Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 23.05.2002

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LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 23.5.2002, 21 Sa 119/01
Ordnungsgemäße Klagerhebung; ladungsfähige Anschrift des Klägers bei unklarer Parteiidentität
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.11.2000 Az.: 21 Ca 5559/01 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
II. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Von einer ausführlichen Darstellung des Prozessstoffes wird im Hinblick auf § 543 Abs. 1 ZPO (a.F.) abgesehen, nachdem die Revision gegen
dieses Urteil nicht zugelassen worden ist. Stattdessen wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung seitens der Beklagten, gerichtet
an ihren unter dem Namen ... beschäftigten Arbeitnehmer, und die Frage, ob die Identität des Klägers dieses Verfahrens hinreichend bestimmt
und den formalen Anforderungen für eine ordnungsgemäße Klagerhebung genüge getan ist. Ihr Vorbringen im Berufungsverfahren erschließt
sich aus dem Schriftsatz des Klägers vom 11.02.2002 (LAG-ABl. 21 -25) und dem der Beklagten vom 19.02.2002 (LAG-ABl. 27 -30) nebst
Anlagen sowie dem Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 23.05.2002 (LAG-ABl. 34/35). Hierauf wird Bezug genommen.
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Der Kläger wendet sich im Wesentlichen mit folgenden Argumenten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil: Im Vorverfahren 20 Ca 831/00 –
betreffend seine außerordentliche fristlose Kündigung vom 19.05.2000 – sei er noch unter dem Namen ... im Gütetermin vom 21.07. und dem
Kammertermin vom 07.11.2000 persönlich aufgetreten. Es habe kein Zweifel darüber bestanden, dass er der vom Kündigungsausspruch
betroffene Arbeitnehmer gewesen sei. Daran habe sich in diesem Verfahren nichts geändert. Er heiße nur in Wirklichkeit anders, nämlich ... ...
Dies belege auch das von den ... ausgestellte Ausweispapier, in dem bestätigt werde, dass er am 25.11.1965 in ... geboren und männlichen
Geschlechts sei. Bislang sei es ihm nicht gelungen, einen ordnungsgemäß ausgestellten Pass zu erlangen. Im Übrigen könne der Arbeitskollege
... bestätigen, dass er derjenige sei, welcher von Anfang an für die Beklagte gearbeitet habe.
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Er habe nicht nur seine Arbeitsstelle, sondern mittlerweile auch seine Wohnung in ... verloren, weil er kein Geld mehr gehabt habe, sich eine
andere zuzulegen. Zu einem Gerichtstermin könne er nicht mehr persönlich erscheinen, weil er befürchten müsse, dann verhaftet zu werden.
Zum Kammertermin vom 13.11.2001 in der Arbeitsrechtssache 20 Ca 166/01 beim Arbeitsgericht in Ludwigsburg sei nämlich ein
Polizeiobermeister aufgetreten, der den Auftrag gehabt habe, ihn zu verhaften, falls er zum Termin erscheinen sollte. Unter diesen Umständen
könne seine Klage nicht deshalb als unzulässig abgewiesen werden, weil in der Klageschrift eine ladungsfähige Anschrift seiner Person gefehlt
habe. Es sei ihm nämlich nicht zuzumuten, sich einer Verhaftung auszusetzen. Seine Identität stehe fest und mögliche Zustellungen seien über
seinen Rechtsanwalt sichergestellt.
