Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 16.02.2001

LArbG Baden-Württemberg: wechsel, verzicht auf leistungen, treu und glauben, merkblatt, versorgungsplan, wahlrecht, aufklärungspflicht, arbeitsgericht, initiative, leistungsklage

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 16.2.2001, 5 Sa 13/00
Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei Angebot eines Wechsels des Ruhegeldsystems, wenn dem Arbeitnehmer die nachteiligen Folgen des
Wechsels nicht erkennbar sind
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.11.1999 - 19 Ca 3527/99 abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.10.1998 bis zum 31.12.1998 eine Betriebsrente in Höhe von DM 150,78 monatlich
zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.01.1999 eine monatliche Betriebsrente in Höhe des
Unterschiedsbetrages zwischen der monatlichen Betriebsrente, die ihr ohne ihren Wechsel in die ZVK gemäß dem jeweils gültigen Versorgungsplan
der B.-Hilfe auf der Basis von 25 Dienstjahren zustünde, einerseits und der jeweiligen monatlichen ZVK-Versorgungsrente der Klägerin andererseits
zu verschaffen.
II. Die Kosten der ersten Instanz sowie die in der Berufungsinstanz bis zu der mit Schriftsatz vom 26.06.2000 vorgenommenen Klageänderung
entstandenen Kosten hat die Klägerin zu tragen. Die weiteren in der Berufungsinstanz bis zur teilweisen Klagerücknahme im Termin am 16.02.2001
entstandenen Kosten hat die Klägerin zu 1/10, die Beklagte zu 9/10 zu tragen. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens sind von der Beklagten
zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten im Berufungsverfahren zuletzt in erster Linie Ersatz des Versorgungsschadens, der ihr durch den
Wechsel des Versorgungssystems entstanden ist.
2
Die am 03.08.1938 geborene Klägerin war vom 01.10.1973 bis zum 30.09.1998 bei der Beklagten als Kreißsaalhelferin beschäftigt. Das
Arbeitsverhältnis endete wegen Inanspruchnahme von Altersrente ab 01.10.1998 gemäß § 39 SGB VI nach Vollendung des 60. Lebensjahres.
3
Die Beklagte hatte ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der sogenannten B.-Hilfe zugesagt. Mit
Schreiben vom März 1991 (Bl. 11 d. Akten 1. Instanz) teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern mit, dass sie Mitglied der Zusatzversorgungskasse
(ZVK) des „öffentlichen Dienstes“ geworden sei.
4
Weiter heißt es in diesem Schreiben auszugsweise:
5
„Wie Ihnen bekannt ist, hatten wir bisher bereits eine betriebliche Altersversorgung, die B.-Hilfe (B.-H.) in Anlehnung an die Firma B.. Die
Leistungen der B.-Hilfe entsprechen jedoch nicht ganz denjenigen der ZVK.
6
Mitglied der ZVK müssen werden:
7
- alle Mitarbeiter, die ab dem 01. Januar 1991 ihre Tätigkeit im R. aufgenommen haben
8
- Mitarbeiter, die das 46. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und noch keine 10 Jahre (Eintritt nach dem 01. Januar 1981) im R. beschäftigt
sind.
9
Alle übrigen Mitarbeiter haben das Wahlrecht, können also entweder in der B.-H.-Versorgung bleiben oder in die ZVK wechseln. Diese
Entscheidung muss jeder für sich treffen.
10
Beiliegend erhalten Sie ein Merkblatt über die Zusatzversorgungskasse, das Ihnen helfen wird, die für Sie richtige Entscheidung zu treffen.
11
Eine Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter des R. findet am Freitag, den 26. April 1991, 14.00 Uhr im Hörsaal statt.
12
Mitarbeiter, die das Wahlrecht haben, bitten wir auf dem beiliegenden Formblatt, ihre Entscheidung bis spätestens 07. Mai 1991 mitzuteilen.
13
– spätere Rücknahme der getroffenen Entscheidung ist nicht möglich –
...
14
Wir freuen uns, mit dieser Leistung unseren Mitarbeitern eine weitere soziale Gleichstellung gegenüber dem „öffentlichen Dienst“ anbieten
zu können.“
15 Die Klägerin nahm an der Informationsveranstaltung am 26.04.1991 nicht teil, sondern übte bereits am 17.04.1991 unter Verwendung des
Formblattes (Bl. 12 d. Akten 1. Instanz) ihr Wahlrecht dahingehend aus, in die ZVK übernommen zu werden. Am Schluss dieses Formblattes heißt
es, dass diese Entscheidung absolut bindend ist und nicht widerrufen werden kann.
16 Die ZVK gewährt der Klägerin im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems eine Versorgungsrente unter Berücksichtigung der in der Zeit vom
01.01.1991 bis 30.09.1998 zurückgelegten Umlagemonate und unter hälftiger Anrechnung der bis zum 31.12.1990 zurückgelegten
Rentenversicherungszeiten in Höhe von 131,59 DM. Eine volle Berücksichtigung der von der Klägerin vor dem 01.01.1991 bei der Beklagten
zurückgelegten Dienstzeit ist nach der Satzung der ZVK nicht möglich. Wäre die Klägerin 1991 nicht zur ZVK gewechselt, stünde ihr nach ihrer
Berechnung gegen die Beklagte nach Maßgabe der B.-Hilfe eine Betriebsrente in Höhe von 282,37 DM monatlich zu.
