Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 26.01.2004

LArbG Baden-Württemberg: betriebsrat, mitbestimmungsrecht, freizeit, verein, gleitende arbeitszeit, arbeitsgericht, urlaub, satzung, form, verfügung

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 26.1.2004, 15 TaBV 6/03
Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten, Tendenzschutz
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 03. Juni
2003 – Az.: 5 BV 1/03 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Gründe
A.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Beginns und des Endes der täglichen
Arbeitszeit sowie der Pausen bezüglich von Freizeiten zusteht, an denen behinderte Menschen und Arbeitnehmer der Arbeitgeberin auf
freiwilliger Basis teilnehmen.
2
Der Antragsteller ist der bei dem Verein gebildete Betriebsrat. Der Verein ist im Vereinsregister eingetragen und Mitglied des D.. Er verfolgt
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke. Nach § 2 seiner Satzung besteht sein Zweck in der Förderung aller
Maßnahmen und Einrichtungen, die eine wirksame Lebenshilfe für geistig und körperlich Behinderte aller Altersstufen bedeuten, ohne
Rücksicht auf deren Herkunft, Geschlecht, Rasse und Weltanschauung. Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben erhält der Verein nach § 5
seiner Satzung durch Kostenerstattung zuständiger Behörden und Sozialhilfeträger, öffentliche Zuschüsse, Erträge aus Sammlungen und
Werbeaktionen, Geld und Sachspenden, Mitgliedsbeiträge und sonstige Zuwendungen. Der Verein betreibt unter anderem Tagesstätten,
Werkstätten und Wohnheime für behinderte Menschen und beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiter.
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Daneben werden für die behinderten Menschen verschiedene Freizeiten angeboten, bei denen die Betreuung der behinderten Menschen
durch Mitarbeiter des Vereins gewährleistet wird. Diese Freizeiten dauern zwischen drei und fünfzehn Tagen. Die Freizeiten sind dadurch
gekennzeichnet, dass die behinderten Menschen und die Betreuer gemeinsam in Ferienhäusern, Naturfreundehäusern, Jugendherbergen,
Ferienwohnungen, Zelten oder auch in Pensionen und Hotels untergebracht werden und ihre Freizeit gemeinsam am jeweiligen Urlaubsort
verbringen. In der Regel betreut ein Mitarbeiter 2,5 bis 3,5 behinderte Menschen. Eine vertragliche Pflicht der Arbeitnehmer zur Teilnahme
besteht nicht. Die an den Freizeiten teilnehmenden Betreuer müssen für diesen Zeitraum keinen Urlaub aufwenden, ihre normale Vergütung
wird fortgezahlt, daneben erhalten sie weitere Leistungen. Unter dem 27. Mai 1991 haben die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung
abgeschlossen, in welcher unter 1. "Ferienfreizeiten" geregelt ist:
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Für die Ferienfreizeit Montag bis Freitag folgende Woche = 12 Tage mit einem Wochenende) gilt ab 1991 folgende Regelung:
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– Ein Tag Zeitausgleich + 500,00 DM
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oder wahlweise
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zwei Tage Zeitausgleich plus 400,00 DM.
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– Der Freizeittag wird von Montag bis Freitag mit 8,0 Stunden gerechnet.
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– Bei Freizeiten, die kürzer sind, wird obige Regelung anteilig angewendet.
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Diese Betriebsvereinbarung ist vom Betriebsrat gekündigt worden. Von der Arbeitgeberin wird eine verbesserte Regelung angewandt. In
einer weiteren Betriebsvereinbarung vom 08. Dezember 1999 sind Regelungen über gleitende Arbeitszeit und die elektronische
Zeiterfassung getroffen worden. Darin heißt es unter 2.1 "Sonderregelungen":
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Sonderregelungen für Gleitzeit bestehen für
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– die Gärtnerei,
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– für Freizeitmaßnahmen.