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Dementsprechend beantragt der Kläger in zweiter Instanz:
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1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.11.2001 – Az.: 21 Ca 5559/01 – wird der Rechtsstreit an das
Arbeitsgericht Stuttgart, 21. Kammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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2. hilfsweise:
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Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.11.2001 – Az. 21 Ca 5559/01 wird festgestellt, dass das zwischen den
Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 16.01.2001 beendet wurde und auch nicht beendet
wird.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
11 Sie verteidigt in erster Linie das arbeitsgerichtliche Urteil und bestreitet nach wie vor die Identität des Klägers. Die Person namens ... sei laut
Einwohnermeldeamtauskunft der Gemeinde ... vom 27.08.2001 seit dem 01.03.2001 unbekannt verzogen. Wenn nunmehr der Kläger unter dem
Namen ... die Berufung fortführe, die Person ... jedoch tatsächlich existent sei, handele es sich um einen unzulässigen Parteiwechsel im
Berufungsverfahren. Nach wie vor bestünde Unklarheit über die Identität der klagenden Partei. Aus der vorgelegten Fotokopie könnten
diesbezüglich keinerlei Erkenntnisse gezogen werden. Weder das Foto noch der Text seien erkennbar. Niemand wisse, wo sich der Kläger
aufhalte. Er sei nicht erreichbar, er sei auch über seinen Rechtsanwalt erfolglos aufgefordert worden, die Arbeit wieder aufzunehmen. Eine
Arbeitserlaubnis bestehe weder für eine Person namens ... noch für eine namens ... . Der angebliche Kläger sei weder in der Lage noch willens,
weiter bei ihr zu arbeiten. Die Klage könne deshalb auch in der Sache nicht positiv beschieden werden.
12 Neuerdings mache ein ... über das Anwaltsbüro ..., ..., wieder Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis mit ihr geltend. Es sei deshalb nach wie vor
unklar, wie der Kläger dieses Verfahrens wirklich heiße.
13 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und des
Sitzungsprotokolls vom 23.05.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
14 Die ihrem Gegenstandswert nach statthafte Berufung des Klägers (vgl. § 64 Abs. 2 lit.c. ArbGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt und
innerhalb verlängerter Begründungsfrist ordnungsgemäß ausgeführt (vgl. §§ 64 Abs. 1 a.F., 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO a.F.). Sie ist auch im
Übrigen zulässig.
15 1. Die Berufung ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil zwischen den Parteien Streit über die Identität des Klägers besteht. Hier gilt grundsätzlich
Gleiches wie bei einem Streit über die Partei- bzw. Prozessfähigkeit einer Partei. Diese gilt bis zur rechtskräftigen Feststellung des Mangels als
partei- bzw. prozessfähig und kann auch Rechtsbehelfe, insbesondere mit dem Ziel, eine andere Beurteilung ihrer Partei- oder Prozessfähigkeit
zu erreichen, einlegen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 23. Auflage, § 56 Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen). Deshalb kann die Berufung einer
Partei, deren Klage wegen hinreichender Bestimmbarkeit ihrer Identität als unzulässig abgewiesen worden ist, nicht als unzulässig verworfen
werden, wenn mit dem Rechtsmittel eine andere Beurteilung der Rechtsfrage angestrebt wird.
16 2. Die Berufung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Berufungsführer nicht unter der in der Berufungsschrift angegebenen Wohnanschrift
geladen werden kann, nachdem die ... ... genannte Person seit 01.03.2001 „nach unbekannt verzogen“ ist. Denn die Angabe der ladungsfähigen
Anschrift des Berufungsklägers in der Berufungsschrift ist nicht Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung (vgl. hierzu BGH NJW 1988, 2114 mit
weiteren Nachweisen).
II.
17 Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und – unter Berücksichtigung des Sach- und
Streitstandes in erster Instanz – mit zutreffenden Argumenten, welche das Berufungsgericht nur unterstreichen kann, als unzulässig abgewiesen.
Die hiergegen vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragenen Angriffe überzeugen nicht.
