Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 17.08.2009

LArbG Baden-Württemberg: rechtfertigung, vermögensrechtliche streitigkeit, beschwerdekammer, arbeitsgericht, ausdehnung, verbilligung, rechtssicherheit, vergütung, arbeitsbedingungen, drucksache

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 17.8.2009, 5 Ta 49/09
Streitwert - Änderungskündigung - Änderung der Arbeitsbedingungen - Verringerung der Vergütung
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 22. Juli 2009 - 5 Ca 335/09
- wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
2
Die Parteien stritten im Ausgangsverfahren über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung vom 13. Mai 2009, wodurch eine Reduzierung der
Arbeitszeit der Klägerin (Beteiligte zu 2) ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 27,16 Stunden auf lediglich noch 7,16 Stunden mit
Wirkung vom 28. Mai2009 herbeigeführt werden sollte. Die Klägerin hat die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt der soziale
Rechtfertigung angenommen. Zuvor verdiente die Klägerin durchschnittlich EUR 875,00 brutto im Monat. Nach Wirksamwerden der
Änderungskündigung wären es noch etwa EUR 169,00 brutto monatlich gewesen. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich gemäß Beschluss
vom 16. Juli 2009, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28. Mai 2009 sein Ende gefunden hat. Darüber hinaus wurden weitere
Regelungen zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses getroffen.
3
Mit Beschluss vom 22. Juli 2009 hat das Arbeitsgerichts den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf EUR 2.625,00 festgesetzt. Es hat
dabei den dreifachen Bruttomonatsbezug gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG zu Grunde gelegt.
4
Gegen diesen Beschluss haben die Beschwerdeführer mit am 23. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde
eingelegt. Die Beschwerde richtet sich gegen die Begrenzung des Streitwerts für die Änderungskündigung auf ¼-Jahresgehalt der Klägerin.
5
Mit Beschluss vom 24. Juli 2009 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.
II.
6
Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert im angefochtenen Beschluss vom 23.
Juli 2009 zu Recht auf EUR 2.625,00 festgesetzt. Die unter Heranziehung der Rechtsprechung der Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts (LAG
Baden-Württemberg 11. Januar 2008 - 3 Ta 8/08) begründete Beschwerde hat keinen Erfolg. Die nunmehr für Streitwertbeschwerden
ausschließlich zuständige Kammer 5 des Landesarbeitsgerichts hat bereits mit Beschluss vom 31. Juli 2009 die entgegenstehende
Rechtsprechung der früheren Streitwertkammer des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich aufgegeben (LAG Baden-Württemberg 31. Juli 2009 - 5
Ta 35/09 - zitiert nach juris). Der Änderungskündigungsschutzantrag ist vom Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss mit einem
Quartalsbezug in Höhe von EUR 2.625,00, ausgehend von einem Bruttomonatsentgelt von EUR 875,00, zutreffend und frei von
Ermessensfehlern bewertet worden.
7
1. Die Bewertung eines Änderungskündigungsschutzantrags hat nach § 42 Abs. 3 GKG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 GKG und § 3 ZPO zu
erfolgen. Bei einer Änderungsschutzklage unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer die Änderung unter dem Vorbehalt der sozialen
Rechtfertigung annimmt oder nicht, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Hat der Arbeitnehmer das Änderungsangebot
des Arbeitgebers unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen, so handelt es sich beim Streit um die soziale
Rechtfertigung oder sonstige Wirksamkeit der vom Arbeitgeber angestrebten Änderung der Arbeitsbedingungen nicht mehr um einen Streit
um eine Kündigung oder um das Bestehen des Arbeitsverhältnisses selbst (vgl. BAG 23. März 1989 - 7 AZR 527/85 (B) - AP GKG 1975 § 17
Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 64, zu I 3 der Gründe). Folglich ist § 42 Abs. 3 GKG in der derzeit gültigen Fassung für die
Bestimmung des Wertes anzuwenden, wenn das Änderungsangebot auf eine Verringerung der Vergütung zielt. Danach ergebe sich bei
einer monatlichen Vergütungsdifferenz in Höhe von EUR 706,00 ein Wert von EUR 25.416,00 für den Änderungskündigungsschutzantrag.
8
2. Nach Auffassung der nunmehr für die Streitwertbeschwerde zuständigen Beschwerdekammer hat auch bei Annahme des
Änderungsangebots unter Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung die Wertfestsetzung in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung der
Vorgaben des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG zu erfolgen. Die anders lautende Rechtsprechung der Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts wird
aufgegeben.