17 Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie Versorgungsansprüche nicht nur gegen die ZVK habe, sondern auch gegen die Beklagte. Diese sei
verpflichtet, ihr Leistungen aus der B.-Hilfe für die Zeit vom 01.10.1973 bis zum 31.12.1990 zu gewähren, da sie mit ihrer Erklärung vom
17.04.1991 keinen Verzicht auf die in diesem Zeitraum erworbene Anwartschaft auf Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung der
Beklagten erklärt habe. Einen solchen hätte sie wirksam auch gar nicht erklären können, da die Anwartschaft am 31.12.1990 gemäß § 1 Abs. 1
BetrAVG bereits unverfallbar gewesen sei.
18 Die Klägerin hat beantragt,
19
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.10.1998 Versorgungsleistungen aus der bei ihr bestehenden
betrieblichen Altersversorgung zu verschaffen.
20 Die Beklagte hat beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
22 Sie hat vorgetragen, dass die Klägerin nicht auch einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung gegen sie habe. Die Klägerin habe keinen
Verzicht auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung erklärt, der im Übrigen zulässig gewesen wäre, sondern habe ihr Angebot, in das
ZVK-System zu wechseln, angenommen. Dieses mit Schreiben vom März 1991 unterbreitete Angebot sei unmissverständlich formuliert und habe
auch nicht andeutungsweise eine Aufrechterhaltung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des klägerischen Verständnisses in einen
aufrechterhaltenen Teil nach dem bisherigen System der betrieblichen Altersversorgung und in einen ZVK-Teil nach Ausübung des Wahlrechts
zu Gunsten der ZVK-Versorgung beinhaltet. Außerdem habe sie mit Schreiben vom 29.04.1991 (Bl. 16 d. Akten 1. Instanz) nochmals
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung bedeute, im Falle des Ruhestandes entweder B.-Hilfe oder ZVK in Anspruch zu
nehmen. Die Klägerin hätte daher noch bis zum 07.05.1991 Zeit gehabt, ihre Erklärung vom 17.04.1991 wieder rückgängig zu machen, wenn sie
bei deren Abgabe tatsächlich dem von ihr behaupteten Missverständnis unterlegen gewesen wäre.
23 Das Arbeitsgericht hat mit am 25.11.1999 verkündeten, der Klägerin am 24.01.2000 zugestellten Urteil (Bl. 50-55 d. Akten 1. Instanz), auf das
verwiesen wird, die Klage abgewiesen.
24 Mit ihrer am 21. und 22.02.2000 eingelegten und zugleich ausgeführten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren zuletzt in erster Linie
unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes und nur noch hilfsweise unter demjenigen eines Erfüllungsanspruchs. Das Arbeitsgericht habe
verkannt, dass es durchaus möglich sei, dass ein Arbeitnehmer zwei Versorgungsschuldner habe, die Klägerin bei gegenteiliger Auffassung im
Ergebnis doch mit ihrer Erklärung vom 17.04.1991 auf einen Teil ihrer Versorgungsansprüche verzichtet hätte und ein solcher Teilverzicht
jedenfalls deshalb unwirksam wäre, weil er im Streitfall einer Billigkeitskontrolle nicht standhielte. Entsprechend der Regelung des § 4 BetrAVG
hätte die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 01.10.1973 bis zum 31.12.1990 bei der ZVK nachversichern müssen, auch liege in der
Zustimmung zum Wechsel des Versorgungsschuldners nicht zugleich die Zustimmung zur Änderung des Leistungsinhalts. Zur Begründung ihres
nunmehr in erster Linie verfolgten Schadensersatzbegehrens führt die Klägerin im wesentlichen aus, dass die Beklagte es pflichtwidrig
unterlassen habe, sie darüber aufzuklären, dass mit dem Wechsel des Leistungsträgers eine Verschlechterung des Inhalts der
Versorgungsverpflichtung einhergehe. Dem Schreiben der Beklagten vom März 1991 hätten die darin bezeichneten Anlagen nicht beigelegen,
wofür auch das Schreiben der Beklagten vom 29.04.1991 spreche, welches sie ebenfalls nicht erhalten habe. Das Formblatt (Bl. 12 d. Akten 1.