18 1. Eine andere Beurteilung der Klage ist nicht deshalb geboten, weil der Kläger nunmehr einräumt, unter falschem Namen eine Klage eingereicht
zu haben, und behauptet – was die Beklagte nach wie vor bestreitet – in Wirklichkeit ... zu heißen. Auch wenn man zu Gunsten des Klägers als
wahr unterstellt, dass er diejenige Person ist, welche bei der Beklagten jahrelang bis zu seiner Kündigung gearbeitet hat, so ändert dies nichts
daran, dass nach wie vor nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, wie er richtig heißt, wann und wo er geboren worden ist, woher er stammt
und welche Nationalität er besitzt. Er hat zwar eine – schlecht lesbare – Kopie eines – offenbar von einer Unterorganisation der ... ausgestellten –
Ausweispapieres vorgelegt, welches das nahezu unkenntliche Foto einer höchstwahrscheinlich männlichen Person zeigt und den Namen ... Ein
taugliches Beweismittel dafür, dass es sich bei dem Kläger um die dort abgelichtete Person handelt und die dort erfassten persönlichen Daten
zutreffen, ist dies allerdings nicht. Auch gibt es keinen Beweis dafür, dass die Kopie überhaupt mit einem ordnungsgemäß ausgestellten
offiziellen Personaldokument übereinstimmt. Nicht einmal der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das Originaldokument in Augenschein
nehmen können. Es steht deshalb nach wie vor nicht fest, wie der Kläger richtig heißt und nach welchen Personenstandsdaten er eindeutig
identifiziert werden kann. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wird für die ordnungsgemäße Klagerhebung jedoch eine Bezeichnung der Parteien
verlangt, welche Zweifel hinsichtlich der Identität und der Stellung als Partei ausschließt und gewährleistet, dass sich diese für jeden Dritten
ermitteln lässt (vgl. hierzu Schumann, in Stein-Jonas, ZPO, 21. Auflage 1996, § 253 Rdnr. 31 mit weiteren Nachweisen). An einer solchen
Bezeichnung fehlt es im vorliegenden Falle auch noch in zweiter Instanz.
19 2. Die Klage ist aber abgesehen davon schon deshalb unzulässig – was das Arbeitsgericht hatte dahinstehen lassen –, weil die Klageschrift eine
ladungsfähige Anschrift des Klägers nicht enthält. Dort ist zwar als Kläger ein ... genannt, der jedoch bereits ab 01.03.2001 „nach unbekannt
verzogen“ ist. Ein ..., wie sich der Kläger in Wirklichkeit nennt, ist dort nicht wohnhaft und auch nicht polizeilich gemeldet. Zur ordnungsgemäßen
Klagerhebung gehört aber grundsätzlich auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers. Wird diese schlechthin oder ohne
zureichenden Grund verweigert oder eine falsche Anschrift genannt, ist die Klage unzulässig (vgl. hierzu BHZ 108, 332 = NJW 1988, 2114;
BVerwG NJW 1999, 2608; KG OLGZ 91, 465 – jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine Grundrechtsverletzung liegt bei einer derartigen
Auslegung des § 253 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht vor (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.11.1999 – 1 BvR 1203/99; vom 02.02.1996 – 1 BvR
2211/94).
20 Der Bundesgerichtshof (a.a.O.) hat zur Frage der ordnungsgemäßen Klagerhebung bei fehlenden Angaben zur ladungsfähigen Anschrift der
Klagpartei wegweisend – jedenfalls für den Bereich der Zivilgerichtsbarkeit – Folgendes ausgeführt: „Die Klageschrift ist Anlass und
Voraussetzung für das gerichtliche Verfahren und soll für dieses eine möglichst sichere Grundlage schaffen. Es versteht sich von selbst, dass die
Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Beklagten notwendig ist, da sonst die Zustellung der Klageschrift und damit die Begründung des
Prozessrechtsverhältnisses nicht möglich ist. Ist dem Kläger die Anschrift des Beklagten nicht bekannt, muss er dies zumindest darlegen; nur
dann besteht die Möglichkeit, gegebenenfalls eine öffentliche Zustellung zu erwirken. Was die Anschrift des Klägers betrifft, so ist deren Angabe
im reinen Parteiprozess schon deswegen geboten, weil er sonst nicht zu den Gerichtsterminen geladen werden kann, zu denen er, wie § 330
ZPO zeigt, grundsätzlich erscheinen muss. Aber auch dann, wenn der Kläger – wie im vorliegenden Fall – durch einen Prozessbevollmächtigten
vertreten ist, kann auf die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift nicht verzichtet werden. Da mit dem Betreiben des Prozesses nachteilige
Folgen verbunden sein können, wie insbesondere die Kostenpflicht im Falle des Unterlegens, wird dadurch dokumentiert, dass er sich diesen
möglichen Folgen stellt. Auch muss er bereit sein, persönlich zu Terminen zu erscheinen, falls das Gericht dies anordnet (vgl. etwa §§ 141, 249
Abs. 2, 445 ff. ZPO). Bei der Prüfung der Frage, ob das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden soll, kann es sein Ermessen nur
sachgerecht ausüben, wenn ihm auch der Aufenthalt des Klägers bekannt ist. Kein Kläger hat Anspruch darauf, dass das Gericht in seinem Falle
diese Möglichkeit von vornherein nicht in Betracht zieht. Legte es ein Kläger darauf an, den Prozess aus dem Verborgenen zu führen, um sich
dadurch einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen, müsste ohnehin von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten ausgegangen werden, auf
das nicht anders als mit einer Prozessabweisung zu reagieren ist. Insgesamt folgt aus diesen Überlegungen, dass die Angabe der
ladungsfähigen Anschrift des Klägers zwingendes Erfordernis einer ordnungsgemäßen Klagerhebung ist, und zwar jedenfalls dann, wenn die
Angabe ohne Weiteres möglich ist.
21 Der Senat verkennt nicht, dass einer solchen Angabe im Einzelfall unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten im Wege
stehen können… Denkbar ist auch, dass zusätzliche Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Solchen Schwierigkeiten muss das Verfahren
zu Recht Rechnung tragen. In derartigen Fällen ist aber wenigstens zu fordern, dass dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet
werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Klägers verzichtet werden kann. Wird
diese hingegen schlechthin oder auch ohne ausreichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsgemäße Klagerhebung vor, mit der Folge,
dass das Rechtsschutzgesuch als unzulässig abzuweisen ist, soweit der Mangel nicht noch in den Tatsacheninstanzen geheilt wird (NJW 1988,
2114 f. mit weiteren Nachweisen).“
22 Diesen Erwägungen schließt sich das erkennende Gericht voll und ganz an, so wie dies weitgehend das Bundesverwaltungsgericht a.a.O. getan
hat.
23 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann von einer ordnungsgemäßen Klagerhebung seitens des Klägers nicht ausgegangen werden. Dass
die Klageschrift den Namen eines Klägers und eine Anschrift (..., ..., ...) ausweist, vermag ihn nicht zu retten. Denn es steht fest, dass er unter
seinem nunmehrigen Namen „...“ unter der angegebenen Wohnanschrift nicht geladen werden kann, auch nicht unter seinem alten Namen „...“.
Schließlich kann es keinen Unterschied machen, ob eine Klageschrift überhaupt keine ladungsfähige Anschrift der Klagepartei enthält oder eine
offensichtlich falsche.
24 Der Kläger hat auch keinen anerkennenswerten Grund vorgetragen, welcher die fehlende Angabe einer ladungsfähigen Anschrift
ausnahmsweise entbehrlich erscheinen ließe. Dass er wohnsitzlos wäre, also auf der Straße leben würde, hat er selbst nicht behauptet. Der
Vortrag, er könne aus Furcht vor einer möglichen Verhaftung seinen Aufenthaltsort nicht angeben, vermag des Fehlen der erforderlichen Angabe
nicht zu entschuldigen. Zwar hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 19.10.2000 – Az.: IV R 25/00 – NJW 2001, 1158 f.) für den
Bereich der Finanzgerichtsbarkeit den Rechtssatz aufgestellt, die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift zur Bezeichnung des Klägers sei bei
konkreter Gefahr der Verhaftung nicht erforderlich und dies im Wesentlichen damit begründet, dass sein Recht auf effektiven Rechtsschutz nach
Art. 19 Abs. 4 GG gegenüber einer hoheitlichen Maßnahme nicht davon abhängig gemacht werden könne, dass er sich der Gefahr einer
Verhaftung aufgrund eines internationalen Haftbefehls und einer Auslieferung an einen fremden Staat aussetze, da die insbesondere vom
Bundesgerichtshof ins Feld geführte Kostenproblematik im Bereich der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit nur eine äußerst untergeordnete
Rolle spiele.
25 Der vom Bundesfinanzhof aufgestellte Grundsatz kann indes nach Auffassung des erkennenden Gerichts allenfalls für den Bereich der
Finanzgerichtsbarkeit, in welchem das Unterordnungs- bzw. Überordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat im Vordergrund steht, Geltung
beanspruchen, nicht aber im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit, welche sich vorrangig mit Gleichordnungsverhältnissen zwischen
Privatrechtssubjekten beschäftigt. Im Hinblick auf die Struktur des zivilrechtlichen Parteiprozesses kommt der Erreichbarkeit auch der Klagpartei
eine besondere Bedeutung zu, um dem Gericht gegebenenfalls die Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens zu eröffnen,
nachdem ihm im Zivilprozess – anders als im Verwaltungs- oder Finanzgerichtsverfahren, wo der Amtsermittlungsgrundsatz herrscht – nur sehr
eingeschränkte Mittel zur Wahrheitsfindung zur Verfügung stehen. Auch hat die Gegenpartei im Zivilprozess – anders als der Staat als
Prozessgegner – ein sehr viel höheres schützenswertes Interesse daran, Kenntnis von der richtigen und vollständigen Wohnungsanschrift des
Klägers zu besitzen, wenn es darum geht, gegebenenfalls einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger im Vollstreckungsverfahren
durchzusetzen. Dieses Interesse der Beklagtenseite ist im Arbeitsgerichtsverfahren schon deshalb besonders ausgeprägt, weil hier keine
Kostenvorschusspflicht besteht und jeder Kläger ohne besonderen Kostenaufwand einen arbeitsgerichtlichen Prozess beginnen und damit
Kosten auslösen kann, für die er keine Sicherheit zu Gunsten der Beklagtenseite leisten muss. Dem Sicherungsinteresse der Beklagtenpartei ist
deshalb im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit der Vorrang zu geben vor dem Interesse der klagenden Partei, sich dem Zugriff der
Strafverfolgungsbehörden vor einer eventuellen Verhaftung zu entziehen. Es gibt kein vernünftiges Argument, wonach die Beklagtenpartei darauf
Rücksicht nehmen müsste.
26 Andere beachtliche Sachgründe, weshalb der Kläger eine ladungsfähige Anschrift nicht hätte mitteilen müssen, sind nicht dargelegt. Im Übrigen
kann auf deren Mitteilung im vorliegenden Falle schon deshalb nicht verzichtet werden, weil nach wie vor die Bestimmung der Identität des
Klägers nicht möglich ist. Weder sein richtiger Name noch sein Geburtsdatum, seine Herkunft und seine Nationalität sind verbürgt. Die Tatsache,
dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Austausch von Willenserklärungen mit dem Kläger vermitteln kann, wenn dieser sich
sporadisch bei jenem meldet, vermag den Mangel der fehlenden ladungsfähigen Anschrift nicht auszugleichen. Die Intentionen des Gesetzes
würden dadurch konterkariert werden.
27 Die Klage war deshalb als unzulässig abzuweisen. Sowohl dem Arbeitsgericht als auch dem Berufungsgericht war es verwehrt, eine
Entscheidung in der Sache über die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung zu treffen. Dem Kläger steht es indessen frei, zu
gegebener Zeit – nach Mitteilung seiner ladungsfähigen Wohnanschrift und Vorlage gültiger Personaldokumente – erneut mit seiner
Rechtschutzbitte an das Arbeitsgericht heranzutreten.
28 Nach allem konnte der Berufung des Klägers kein Erfolg beschieden sein.
III.
29 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat diejenige Partei die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, die es
eingelegt hat. Dies ist vorliegend der Kläger.
30 2. Die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht war nach Auffassung des Berufungsgerichts im Hinblick auf den Einzelfallcharakter der
Entscheidung nicht veranlasst.