Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 25.11.2002

LArbG Baden-Württemberg: reisekosten, vergütung, treu und glauben, abreise, dienstort, arbeitsort, betriebsrat, original, stundenlohn, zentralbank

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 25.11.2002, 18 Sa 77/02
Reisezeit und Arbeitszeit
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten und des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn Kammern Crailsheim vom 13.12.2001 (Az.: 2 Ca
415/01) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für Mai 2001 restliche Übernachtungspauschale, Fahrtkostenersatz und Fahrzeitvergütung i. H. v. EUR
71,41 brutto (DM 139,67 brutto) nebst Zinsen p. a. hieraus i. H. v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab
21.09.2001 zu zahlen.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für Juni 2001 restlichen Fahrtkostenersatz und Fahrzeitvergütung i. H. v. EUR 251,93 brutto (DM 492,73
brutto) nebst Zinsen p.a. hieraus i. H. v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 21.09.2001 zu zahlen.
c) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Fahrtkostenersatz und Fahrzeitvergütung für Juli 2001 i. H. v. EUR 197,68 brutto (DM 386,63
brutto) nebst Zinsen p.a. hieraus i. H. v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 21.09.2001 zu zahlen.
d) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
4. Der Kläger trägt von den Kosten des Rechtsstreits 55,5 %, die Beklagte 44,5 %.
5. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger
2
- für den Zeitraum 22.05. – 31.05.2001 pauschale Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von insgesamt DM 460,00 (10 Kalendertage à
DM 46,00/Kalendertag) zu zahlen, wobei die Beklagte dem Kläger für den 22.05.2001 DM 20,00 und für die Zeit vom 23.05. – 31.05.2001
DM 352,80 (9 Tage à DM 39,20) gezahlt hat, weshalb der Kläger mit seiner Klage noch den Differenzbetrag von
EUR 44,58 brutto
87,20) geltend macht.
3
- für den Zeitraum 21.05 – 01.06.2001 pauschale Übernachtungsaufwendungen in Höhe von insgesamt DM 390,00 (10 Nächte à DM
39,00/Nacht) zu zahlen, wobei die Beklagte an den Kläger für die Nächte 22.05. – 01.06.2001 DM 277,20 (9 Nächte à DM 30,80/Nacht)
gezahlt hat, weshalb der Kläger mit seiner Klage noch
EUR 57,67 brutto
4
- Wegstreckenentschädigung für den 21.05.2001 (504 km) und für den 22.05.2001 (100 km) in Höhe von insgesamt DM 314,08 (604 km à
DM 0,52/km) zu zahlen, wobei die Beklagte an den Kläger für den 21.05.2001 454 km à DM 0,45/km und für den 22.05.2001 50 km à DM
0,45/km – insgesamt DM 226,80 – gezahlt hat, weshalb der Kläger mit seiner Klage noch
EUR 44,63 brutto
5
- Fahrzeitvergütung für den 22.05.2001 in Höhe von DM 230,32 (8 Stunden à DM 28,79/Stunde) zu zahlen, wobei die Beklagte an den
Kläger DM 201,53 (7 Stunden à DM 28,79/Stunde) gezahlt hat, weshalb der Kläger mit seiner Klage noch
EUR 14,72 brutto
geltend macht.
6
- Nachtzuschlag für Fahrzeitvergütung für die am 21.05. und 22.05.2001 in der Zeit vor 06.00 Uhr der jeweiligen Kalendertage
durchgeführten Fahrt von zu Hause zum Arbeitsort (am 21.05.2001 2 Stunden, am 22.05.2001 1 Stunde) in Höhe von insgesamt
EUR 12,85
brutto
7
- für den Zeitraum 01.06. – 29.06.2001 pauschale Verpflegungsmehraufwendungen für 30 Kalendertage (29 Kalendertage à DM 46,00/Tag
für 01.06. – 28.06.2001 und DM 20,00 für den 29.06.2001) in Höhe von insgesamt DM 1.308,00 zu zahlen, wobei die Beklagte an den Kläger
für diesen Zeitraum DM 1.176,00 (30 Kalendertage à DM 39,20) gezahlt hat, weshalb der Kläger mit seiner Klage noch restliche
EUR 67,49
brutto
8
- für den Zeitraum 01.06. – 29.06.2001 pauschale Übernachtungsaufwendungen in Höhe von DM 1.131,00 (29 Nächte à DM 39,00) zu
zahlen, wobei die Beklagte an den Kläger hierauf DM 924,00 (30 Nächte à DM 30,80) gezahlt hat, weshalb der Kläger mit seiner Klage noch
restliche
EUR 105,84 brutto
9
- Wegstreckenentschädigung für den 29.06.2001 (560 Pkw-Fahrtkilometer) in Höhe von
EUR 148,89 brutto
10
- Fahrzeitvergütung für den 29.06.2001 in Höhe von
EUR 117,76 brutto
11
- für die Zeiträume 01.07. – 13.07.2001 und 15.07. – 31.07.2001 pauschale Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von insgesamt DM
1.302,00 (27 Kalendertage à DM 46/Tag für den Zeitraum 02.07. – 12.07.2001 und 16.07. – 31.07.2001 und 3 Kalendertage à DM 20/ Tag für
den 01., 13. und 14.07.2001) zu zahlen, wobei die Beklagte an den Kläger DM 1.088,40 (27 Kalendertage à DM 39,20 für 02.07. –
12.07.2001 und 16.07. – 31.07.2001 und 3 Kalendertage à DM 10,00/Tag für den 01., 13. und 14.07.2001) gezahlt hat, weshalb der Kläger
mit seiner Klage noch restliche
EUR 109,21 brutto
12
- für die Zeiträume 02.07. – 13.07.2001 und 16.07. – 31.07.2001 pauschale Übernachtungsaufwendungen in Höhe von insgesamt DM
1.092,00 (28 Nächte à DM 39,00/ Nacht) zu zahlen, wobei die Beklagte an den Kläger DM 862,40 (28 Nächte à DM 30,80/ Nacht) gezahlt
hat, weshalb der Kläger noch restliche
EUR 117,39 brutto
13
- Wegstreckenentschädigung für den 01., 13. und 15.07.2001 (jeweils für 560 km) in Höhe von DM 873,60 (1680 km à DM 0,52/km) zu
zahlen, wobei die Beklagte an den Kläger DM 688,50 (pro Tag für 510 km à DM 0,45/km) gezahlt hat, weshalb der Kläger noch restliche
EUR 94,64 brutto
14
- Fahrzeitvergütung für den 01.07.2001 in Höhe von
EUR 117,76 brutto
15
- Vergütungszuschlag für Fahrzeitvergütung an Sonntagen für die am 01.07.2001 durchgeführte Fahrt von zu Hause zum Einsatzort in Höhe
von
EUR 117,76 brutto
16 Insgesamt macht der Kläger gegen die Beklagte danach die Zahlung von
EUR 1.171,20 brutto
geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Juni 1991 an ständig wechselnden Einsatzorten als ... Fachkraft beschäftigt. Der Kläger verdiente im
streitgegenständlichen Zeitraum EUR 14,72 brutto (DM 28,79 brutto) pro Arbeitsstunde. Die Arbeitszeiten des Klägers, die vor 06.00 Uhr morgens
lagen, erhielt er mit einem (Nacht-) Zuschlag in Höhe von 25 % seines Stundenlohnes pro Stunde vergütet. Zwischen den Parteien besteht ein
schriftlicher Arbeitsvertrag, bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf Blatt 120 und 121 der LAG-Akte verwiesen wird und der in Ziff. 18
unter der Überschrift NEBEN-ABREDEN/SCHLUSSBESTIMMUNGEN unter anderem folgendes regelt:
17
„Im Übrigen gelten die internen Lohn- und Gehaltsrahmen-Vereinbarungen der ... in der jeweils gültigen Fassung. ... Erfüllungsort für die
Verpflichtungen aus diesem Vertrag ist ... - Sitz der Gesellschaft.“
18 Die Beklagte betreibt im Bereich ... genehmigte gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Ihr Sitz war bis ca. 1997 in ... Seit 1998 ist Sitz der
Beklagten ..., wobei sie in Köln eine im Handelsregister eingetragene Niederlassung hat. Für den Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat
gebildet, dessen Mitglied der Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen war. Zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten bestand eine
„Lohn-/Gehaltsrahmenvereinbarung“, datiert April 1999 (im weiteren BV 99). In dieser Lohn- und Gehaltsrahmenvereinbarung ist, soweit für den
vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung, folgendes geregelt:
19 „Diese Lohn- und Gehaltsrahmen-Vereinbarung tritt am 01.04.1999 in Kraft. Alle vorherigen Lohn- und Gehaltsrahmenvereinbarungen der ..., ...,
werden damit ungültig. Diese aktuelle Vereinbarung ist Vertragsbestandteil aller bestehenden und zukünftigen Anstellungsverträge.
