Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 08.05.2000

LArbG Baden-Württemberg: vollstreckbarkeit, begriff, zwangsvollstreckung, vollstreckungstitel, einwendung, gestaltung, arbeitsbedingungen, rüge, vollstreckungsverfahren, rechtsberatung

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 8.5.2000, 5 Sa 14/00
Auslegung eines Vollstreckungstitels
Tenor
Die dem Kläger am 13.03.2000 für das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart -Kammern Aalen- vom 12.10.1999 -9 Ca 278/99- erteilte
Vollstreckungsklausel wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1 Die von der Beklagten mit der "Erinnerung" vorgebrachte Einwendung gegen die Zulässigkeit der am 13.03.2000 von der Geschäftsstelle des
Landesarbeitsgerichts erteilten Vollstreckungsklausel, nämlich dass dem Titel die Vollstreckbarkeit fehle, ist gem. § 732 ZPO zulässig und auch
begründet.
2 Die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO setzt voraus, dass das Urteil den zu vollstreckenden Anspruch (Art und Umfang der
Handlung) als Vollstreckungstitel inhaltlich bestimmt ausweist. Der Titel muss aus sich heraus verständlich sein und klar erkennen lassen, was der
Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Ob dies der Fall ist, ist erforderlichenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Eine Auslegung kommt aber
nur in Betracht, soweit Umstände zu berücksichtigen sind, die dem Vollstreckungstitel selbst zu entnehmen sind, wozu auch die Urteilsgründe
gehören, nicht aber darin in Bezug genommene Urkunden, soweit sie nicht zum Urteilsbestandteil erhoben sind. Nicht aus dem Titel zu klärende
Unbestimmtheiten sind nicht im Vollstreckungsverfahren aufzuklären, sondern gehören ins Erkenntnisverfahren. Da der Titel aus sich heraus
inhaltlich bestimmt sein muss, kommt es für die Frage seiner Vollstreckbarkeit entgegen der Auffassung des Klägers schließlich auch nicht darauf
an, ob der Inhalt des zu vollstreckenden Anspruchs zwischen den Parteien streitig war und ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen
außerhalb des Titels liegenden und damit unbeachtlichen Umstand (vgl. zum Ganzen Zöller-Stöber, ZPO, 21. Aufl., Rdnrn. 4, 5 zu § 704 mit
Nachweisen).
3 Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Einwendung der Beklagten, dem Titel fehle mangels ausreichender inhaltlicher Bestimmtheit die
Vollstreckbarkeit, begründet. Die im Ausspruch unter Ziffer 2 des Tenors des Urteils des Arbeitsgerichts vom 12.10.1999, der allein einen
Vollstreckungsfähigen Inhalt haben könnte, verwendete Bezeichnung "Meister" stellt einen unbestimmten Begriff dar, der als ausreichende
Grundlage für die Zwangsvollstreckung im Sinne einer genauen Leistungsbestimmung nicht tauglich ist, weil er keinen aufgrund allgemeinen
Sprachgebrauchs oder inhaltlicher Gestaltung durch Gesetz oder allgemein zugängliche berufsrechtliche Richtlinien bestimmten oder
bestimmbaren eindeutigen Inhalt hat und auch im Urteil nicht in diesem Sinne näher definiert ist. Vielmehr verweist das Urteil im Tenor insoweit
lediglich auf den Arbeitsvertrag ("zu unveränderten Arbeitsbedingungen"), ohne die für die Leistungsbestimmung danach maßgeblichen
arbeitsvertraglichen Bedingungen im Einzelnen wiederzugeben. Danach bleibt aber völlig offen, mit welchen Aufgaben/Tätigkeiten in welchen
Arbeitsbereichen der Kläger von der Beklagten als Meister (welcher Fachrichtung oder Art?) weiterzubeschäftigen ist. Auch die nach dem
Tatbestand des Urteils auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit Anwendung findenden Tarifverträge
für die Beschäftigten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden erlauben keine ausreichende Leistungsbestimmung, da der Begriff
"Meister" auch danach keine eindeutige Kontur erhalten hat, die Anlage 5 zum Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag I vom 11.02.1988 insoweit
vielmehr gerade nach unterschiedlichen Tätigkeitsmerkmalen differenziert und demgemäß für "Meister" insgesamt 5 verschiedene
Vergütungsgruppen vorsieht, was anschaulich belegt, dass eine "Beschäftigung als Meister" keineswegs einen ohne weiteres klaren und
eindeutigen Inhalt hat, sich dieser vielmehr erst aus den getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und damit aus außerhalb des Titels
liegenden Umständen erschließt. Der Titel ist daher mangels eines vollstreckbaren Inhalts für die Zwangsvollstreckung ungeeignet, was auch
schon ohne dahingehende Rüge der Beklagten von Amts wegen zu beachten ist. Dies führt zur Aufhebung der erteilten Vollstreckungsklausel.
4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.