9
a) Die Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts hat angenommen, dass eine Übertragung der Höchstgrenze des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG
nicht in Betracht komme. Dies hat sie damit begründet, dass die Ausdehnung des Geltungsbereichs des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG ohne
zureichende Begründung erfolge, wenn der „Schutzbereich“ der Norm auf Streitigkeiten der vorliegenden Art ausgedehnt werde. Diese
Auffassung würde den Regelungsgehalt des Ausnahmebestimmung des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG verkennen. Nur für den Fall eines
wirtschaftlich für den Arbeitnehmer besonders bedeutsamen Streits, nämlich um den Bestand des Arbeitsverhältnisses als solchen,
habe das Gesetz einen im Verhältnis zum tatsächlichen wirtschaftlichen Wert eines Arbeitsverhältnisses fiktiv niedrigeren Wert bestimmt,
um das Verfahren zu verbilligen und für diese typischerweise existentiell bedeutsamen Rechtsstreitigkeiten eine sich aus hohen
Prozesskosten ergebende Zugangsbarriere aus dem Weg zu räumen. Außerhalb dieser und der für die Eingruppierungsstreitigkeiten
und wiederkehrenden Leistungen vorgesehenen Sonderbestimmungen gelten die allgemeinen Bestimmungen des
Gerichtskostengesetzes auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit dem selben Regelungsgehalt wie in den übrigen Gerichtsbarkeiten.
Da sich die Streitwertbestimmung, die in erster Linie für die Gerichtsgebühren maßgeblich ist, über § 32 RVG auch auf die Höhe des
Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts auswirkt, sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG
23. August 2005 -1 BvR 46/05 - NJW 2005, 2980) darauf zu achten, dass die vom Gesetzgeber bereits getroffene Entscheidung über die
Höhe des Streitwerts nicht durch die Gerichte zum Nachteil der beruflichen Interessen der Anwaltschaft (Art. 12 Abs. 1 GG) weiter
eingeschränkt werde. Dies beträfe in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall eine unzulässige Doppelbewertung (die
bereits in der Höhe des für den Streitwert zu berücksichtigenden Rahmens berücksichtigten fiskalischen Gründe dürfen nicht noch
einmal bei der Bewertung des Einkommens erneut berücksichtigt werden).
10
Dieser Rechtsgedanke sei auch bei Änderungskündigungsschutzklagen anzuwenden. Hätte der Gesetzgeber auch in weniger
bedeutsamen Rechtsstreitigkeiten eine generell niedrigere Streitwertfestsetzung herbeiführen wollen, hätte er dies getan. Die
ausdrückliche Beschränkung auf die in § 42 Abs. 4 Satz 1 und 2 und Abs. 5 Satz 1 GKG genannten Streitigkeiten zeige, dass gerade
kein allgemein niedrigerer Streitwert für das arbeitsgerichtliche Verfahren vorgesehen werde. Abgesehen davon, dass methodisch
zweifelsfrei dieses Ergebnis zu ermitteln sei, weil die genannten Bestimmungen nicht analogiefähig seien, führt eine andere
Verfahrensweise zu einer Ausdehnung des gesetzgeberischen Plans auf Tatbestände, die dieser ausdrücklich nicht anders behandelt
wissen wollte als in Verfahren vor den anderen Gerichtsbarkeiten; denn dies sei der Sinn der Vereinheitlichung der Bestimmungen des
Kosten- und Gebührenrechts. Es sei verfehlt, mit Gründen der Logik den Widerspruch zwischen den Bewertungen etwa von
Bestandsstreitigkeiten mit den etwa höheren Bewertungen wirtschaftlich vergleichsweise weniger bedeutsamen Streitigkeiten
harmonisieren zu wollen, weil es gerade das gesetzgeberische Ziel sei, gerade diese und nur diese Streitigkeiten nicht nach dem
wirklichen wirtschaftlichen Wert zu bemessen, sondern mit einem fiktiv niedrigen (normativen) Wert. Dieser fiktive Wert könne nicht zu
dem wirklichen wirtschaftlichen Wert einer anderen Streitigkeit in Beziehung gesetzt werden. Diese „Unstetigkeitsstelle“ sei vom
Gesetzgeber gewollt und deshalb nach Art. 20 Abs. 3 GG von den Gerichten hinzunehmen, nicht aber zu korrigieren, indem der
gesetzgeberische Plan auf Sachverhalte ausgedehnt wird, die er offensichtlich nicht gemeint habe. Die Verbilligung des
arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Übrigen hat der Gesetzgeber durch eine niedrigere Gerichtsgebühr, den Wegfall der Vorschusspflicht
und den Wegfall der Zweitschuldnerhaftung herbeigeführt. Darüber hinaus aus diesen gesetzlichen Regelungen die Legitimation für
eine weitere Verbilligung des Verfahrens herzuleiten und über die gesetzlichen Regelungen hinaus weitere Elemente der
Verfahrensverbilligung einzuführen, lasse sich mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbaren und führe im Ergebnis zu dem vom
Bundesverfassungsgericht im oben angeführten Beschluss bemängelten Zustand, dass ein gesetzliches Anliegen, das in konkreten
Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat, zum Nachteil der Rechtsanwälte über von diesen bereits zu duldenden
Einschränkungen des gesetzlichen Vergütungsanspruchs hinaus noch weitere Einschränkungen hinzufüge.