20 1. Für den Montageeinsatz gilt der jeweils gültige Spesensatz, der sich an den Regelungen der Steuergesetze orientiert (Anlage 9).
21 2. ...
3. Für die Berechnung der An- und Abreise gilt der Wohnsitz (Anlage 9). Bei Fernmontage gilt: Pro angefangene 70 km Entfernung gleich = 1
Reisestunde. Es werden pro km 0,52 DM vergütet. Km-Geld und Wegzeit am Einsatzort werden nicht gezahlt. Für tägliche Fahrten zwischen
Wohnort und Einsatzort gelten die Bestimmungen in der Anlage 9. Sollte ein Mitarbeiter keinen Führerschein bzw. PKW besitzen, erfolgt die
Vergütung der An- und Abreisen – nur gegen Vorlage der Fahrkarte – nach dem günstigsten Bahntarif der Deutschen Bahn AG. ...
22 5. - 8. ...
9. Angeordnete Mehrarbeit wird bezahlt. Mehrarbeit setzt grundsätzlich die Erfüllung der regelmäßigen täglichen 8 Stunden und der
wesentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden voraus (Anlage 1). Reise- und Fahrstunden sind immer Normalstunden und finden damit bei
angeordneten Abreisen keinen Eingang in die Berechnung der Überstunden oder Zuschlägen. Dies gilt nicht bei angeordneten Anreisen an
Sonn- und/oder Feiertagen.
23 Die ... Lohn- und Gehaltsrahmen-Vereinbarung ist mit folgenden Anlagen ausgestattet:
24 1. Regelung zur Mehr, Nacht, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie Stundenlohn bei Nichteinsatz
25 2. Regelung zu Urlaub, zusätzliches Urlaubsgeld, Jahresschlussgeld
26 3. Lohntabelle: Gewerbliche Mitarbeiter: ...
27 4. Gehaltstabelle: Angestellte: Montage
28 5. Lohntabelle: Gewerbliche Mitarbeiter: ...
29 6. Gehaltstabelle: Angestellte: Büro/Ingenieurwesen
30 7. Regelung zu Sonderzahlungen der bei ...- Bereitschaft und ...leiterzulage
31 8. Regelung nach Erschwerniszulagen nach BMTV
32 9. Regelung der Spesensätze, Kilometergeld, Heimfahrten
33 10. Regelung für die Teilnahme an Ausbildungen, Schulungen, Kursen etc.
34 11. Regelung von Sonderurlaub und Prämien
35 ...
Anlage Nr. 9 (.../...)
Regelung für Spesensätze/Kilometergeld/Heimfahrten
I. Spesenregelung
36 Bei Einsatzwechseltätigkeit im Inland werden folgende Pauschalbeträge für die Verpflegungsmehraufwendungen pro Kalenderjahr bezahlt:
37 Es gilt der jeweils steuerliche Höchstsatz
38 Dauer der Reise Verpflegungspauschale
24 Stunden
DM 46,00
14 - 23 Stunden DM 20,00
8 - 13 Stunden DM 10,00
39 Dies heißt z.B. bei der Abreise vom Wohnsitz um 13.00 Uhr ist bei mehrtägigen Reisen für noch eine Abwesenheit von über 8 Stunden
anzunehmen, also DM 10,00. Bei der Abreise vom Einsatzort, die am Wohnsitz um 9.00 Uhr morgens endet, ist entsprechend nur noch von über
8 Stunden auszugehen, also anzugeben. Eintägige Reisen liegen immer vor, wenn der Einsatz im Umkreis von bis zu 60 km vom Wohnsitz liegt.
Sollte jedoch ein Übernachtungsnachweis am Montageort vorliegen, verringert sich diese Kilometergrenze bis auf 25 km.
40 Bei Inlandsreisen/Einsätzen werden folgende Pauschalbeträge für Übernachtungen bezahlt: Pro Nacht DM 39,00 Alternativ kommt folgende
Regelung in Betracht, wenn hierfür zuvor die Genehmigung bei der Personalabteilung eingeholt wird:
41 Rechnungsbelege bis max. DM 55,00 - ohne Frühstück - werden nach vorheriger Genehmigung voll erstattet (der Preis für ein Frühstück oder ob
kein Frühstück eingenommen wurde, nicht zu ersehen, müssen DM 9,00 von DM 55,00 abgezogen werden).
42 Für das Ausland gibt es je nach Ländergruppe gesonderte Sätze (vor Auslandsreisen werden diese jeweils mitgeteilt). Hotelrechnungen werden
im Ausland bis max. DM 70,00 akzeptiert.
43
II. Kilometergeld/Fahrkostenersatz:
44 Anreisen und Abreisen sowie Familienheimfahrten werden mit DM 0,52 pro Kilometer vergütet.
45 Sollte ein Mitarbeiter keinen Führerschein/Pkw besitzen, erfolgt die Vergütung der An/Abreise nach dem günstigsten Tarif der DB AG, gegen
Vorlage der Fahrkarte. Reisestunden werden nach Bahnkilometern bezahlt.
46 Kilometergeld am Montageort oder bei Einsätzen bis zu 30 km vom Wohnsitz werden nicht gezahlt.
47 Fahrten zwischen 31 und 60 km (vom Wohnsitz) werden täglich mit DM 0,52 pro Kilometer vergütet. An- und Abreisen gelten nicht als Arbeitszeit!
Demzufolge entfällt hierfür die Regelung zur Vergütung von Reisestunden.
48
III. Familienheimfahrten:
49 Die Familienheimfahrten gelten nach den Regeln einer Spesenabrechnung als Abreise vom Einsatzort und Anreise an den Einsatzort. An den
Tagen, die man nach einer Heimfahrt zu Hause verbringt, werden keine Tages- und Nachtpauschalen bezahlt.
50 Der Anspruch auf Heimfahrten ist wie folgt geregelt:
51 Für Montageeinsätze über 60 km (vom Heimatort) bei Verheirateten und Ledigen: Nach 4 Wochen Einsatzdauer am selben Ort.