Instanz) habe sie erst bei ihrer Vorsprache am 17.04.1991 im Personalbüro der Beklagten erhalten und auch dort unterschrieben, nachdem ihr
auf entsprechende Nachfrage von einem dortigen Mitarbeiter erklärt worden sei, dass dafür gesorgt sei, dass ihr durch den Wechsel zur ZVK
keine Nachteile entstünden. Eine gleichlautende Auskunft habe auch ein Kollege der Klägerin erhalten. Dass sie die Informationsveranstaltung
am 26.04.1991 nicht besucht habe, gereiche ihr nicht zum Nachteil, da sie auch auf dieser nicht über die mit einem Wechsel zur ZVK
verbundenen Nachteile aufgeklärt worden wäre. Vielmehr habe die damalige Personalleiterin der Beklagten auf dieser mehrfach betont, dass
diejenigen Mitarbeiter, die zur ZVK wechselten, keine Nachteile hätten, da die ZVK sogar gerechter als die B.-Hilfe sei, weshalb es ratsam sei, zur
ZVK zu wechseln. Selbst wenn dem Schreiben der Beklagten vom März 1991 das von der Beklagten im Rechtsstreit vorgelegte Merkblatt der
ZVK (ABl. 28-36) beigelegen hätte, hätte die Beklagte hierdurch allein ihrer Aufklärungspflicht nicht genügt. Vielmehr hätte die Beklagte
ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass Arbeitnehmer, deren Versicherungsverhältnis bei der ZVK – wie im Falle der Klägerin – erst nach
Vollendung des 50. Lebensjahres beginne, in der Regel lediglich die Mindestversorgungsrente erhielten, wie dies auch bei der Klägerin der Fall
sei. Wäre die Beklagte ihrer Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin nachgekommen, so hätte sie einem Wechsel des Versorgungsträgers
nicht zugestimmt. Der Klägerin sei daher ein Schaden in Höhe von monatlich 150,78 DM entstanden. Nach dem Versorgungsplan 1998 der B.-
Hilfe (ABl. 54) hätte sie bei einem rentenfähigen Monatseinkommen von 4.699,52 DM einen Grundbetrag von 140,57 DM und einen
Steigerungsbetrag für das 6. bis 25. Dienstjahr in Höhe von 141,80 DM (20 x 7,09 DM), insgesamt also eine monatliche Betriebsrente in Höhe
von 282,37 DM erhalten, während sich die ZVK-Rente nur auf 131,59 DM monatlich belaufe. Eine Kürzung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme
wäre gemäß §§ 1 Ziff. 2.2.2, 5 Ziff. 2.2.1 der Richtlinie für die Bewilligung von Renten und Beihilfen der B.-Hilfe i. d. F. vom 01.01.1991 (ABl. 86-
94) nicht in Betracht gekommen.
25 Die Klägerin beantragt zuletzt,
26
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
27
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 01.10.1998 bis 31.12.1998 eine Betriebsrente i. H. v. 150,78 DM monatlich zu bezahlen sowie
darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.01.1999 eine monatliche Betriebsrente in Höhe des
Unterschiedsbetrages zwischen einer monatlichen Betriebsrente gemäß dem jeweils gültigen Versorgungsplan der B.-Hilfe auf der Basis
von 25 Dienstjahren einerseits und der jeweiligen monatlichen ZVK-Versorgungsrente der Klägerin zu verschaffen,
28
hilfsweise
29
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.10.1998 für den Zeitraum 01.10.1973 bis 31.12.1990
Versorgungsleistungen aus der bei ihr bestehenden betrieblichen Altersversorgung gemäß dem Versorgungsplan der B.-Hilfe zu
verschaffen,
30
hilfsweise
31
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.10.1998 die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihr zustünden,
wenn sie in der Zeit vom 01.10.1973 bis 30.09.1998 bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-
Württemberg versichert gewesen wäre.
32 Die Beklagte beantragt,
33
die Berufung zurückzuweisen.
34 Die Beklagte habe mit der ZVK nicht eine weitere, zur bisherigen Versorgungszusage (B.-Hilfe) hinzutretende Versorgung angeboten, sondern
entweder das eine oder das andere. Auch habe die Klägerin mit ihrer Erklärung vom 17.04.1991 nicht nur einem Wechsel des
Versorgungsschuldners zugestimmt, sondern denknotwendig auch einer Änderung der Versorgungsordnung, was rechtlich zulässig gewesen
sei, weil das Arbeitsverhältnis fortbestanden habe. Auch der nunmehr in erster Linie wegen Verletzung von Aufklärungspflichten verfolgte
Schadensersatzanspruch sei unbegründet. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten nicht auf entsprechende Fragen erklärt, dass bei einem Wechsel
zur ZVK keine Nachteile entstünden, sondern stets auf das Merkblatt der ZVK und die Informationsveranstaltung hingewiesen. Dass die Klägerin
diese nicht besucht habe, könne der Beklagten nicht angelastet werden. Weitergehende Aufklärungspflichten hätten die Beklagte nicht getroffen.
Zum einen sei der Beklagten eine auf den Einzelfall bezogene Beratung wegen der Vielzahl der möglichen Fallgestaltungen nicht
abzuverlangen gewesen, zum anderen handle es sich bei dem Regelungswerk der ZVK um eine nicht unkomplizierte Materie. Im Übrigen sei die
Berechnung der Klägerin falsch. Die nach der B.-Hilfe erreichbare Rente sei wegen vorzeitigen Ausscheidens und vorzeitiger Inanspruchnahme
doppelt ratierlich zu kürzen. Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf deren im Berufungsverfahren gewechselte Schriftsätze
vom 17.02.1999, 24.03.2000, 25.04.2000, 26.06.2000, 05.07.2000 und 07.02.2001 jeweils nebst Anlagen sowie deren Erklärungen in den
Terminen am 14.07.2000 und 16.02.2001 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
35 Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat mit den im Berufungsverfahren zuletzt verfolgten Hauptanträgen
(Antrag Ziff. 1) Erfolg.
I.