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Der Betriebsrat berühmt sich eines Mitbestimmungsrechts bezüglich des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit einschließlich der
Pausen hinsichtlich der Ferien-, Wochenend- und Kurzfreizeiten. Er hat geltend gemacht, bei der Teilnahme an diesen Freizeiten handele es
sich für die Arbeitnehmer des Vereins nicht um Freizeit im arbeitsrechtlichen Sinne, es erfolge keine Fortzahlung der Bezüge unter
Freistellung der Arbeit. Unerheblich sei, dass während der Freizeiten die sonst von den Arbeitnehmern auszuführenden Arbeiten nicht
ausgeführt werden müssten. Die Betreuung während der Ferienfreizeiten selbst stelle eine Arbeitsleistung dar und damit die Erfüllung der
sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Arbeitspflicht, auch wenn die Teilnahme an der Freizeit freiwillig sei, was er jedoch bestreite. Er hält
die Situation für vergleichbar mit der bei freiwillig erbrachten Überstunden. Er meint, es bestehe ein Regungsbedarf für Schichtpläne, um die
Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen sicherzustellen und die Verantwortlichkeiten der im Dienst befindlichen Arbeitnehmer
zu regeln. Dadurch werde der Charakter als Ferienfreizeit nicht beeinträchtigt. Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nach den
einschlägigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sei nicht gegeben. Die Arbeitgeberin werde in ihrer Freiheit zur
Tendenzbestimmung und -verwirklichung schon deswegen nicht beeinträchtigt, da sie ein Bestimmungsrecht bezüglich des Beginns und
des Endes der täglichen Arbeitszeit sowie der Pausen gar nicht für sich in Anspruch nehme. In der Nichtregelung der Arbeitszeit könne eine
Tendenzbestimmung oder Tendenzverwirklichung nicht gesehen werden.
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Der Betriebsrat beantragt:
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Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich
der Pausen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG während der Freizeiten, die in Form von Ferienfreizeiten, Wochenendfreizeiten und
Kurzfreizeiten vom Antragsgegner durchgeführt werden, hinsichtlich der in diesen Ferienfreizeiten, Wochenendfreizeiten und
Kurzfreizeiten beschäftigten Arbeitnehmern zusteht.
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Der Verein hat geltend gemacht, bei ihm handele es sich um einen Tendenzbetrieb. Seine Zielrichtung sei ausschließlich karitativ. Die
Teilnahme der Arbeitnehmer an den Freizeiten sei kein Dienst und erfolge freiwillig. Für die Dauer der Teilnahme an diesen Freizeiten
würden die Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge von ihrer sonstigen Arbeit freigestellt. Ein besonderes Merkmal der Freizeiten sei,
dass die beteiligten behinderten Menschen und die Betreuer Urlaub gemeinsam erlebten. Dienstpläne könnten sinnvoller Weise für die
Freizeit nicht erstellt werden, weil vor dem Hintergrund der sozialen Ausrichtung dieser Veranstaltungen die Betreuer praktisch immer für die
benötigte Hilfe zur Verfügung stehen müssten. Die Gestaltung des Tagesablaufs werde von Betreuern und Behinderten jeweils selbst vor Ort
und unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten, insbesondere auch des Wetters, festgelegt. Die Aufstellung eines festen
Dienstplanes würde den Charakter als Ferienfreizeit völlig zerstören. Die Ferienfreizeiten würden auf völliger freiwilliger Basis veranstaltet.
Es seien auch keine Mittel für eine 24-Stunden-Betreuung vorhanden. Der karitative Zweck der Freizeiten würde aufgrund eines
Mitbestimmungsrechts vereitelt. Er meint darüber hinaus, die Betreuer und die behinderten Menschen lebten für die Dauer der Freizeit in
einer häuslichen Gemeinschaft, so dass das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung finde.