52 Anreisen werden mit Zuschlägen, Abreisen ohne Zuschläge gezahlt.“
53 Diese Betriebsvereinbarung wurde von der Beklagten mit Schreiben an den Betriebsrat vom 08.02.2001 gekündigt. Die Beklagte gab
anschließend eine von ihr selbst ohne Beteiligung des Betriebsrats aufgestellte Reisekostenverordnung vom 08.05.2001 (im weiteren
Reisekosten-VO) bekannt, die sie ab 15.05.2001 auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer anwandte. In dieser Reisekostenordnung ist von
der Beklagten folgendes festgelegt:
54
"0. Vorwort
55 Diese Reisekostenvereinbarung löst mit Inkrafttreten alle bisherigen bestehenden Regelungen zu diesem Thema ab. Unter Reisekosten fallen
alle Aufwendungen, die notwendig sind, um Arbeitstätigkeit beim Kunden vor Ort aufnehmen zu können und setzt sich zusammen aus einer
Auslösung und Kilometergeld. Unter Wohnort wird im folgenden der Erstwohnsitz des Mitarbeiters verstanden.
56
1. Kilometergeld
57 Für die Strecke Wohnort-Montageort werden bei Benutzung eines eigenen privaten Pkw für die An- und Abreise DM 0,45 pro Kilometer vergütet;
die Berechnung beginnt jeweils ab dem 51. Kilometer. Ansonsten erfolgt die Vergütung nach dem günstigsten Tarif der DB AG gegen Nachweis.
... kann einseitig festlegen, ob ein Poolfahrzeug, ein Mietfahrzeug oder das eigene Fahrzeug des Mitarbeiters benutzt werden soll.
58 Kilometergeld am Montageort oder bei Einsätzen bis zu 50 km vom Wohnort entfernt werden nicht vergütet. Der Anspruch auf Kilometergeld
entsteht zu Beginn und zum Ende eines Montageeinsatzes am gleichen Ort. Unterbrechungen von weniger als 4 Wochen Dauer, welche vom
Arbeitnehmer veranlaßt sind, führen nicht zu einem zusätzlichen Anspruch auf Kilometergeldabrechnung.
59
2. An/Abreisezeit bei Fernmontagen
60 Fernmontagen sind Montagen an Orten, die mehr als 100 km vom Wohnort entfernt sind. Es ist grundsätzlich am ersten Arbeitstag anzureisen
und am letzten Arbeitstag abzureisen. Dabei sind die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Abweichungen dazu müssen im Vorfeld mit dem
Vorgesetzten vereinbart werden.
61 Für die Berechnung der An- und Abreisen gilt der Erstwohnsitz. Alle angefangenen 80 Entfernungskilometer gelten als eine Reisestunde.
Kilometergeld und Wegezeit am Einsatzort werden nicht gezahlt. Sollte ein Mitarbeiter keinen Führerschein bzw. keinen eigenen Pkw besitzen,
erfolgt die Vergütung der An- und Abreise nach dem günstigsten Bahntarif der DB AG gegen Vorlage der Fahrkarte.
62 An- und Abreisezeiten werden ohne Zuschläge gerechnet und gehen in das Freizeitkonto des Mitarbeiters ein. Die angesammelten Stunden des
Freizeitkontos stehen dem Arbeitgeber zur Disposition zur Verfügung. Ein genereller Anspruch auf Auszahlung besteht nicht. Das Freizeitkonto
ist einmal jährlich auszugleichen bzw. abzurechnen. Näheres kann in einer Betriebsvereinbarung "Freizeitkonto" geregelt werden.
63
3. Auslösung
64 Die Auslösung beträgt bei Montagen bei einer täglichen Abwesenheit vom Erstwohnsitz von
65 8 Stunden - 13 Stunden 59 Minuten DM 10,00
14 Stunden - 23 Stunden 59 Minuten DM 20,00
24 Stunden
DM 70,00
66 Die Auslösung ist eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen am Montageort. Damit ist der Übernachtungs- und der
Verpflegungsmehraufwand abgegolten. Der Verpflegungsanteil der Auslösung beträgt 56 %, der Übernachtungsanteil beträgt 44 %.
67
4. Familienheimfahrten
68 Ein Anspruch auf Familienheimfahrten besteht bei ununterbrochener Einsatzdauer am selben Montageort für Montageeinsätze, die über 150 km
vom Erstwohnsitz entfernt sind. In diesen Fällen wird eine Familienheimfahrt alle sechs Wochen gewährt; dieses gilt für Verheiratete und Ledige
gleichermaßen.
69 Der Zeitpunkt der Heimfahrt wird unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Wünsche des Montagearbeiters durch den
Arbeitgeber festgelegt. Für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Ansprüche ist es gleichgültig, wann innerhalb des Anspruchszeitraumes die Heimfahrt
tatsächlich angetreten wird.
70 Familienheimfahrten gelten als An- und Abreise zwischen Erstwohnsitz und Einsatzort. An den Tagen, die nach einer Familienheimfahrt zu
Hause verbracht werden, werden keine weiteren Pauschalen bezahlt. Für die Fahrten zwischen Erstwohnsitz und Montageort wird unabhängig
vom Verkehrsmittel ein Fahrgeld von DM 0,45 pro anrechenbaren Kilometer bezahlt.
71 An- und Abreisezeiten werden ohne Zuschläge gerechnet und gehen in das Freizeitkonto des Mitarbeiters ein. Die angesammelten Stunden des
Freizeitkontos stehen dem Arbeitgeber zur Disposition zur Verfügung. Ein Anspruch auf Auszahlung besteht nicht.
72
6. Inkrafttreten/salvatorische Klausel
73 Diese Vereinbarung tritt ab 15.05.2001 in Kraft. ...“
74 Der Kläger legte am 21. und 22.05.2001 von zu Hause zum (neuen) Dienstort mit seinem Pkw (Audi A 4 Baujahr 1999), den er in Kenntnis und
mit Billigung der Beklagten einsetzte, insgesamt 604 km (504 km am 21.05.2001 und 100 km am 22.05.2001) zurück. Die Fahrt begann er am
21.05.2001 um 04.00 Uhr und am 22.05.01 um 05.00 Uhr. In der Nacht vom 21.05. auf den 22.05.2001 übernachtete er nicht zu Hause, nachdem
er am 21.05.2001 an einer Betriebsratssitzung am Sitz der Beklagten in ... teilgenommen hatte und am Morgen des 22.05.2001 zu seinem
(neuen) Einsatzort nach ... weiterfuhr. In der Zeit vom 22.05. bis 01.06.2001 verblieb der Kläger am auswärtigen Dienstort und übernachtete
infolgedessen 10 mal nicht zu Hause. Im Zeitraum 01.06. bis 29.06.01 blieb der Kläger am auswärtigen Einsatzort und übernachtete 30 mal nicht
zu Hause. Am 29.06.2001 fuhr der Kläger mit seinem Pkw, den er in Kenntnis und mit Billigung der Beklagten einsetzte, vom Einsatzort im
Rahmen einer Familienheimfahrt nach Hause zurück und legte dabei 560 km zurück. Wie die Beklagte im Termin der mündlichen Verhandlung
klarstellte, handelte es sich dabei um eine auch im Rahmen der neuen Reisekosten-VO grundsätzlich vergütungspflichtige Familienheimfahrt.