36 Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen auch in Bezug auf die Hauptanträge keine durchgreifenden Bedenken. Die innerhalb der
Berufungsfrist eingegangene Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO. Sie setzt sich mit den Gründen des
angefochtenen Urteils auseinander und ist auf die Beseitigung der in diesem liegenden Beschwer gerichtet. Dass die Klägerin dann im Laufe
des Berufungsverfahrens vom Erfüllungs- auf einen Schadensersatzanspruch übergegangen ist und den erstinstanzlichen Antrag nur noch
hilfsweise weiterverfolgt hat, stellt die Zulässigkeit des Rechtsmittels in Bezug auf die mit ihm verfolgten Hauptanträge nicht in Frage. Denn im
Rahmen eines zulässigen Rechtsmittels kann gemäß § 523 ZPO beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 263 ZPO auch die Klage geändert
werden. Dies gilt vorliegend um so mehr, als bereits das Arbeitsgericht von seinem – zutreffenden – Rechtsstandpunkt aus gemäß § 139 ZPO auf
eine sachdienliche Antragstellung hätte hinwirken müssen, wie die Klägerin zu Recht rügt.
II.
37 Gegen die Zulässigkeit der Hauptanträge bestehen ebenfalls keine Bedenken. Die Klageänderung war gemäß § 263 ZPO zulässig, da sich die
Beklagte auf die geänderten Anträge widerspruchslos eingelassen hat. Darauf, dass die Änderung der Klage auch für sachdienlich zu er-achten
gewesen wäre, kommt es daher nicht mehr an. Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit der Hauptanträge bestehen ebenfalls nicht. Dies gilt
auch für den Feststellungsantrag. Insbesondere steht dem erforderlichen Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) nicht der Vorrang der
Leistungsklage entgegen. Denn der Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Feststellungsklage dann nicht entgegen, wenn auf
diesem Wege eine sachgemäße, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen
gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Vorliegend geht der Streit darum, ob
die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Differenzschaden zu ersetzen. Erst wenn feststeht, dass eine dahingehende Verpflichtung der
Beklagten steht, ist es insbesondere der Klägerin zuzumuten, sich die zur Berechnung des jeweiligen Differenzschadens erforderlichen, jeweils
maßgeblichen Versorgungsbestimmungen der Beklagten zu beschaffen und ihren Anspruch zu beziffern. Eine auch für die Zukunft zutreffende
Bezifferung wäre wegen der jährlich zu erwartenden Änderungen ohnehin nicht möglich.
III.
38 Die Hauptanträge sind auch begründet.
39 Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung (§§ 280, 286 BGB), weil die Beklagte beim Wechsel des
Versorgungsmodells durch die Klägerin dieser gegenüber ihre arbeitsvertraglichen Hinweis- und Aufklärungspflichten schuldhaft verletzt hat.
Aufgrund dieser Pflichtverletzung hat die Beklagte gemäß § 249 BGB für den Differenzbetrag zwischen der der Klägerin von der ZVK gewährten
Versorgungsrente und der Betriebsrente einzustehen, die die Beklagte aufgrund ihrer ursprünglichen Versorgungszusage (B.-Hilfe) der Klägerin
zu zahlen hätte, wenn diese nicht mit Wirkung vom 01.01.1991 an zur ZVK gewechselt wäre.
40 1. Die Beklagte hat die ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Hinweis- und Aufklärungspflichten dadurch schuldhaft verletzt, dass sie die
Klägerin vor Abgabe ihrer Erklärung, in die ZVK übernommen zu werden, nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass ihr im Falle des Wechsels
zur ZVK in der betrieblichen Altersversorgung ganz erhebliche Nachteile drohen.
41 a) Aus dem Arbeitsvertrag folgen auch vertragliche Nebenpflichten. Zu den Nebenpflichten des Arbeitgebers können auch Aufklärungs- und
Informationspflichten über die Folgen eines Wechsels des Versorgungssystems gehören. Voraussetzungen und Umfang der Hinweis- und
Aufklärungspflichten ergeben sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Interessen des Arbeitgebers und des
versorgungsberechtigten Arbeitnehmers sind gegeneinander abzuwägen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen,
insbesondere die Gefahren, die dem Arbeitnehmer typischerweise bei einem Wechsel des Versorgungssystems drohen, sowie die erkennbaren
Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits. Gesteigerte
Hinweispflichten können den Arbeitgeber vor allem dann treffen, wenn der Wechsel des Versorgungssystems auf seine Initiative hin zu Stande
kommt (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen und zum Umfang von Hinweis- und Aufklärungspflichten BAG, Urteil vom 17.10.2000 – 3 AZR
605/99 – NZA 2001, 206 mit Nachweisen). Insbesondere in einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer erwarten, vom Arbeitgeber über solche
Umstände aufgeklärt zu werden, die für seinen Willensentschluss von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. BGH AP Nr. 101 zu § 611 BGB
Fürsorgepflicht).
42 b) Nach diesen Kriterien hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Hinweis- und Aufklärungspflicht. Die Klägerin konnte erwarten und
darauf vertrauen, dass ihr die Beklagte durch sachgerechte Hinweise ermöglicht, eine durchdachte Entscheidung über den Wechsel des
Versorgungssystems zu treffen.