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats durch seinen Beschluss vom 03. Juni 2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, dem Betriebsrat stehe das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht wegen der Eigenart des Unternehmens
nicht zu. Der Verein diene unmittelbar und überwiegend mit seinen Einrichtungen karitativen Bestimmungen; er habe nicht durch den
Abschluss der Betriebsvereinbarung vom Mai 1991 auf seinen Tendenzschutz verzichtet. Bei den Arbeitnehmern, die an den Freizeiten
teilnähmen, handele es sich um Tendenzträger. Die Entscheidung, ob überhaupt Freizeiten durchgeführt würden, stelle eine
Tendenzmaßnahme dar. Die Tendenzverwirklichung würde durch die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts ernstlich beeinträchtigt.
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Gegen diese am 02. September 2003 zugestellte Entscheidung wendet sich der Betriebsrat mit seiner am 26. September 2003 eingereichten
Beschwerde, die er vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Beschwerdebegründung ausgeführt hat.
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Der Betriebsrat macht geltend, bei den Freizeiten handle es sich nicht um gemeinsam verbrachte Urlaube von Betreuern und Betreuten. Die
Betreuer machten keinen Urlaub. Die Besonderheit der Freizeit liege einzig und allein darin, dass die Betreuung außerhalb des Heimes bzw.
der Werkstätten erfolge. Der Verein sei nach dem Heimvertrag verpflichtet, mindestens einmal pro Jahr eine Freizeit anzubieten. Die
Freizeiten könnten ohne weiteres bei geregelten Arbeitszeiten der Betreuer durchgeführt werden; auf die Arbeitsverhältnisse der
Beschäftigten fänden der BAT in seiner jeweiligen Fassung Anwendung. Dieser Tarifvertrag stehe der praktizierten Handhabung entgegen.
Der Betriebsrat meint, das Mitbestimmungsrecht entfalle nicht deshalb, weil der Verein den Beschäftigten es überlasse, vor Ort über die
Gestaltung des Tagesablaufes zu entscheiden. Durch die Bestimmung der Anzahl der Betreuer schaffe der Verein faktisch die Verhältnisse
in einer Art und Weise, die es den Betreuern nicht ermögliche, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit vor Ort eigenständig festzulegen. Eine
zeitliche Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen sei während der Freizeit durchaus kollektivrechtlich
möglich. Wanderungen, Gaststättenbesuche und sonstige Aktivitäten könnten auch innerhalb der geregelten Arbeitszeit durchgeführt
werden. Die Bestimmung der Anzahl der Betreuer unterliege nicht dem Tendenzschutz. Durch das beanspruchte Mitbestimmungsrecht
werde nicht in die Zielsetzung der Freizeitveranstaltung eingegriffen. Die Betreuung von behinderten Menschen außerhalb des Heimes sei
für die Betreuer Arbeit, vergleichbar mit der Tätigkeit des Fahrers eines Reisebusses.
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Der Betriebsrat beantragt:
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In Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Ulm vom 03.06.2003 wird festgestellt, dass dem Antragsteller ein
Mitbestimmungsrecht bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
während der Freizeiten, die in Form von Ferienfreizeiten, Wochenendfreizeiten und Kurzfreizeiten vom Antragsgegner durchgeführt
werden, hinsichtlich der in diesen Ferienfreizeiten, Wochenendfreizeiten und Kurzfreizeiten beschäftigten Arbeitnehmern zusteht.
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hilfsweise:
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Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich
der Pausen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG während der Freizeiten, die in Form von Ferienfreizeiten, Wochenendfreizeiten und
Kurzfreizeiten vom Antragsgegner durchgeführt werden, hinsichtlich der in diesen Ferienfreizeiten, Wochenendfreizeiten und
Kurzfreizeiten beschäftigten Arbeitnehmern zusteht im Rahmen der Arbeitgebervorgabe einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch die
selben Betreuer im Rahmen des gemeinsamen Freizeiterlebnisses.
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Der Verein verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht geltend, aus dem Heimvertrag ergebe sich keine Verpflichtung, Freizeiten
durchzuführen; eine solche Leistung sei nicht zugesagt. An den Freizeiten könnten die Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis unter Fortzahlung
ihrer Bezüge teilnehmen unter der Voraussetzung, dass sie die Konzeption des Vereins mit diesen Freizeiten verwirklichten, nämlich dass
sie ständig für die Behinderten zur Verfügung stünden. Die Durchführung der Freizeiten nach der Vorstellung des Betriebsrats im Rahmen
geregelter Arbeitszeiten der Betreuer entspreche nicht der Konzeption.