11
b) An dieser Rechtsprechung hält die nunmehr für die Streitwertbeschwerden zuständige Kammer 5 des Landesarbeitsgerichts nicht
fest. Zwar ist der Ausgangspunkt, wonach sich der Wert bei Änderungskündigungen grundsätzlich nach § 42 Abs. 3 GKG in Verbindung
mit § 48 Abs. 1 GKG und § 3 ZPO bemisst, zutreffend, gleichwohl ist nach Auffassung der Beschwerdekammer § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG
eine Wertung zu entnehmen, wonach der Streitwert auch bei Änderungskündigungen, die unter Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung
angenommen wurden, mit einer Höchstgrenze eines Quartalsbezugs zu bewerten ist. Hierfür streiten nach Auffassung der
Beschwerdekammer die besseren Argumente.
12
aa) Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist schon zweifelhaft, ob es sich bei § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG, bezogen auf die
Änderungskündigung, um eine Sondervorschrift handelt, die im Fall einer Änderungskündigung keine Anwendung finden kann.
Unzweifelhaft gilt § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG im Fall der Änderungskündigung, die der Arbeitnehmer nicht unter dem Vorbehalt der sozialen
Rechtfertigung angenommen, sondern abgelehnt hat. In diesem Fall streiten die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Im Fall eines sozial gerechtfertigten Änderungsangebotes und fehlender sonstiger Unwirksamkeitsgründe endet das Arbeitsverhältnis
der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist. Zwar ist im Fall der Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt ihrer sozialen
Rechtfertigung zutreffend, dass in diesem Fall das Arbeitsverhältnis im Fall der sozialen Rechtfertigung des Änderungsangebotes kein
Ende findet, sondern eben zu geänderten Vertragsbedingungen fortbesteht. Gleichwohl streiten der Parteien zumindest begrifflich über
eine Kündigung.
13
bb) Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber des Gerichtskostengesetzes 2004 ausweislich der Gesetzesbegründung zum
Kostenmodernisierungsrecht mit der Änderung des Gerichtskostenrechts und der Hereinnahme des früheren § 12 Abs. 7 ArbGG in das
Gerichtskostengesetz eine strukturelle Änderung dahingehend herbeiführen sollte, dass die Wertbemessungsvorschriften insgesamt im
Gerichtskostengesetz untergebracht werden. Ansonsten hat sich der Gesetzgeber damit begnügt, zur Begründung des § 42 GKG n. F.,
darauf hinzuweisen, dass diese neue Vorschrift die Regelung des früheren § 17 GKG übernimmt und die Regelung des § 12 Abs. 7
ArbGG mitberücksichtigt (BT-Drucksache 15/1971 Seite 141 und 155). Hieraus kann nach Auffassung der Beschwerdekammer
abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber die ihm bekannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wertfestsetzung bei
Änderungskündigungen (vgl. BAG 23. März 1989 - 7 AZR 527/85 (B) - AP GKG 1975 § 17 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr.
64) in seinen Willen aufgenommen hat. Hätte der Gesetzgeber diese damals bestehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
auch in Kenntnis abweichender Auffassungen nicht gebilligt, so hätte er dies nach Auffassung der Beschwerdekammer bei dieser
grundlegenden Reform des Gerichtskostenrechts berücksichtigen müssen. Die ohne inhaltliche Änderung erfolgte Hereinnahme des §
12 Abs. 7 ArbGG in § 42 Abs. 4 GKG spricht dafür, dass der Gesetzgeber an der bestehenden Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts insoweit nichts ändern wollte.
14
cc) Darüber hinaus sprechen die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Rechtseinheit für eine Heranziehung der
Begrenzung des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG auch im Fall der Änderungskündigung, wenn der Arbeitnehmer die geänderten
Vertragsbedingungen unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen hat (so ausdrücklich KR-Rost 9. Auflage § 2
KSchG Rn 174a; ihm ausdrücklich folgend LAG Baden-Württemberg 21. Juli 2009 - 14 Sa 2/09; in ausdrücklicher Abkehr von der
bisherigen Rechtsprechung der Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts). Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist es aus Gründen
der Rechtssicherheit angezeigt, bei allen Fällen der Änderungskündigung - unabhängig von dem Verhalten des Arbeitnehmers nach
Zugang der Änderungskündigung - die sich aus § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG ergebende gesetzgeberische Wert- und Zielvorstellung
umzusetzen und sie bei der Bewertung des Änderungsschutzantrages entsprechend heranzuziehen.
III.
15 Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
16 Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.