43
aa) Der Wechsel zur ZVK kam auf das mit Schreiben vom März 1991 unterbreitete Angebot der Beklagten zu Stande. Durch dieses
Schreiben eröffnete die Beklagte denjenigen Mitarbeitern, die nicht ohnehin Mitglied der ZVK werden mussten, das Wahlrecht, entweder in
der B.-H.-Versorgung zu bleiben oder in die ZVK zu wechseln. Zwar verweist die Beklagte diese Mitarbeiter in diesem Schreiben darauf,
dass jeder diese Entscheidung für sich treffen müsse, wobei als Hilfe für die im Einzelfall zu treffende richtige Entscheidung auf ein Merkblatt
über die ZVK sowie eine Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter hingewiesen wird. Dies ändert aber nichts daran, dass die Initiative
zum Wechsel des Versorgungssystems von der Beklagten ausgegangen ist.
44
bb) Durch das mit Schreiben vom März 1991 unterbreitete Angebot schuf die Beklagte eine außergewöhnliche Gefahrenquelle, so dass sie
eine besondere Hinweispflicht traf. Dies gilt zum einen deshalb, weil die Beklagte trotz des Hinweises darauf, dass jeder Mitarbeiter die für
ihn richtige Entscheidung treffen müsse, auch gegenüber den Mitarbeitern mit Wahlrecht mit Schreiben vom März 1991 den Eindruck
erweckte, als seien für sie die Leistungen der ZVK günstiger als die der B.-Hilfe. Denn im Schreiben vom März 1991 wird nicht nur eingangs
ausgeführt, dass die Leistungen der B.-Hilfe nicht ganz denjenigen der ZVK entsprächen. Vielmehr wird auch am Schluss des Schreibens
ohne Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis die Freude darüber zum Ausdruck gebracht, „mit dieser Leistung unseren
Mitarbeitern eine weitere soziale Gleichstellung gegenüber dem „öffentlichen Dienst“ anbieten zu können“. Zum anderen gilt dies deshalb,
weil aufgrund der unterschiedlichen Versorgungssysteme bei allen Mitarbeitern, die nicht Mitglied der ZVK werden mussten, je nach Alter
und bisheriger Dauer der Betriebszugehörigkeit die mehr oder weniger große Gefahr bestand, im Falle eines Wechsels zur ZVK
beträchtliche Versorgungsnachteile zu erleiden, wie sie sich im Falle der Klägerin dann auch realisiert hat.
45
cc) Dass der von der Beklagten geschaffenen außergewöhnlichen Gefahrenquelle ein dementsprechend außergewöhnliches
Informationsbedürfnis der Klägerin entsprach, konnte die Beklagte unschwer erkennen. Denn dass der Klägerin nicht daran gelegen war,
durch den ihr angebotenen Wechsel zur ZVK Versorgungsnachteile zu erleiden, war ebenso offenkundig wie der Umstand, dass die als
Kreißsaalhelferin tätige Klägerin nicht in der Lage war, die beiden Versorgungssysteme miteinander zu vergleichen und die Auswirkungen
eines Wechsels zur ZVK zu erkennen und zu beurteilen. Hinzu kommt, dass die Klägerin allein schon deshalb, weil die Beklagte mit ihrem
Schreiben vom März 1991 den Eindruck erweckt hatte, ein Wechsel zur ZVK sei jedenfalls nicht ungünstiger als ein Verbleib in der B.-Hilfe,
von der Beklagten erwarten konnte und durfte, über die möglichen versorgungsrechtlichen Nachteile des von ihr gemäß dem Angebot der
Beklagten beabsichtigten Wechsels zur ZVK belehrt zu werden.
46 c) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte nicht im Hinblick darauf, dass sie die Initiative ergriff und ihren Mitarbeitern den Wechsel in ein anderes
Versorgungssystem anbot, verpflichtet war, die Mitarbeiter und damit auch die Klägerin über die versorgungsrechtlichen Einzelheiten zu
unterrichten und diesen die danach im Einzelfall bei einem Wechsel zur ZVK zu befürchtenden und voraussehbaren Nachteile konkret
aufzuzeigen und zu berechnen. Denn jedenfalls musste die Beklagte die Mitarbeiter mit Wahlrecht insbesondere in Anbetracht des Umstandes,
dass eine Nachversicherung nicht erfolgte oder nicht erfolgen konnte, gegebenenfalls an Hand von vergleichenden Modellberechnungen
generell darauf hinweisen, ab welchem Lebensalter und ab welcher Dauer der bisherige Betriebszugehörigkeit bei einem Wechsel zur ZVK
Versorgungsnachteile bis zu welcher Größenordnung gegenüber der bei einem Verbleib in der bisherigen Versorgungsordnung erzielbaren
Betriebsrente drohten. Denn von einem Arbeitgeber, der zwei Versorgungsmodelle – wenn ersichtlich auch nur für eine Übergangszeit – zur
Auswahl stellt, ist zu erwarten, dass er beide Versorgungssysteme und deren Unterschiede kennt und demgemäß zumindest in der Lage ist,
durch generelle Hinweise das Problembewusstsein der betroffenen Mitarbeiter so zu wecken und diese so zu beraten, dass sie – notfalls unter
gezielter Einholung sachkundigen Rats – eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung treffen können.