B.
I.
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Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den seinen erstinstanzlich gestellten Antrag zurückweisenden Beschluss ist statthaft (§ 87 Abs. 1
ArbGG). Sie ist rechtzeitig und formgerecht eingelegt und vor Ablauf der auf den rechtzeitigen Antrag hin verlängerten Frist zur Begründung
ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die Beschwerde ist somit gemäß §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG zulässig. Sie kann
jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.
II.
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Die formellen Voraussetzungen der Statthaftigkeit eines Beschlussverfahrens, der Zulässigkeit sowie der Bestimmtheit des Antrags sind
erfüllt.
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1. Hinsichtlich der Statthaftigkeit des vom Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahrens bestehen keine Bedenken (§ 2 a Abs. 2 i.V.m. § 2
a Abs. 1 Nr. 1, § 80 ArbGG). Die Beteiligten streiten um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, nämlich darum, ob
dem Betriebsrat auch bei Freizeitmaßnahmen, wie sie von der Arbeitgeberin für die von ihr betreuten Personen im Rahmen ihrer
Zwecksetzung nach § 2 der Satzung durchgeführt werden, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG im Bezug auf die an
den Freizeitmaßnahmen als Betreuer teilnehmenden Arbeitnehmer zusteht.
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2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats ist ebenso zu bejahen wie die Zulässigkeit seines Antrags, wie das Arbeitsgericht zutreffend
angenommen hat. Streiten die Betriebsparteien über Bestand, Inhalt und Umfang eines Mitbestimmungsrechts, so kann dieser Streit im
Wege eines allgemeinen Feststellungsverfahrens geklärt werden (vgl. BAG, Beschluss vom 18. April 2000 – 1 ABR 22/99, AP Nr. 33 zu
§ 87 BetrVG 1972 Überwachung m.w.N.). Das für ein solches Verfahren gemäß dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren
geltenden § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse daran, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses
durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde, ist gegeben, denn die Betriebsparteien streiten um den Umfang des in
§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geregelten Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats. Dieses wird vom Betriebsrat auch für Freizeiten der
fraglichen Art in Anspruch genommen, während die Arbeitgeberin sich weigert, eine Zuständigkeit des Betriebsrats für
Freizeitmaßnahmen insbesondere für die Aufstellung für Dienstpläne anzuerkennen, wie sie in ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom
29. Oktober 2002 ausgeführt hat.
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3. Der Antrag ist auch, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Betriebsrat
will festgestellt wissen, dass ihm bezüglich des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit sowie der Pausen auch dann ein
Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn die von ihm vertretenen Arbeitnehmer an Freizeiten teilnehmen, wie sie von der Arbeitgeberin
durchgeführt werden.
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Bei dem im zweiten Rechtszug neben dem ursprünglichen Antrag zur Entscheidung gestellten Hilfsantrag handelt es sich der Sache
nach um eine Einschränkung, denn der Betriebsrat will sein Mitbestimmungsrecht unter Berücksichtigung der von der Arbeitgeberin
geltend gemachten Zielsetzung der Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch die selben Betreuer im Rahmen des gemeinsamen
Freizeiterlebnisses festgestellt wissen.
III.
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Darauf, dass während einer Freizeitmaßnahme vorliegender Art, wie der Betriebsrat unter Verweis auf den von ihm vorgelegten Dienstplan
einer entsprechenden Freizeit eines anderen örtlichen Vereins der Lebenshilfe geltend macht, der Beginn und das Ende der Arbeitszeit des
jeweiligen Arbeitnehmers geregelt werden könne, kommt es nicht an. Für Tendenzunternehmen und Tendenzmaßnahmen gilt nicht die
gleiche Betriebsverfassung wie für sonstige Unternehmen. Darauf, dass insbesondere der Betriebsrat bei Fragen der Arbeitszeitregelung
mitbestimmen könnte, kommt es nicht an, denn das Gesetz schließt in dem vorgegebenen Rahmen die Mitbestimmung aus. Dass ein
Arbeitgeber auf den durch § 118 Abs. 1 BetrVG geschaffenen Tendenzschutz verzichten kann (vgl. BAG, Beschluss vom 31. Januar 1995 – 1
ABR 35/94, AP Nr. 56 zu § 118 BetrVG 1972 – abweichende Regelung durch einen Verbandstarifvertrag; Beschluss vom 5. Oktober 2000 –
1 ABR 14/00, AP Nr. 69 zu § 118 BetrVG 1972 – Regelung durch Haustarifvertrag; Richardi/Thüssing, BetrVG, 8. Aufl., § 118 Rn. 23) ist zu
unterscheiden davon, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu Recht geltend machen kann. Zweck des gesetzlichen
Tendenzschutzes ist es, dem Arbeitgeber die Verwirklichung seiner Ziele nach eigenen Vorstellungen ohne eine Beschränkung durch
Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu ermöglichen. Daraus folgt die Freiheit des Arbeitgebers, dem Betriebsrat insbesondere auch
Mitbestimmungsrechte in tendenzrelevanten Fragen einzuräumen (vgl. BAG, Beschluss vom 5. Oktober 2000, a.a.O.). Somit kann der
Betriebsrat für das von ihm in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht nichts daraus herleiten, dass ein anderer örtlicher Verein der
Lebenshilfe mit dem dort gebildeten Betriebsrat einen Dienstplan für eine zehntägige Freizeit aufgestellt hat.
IV.
33
Das Arbeitsgericht hat mit von der Beschwerdekammer geteilten Erwägungen das vom Betriebsrat in Anspruch genommene
Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Betreuer, die an Freizeitmaßnahmen für die von der Arbeitgeberin betreuten Personen teilnehmen,
zu Recht verneint. Die von der Beschwerde dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
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1. Der Betriebsrat wendet sich nicht gegen die Annahme, die Arbeitgeberin diene i.S. des § 118 Abs.1 Nr. 1 BetrVG unmittelbar und
überwiegend karitativen Bestimmungen. Dies ist vom Arbeitsgericht zutreffend unter Auswertung der Satzung und der Betätigung der
Arbeitgeberin festgestellt worden. Den diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss schließt sich die
Beschwerdekammer an.
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2. Für die unter den Betriebsparteien streitige, vorliegend zu klärende Frage kommt es nicht darauf an, dass in der vom Betriebsrat
gekündigten Betriebsvereinbarung vom 27. Mai 1991 Gegenleistungen für die an Freizeitmaßnahmen teilnehmenden Arbeitnehmer der
Arbeitgeberin in Form von zusätzlichen Geldleistungen, der Gewährung eines Zeitausgleichs, der Anrechnung einer bestimmten
Stundenzahl für die auf die Wochentage Montag bis Freitag fallenden Freizeittage sowie für die in die Freizeit fallenden Feiertage
vorgesehen waren. Wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, regelt die gekündigte Betriebsvereinbarung allein
Ausgleichsleistungen in zeitlicher sowie finanzieller Hinsicht für die an den Freizeitmaßnahmen teilnehmenden Arbeitnehmer der
Arbeitgeberin und umfasst weder un- noch mittelbar das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht. Ob die
Arbeitgeberin die von ihr als verbesserte Regelungen bezeichneten Vergünstigungen für die an Freizeitmaßnahmen teilnehmenden
Arbeitnehmer einseitig aufstellen konnte, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens.
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3. Zu Recht berühmt sich der Betriebsrat keines Mitbestimmungsrechts bei der Grundentscheidung, ob die Arbeitgeberin für die von ihr
betreuten hilfsbedürftigen Personen Freizeitmaßnahmen, die außerhalb des Betriebes in Ferienhäusern, Naturfreundehäusern,
Jugendherbergen, Ferienwohnungen, Zelten sowie in Pensionen und Hotels durchgeführt werden, veranstaltet. Zu solchen
Maßnahmen ist die Arbeitgeberin entgegen der Annahme des Betriebsrats nicht auf Grund des Inhalts der mit den von ihr im Wohnheim
aufgenommenen Personen abgeschlossenen Heimverträgen verpflichtet. In dem vom Betriebsrat mit der Beschwerdebegründung zur
Gerichtsakte gereichten Exemplar eines Heimvertrages findet sich keine Bestimmung zu Freizeiten. Im Heimvertrag wird zwar auf die
Heimordnung verwiesen, zu deren Einhaltung sich die in dem Wohnheim aufgenommenen Personen verpflichten, Darin ist unter Ziffer
14 jedoch nur bestimmt, jede Gruppe fahre einmal pro Jahr in Urlaub (Freizeit), woran jede/r Bewohner/in teilnehmen soll. Daraus kann
jedoch weder geschlossen werden, dass der/die jeweilige Bewohner/in zur Teilnahme verpflichtet ist, noch dass sich die Arbeitgeberin
zur Durchführung von Freizeiten vertraglich verpflichtet hat. Ebenso unterliegt der unternehmerischen Entscheidung, wie viele
behinderte Menschen jeweils von einem an der Freizeit teilnehmenden Mitarbeiter betreut werden.
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4. Im Hinblick auf Tendenzunternehmen und Tendenzträger, das sind nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung solche
Personen, die die Möglichkeit einer inhaltlich prägenden Einflussnahme auf die Tendenzverwirklichung haben (vgl. BAG, Beschluss
vom 18. April 1989 – 1 ABR 2/88, BAGE 61, 305 = AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Beschluss vom 13. Juni 1989 – 1 ABR
15/88, AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit), kommt eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats in sozialen
Angelegenheiten nur in Ausnahmefällen in Betracht, da es dabei meist um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht (vgl.
BAG, Beschluss vom 13. Juni 1989, a.a.O.; Beschluss vom 6. November 1990 – 1 ABR 88/89, BAGE 66, 202 = AP Nr. 4 zu § 3 AZO Kr).
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a) Ob die von der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer, soweit sie in den betrieblichen Einrichtungen wie Wohnheimen,
Werkstätten udgl. ihren regelmäßigen Dienst verrichten, Tendenzträger sind, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls bei den
Freizeiten haben sie einen entsprechenden Gestaltungsspielraum, denn nach dem unbestrittenen Vorbringen unterscheidet sich
der Ablauf von Freizeiten von der regelmäßigen Dienstleistung dadurch, dass die Gestaltung des Tagesablaufs von den betreuten
Personen und ihren Betreuern jeweils vor Ort und unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten, insbesondere auch des
Wetters, festgelegt wird. Zutreffend verweist die Arbeitgeberin darauf, die Aufstellung eines festen Dienstplanes für die Betreuer
würde den Charakter als Ferienfreizeit zerstören. Soweit der Betriebsrat meint, Wanderungen, Gaststättenbesuche und sonstige
Aktivitäten könnten auch innerhalb einer geregelten Arbeitszeit durchgeführt werden, verkennt er zum einen, dass es sich bei den
von den Betreuern anlässlich der Freizeiten erbrachten Leistungen nicht um die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete
Arbeitsleistung handelt, und dass sich zum anderen die auf den Freizeiten durchgeführten Aktivitäten hinsichtlich ihres zeitlichen
Ablaufes nicht wie eine betriebliche Arbeit planen lassen.
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Soweit der Betriebsrat die Auffassung vertritt, die Betreuung während der Freizeiten erfolge in Erfüllung der sich aus § 611 BGB
ergebenden Arbeitspflicht, auch wenn die Teilnahme an den Freizeiten freiwillig sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wenn auch die
Betreuer auf den Freizeiten teilweise ähnliche Leistungen wie im betrieblichen Bereich erbringen mögen, ist das Spektrum der
Tätigkeiten für alle Betreuer unabhängig davon, in welchem betrieblichen Bereich die Betreuer ihre vertragliche Arbeitsleistung
ansonsten erbringen, auf Freizeiten erheblich weiter. Wie der Betriebsrat selbst ausführt, kommen zur unmittelbaren Betreuung
Reinigungsarbeiten in WC, Bädern, Küche und Wohnbereich sowie das Bettenmachen, Schmutz- und Kotwäsche sowie
organisatorische Arbeiten und Absprachen mit Hauswirten und mehr hinzu. Während der Freizeiten verbringen die daran auf
freiwilliger Basis als Betreuer teilnehmenden Arbeitnehmer zweifellos keinen eigenen Urlaub, sondern ermöglichen einen solchen
den betreuten Personen mit der damit einhergehenden Folge, dass Angehörige dieser betreuten Personen selbst ihren Urlaub
gestalten können. Die Mitarbeiter sind, wenn sie sich zur Teilnahme an Freizeiten freiwillig bereiterklärt haben, von ihrer nach dem
Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitspflicht freigestellt. Ein Vergleich der freiwilligen Teilnahme an Freizeiten mit freiwillig erbrachten
Überstunden ist verfehlt.
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b) Bei der Teilnahme von Mitarbeitern an Freizeiten in der Funktion als Betreuer geht es nicht wie bei der Erbringung der vertraglich
geschuldeten Arbeitsleistung in den Bereichen, in denen die Arbeitnehmer ansonsten tätig sind und wo durch eine
Betriebsvereinbarung vom 8. Dezember 1995 Grundsätze der gleitenden Arbeitszeit gelten, um den wertneutralen Arbeitsablauf
des Betriebes, der sich sonst in den Wohnheimen und Werkstätten abspielt. Vielmehr verbringen die Betreuer und die von ihnen
betreuten Personen die Freizeiten in von der Arbeitgeberin im Zusammenhang mit der Frage, ob arbeitszeitrechtliche Grenzen zu
wahren sind, angeführten quasi häuslichen Gemeinschaften, in welchen weniger für die Betreuer jedoch für die betreuten
Menschen ein Urlaubserlebnis ermöglicht werden soll.
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5. Schließlich handelt es sich bei den Freizeiten auch um tendenzbezogene Maßnahmen, wie das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung
der Satzungsbestimmung unter § 2 Ziffer 1 der Satzung vom 2. Oktober 2000 ausgeführt hat. Auch insoweit schließt sich die
Beschwerdekammer den Ausführungen im angefochtenen Beschluss an. Darauf, dass die Freizeiten, wie der Betriebsrat geltend macht,
auch ohne weiteres bei geregelten Arbeitszeiten der Betreuer durchgeführt werden könnten, kommt es schon deswegen nicht an, weil
dies eine andere Art als die von der Arbeitgeberin intendierten Art der Durchführung der Freizeiten voraussetzen würde.
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6. Der vom Betriebsrat im Beschwerderechtszug zur Entscheidung gestellte Hilfsantrag, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Damit will der
Betriebsrat offensichtlich der von der Arbeitgeberin gewählten und von ihr angeführten Konzeption einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung
durch die selben Betreuer im Rahmen des gemeinsamen Freizeiterlebnisses Rechnung tragen. Durch die Aufnahme dieser Konzeption
in den im Übrigen wörtlich mit dem Hauptantrag übereinstimmenden Hilfsantrag verändert sich das Begehren des Betriebsrats in der
Sache nicht, denn es geht um die nämlichen Freizeitveranstaltungen.
V.
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1. Da die Beschwerde des Betriebsrats keinen Erfolg haben konnte, weil ihm das von ihm beanspruchte Mitbestimmungsrecht nicht
zusteht, wie das Arbeitsgericht ausführlich und zutreffend ausgeführt hat, war sie zurückzuweisen.
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2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
45
Dr. Braasch
46
Nordmann
47
Thierer