Am 01.07.2001 (Sonntag) legte der Kläger im Rahmen der am 29.06.2001 angetretenen Familienfahrt 560 km mit seinem Pkw zurück, indem er
von zu Hause zum Einsatzort zurückfuhr. Am 13.07. und 15.07.2001 legte der Kläger im Rahmen einer Familienheimfahrt mit seinem Pkw, den er
in Kenntnis und mit Billigung der Beklagten einsetzte, insgesamt 1120 km (2 x 560 km zurück). Wie die Beklagte im Termin der mündlichen
Verhandlung unstreitig stellte, handelte es sich dabei um eine auch nach der neuen Reisekosten-VO grundsätzlich vergütungspflichtige
Familienheimfahrt, nachdem der Kläger in der Zeit vor dem 29.06.2001 längere Zeit keine Familienheimfahrt in Anspruch genommen hatte. In der
Zeit vom 02.07. bis 12.07.2001 und vom 16.07. bis 31.07.2001 verblieb der Kläger am Einsatzort und übernachtete in dieser Zeit insgesamt 28
mal nicht zu Hause.
75 Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, er habe bei Fahrten zum Dienstort und bei Familienheimfahrten Anspruch auf
Wegstreckenentschädigung in Höhe von DM 0,52/km. Bei derartigen Fahrten stünde ihm auch – entsprechend den Regelungen der BV 99 – ein
Vergütungsanspruch für die aufgewandte Fahrzeit zu und zwar pro begonnener 70 km Wegstrecke eine Stunde als Reisezeit, die mit seinem
Stundenlohn vergütet werden müsse. Übernachtungs- und Verpflegungsmehraufwandspauschalen stünden ihm entsprechend der BV 99
ebenfalls zu. Die von der Beklagten einseitig eingeführte Reisekosten-VO berühre diese Ansprüche nicht. Bei der BV 99 handle es sich um eine
Betriebsvereinbarung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, jedenfalls soweit sie die Zahlung von Reisestunden regle. Die BV 99 wirke daher
nach. Im Übrigen seien die Regelungen der BV 99 aufgrund der Regelung in Ziff. 18 seines Arbeitsvertrags auch Inhalt seines
Individualarbeitsvertrages geworden, die nicht mehr einseitig vom Arbeitgeber geändert werden könnten.
76 Der Kläger hat – soweit für die Berufung relevant – beantragt,
77
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 341,21 brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen (Mai 2001);
78
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.035,83 brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen (Juni und Juli 2001).
79 Die Beklagte hat beantragt,
80
die Klage abzuweisen.
81 Sie hat vorgetragen, die BV 99 komme als Anspruchsgrundlage für den Kläger nicht mehr in Betracht, da diese keine mitbestimmungspflichtigen
Angelegenheiten geregelt habe und deshalb nicht nach Ablauf der Kündigungsfrist fortwirke. Andere Anspruchsgrundlagen für die vom Kläger
geltend gemachten Ansprüche seien nicht erkennbar.
82 Mit Urteil vom 13.12.2001 hat das Arbeitsgericht Heilbronn – Kammern Crailsheim – der Klage in Höhe von DM 174,48 (netto) und DM 21,59
(brutto) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab 21.09.2001 (betreffend Ansprüche Mai 2001) und in
Höhe von DM 616,80 (netto) sowie DM 604,59 (brutto) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB ab 21.09.2001
(betreffend Monate Juni und Juli 2001) stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei Fahrten vom
Wohnort des Klägers zu seinem Dienstort handle es sich um Arbeitszeit, die ihm gemäß seinem Arbeitsvertrag zu vergüten sei. Da er nicht
behauptet habe, länger als die von der Beklagten vergütete Stundenzahl mit seinem Pkw gefahren zu sein, habe er keinen weiteren Anspruch.
Fahrzeiten vor 06.00 Uhr eines Kalendertages seien mit einem Zuschlag von 25 % zum Stundenlohn zu vergüten, was zwischen den Parteien
unstreitig sei. Für Fahrten an Sonntagen stünde ihm ein Sonntagszuschlag von 100 % der Arbeitsvergütung zu, was zwischen den Parteien
ebenfalls unstreitig sei. Ansprüche auf Wegstreckenentschädigung im vom Kläger begehrten Umfang seien gerechtfertigt, da die ihm
entstandene Aufwendungen mit DM 0,52 pro gefahrenem Kilometer geschätzt werden. Ebenfalls habe der Kläger Anspruch auf Entschädigung
seines Mehraufwandes, den er durch die Abwesenheit von seinem Wohnort habe, der bei ganztägiger Abwesenheit kalendertäglich mit DM
49,00 geschätzt werde. Dem Kläger stünden grundsätzlich auch Ansprüche auf im Rahmen von Übernachtungen bei Abwesenheit vom Wohnort
entstandenen Auslagen zu. Da diese vom Kläger nicht konkret belegt seien, könne er keine Beträge geltend machen, die über die von der
Beklagten an ihn gezahlten tatsächlichen Beträge hinausgingen. Eine hinreichende Schätzungsgrundlage bestehe insoweit nicht. Der Kläger
könne seine Ansprüche auch nicht auf die BV 99 stützen, da für das Gericht mangels ausreichenden Tatsachenvortrages nicht erkennbar sei, ob
diese BV nicht wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG nichtig sei. Dieses Urteil wurde dem Kläger am 08.05.2002 (Empfangsbekenntnis
Blatt 91 der Akten) und der Beklagten ebenfalls am 08.05.2002 (Empfangsbekenntnis Blatt 90 der Akten) zugestellt. Mit seiner am 07.06.2002
(per Telekopie) und am 11.06.2002 (im Original) eingegangenen und mit – nach auf den 08.08.2002 auf Antrag verlängerten
Berufungsbegründungsfrist (Blatt 68 – 71; 72 der Akten) – am 07.08.2002 (per Telekopie) und am 09.08.2002 (im Original) eingegangenen
Schriftsatz vom 07.08.2002 begründeten Berufung wendet der Kläger sich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit dieses die Klage
abgewiesen hat. Mit ihrer am 13.05.2002 (per Telekopie) und am 15.05.2002 (im Original) eingegangenen und mit – nach auf den 15.07.2002
auf Antrag verlängerten Berufungsbegründungsfrist (Blatt 60, 61 und 65 der Akten) – am 12.07.2002 (per Telekopie) und am 16.07.2002 (im
Original) eingegangenen Schriftsatz vom 12.07.2002 begründeten Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts,
soweit sie zur Zahlung verurteilt wurde. Sie begehrt mit der Berufung die Klagabweisung in vollem Umfang.
83 Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, seinen Anspruch auf Vergütung der Fahrzeit zum Einsatzort vor 06.00 Uhr ergebe sich aus der BV 99.
Diese gelte jedenfalls kraft individueller Vereinbarung (Ziff. 18 des Arbeitsvertrages) im Arbeitsverhältnis weiter. Danach stehe ihm auch die
Reisezeit für insgesamt acht und nicht nur für jeweils sieben Stunden an den Tagen 21.05./22.05.2001 und 29.06./01.07.2001 zu. Dasselbe gelte
auch für einen weiteren Sonntagsvergütungszuschlag für die Fahrt am 01.07.2001. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht für die
Familienheimreisen am 01., 13. und 15.07.2001 Fahrtkosten in Höhe von DM 185,10 nicht in den Urteilstenor aufgenommen, nachdem es seinen
Anspruch inhaltlich bejaht habe. Die Ansprüche auf Ersatz weiterer pauschaler Aufwendungen bei Übernachtungen ergebe sich aus der BV 99,
die jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme weiterhin anwendbar sei.
