übrigen auch für die Bemessung des "Monatsverdienstes" iSd. § 10 Abs. 3 KSchG (vgl. KR-Spilger 9. Aufl.
§ 10 KSchG Rn. 33; Hako/Fiebig 3. Aufl. § 10 KSchG Rn. 8, jeweils mwN).
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c) Da die Zahlen für 2009 auch für das Jahr 2010 maßgebend sein sollen, erweist sich die arbeitsgerichtliche Wertermittlung für das
Vierteljahreseinkommen gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG als richtig. Denn der Kläger hatte einen arbeitsvertraglichen Entgeltanspruch
sowohl auf das Urlaubs- als auch das „Weihnachtsgeld“. Diese Entgeltbestandteile sind, auch wenn sie nicht monatlich zur Auszahlung
gelangen und in dem Vierteljahreszeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht angefallen wären, anteilig zur Ermittlung des
Arbeitsentgelts zu berücksichtigen.
13 2. Die - durchgängig zutreffende - Bewertung der übrigen Anträge und Vergleichsgegenstände sowie die vom Arbeitsgericht vorgenommenen
Additionen hat die Beschwerde nicht angegriffen, so dass sich weitere Ausführungen des Beschwerdegerichts hierzu erübrigen.
14 Die Beschwerde erwies sich daher als unbegründet.
III.
15 Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG); Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).