47
aa) Dass sie die Klägerin auf die sich angesichts ihres Alters von damals bereits über 52 Jahren und einer bisherigen Dauer der
Betriebszugehörigkeit von über 17 Jahren geradezu aufdrängende Gefahr, bei einem Wechsel zur ZVK beträchtliche Versorgungsnachteile
zu erleiden, konkret oder durch generelle Hinweise im obigen Sinne aufmerksam machte, behauptet die Beklagte nicht. Auch lässt sich
ihrem Vorbringen nicht einmal entnehmen, dass sie ihre Mitarbeiter auf die für die Versorgung bedeutsamen Unterschiede der beiden
Versorgungssysteme hinwies, insbesondere darauf, dass eine Nachversicherung bei der ZVK für die Zeit der bisherigen
Betriebszugehörigkeit nicht erfolgt und diese Zeit daher bei der ZVK nicht voll gesamtversorgungsfähig ist sowie der erzielbare Prozentsatz
des gesamtversorgungsfähigen Entgelts (= von der ZVK garantierte Gesamtversorgung) zudem regelmäßig nochmals erheblich geringer ist,
wenn der Eintritt in die Zusatzversorgung – wie im Falle der Klägerin – erstmals nach Vollendung des 50. Lebensjahres erfolgt. Die Beklagte
hat sich vielmehr darauf beschränkt zu bestreiten, dass ihre zuständigen Mitarbeiter auf Fragen erklärt hätten, dass bei einem Wechsel zur
ZVK keine Nachteile entstünden. Dass und gegebenenfalls welche Erklärungen und Erläuterungen diese gegenüber den Mitarbeitern
stattdessen entweder auf gezielte Nachfragen oder unabhängig hiervon allgemein auf der Informationsveranstaltung am 26.04.1991 zu den
mit einem Wechsel zur ZVK unter Umständen verbundenen erheblichen Versorgungseinbußen abgegeben haben, hat die Beklagte
dagegen nicht einmal ansatzweise dargetan.
48
bb) Durch den bloßen Hinweis auf das Merkblatt der ZVK konnte die Beklagte entgegen ihrer Auffassung den ihr im Streitfall im gesteigerten
Umfang obliegenden Hinweis- und Aufklärungspflichten nicht genügen. Wie die Beklagte selbst nicht verkennt, zeichnen sich die
Versorgungsordnungen der Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes durch eine Komplexität aus, die es dem einzelnen
Arbeitnehmer kaum mehr ermöglicht, zu überschauen, welche Versorgungsleistungen er zu erwarten hat (vgl. BVerfG NJW 1999, 3341,
3343 zum Satzungswerk der VBL). Zwar wird mit dem von der Beklagten vorgelegten Merkblatt der ZVK (ABl. 28-36) der Versuch
unternommen, die komplizierten Regelungen der Zusatzversorgung in übersichtlicher und vereinfachter Form in groben Zügen darzustellen.
Auch das Merkblatt selbst ist aber ersichtlich für einen mit der Materie nicht vertrauten Arbeitnehmer nur schwer verständlich. Hinzu kommt,
dass sich das Merkblatt nur mit den Versorgungsregelungen der ZVK befasst und keinerlei Bezug zu dem hier im Rahmen eines im Übrigen
unverändert fortbestehenden Arbeitsverhältnisses anstehenden Wechsel des Versorgungssystems nimmt, dieses insbesondere keinerlei
vergleichende Betrachtung zwischen den beiden hier zur Auswahl stehenden Versorgungsmodellen enthält. Nur durch eine dahingehende
vergleichende, die gravierenden Unterschiede der beiden Systeme mit ihren Konsequenzen für die spätere Versorgung aufzeigende
Darstellung hätte jedoch allenfalls das Problembewusstsein der Klägerin geweckt und diese in die Lage versetzt werden können, sich bei
der Beklagten oder der ZVK oder einer anderen sachkundigen Stelle sachgerecht zu erkundigen und beraten zu lassen. Allein auf der
Grundlage des Merkblatts der ZVK war die Klägerin daher, insbesondere unter weiterer Berücksichtigung ihrer Vorbildung und ihres
Kenntnisstandes, ganz offenkundig nicht in der Lage, die mit einem Wechsel verbundenen Versorgungsrisiken zu erkennen und zu
bewerten oder auch nur ein insoweitiges Problembewusstsein zu entwickeln, zumal die Beklagte mit ihrem Schreiben vom März 1991 auch
noch den Eindruck vermittelt hatte, ein Wechsel zur ZVK führe jedenfalls nicht zu einer Verschlechterung der Versorgungssituation. Es kann
daher dahingestellt bleiben, ob der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom März 1991 überhaupt das Merkblatt der ZVK zugeleitet
worden war, da die Beklagte mit diesem allein ihren Hinweis- und Aufklärungspflichten nicht genügen konnte.