84 Der Kläger beantragt,
85
- das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 13.12.2001 Az.: 2 Ca 415/01 abzuändern und die Beklagte zu
verurteilen, an den Kläger weitere DM 992,30 brutto Vergütung und Aufwandsersatz für Mai bis Juli 2001 sowie weitere DM 115,16 brutto,
jeweils nebst Zinsen p.a. in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 21.09.2001 zu zahlen.
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- die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn Auslagenersatz in Höhe von DM
174,48 brutto und in Höhe von 616,80 brutto nebst Zinsen zu zahlen.
87 Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn -Kammern Crailsheim -vom 13.12.2001 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. und
weiter, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
89 Sie trägt im Wesentlichen vor, die geltend gemachten Ansprüche könne der Kläger nicht mehr auf die BV 99 stützen, nachdem diese BV keine
mitbestimmungspflichtigen Regelungen enthalte und deshalb nach Kündigung nicht mehr anwendbar sei. Sie habe deshalb einseitig eine neue
Reisekosten-VO erlassen können. Gemäß Ziff. 18 des Arbeitsvertrages sei der Kläger nunmehr an den Inhalt der dort aufgestellten Regeln
gebunden. Fahrten vom Wohnort zum (auswärtigen) Dienstort, die der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers durchführe, seien nicht Teil
der Arbeitsleistung, sondern vorbereitende Tätigkeiten, die ausschließlich darauf abzielten, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung
überhaupt erst erbringen zu können. Weitere Ansprüche des Klägers auf Fahrzeitvergütung bestünden daher nicht. Soweit er einen Zuschlag zu
Fahrzeiten vor 06.00 Uhr geltend mache, stünde ihm der geltend gemachte Überstundenzuschlag nicht zu, da die Vereinbarung eines
Nachtarbeitszuschlages daran anknüpfe, dass der Kläger als ...fachkraft und nicht als Kraftfahrer tätig sei. Soweit der Kläger Ansprüche bei
Dienstfahrten/Familienheimfahrten in Bezug auf Wegstreckenentschädigung geltend mache, habe er keinen Anspruch auf Erstattung der
Fahrkosten für die ersten 50 km pro Fahrt. Dies ergebe sich aus der am 10.05.2001 aufgestellten Reisekosten-VO. Im Übrigen seien die Kosten
der An- und Abfahrt vom Wohnort zum Arbeitsort bzw. umgekehrt vom Arbeitnehmer zu tragen. Vor diesem Hintergrund entspreche es der
Billigkeit, die im Geschäftsbereich der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer, die als ... nur und ständig im Montageeinsatz tätig seien, nicht
besser und nicht schlechter zu stellen als die Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung an einem bestimmten Arbeitsort zu erbringen hätten. Der 50
km Wegstreckenraum sei angemessen. Soweit sie pro km DM 0,45 Wegstreckenentschädigung vergüte, sei dies nicht zu beanstanden. Ein
höherer Anspruch stehe dem Kläger nicht zu. Der vom Kläger geltend gemachte Sonntagszuschlag in Höhe von 100 % sei von den Parteien
arbeitsvertraglich nicht vereinbart. Soweit das Gericht den täglichen Verpflegungsmehraufwand pro vollem Tag der Abwesenheit von zu Hause
mit DM 46,00 schätze, sei dies nicht nachvollziehbar.
90 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
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1. Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG (a.F.) statthaften, form- und fristgerecht eingelegten und ausgeführten Berufungen (§ 66 Abs. 1 Satz 1
a.F., 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518 Abs. 1 und 2, 519 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 ZPO a.F. – vgl. Artikel 3 Nr. 3 § 26 Nr. 5 EGZPO des ZPO-RG vom
27.07.2001) des Klägers und der Beklagten sind auch im Übrigen zulässig.
II.
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Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind lediglich teilweise begründet.
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1. a) Gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG gilt eine Betriebsvereinbarung mit mitbestimmungspflichtigem Inhalt im Sinne des § 87 Abs. 1 BetrVG weiter,
bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Regelt eine Betriebsvereinbarung den Ersatz von Auslagen, handelt es sich nicht um eine
Frage der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG [BAG AP Nrn. 6 + 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung;
Kaiser, Heither, Engels (F/K/H/E) BetrVG 21. Auflage 2002 § 87 Rdnr. 10 mit weiteren Nachweisen]. Um Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs.
1 Nr. 10 BetrVG handelt es sich nur, wenn Entlohnungsgrundsätze aufgestellt werden, also alle Regelungen, die sich auf die Lohn-und
Gehaltsbemessung beziehen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich jedoch nicht auf die Lohnhöhe (BAG GS AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972
Lohngestaltung; Richardi BetrVG 8. Auflage 2002 zu § 87 Rdnr. 768 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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b) Unter einer Dienstreise wird die Fahrt an einen Ort verstanden, an dem ein Dienstgeschäft zu erledigen ist. Die Dienstreise ist zu
unterscheiden von Wegezeiten, die aufgewendet werden für die Fahrt von der Betriebsstätte zu einer außerhalb der Betriebsstätte gelegenen
Arbeitsstätte und zurück. Während diese regelmäßig als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen ist, ist bei Dienstreisen zu differenzieren.
Hat der Arbeitnehmer während der Fahrt eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen oder ist er jedenfalls zu einer belastenden Tätigkeit verpflichtet (etwa
zum Lenken eines Fahrzeugs), wird die Reisezeit als Arbeitszeit gewertet. Ist die Reisezeit hingegen mit keiner zusätzlichen Belastung
verbunden, soll es sich nicht um Arbeitszeit handeln (BAG AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes: B. II. 2. b) aa) der Gründe mit
zahlreichen weiteren Nachweisen). Wegezeiten des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zum Arbeitsort und zurück sind in der Regel keine
Arbeitszeit und nicht vergütungspflichtig (BAG AP Nr. 1 und 2 zu § 611 BGB Wegezeit). Hingegen sind Wegezeiten vom Betrieb zu einem
außerhalb von diesem gelegenen Arbeitsplatz Arbeitszeit und in der Regel zu vergüten (BAG AP Nr. 1, 2, 7 zu § 611 BGB Wegezeit; Loritz BB
1987 Seite 1104 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ist das Reisen die Hauptpflicht des Arbeitnehmers (etwa bei Lkw- oder
Omnibusfahrern), ist die Fahrzeit gleichzeitig Arbeitszeit. Ist die Reise jedoch nicht Hauptpflicht des Arbeitnehmers (z. B. bei Monteuren mit
wechselndem Einsatzort) und liegt die Arbeitszeit ganz oder teilweise außerhalb der üblichen Arbeitszeit, so hat der Arbeitnehmer dann einen
Anspruch auf Vergütung, als er nach § 612 BGB eine objektive Vergütungserwartung haben kann (BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Dienstreise). Sie
besteht, wenn der Arbeitnehmer eine „Mehrleistung“ ausschließlich oder überwiegend im Interesse des Arbeitgebers erbringt und aufgrund des
Erscheinungsbildes des Arbeitsverhältnisses nicht davon auszugehen ist, dass solche Mehrleistungen vom Gehalt abgedeckt sind. Das ist nur
ausnahmsweise der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag ausdrücklich darauf hingewiesen wird oder es ihm aufgrund der gesamten
Umstände selbstverständlich sein muss. Davon ist etwa bei außertariflichen Angestellten oder leitenden Angestellten auszugehen (BAG AP Nr.
1 zu § 611 BGB Dienstreise).
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c) Die Verpflichtung zur Zahlung von Aufwendungsersatz im Arbeitsverhältnis folgt aus § 670 BGB. Danach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf
diejenigen Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte und die nicht durch die Arbeitsvergütung abgegolten sind.
Erstattungsfähig sind diejenigen Auslagen, die der Arbeitsausführung selbst dienen, etwa Fahrtkosten für Dienstfahrten oder Fahrten zu
auswärtigen Arbeitsstellen, Übernachtungskosten oder ähnliches. Davon zu unterscheiden ist eine zusätzliche Vergütung für besondere
Umstände oder Belastungen der Arbeit (sogenannte Aufwandsentschädigung). Eine derartige Aufwandsentschädigung (in der Regel
pauschaliert) ist im Gegensatz zum Aufwendungsersatz Vergütungsbestandteil, aber kein Lohn für geleistete Arbeit im Sinne des § 611 BGB.
Wichtigstes Beispiel dafür ist die Auslösung als pauschalierter Aufwendungsersatz (vgl. zum vorigen BAG AP Nr. 6 zu § 12 AZO; Griese in
Küttner Personalbuch 2001 8. Auflage zu Nr. 67 Rdnr. 1).
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2. ei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich folgendes:
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a) Der Kläger kann sämtliche geltend gemachten Ansprüche nicht aus den Regelungen der BV 99 herleiten. Die Beklagte hat diese
Betriebsvereinbarung wirksam gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG mit Schreiben an den Betriebsrat vom 08.02.2001 mit Wirkung zum 08.05.2001
gekündigt. Diese Betriebsvereinbarung wirkt auch nicht gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach, da die BV 99 im Hinblick auf die
streitgegenständlichen Ansprüche keine zwingend mitbestimmungspflichtigen Sachverhalte regelt. Ziff. 1 und 2 in Verbindung mit Anlage Nr. 9
(dort I. und II.) der BV 99 regeln die Zahlung von Spesen und Kilometergeld/Fahrtkostenersatz. Dabei handelt es sich nicht um Fragen der
betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da damit lediglich Pauschalaufwendungen erstattet werden sollen. Es
geht danach nicht um eine Entlohnung, die mittelbar oder unmittelbar mit zu erbringender Arbeitsleistung in Verbindung steht, vielmehr sollen
hier nur die unmittelbar oder im Zusammenhang mit der Arbeit dem Arbeitnehmer anfallenden Auslagen (pauschal) ersetzt werden. Ziff. 3 und
Ziff. 9 Abs. 2 der BV 99 regeln ebenfalls keine mitbestimmungspflichtigen Tatbestände. Zwar wird dort geregelt, dass bei Fernmontagen die An-
und Abreise vom Wohnsitz zum Einsatzort mit einer (Reise-) Stunde pro angefangenen gefahrenen 70 km vergütet wird. Soweit es sich bei den
Fahrzeiten materiell-rechtlich nicht um Arbeitszeit handelt, liegt kein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG vor, da es sich nicht um betriebliche Lohngestaltung handelt, wenn der Umfang der Vergütung der Reisezeit geregelt wird.
Mitbestimmungspflichtig im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist nicht die Regelung, ob Reisezeit als Arbeitszeit zu vergüten ist, sondern nur
wie sie zu vergüten ist. Wie und nach welchem System vergütet wird, wäre dann eine Frage der zwingenden Mitbestimmung. Soweit es sich bei
den Fahrtzeiten materiell-rechtlich um Arbeitszeit handeln sollte, liegt ein Fall der zwingenden Mitbestimmung nicht vor, da sich das
Mitbestimmungsrecht nicht auf die Lohnhöhe bezieht (vgl. BAG a. a. O.). Da die Betriebspartner vorliegend regeln, dass 70 km als eine (Reise-)
Stunde anzusehen und insoweit als Arbeitszeit vergütet wird, wird damit die Lohnhöhe maßgeblich beeinflusst, da es nicht auf die tatsächliche
Reisezeit ankommt, sondern (nur) pauschal eine (fiktive) Reisezeit pro angefangenen 70 km vergütet werden soll. Danach enthält die BV 99
bezüglich aller streitgegenständlichen Ansprüche keine Regelungen, die der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, weshalb der Kläger aus
diesen Regelungen die streitgegenständlichen Ansprüche nicht herleiten kann. Die Frage, ob einzelne Regelungen der BV 99 gegen § 77 Abs.
3 BetrVG verstoßen, kann danach dahingestellt bleiben.
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b) Der Kläger kann die Ansprüche auch nicht auf Ziff. 18 seines schriftlichen Arbeitsvertrages in Verbindung mit den Regelungen der BV 99
stützen. Zwar verweist Ziff. 18 Satz 3 des Arbeitsvertrages darauf, dass „im Übrigen die internen Lohn- und Gehaltsrahmen-Vereinbarungen der
Beklagten in der jeweils gültigen Fassung gelten“. Darin ist aber lediglich eine Bezugnahme auf die jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen
zu sehen, die ihrerseits gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis wirken. Diese Passage im
Arbeitsvertrag stellt danach eine deklaratorische Verweisung auf bestehende betriebliche Regelungen dar und beinhaltet keine eigenständige
Übernahme der einzelnen betrieblichen Regelungen in das Individualarbeitsverhältnis kraft individueller Abrede. Nur so konnte und durfte der
Kläger gemäß den §§ 133, 157 BGB als ein vernünftig denkender Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung von Treu und Glauben diese
arbeitsvertragliche Formulierung verstehen.
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3. Nachdem der Kläger seine Ansprüche auf die BV 99 und auf eine konkrete arbeitsvertragliche Vereinbarung nicht stützen kann, rechtfertigt
sich ein Teil seiner geltend gemachten Ansprüche wie folgt:
100 a) Der Kläger hat Anspruch auf pauschale Übernachtungsaufwendung für die Nacht vom 21.05. auf den 22.05.2002 in Höhe von EUR 15,75
brutto (DM 30,80) gemäß III. 3. Alternative der Reisekosten-VO in Verbindung mit Ziff. 18 Satz 3 des Arbeitsvertrages. Unstreitig hat der Kläger
den (neuen) Einsatzort erstmalig am 21.05.2002 angefahren und hat dort am 22.05.2002 seine Arbeit begonnen. Nachdem der Kläger unstreitig
am 21.05.2002 vor seiner Arbeitsaufnahme am Einsatzort an einer Betriebsratssitzung am Sitz der Beklagten in ... teilgenommen hat und von
dort dann zum Einsatzort gefahren ist, war es ihm nicht zuzumuten, nach dem Ende der Betriebsratssitzung nach Hause (in der Nähe von ...)
zurückzukehren und von dort wieder zum Einsatzort zu fahren. Danach ist ihm für diese Übernachtung Aufwandsersatz zu leisten. Nachdem die
alte BV 99 nicht mehr gilt und die Beklagte die von ihr einseitig aufgestellte Reisekosten-VO tatsächlich auf ihre Arbeitnehmer anwendet,
schuldet sie dem Kläger den in der Reisekosten-VO ausgewiesenen Betrag in Höhe von EUR 15,75 brutto gemäß Ziff. 18 Satz 3 des
Arbeitsvertrages in Verbindung mit der Reisekosten-VO. Zwar handelt es sich bei der Reisekosten-VO nicht um eine Vereinbarung im Sinne der
Ziff. 18 Satz 3 Arbeitsvertrag, jedoch bindet die Beklagte sich insoweit selbst, und es ist von einer konkludenten (hilfsweisen) Annahmeerklärung
des Arbeitnehmers gemäß § 151 BGB insoweit auszugehen, wenn ein vertragsloser Zustand besteht. Dass der Kläger tatsächlich für diese
Übernachtung höhere Aufwendungen als EUR 15,75 brutto hatte, den die Beklagte gemäß § 670 BGB zu ersetzen hätte, trägt er nicht vor.