49
cc) Zwar ist die Klägerin für die Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflichten durch die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Diese
konnte sich aber zu-nächst mit der Behauptung begnügen, von der Beklagten über die für sie mit einem Wechsel zur ZVK verbundenen
Versorgungsrisiken nicht aufgeklärt worden zu sein. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO war es sodann Sache der Beklagten, zunächst einmal die
Umstände darzulegen, aus denen sich ihrer Ansicht nach ergeben soll, dass sie ihren Hinweis- und Aufklärungspflichten hinreichend
nachgekommen ist. Da die Beklagte – wie ausgeführt – ihrer Aufklärungspflicht genügende Hinweise nicht vorgetragen hat, ist daher davon
auszugehen, dass die Beklagte bzw. deren verantwortliche Mitarbeiter, für die die Beklagte gemäß § 278 BGB einzustehen hat, ihre
Informationspflichten gegenüber der Klägerin verletzt hat bzw. haben. Dies ist auch schuldhaft geschehen. Dass die Klägerin nicht über die
erforderlichen Kenntnisse verfügte, um die mit einem Wechsel zur ZVK verbundenen Versorgungsrisiken erkennen und beurteilen zu
können, und solche auch nicht allein durch die Überlassung des zur Akte gereichten Merkblattes der ZVK vermittelt werden konnten, war
leicht zu erkennen, da dies offensichtlich war. Andererseits war von der Beklagten im Hinblick darauf, dass sie es war, die ihren Mitarbeitern
zwei Versorgungsmodelle zur Auswahl stellte, zu erwarten, dass sie sich die zur Beurteilung etwaiger mit dem Wechsel zur ZVK
verbundenen Versorgungsrisiken erforderlichen Kenntnisse jedenfalls in dem Maße verschafft, um auf mögliche erhebliche
Versorgungsschäden und deren Ursachen – wie ausgeführt – hinweisen zu können, sodass sich die Beklagte nicht ihrerseits zu ihrer
Entlastung auf mangelnde Kenntnis des Versorgungssystems der ZVK berufen kann.
50 2. Die schuldhafte Verletzung ihrer Hinweis- und Aufklärungspflichten durch die Beklagte war für den Wechsel der Klägerin zur ZVK ursächlich.
Denn in der Regel wahrt ein Arbeitnehmer bei sachgerechter Belehrung seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise und verhält sich nicht
rentenschädigend (vgl. BAG a.a.O. mit Nachweisen). Gegenteiliges ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass die Klägerin ihren Wechsel zur ZVK
bereits vor der für den 26.04.1991 angekündigten Informationsveranstaltung am 17.04.1991 erklärte. Denn daraus kann nicht geschlossen
werden, dass ihr etwaige mit dem Wechsel verbundene, auch erhebliche Versorgungsnachteile gleichgültig waren, sondern dass sie mangels
hinreichender Aufklärung seitens der Beklagten im Hinblick auf deren Schreiben vom März 1991 nicht von solchen ausging. Im Übrigen hätte die
Beklagte angesichts des offensichtlichen Informationsbedürfnisses der betroffenen Mitarbeiter dafür Sorge tragen müssen, dass diese ihren
Wechsel zur ZVK nicht bereits vor einer beabsichtigten Aufklärung über etwaige damit verbundene erhebliche Versorgungsrisiken erklären. Die
Beklagte hätte daher die Klägerin spätestens bei Abgabe ihrer Erklärung vom 17.04.1991 auf dem Personalbüro vor diesem übereilten Schritt
warnen und sie zumindest in groben Umrissen davon in Kenntnis setzen müssen, dass der Wechsel zur ZVK je nach Alter und Dauer der
Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters mit erheblichen Versorgungseinbußen verbunden sein kann, und sich nicht damit begnügen dürfen, die
Klägerin – was diese bestreitet – auf deren Nachfrage nach etwaigen Nachteilen wie mit Schreiben vom März 1991 erneut kommentarlos auf das
Merkblatt der ZVK und die Informationsveranstaltung hinzuweisen. Aus diesem Grunde trifft die Klägerin auch nicht etwa deshalb ein
mitwirkendes Verschulden (§ 254 Abs. 1 BGB), weil sie unstreitig an der Informationsveranstaltung am 26.04.1991 nicht teilnahm. Dies auch
schon deshalb nicht, weil die Beklagte nicht einmal ansatzweise dargetan hat, dass sie ihren Hinweis- und Aufklärungspflichten wenigstens auf
dieser Veranstaltung im ausreichenden Maße nachgekommen ist, sodass davon auszugehen ist, dass die Klägerin den Wechsel zur ZVK auch
im Falle ihrer Teilnahme an dieser Veranstaltung erklärt hätte.
51 3. Die Beklagte hat daher für den Schaden, der der Klägerin infolge ihres Wechsel zur ZVK entstanden ist und noch entstehen wird, in vollem
Umfange einzustehen. Dieser besteht in Höhe des Differenzbetrages zwischen der von der ZVK gezahlten Versorgungsrente und der
Betriebsrente, die die Klägerin ohne ihren Wechsel zur ZVK von der Beklagten zur beanspruchen gehabt hätte. Diesen hat die Klägerin mit
150,78 DM monatlich für die Zeit vom 01.10.1998 bis zum 31.12.1998 zutreffend berechnet.
52 a) Nach dem Versorgungsplan der B.-Hilfe 1998 (ABl. 54) stünde der Klägerin, die unstreitig unter die dortige Rentengruppe 6 fiele, für die ersten
fünf Renten-Dienstjahre nach vollendetem 30. Lebensjahr vom 01.10.1973 bis zum 30.09.1978 ein monatlicher Grundbetrag von 140,57 DM zu.
Hinzu käme ein monatlicher Steigerungsbetrag von 7,09 DM je Jahr für das 6. bis 35. Renten-Dienstjahr vom 01.10.1978 bis zum 30.09.1998,
also ein monatlicher Steigerungsbetrag in Höhe von insgesamt 141,80 DM (20 x 7,09 DM). Der von der Klägerin bis zu ihrem Ausscheiden aus
dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten „erdiente“ Rentenbetrag beliefe sich also auf insgesamt 282,37 DM monatlich.