101 b) Der Kläger hat Anspruch auf restliche Fahrtkosten für die Fahrten am 21.05., 22.05.2001, 29.06.2001, 01.07., 13.07. und 15.07.2001 in Höhe
von DM 0,52 für jeden mit seinem Pkw gefahrenen Kilometer, also in Höhe von DM 1.478,88 für 2844 gefahrene Kilometer abzüglich der darauf
von der Beklagten für den 21.05. und 22.05.2001, 01., 13. und 15.07.01 gezahlten DM 915,30, somit in Höhe von EUR 288,15 brutto (DM
536,58) gemäß § 670 BGB in Verbindung mit Ziff. 4 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Reisekosten-VO. Der Kläger hat tatsächliche Aufwendungen von
0,52 DM/gefahrenem Kilometer zwar nicht konkret dargelegt; er hat jedoch unbestritten vorgetragen, dass er mit seinem Pkw (Audi A4 Baujahr
1999) diese Strecken gefahren ist. Gemäß § 287 Abs. 2 ZPO ist danach ohne Weiteres davon auszugehen, dass bei diesem Autotyp und dem
Baujahr des Pkws die Aufwendungen des Klägers für Benzin, Schmierstoffe und andere Verbrauchsstoffe und für Verschleißteile diesen Betrag
pro gefahrenem Kilometer erreichen (vgl. hierzu auch ADAC-Kilometerkostentabellen für Pkw Audi A 4). Hierfür spricht schon, dass dieser
Betrag als steuerlicher (Höchst-) Betrag für Dienstreisen im streitgegenständlichen Zeitraum anerkannt war (ebenso LAG Frankfurt vom
06.08.1980 DB 1981 Seite 1000; Bruhne in AR-Blattei SD Nr. 1770 Rdnr. 32 mit weiteren Nachweisen bezüglich Vorstellungskosten, der sogar
eine Beschränkung auf diese Beträge auch dann befürwortet, wenn die Echtkosten höher sind). Nachdem es sich bei der Fahrt des Klägers am
21.05. und 22.05.2001 um (Erst-) Anfahrten zu einem neuen Einsatzort handelte und am 29.06./01.07.2001 und 13.07./15.07.2001 unstreitig um
An- und Rückfahrten vom Wohnort zum Dienstort bzw. vom Dienstort zum Wohnort im Rahmen zulässiger Familienheimfahrten im Sinne der
Reisekosten-VO, sind alle vom Kläger mit dem Pkw unstreitig zurückgelegten Kilometer mit DM 0,52 zu vergüten. Eine Reduzierung der
Fahrtkilometer um jeweils 50 km/einfacher Fahrt gemäß der Reisekosten-VO kommt hingegen nicht in Betracht. Zwar sind die Wegstrecken des
Arbeitnehmers vom Wohnort zum Arbeitsort und Arbeitsort zum Wohnort regelmäßig vom Arbeitgeber nicht zu vergüten, es sei denn, es besteht
eine vertragliche Verpflichtung hierzu; vorliegend handelt es sich jedoch um einen von der Regel abweichenden Fall. Die Beklagte kann den
Kläger als Montagestammarbeiter mit wechselnden Baustellen im ganzen Bundesgebiet einsetzen (vgl. Ziff. 7. Satz 2 Arbeitsvertrag). Als
Erfüllungsort für die Verpflichtung des Arbeitsvertrages ist der Sitz der Gesellschaft im Arbeitsvertrag genannt (Ziff. 18. letzter Satz
Arbeitsvertrag). Daraus ergibt sich nach Auffassung der erkennenden Kammer, dass sich der Kläger – wenn überhaupt – nur dann ersparte
Wegstreckenaufwendungen entgegenhalten lassen müsste, wenn der konkrete Einsatzort vom Betriebssitz der Beklagten weniger weit entfernt
wäre als vom Wohnsitz, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – nimmt man den Betriebssitz als Ort an, an dem der Arbeitnehmer seine
Arbeitskraft anbieten muss – vom Betriebssitz zum Einsatzort bringen muss. Anhaltspunkte dafür, dass der Einsatzort des Klägers dem
Betriebssitz näher lag als der Wohnort des Klägers, sind aus dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich. Aber selbst wenn man davon
ausgehen sollte, dass dem so wäre, ist nach Ansicht der erkennenden Kammer die erste und die letzte Fahrt von zu Hause zum Arbeitsort und
vom Arbeitsort nach Hause bei Montagearbeitern in vollem Umfang zu entschädigen, da es Teil der arbeitsvertraglichen Verpflichtung des
Montagearbeiters ist, den betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers (wechselnde Baustellen) Rechnung zu tragen, ohne dass der
Arbeitnehmer durch die Wahl seines Hauptwohnsitzes in der Lage wäre, sich auf bestimmte Konstellationen einstellen und damit seine
Anfahrtswege vom Wohnort zur konkreten Arbeitsstelle beeinflussen bzw. minimieren zu können. Nachdem Ziff. 4 Abs. 3 Satz 1 der
Reisekosten-VO die Familienheimfahrten als An- und Abreise zwischen Wohnort und Einsatzort fingiert, gelten auch für die Familienheimfahrten
die Ausführungen zu den (Erst-) Anfahrten bzw. (Letzt-) Rückfahrten vom Einsatzort und Wohnsitz des Arbeitnehmers entsprechend.
102 c) Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung seiner Fahrzeiten zwischen Wohnort und Einsatzort am 29.06.2001 und 01.07.2001 in Höhe von
insgesamt EUR 206,08 brutto (DM 403,06 brutto) gemäß den §§ 612 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Ziff. 18 Satz 3 Arbeitsvertrag in Verbindung
mit Ziff. 2 Abs. 2 Satz 1, Ziff. 4 Abs. 3 Satz 1 Reisekosten-VO. Nachdem die erkennende Kammer davon ausgeht, dass es sich bei der Fahrzeit
des Klägers bei (Erst-) Fahrten zum (neuen) Dienstort und (Letzt-) Rückfahrten vom (letzten) Dienstort um Dienstreisen handelt (siehe oben), da
der Kläger seine arbeitsvertragliche Hauptpflicht auch an anderen Orten als am Betriebssitz des Arbeitgebers zu erbringen hat und der
Arbeitnehmer mit der Durchführung der Reise an den jeweiligen Einsatzort ebenfalls eine arbeitsvertragliche Pflicht erfüllt, ist die von ihm
aufgewandte Zeit auch Arbeitszeit. Damit ist jedoch noch nichts über die Vergütungspflicht gesagt (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Dienstreise).
Da der Kläger jedoch weder leitender Angestellter noch in einer dementsprechenden Hierarchieebene angesiedelt ist, und auch im Rahmen
des Arbeitsvertrages keine Regelungen ersichtlich sind, die darauf schließen lassen, dass er für diese Zeiten oder Teile dieser Zeiten keine
Vergütung erwarten kann und auch die Höhe der vertraglichen Vergütung einen solchen Schluss nicht zulässt, schuldet die Beklagte ihm für
diese Reisezeiten die arbeitsvertragliche Vergütung. Die Beklagte schuldet deshalb dem Kläger für die (unstreitig) auch nach der neuen
Reisekosten-VO zulässige Familienheimfahrt am 29.06./01.07.2001 die Zahlung von 2 x 7 Reisestunden (560 km dividiert durch 80 km = 7
Reisestunden) à DM 28,29 brutto. Eine höhere Vergütung steht dem Kläger nicht zu, da die BV 99 nicht mehr anwendbar ist, eine gesonderte
arbeitsvertragliche Regelung nicht besteht und der Kläger auch nicht behauptet, tatsächlich länger als 14 Stunden mit dem Pkw gefahren zu
sein.
103 d) Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines Nachtzuschlags für am 21.05.2002 und 22.05.0202 in der Zeit vor jeweils 06.00 Uhr
durchgeführten Reisezeit anlässlich der (Erst-) Anfahrt zum (neuen) Einsatzort gemäß § 612 BGB in Verbindung mit Ziff. 2 Satz 1 und 2
Reisekosten-VO in Verbindung mit der arbeitsvertraglichen Regelung für Zuschläge bei Nachtarbeit. Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass
Arbeitszeit des Klägers mit Nachtzuschlägen zu vergüten ist, wenn die Arbeit in Zeiten vor 06.00 Uhr fällt. Wie oben ausgeführt, ist davon
auszugehen, dass es sich bei den (Erst-) Anfahrten und (Letzt-) Rückfahrten vom Wohnort zum (neuen) Einsatzort bzw. letzten Einsatzort zum
Wohnsitz um Arbeitszeit handelt. Danach kann der Kläger Vergütung dieser Fahrzeiten mit Zuschlag erwarten, nachdem diese Zeiten Teile
seiner arbeitsvertraglichen Hauptverpflichtung sind, die er außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbringt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob
er dabei Arbeiten als Sicherheitsingenieur erbringt oder nicht, nachdem auch die Fahrzeiten für ihn mit Anstrengung verbunden sind, da er den
Pkw selbst lenkt und insoweit zu einer ebenfalls belastenden Tätigkeit verpflichtet ist. Nachdem Zuschläge für Nachtarbeit ihrem Sinn und
Zweck nach für die Erschwernisse der Arbeit bei Nacht gezahlt werden, kann eine Differenzierung zwischen Fahrtätigkeit und Tätigkeit des
Arbeitnehmers als Sicherheitsbeauftragter nicht erfolgen, es sei denn, dass arbeitsvertraglich etwas anderes vereinbart ist. Dies ist hingegen
von der Beklagten nicht vorgetragen. Nachdem der Kläger an diesen beiden Tagen insgesamt 3 Stunden lang vor 06.00 Uhr gearbeitet hat (am
21.05. 2 Stunden und am 22.05. 1 Stunde) kann er einen Betrag in Höhe von EUR 11,04 brutto (3 Stunden à DM 28,79 brutto mal 25 %)
verlangen. Soweit er darüber hinaus weitere EUR 1,82 brutto (DM 3,55) geltend macht, war die Klage hingegen abzuweisen.
104 4. Die darüber hinaus noch vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind insgesamt nicht begründet.
105 a) Soweit er diese auf die Betriebsvereinbarung 1999 und Ziff. 18 seines Arbeitsvertrages stützt, ist die Klage nicht begründet. Insoweit wird auf
die obigen Ausführungen verwiesen.
106 b) Soweit er über die von der Beklagten an ihn gezahlten Übernachtungskosten hinausgehende Beträge geltend macht, steht ihm kein
Anspruch aus § 670 BGB zu. Der Kläger hat nicht behauptet, höhere Aufwendungen als DM 30,80 brutto pro Übernachtung gehabt zu haben.
Demnach sind die von ihm über DM 30,80 pro Nacht hinausgehenden geltend gemachten Beträge nicht begründet.
107 c) Soweit er (pauschalen) Verpflegungsmehraufwand geltend macht, der über die von der Beklagten gezahlten Beträge hinausgeht, ist die
Klage ebenfalls nicht begründet. Soweit der Kläger seine Ansprüche auf § 670 BGB stützten kann, hat er keinen hinreichenden Vortrag
geleistet, der darauf schließen lässt, dass seine tatsächlich entstandenen Aufwendungen höher waren als die Beträge, die die Beklagte ihm für
die streitgegenständlichen Zeiträume vergütet hat. Es fehlen auch offensichtlich vorhandene oder vorgetragene Tatsachen, die eine
hinreichende Grundlage für eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 BGB darstellen könnten. Im Gegensatz zu den Fahrkosten beim Privat-Pkw ist
beim Verpflegungsmehraufwand nicht ohne Weiteres ersichtlich, welche Kosten dies konkret beim Kläger sind, insbesondere in Anbetracht
dessen, dass auch andere Arbeitnehmer in Betrieben mit festem Arbeitsort und innerhalb ihrer regelmäßigen Arbeitszeit Aufwendungen haben,
die sie eventuell nicht hätten, wenn sie nicht arbeiten würden (z. B. höhere Verpflegungskosten oder ähnliches). Soweit der Kläger den
Anspruch auf Verpflegungsmehraufwendungen aus der BV 99 herleitet, dringt er nicht durch, da die BV 99 insoweit nicht fortwirkt. Eine
anderweitige vertragliche individuelle Abrede bezüglich des Ersatzes von pauschaler Aufwandsentschädigung ist nicht ersichtlich.
108 d) Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Vergütungszuschlag für seine am Sonntag, dem 01.07.2001 im Rahmen einer Familienheimfahrt
durchgeführte Rückfahrt vom Wohnort zum Einsatzort. Zweitinstanzlich hat die Beklagte bestritten, eine arbeitsvertragliche Vereinbarung
dahingehend mit dem Kläger zu haben, dass dieser bei Arbeit an Sonntagen einen Zuschlag von 100 % zum normalen Stundenlohn erhält
(Seite 8 des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.07.2002; Blatt 91 LAG-Akte) . Der Kläger hat daraufhin nicht
konkret vorgetragen, auf welche konkreten Tatsachen er die Zuschlagspflicht für Arbeitszeit an Feiertagen stützt. Sofern er diese aus der BV 99
herleiten wollte, wirkt die BV 99 insoweit auch hier nicht nach, nachdem auch die Regelung der Zuschlagspflicht eine nicht unter die
mitbestimmungspflichtigen Tatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG fallende Regelung darstellt. Gesetzliche Ansprüche auf Vergütungszuschläge
bei Arbeit an Sonntagen bestehen nicht, es sind lediglich Regelungen über die Zahlung von Entgelt an Feiertagen entsprechend § 2 des
Entgeltfortzahlungsgesetzes geregelt.
109 5. Die vom Kläger geltend gemachten Zinsansprüche rechtfertigen sich gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 1 DÜG
und § 1 BazBV (in Verbindung mit Art. 229 § 7 Ziff. 2 EG BGB für die Zeit ab 01.01.2002) in Verbindung mit den §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO.
III.
110 Nachdem die Berufungen des Klägers und der Beklagten nur teilweise Erfolg haben, tragen die Parteien gemäß § 92 Abs. 1 ZPO die Kosten
des Rechtsstreits im Verhältnis ihres Obsiegens/Unterliegens.