53 b) Dieser Betrag wäre der Klägerin ab dem 01.10.1998 zu zahlen gewesen. Denn die Klägerin ist zwar vor Vollendung des 65. Lebensjahres aus
dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, aber gleichwohl nicht vor Eintritt des Versorgungsfalles. Nach §§ 3, 5 der Richtlinien der B.-Hilfe (ABl. 86-
94) wird nämlich Altersrente mit Eintritt in den Ruhestand gewährt, und zwar auch dann, wenn der Eintritt in den Ruhestand vor Vollendung des
65. Lebensjahres erfolgt. Voraussetzung ist in diesem Falle lediglich, dass der Rentenanwärter das 60. Lebensjahr vollendet und Anspruch auf
volles Altersruhegeld (Vollrente) aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat, wie dies vorliegend beim Ausscheiden der Klägerin aus dem
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten unstreitig der Fall war. Da sich aus den Regelungen der §§ 3 bis 5 der Richtlinien in Verbindung mit dem
Versorgungsplan ohne weiteres die Berechnung der gemäß § 6 BetrAVG vorzeitig in Anspruch genommenen Betriebsrente ergibt, ist daher
entgegen der Auffassung der Beklagten für eine Berechnung der vorzeitig in Anspruch genommenen Betriebsrente unter Zugrundelegung der
mit Vollendung des 65. Lebensjahres zu erwartenden Betriebsrente und deren zeitratierlich einfach oder gar doppelt vorzunehmenden Kürzung
kein Raum. Denn die vom Bundesarbeitsgericht für die Berechnung der im Falle eines vorzeitigen Bezugs nach § 6 BetrAVG erreichbaren
Betriebsrente aufgestellten Berechnungsregeln gelten nur dann, wenn die Versorgungsordnung insoweit lückenhaft ist (vgl. BAG AP Nrn. 23, 24
zu § 6 BetrAVG), was vorliegend nicht der Fall ist. Darauf, dass das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21.03.2000 – 3 AZR 93/99 – erwogen
hat, die für den vorzeitigen Bezug der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG entwickelten Berechnungsregeln (doppelte zeitratierliche Kürzung des
Betriebsrentenansprüche eines vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers) aufzugeben, kommt es im Streitfall daher nicht an. Denn da die
Richtlinien der B.-Hilfe auch den Leistungsfall des vorgezogenen Altersruhegeldes kennen und die Klägerin wegen Inanspruchnahme des
vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden ist, liegt ein vorzeitiges Ausscheiden im Streitfall
nicht vor. Auch ist die Berechnung der in diesem Fall geschuldeten Betriebsrente in der Versorgungsordnung der Beklagten nicht lückenhaft
geregelt, da sich deren Höhe aus den bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 4 der Richtlinien erreichten anrechnungsfähigen Dienstjahren und den
dafür nach dem jeweiligen Versorgungsplan in Ansatz zu bringenden Beträgen (Grundbetrag und Steigerungsbeträge der jeweiligen
Rentengruppe) ohne weiteres ergibt.
54 c) Soweit die Beklagte geltend macht, dass die geschuldete Betriebsrente entsprechend der durchschnittlichen Arbeitszeit der Klägerin auf 83,65
% zu kürzen wäre, hat diese hierfür eine Rechtsgrundlage nicht dargetan. Die Klägerin hat hierzu unbestritten vorgetragen, dass ihre Arbeitszeit
nur zeitweilig hinter derjenigen einer Vollzeitkraft zurückgeblieben sei und die Richtlinien in § 20 Ziff. 3.3.2 lediglich bei den Beihilfen für diesen
Fall eine Kürzung vorsehen würden. Die Vorschrift des § 9 Ziff. 2 der Richtlinien würde diesen Fall dagegen nicht erfassen, wie sich aus der darin
in Bezug genommenen Vorschrift des § 9 der Versorgungsordnung für die Arbeiter und Tarifangestellten der B.-Gruppe Inland vom 11.11.1977
(Fassung vom 28.02.1986) ergäbe. Hierzu hat die Beklagte substanziiert nichts erwidert. Damit kann aber zu Gunsten der Beklagten weder von
einer in der Versorgungsordnung vorgesehenen derartigen Kürzungsmöglichkeit noch von einer insoweitigen Regelungslücke ausgegangen
werden.
55 d) Die der Klägerin von der Beklagten zu gewähren gewesene Betriebsrente hätte sich hiernach folglich im streitgegenständlichen Zeitraum auf
282,37 DM monatlich belaufen, während die ZVK-Rente in diesem Zeitraum unstreitig lediglich 131,59 DM monatlich betrug, woraus sich ein
monatlicher Differenzbetrag von 150,78 DM ergibt, für den die Beklagte einzustehen hat.
56 4. Auf die Berufung der Klägerin war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils gemäß den mit dem Antrag Ziff. 1 verfolgten
Hauptanträgen zu erkennen.
IV.
57 Die Hilfsanträge sind der Entscheidung nicht angefallen.
V.
58 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 269 Abs. 3 ZPO.
VI.
59 Die Zulassung der Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst.