Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 05.04.2004

LArbG Baden-Württemberg: betriebsrat, fristlose kündigung, arbeitsgericht, unterrichtung, anhörung, abmahnung, wichtiger grund, interessenabwägung, beleidigung, zugang

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 5.4.2004, 15 Sa 101/03
Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 bzw. § 103 BetrVG; Beleidigungen als Kündigungsgrund
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Mai 2003 - Az.: 4 Ca 11952/01 -teilweise abgeändert:
Das Versäumnisurteil vom 16. Mai 2002 wird insoweit aufrechterhalten, als festgestellt worden ist, das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. November 2001 aufgelöst worden.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten beider Rechtszüge trägt die Beklagte 4/5 und der Kläger 1/5. Die durch die Säumnis der Beklagten im ersten Rechtszug
entstandenen Kosten trägt diese allein.
4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 30. November 2001 erklärten außerordentlichen
Kündigung.
2
Der am ....1942 geborene Kläger ist verheiratet und drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Das jüngste Kind ist schwerbehindert. Er ist mit
Wirkung vom 05. Juli 1990 als Flugzeugreiniger in die Dienste der Beklagten getreten und erzielt einen durchschnittlichen Monatsverdienst in
Höhe von 1.789,52 EUR. Bei der Beklagten ist im Jahre 2001 ein aus fünf Personen bestehender Betriebsrat gebildet worden. Der Kläger hat als
Ersatzmitglied des Betriebsrats an Betriebsratssitzungen teilgenommen. Zwischen ihm und dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden, welcher
vom Kläger bei seiner Wahl unterstützt worden ist, kam es im Laufe der Zeit zu Spannungen. Auf Grund einer Ausschreibung fasste die Beklagte
den Entschluss, einen Herrn D., der vom Betriebsrat zum Vorsitzenden gewählt worden war, zum Einsatzleiter mit Wirkung zum 01. Oktober 2001
zu befördern. Der Kläger verfasste ein dagegen gerichtetes, von einer Vielzahl von Arbeitnehmern unterzeichnetes Schreiben (ABl. 20). Aus
diesem Grund ist der Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 (ABl. 19) abgemahnt worden. Am 27. November 2001 kam es, als der neue
Einsatzleiter auf Weisung der Geschäftsführung der Beklagten dabei war, mit einer sog. Blockmaschine die Halle zu reinigen, was zumindest
teilweise mit der Ableistung von Überstunden verbunden war, zu einem Streit mit dem Kläger. Der mit der Reinigung beauftragte Mitarbeiter
fertigte am 27. November 2001 (ABl. 76) eine Notiz über den Vorfall. Eine weitere Notiz (ABl. 77) wurde gefertigt über einen weiteren Vorfall vom
29. November 2001, der im Zusammenhang damit stand, dass sich ein Herr W. geweigert haben soll, mit dem Kläger Karten zu spielen.
3
Mit ihrem Schreiben vom 29. November 2001 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung aus
„personalbedingten“ Gründen an und nannte als Kündigungstermin den 03.12.2001. Als Gründe wurden die wiederholte Störung des
Betriebsfriedens und die wiederholte Beleidigung des Betriebsratsvorsitzenden angeführt. Der Betriebsrat bestätigte das Schreiben am 29.
November 2001 erhalten zu haben und stimmte unter demselben Datum der Kündigung zu. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag (BBl.
41) lud der Betriebsratsvorsitzende zu einer außerordentlichen Betriebsratssitzung auf Freitag, den 30. November 2001 ein. Als
Tagesordnungspunkt war darin enthalten: Verhalten von Herrn T. und seine Abwahl aus dem Betriebsrat wegen Vertrauensbruch. Die Beklagte
hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. November 2001 fristlos gekündigt. Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 18. Dezember
2001 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage gewandt.
4
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe weder am 27. noch am 29. November 2001 Herrn D. bzw. Herrn W. beleidigt oder beschimpft. Er habe
am 27. November auf Englisch zu dem Mitarbeiter D. gesagt, „du hast uns betrogen“ im Hinblick auf sein Verhalten vor bzw. nach der
Betriebsratswahl. Er habe sich mit diesem über die schlechte Arbeit als Betriebsratsvorsitzender unterhalten. Er, der Kläger, habe sich für die
Einführung eines Betriebsrats stark gemacht und sich insbesondere für Herrn D. eingesetzt, damit dieser zum Betriebsrat gewählt werde. Nach
der Wahl habe sich gezeigt, dass Herr D. seine Einstellung grundlegend geändert habe und als verlängerter Arm der Unternehmensleitung und
nicht als Arbeitnehmervertreter aufgetreten sei. Er, der Kläger, vermute, als Abschreckungsopfer einer auch zwischen der Beklagten und der I.
geführten Auseinandersetzung um exorbitant zuviel geleistete Überstunden von bis zu 100 Überstunden pro Monat zu sein und für seinen
Einsatz bei der Installierung eines Betriebsrats abgestraft zu werden. Er habe am 29. November den Mitarbeiter W. nicht beleidigt; er habe nur
die Frage gestellt, ob dieser Karten spielen wolle bzw. nicht mit ihm spielen wolle. Im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat sei der Vorfall mit
dem Mitarbeiter W. nicht aufgeführt worden.
5
Der Kläger hat in der Sitzung vom 16. Mai 2002 die Anträge gestellt:
6
1. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 30. 11. 2001 nicht aufgelöst worden ist.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis auszustellen.
8
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 16. 10. 2001 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
9
Er hat um den Erlass eines entsprechenden Versäumnisurteils angetragen.
10 Gegen die nicht erschienene Beklagte ist antragsgemäß ein Versäumnisurteil ergangen, gegen welches die Beklagte fristgerecht Einspruch
eingelegt hat.
11 Die Beklagte hat im Wesentlichen ausgeführt, vor seiner Beförderung zum Supervisor sei Herr D. Vorarbeiter gewesen und habe in dieser
Funktion den Kläger mehrfach wegen schlechter Arbeit kritisieren müssen. Der Kläger habe mehrfach Gegenstände in den Sitztaschen der
Flugzeuge nicht kontrolliert. Weil der Kläger sich offenbar durch diese Kritik persönlich angegriffen gefühlt habe, habe er begonnen, gegen Herrn
D. zu hetzen und andere Mitarbeiter gegen ihn aufzuwiegeln. Der Kläger habe bereits zwei Tage vor dem 27. November 2001 gegenüber Herrn
D. bemerkt: „Du Zigeuner suchst nur nach Stunden, um Geld zu kriegen.“ Am 27. November 2001 habe er auf Englisch den Mitarbeiter D. mit den
Worten beleidigt, wie sie in dessen Niederschrift festgehalten worden seien. Anschließend habe der Kläger die Äußerungen für die umstehenden
Arbeitnehmer, die nicht der englischen Sprache mächtig seien, ins Deutsche übersetzt und hinzugefügt, er habe es Herrn D. richtig gegeben. Am
29. November habe er Herrn W. mit den Bemerkungen beleidigt, die wiederum in der Aktennotiz festgehalten worden seien. Der Betriebsrat sei
am 29. November 2001 schriftlich und betreffend den Vorfall W. ergänzend mündlich durch den Personalleiter informiert worden.
12 Das Arbeitsgericht hat das wegen Nichterscheinens der Beklagten erlassene Versäumnisurteil nach der Vernehmung mehrerer Zeugen durch
sein Urteil vom 15. Mai 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angenommen, die Kündigung vom 30. November
2001 sei wirksam. Der Betriebsrat sei durch die Übergabe des Schreibens vom 29. November 2001 ordnungsgemäß angehört worden. Für den
Einwand des Klägers, vor seiner Kündigung habe möglicherweise gar keine Betriebsratsbeteiligung stattgefunden, gebe es nach der
Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte. Der Vorfall vom 29. November 2001 sei beim Kündigungsgrund nicht zu berücksichtigen; die Zeugen
hätten dazu nichts ausgesagt. Die erforderliche Zustimmung habe der Betriebsrat erteilt. Eventuelle Verfahrensfehler des Betriebsrats seien ohne
Einfluss. Der wichtige Grund liege in den groben Beleidigungen. Die Interessenabwägung schlage zu Ungunsten des Klägers aus. Es habe sich
nicht um eine einmalige Entgleisung gehandelt. Da das Arbeitsverhältnis beendet sei, bestehe kein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis. Die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe auch einem Abmahnungsentfernungsanspruch entgegen.
13 Gegen diese am 18. August 2003 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 17. September 2003 als Fax und am Folgetag
im Original eingegangenen Berufung. Er hat sein Rechtsmittel, nachdem die Begründungsfrist auf seinen Antrag vom 20. Oktober 2003 durch
Verfügung vom 21. Oktober 2003 verlängert worden war, mit Ablauf der verlängerten Frist ausgeführt. Der Kläger macht geltend, die
Unterschriftenaktion im Oktober 2001 komme als Kündigungsgrund nicht in Betracht; er sei deswegen mit Schreiben vom 16. Oktober 2001
abgemahnt worden. Die weiteren für die Kündigung angegebenen Gründe, Beleidigungen der Mitarbeiter D. und W. am 27. und 29. November
2001, könnten eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Das Arbeitsgericht habe eine falsche Beweiswürdigung vorgenommen. Das
Arbeitsgericht habe sich allein auf die Aussage des Mitarbeiters D. gestützt, während die anderen Zeugen die Beleidigungen nicht bestätigt
hätten. Im Gegenteil habe der Mitarbeiter R. seinen Vortrag bestätigt; darauf sei das Arbeitsgericht nicht eingegangen. Die Zeugenaussagen der
Mitarbeiter D. und R. stimmten darin überein, dass eine Krankmeldung Gegenstand eines Streitgespräches gewesen sei und er, der Kläger, Kritik
an der Ausführung des Amtes des Betriebsratsvorsitzenden geübt habe. Die Zeugen D. und S. seien nicht glaubwürdig; bei beiden sei ein
Belastungseifer erkennbar. Außerdem habe das Arbeitsgericht weitere Zeugen hören müssen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht
angenommen, das Anhörungsschreiben sei von dem Personalleiter dem Betriebsrat übergeben worden. Er macht geltend, im
Anhörungsschreiben sei eine fristlose Kündigung zum 03. Dezember 2001 angeführt worden. Die Kündigung sei aber bereits am 30. November
2001 ausgesprochen worden. Somit stimme der genannte Endtermin in dem Anhörungsschreiben nicht mit dem tatsächlichen Kündigungstermin
überein. Außerdem habe der Mitarbeiter D. in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender und zugleich angeblich Angegriffener nicht an der
Abstimmung des Betriebsrates teilnehmen dürfen. Auch beinhalte das Anhörungsschreiben keine Mitteilungen zur Unzumutbarkeit der
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und zur Abwägung der widerstreitenden Interessen. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die
Zustimmung des Betriebsrates vor Kündigungsausspruch bei ihr eingegangen sei. In der Anlage zur Anhörung des Betriebsrates sei als Zugang
der 29. November 2001, 17:00 Uhr, genannt. Das Datum der Zustimmung sei ebenfalls der 29. November 2001. Folglich habe eine
Betriebsratssitzung am 29. November 2001 nach 17:00 Uhr erfolgt sein müssen. Dies erscheine auf Grund des zeitlichen Ablaufs
unwahrscheinlich. Außerdem habe der Betriebsratsvorsitzende an diesem Tage zu einer außerordentlichen Betriebsratssitzung am 30.
November 2001 eingeladen. Er meint, die Beklagte habe die Fiktionsfrist von drei Tagen einhalten müssen. Außerdem setze die Zustimmung des
Betriebsrats einen wirksamen Betriebsratsbeschluss voraus. Er habe vor Ausspruch der Kündigung angehört werden müssen. Auch wenn die
behaupteten Beleidigungen erfolgt sein sollten, könnten diese die Kündigung nicht rechtfertigen. Die Beleidigungen seien im Zusammenhang
mit der Betriebsratstätigkeit der beiden beteiligten Personen zu sehen. Es sei nicht das Arbeitsfeld als solches betroffen. Auch sei zu
berücksichtigen, dass das ihm vorgeworfene Verhalten bei anderen Arbeitnehmern keinen Grund zu einer außerordentlichen Kündigung
gebildet habe. Vorliegend habe eine Abmahnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen.
14 Der Kläger beantragt,
15
unter Abänderung des am 15. Mai 2003 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart Az.: 4 Ca 11952/01 – das Versäumnisurteil vom 16.
Mai 2003 aufrecht zu erhalten.
16 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend. Sie macht geltend, die Zeugen D. und A. hätten ihre Behauptungen
bestätigt. Der vom Kläger angeführte Zeuge R. habe nach seiner eigenen Aussage nicht die gesamte Auseinandersetzung mitverfolgt.
Hinsichtlich der Anhörung des Betriebsrats führt die Beklagte aus, der Personalleiter S. sei mit dem fertig gestellten Anhörungsschreiben in das
Betriebsratszimmer gegangen und habe es dort dem Betriebsratsvorsitzenden übergeben. Ein weiteres Betriebsratsmitglied sei anwesend
gewesen. Der Personalleiter habe beide noch über die Beleidigungen des Klägers gegenüber dem Mitarbeiter W. unterrichtet. Durch die
ausdrückliche Verwendung des Begriffes „fristlos“ sei klargestellt worden, welche Art der Kündigung habe ausgesprochen werden sollen. Das
Datum 03. Dezember 2001 sei nur aufgenommen worden, weil man davon ausgegangen sei, der Betriebsrat werde eine dreitägige
Überlegungsfrist ausschöpfen. Unverständlich sei die Feststellung im Urteil, die Zeugen hätten zu der ergänzenden mündlichen
Betriebsratsinformation bezüglich des Vorfalls vom 29. November 2001 nichts gesagt. Unzutreffend sei die Auffassung des Klägers, der
Betriebsratsvorsitzende sei wegen einer eigenen Betroffenheit von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen gewesen. Das
Antwortschreiben des Betriebsrates sei durch den Vorsitzenden am 29. November 2001 um 18:30 Uhr zurückgegeben worden. Anhaltspunkte für
Verfahrensfehler des Betriebsrats bei der Beschlussfassung hätten nicht bestanden. Die Auffassung des Klägers, die Beleidigungen hätten im
Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit gestanden, seien unzutreffend und auch irrelevant. Schwere Beleidigungen gehörten nicht zur
Tätigkeit eines Betriebsrats. Der von dem Arbeitsgericht vernommene Zeuge D. habe darauf hingewiesen, er sei durch die Beleidigungen sowohl
als Privatperson als auch in seiner Funktion als Vorgesetzter betroffen gewesen. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Auf einen
vergleichbaren Fall könne der Kläger sich nicht stützen, weil der Arbeitnehmer Z. sich keiner schweren Verfehlungen gegenüber anderen
Mitarbeitern schuldig gemacht habe. Gegen die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts sei nichts einzuwenden.
17 Die erkennende Berufungskammer hat durch Vernehmung der Zeugen D., W. und S. in der Sitzung vom 22. Dezember 2003 und des Zeugen S.
in der Sitzung vom 08. März 2004 Beweis erhoben. Hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahmen wird auf die entsprechenden
Sitzungsprotokolle Bezug genommen (BBl. 67-73 und 99-102).
Entscheidungsgründe
I.
18 Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 ArbGG statthaft. Durch das am 15. Mai 2003 verkündete Urteil ist das in der Sitzung
vom 16. Mai 2002 erwirkte Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen worden, mit welcher der Kläger sich insbesondere gegen
die außerordentliche Kündigung des im Jahre 1990 begründeten Arbeitsverhältnisses gewandt hat. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht
eingelegt und bezüglich des Streitgegenstandes der außerordentlichen Kündigung rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden,
nachdem auf den rechtzeitigen Antrag hin, die Frist zur Berufungsbegründung um zwei Tage verlängert worden ist. Die
Berufungsbegründungsfrist endete gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des 20. Oktober 2003, weil der letzte Tag der mit
der Zustellung des Urteils beginnenden zweimonatigen Frist auf Sonnabend, d. 18. Oktober 2003 fiel. Der Verlängerungsantrag ist am 20.
Oktober 2003 beim Berufungsgericht eingegangen. Mit seinem Berufungsantrag, der das Datum des Versäumnisurteils unzutreffend mit
„16.05.2003“ angibt – offensichtlich ist der 16. Mai 2002 gemeint –, begehrt der Kläger die Abänderung des angefochtenen Urteils vom 15. Mai
2003 und die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils. Mit diesem ist jedoch nicht nur eine Entscheidung zum Streitgegenstand der
außerordentlichen Kündigung sondern zu zwei weiteren Streitgegenständen ergangen. Zum einen ist die Beklagte zur Erteilung eines
qualifizierten Arbeitszeugnisses und zum anderen zur Entfernung der Kopie des Abmahnungsschreibens vom 16. Oktober 2001 aus der
Personalakte verurteilt worden. Durch das angegriffene Urteil ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Die Berufung setzt sich jedoch nur mit
dem Streitgegenstand der außerordentlichen Kündigung gemäß § 522 Abs. 3 ZPO auseinander, so dass sie bezüglich der beiden weiteren
Streitgegenstände unzulässig ist. Dementsprechend war insoweit die Berufung (als unzulässig) zurückzuweisen, während sie im Übrigen
zulässig und auch begründet ist.
II.
19 Soweit das Rechtsmittel des Klägers zulässig ist, hat es auch in der Sache Erfolg. Zwar greifen die Einwände des Klägers bezüglich der Frage
der Beteiligung des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats, dessen Ersatzmitglied der Kläger ist, unabhängig davon nicht durch, ob der Kläger
sich auf den aktuellen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG oder nur auf den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1
Satz 2 KSchG analog berufen kann. Ebenso wenig scheitert die Kündigung daran, dass der Kläger, wie er geltend macht, nicht vor Ausspruch der
Kündigung angehört worden ist.
20 1. Dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte von Rechtswegen den bei ihr gebildeten Betriebsrat nach § 102 oder nach § 103 BetrVG
bezüglich der beabsichtigten Kündigung beteiligen musste. Der Kläger hat mit der Klagschrift vom 18. Dezember 2001 geltend gemacht, er sei
für einen dauerhaft erkrankten Mitarbeiter als Nachrücker Mitglied des Betriebsrats. Dieses Vorbringen als richtig unterstellt, hätte zur Folge, dass
für die Kündigung die positive Zustimmung des Betriebsrats erforderlich war, denn Ersatzmitglieder des Betriebsrats genießen den besonderen
Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für die gesamte Dauer der Vertretung eines verhinderten ordentlichen Betriebsratsmitglieds
(vgl. BAG, Urteil vom 09. November 1977 – 5 AZR 175/76, AP Nr. 3 zu § 15 KSchG 1969; Urteil vom 17. Januar 1979 – 5 AZR 891/77, AP Nr. 5 zu
§ 15 KSchG 1969). Demgegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, der Kläger habe als Ersatzmitglied in dem Zeitraum Oktober 2001 bis Mai
2002 (?) in Einzelfällen ausfallende Betriebsratsmitglieder vertreten. Ob ein solcher Vertretungsfall gerade zum Zeitpunkt der Kündigung
eingetreten war, ist von den Parteien nicht ausgeführt worden. Sollte der letzte Vertretungsfall, bei dem der Kläger Aufgaben eines
Betriebsratsmitglieds wahrgenommen hat, vor Ausspruch der Kündigung bereits beendet gewesen sein, so könnte sich der Kläger nur auf den
nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG analog berufen, so dass nicht die Zustimmung des Betriebsrats sondern nur
dessen Anhörung nach § 102 BetrVG erforderlich war (vgl. BAG, Urteil vom 06. September 1979 – 2 AZR 548/77, AP Nr. 7 zu § 15 KSchG 1969).
Da die Beklagte ausweislich der Überschrift ihres an den Betriebsrat adressierten Schreibens vom 29. November 2001 eine „Anhörung gemäß §
103 BetrVG zur Kündigung“ durchführen wollte, wenn sie auch im letzten Absatz des Schreibens die Vorschrift des § 102 BetrVG angeführt hat,
bedarf es nur der Entscheidung, ob die Anforderungen nach § 103 BetrVG erfüllt worden sind, denn hinsichtlich des Beteiligungsverfahrens nach
§ 103 BetrVG gelten zum Teil andere, nämlich strengere Anforderungen als die, welche bei einem Beteiligungsverfahren nach § 102 BetrVG
einzuhalten sind.
21 2. Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats und damit auch eines Ersatzmitglieds, welches
stellvertretend für ein verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied dem Betriebsrat angehört, der Zustimmung des Betriebsrats. Die
Anforderungen an den Inhalt der Unterrichtung, welche den Betriebsrat zur Zustimmung bewegen soll, entsprechen den Anforderungen, die an
eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats zu stellen sind (vgl. BAG, Beschluss vom 18. August 1977 – 2 ABR 19/77, BAGE 29, 270 = AP
Nr. 10 zu § 103 BetrVG; Richardi/Thüsing, BetrVG, 8. Aufl., § 103 Rn. 40; HaKo-BetrVG/Kloppenburg, § 103 Rn. 15; Raab, GK-BetrVG, 7. Aufl., §
103 Rn. 48). Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über seine Kündigungsabsicht und die dafür maßgebenden Gründe, über die dem Arbeitgeber
bekannten persönlichen Daten des zu kündigenden Arbeitnehmers und die Art der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten (vgl. zur Anhörung
nach § 102 BetrVG: HaKo-BetrVG/Braasch, § 102 Rn. 47).
22 a) Diesen Anforderungen entspricht die schriftliche Anhörung vom 29. November 2001. Darin sind das Geburts- und das Eintrittsdatum des
Klägers, die Art der Kündigung sowie die Gründe unter Bezugnahme auf Anlagen angegeben, auf welche die Beklagte die Kündigung stützen
wollte. Unschädlich ist, dass es an der Angabe des Familienstandes des Klägers und der Unterhaltspflichten fehlt, denn es ist nicht ersichtlich,
dass diese Umstände für den Kündigungsentschluss der Beklagten maßgeblich waren (vgl. BAG, Urteil vom 27. März 2003 – 2 AZR 699/01, AP
Nr. 81 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX).
23 b) Die Beklagte hat nicht deswegen ihre Unterrichtungspflicht verletzt, weil im Anhörungsschreiben – wie der Kläger im zweiten Rechtszug
geltend macht – die Mitteilung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und der Abwägung der widerstreitenden Interessen
der Parteien fehlt. Ebenso wenig wie der Arbeitgeber im Falle einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung dem Betriebsrat die fehlende
Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in der Regel ausdrücklich mitteilen muss (vgl. BAG, Urteil vom 29. März 1990 – 2 AZR 369/90, BAGE 65, 61
= AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung), bedarf es nicht der Unterrichtung des Betriebsrats im Rahmen des Verfahrens
nach § 103 BetrVG bezüglich der vom Kläger angeführten Gesichtspunkte, weil in der Unterrichtung bezüglich einer beabsichtigten
außerordentlichen Kündigung die Verneinung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und der für den Arbeitnehmer
ausschlagenden Interessenabwägung liegt.
24 c) Unschädlich ist schließlich auch, dass in dem Unterrichtungsschreiben mitgeteilt worden ist, es sei eine fristlose Kündigung zum 03. Dezember
2001 beabsichtigt, die Beklagte jedoch die Kündigung mit ihrem Schreiben vom 30. November 2001 erklärt hat. Der Kläger hat zwar nicht
angegeben, wann ihm das Kündigungsschreiben zugegangen ist. Da er jedoch in der Klagschrift ausgeführt hat, die Beklagte befinde sich seit
dem 01. Dezember 2001 in Annahmeverzug, ist davon auszugehen, dass die fristlose Kündigung vor dem 01. Dezember 2001 zugegangen ist.
Da die Beklagte von der erteilten Zustimmung des Betriebsrats ausgegangen ist und auch ausgehen durfte, konnte sie die außerordentliche
Kündigung mit ihrem Schreiben vom 30. November 2001 erklären. Mit dem Zugang des Kündigungsschreibens wurde die Kündigung, wenn sie
einer gerichtlichen Nachprüfung standhalten sollte, wirksam. Zudem hat die Beklagte geltend gemacht, die Angabe „03.12.2001“ habe darauf
beruht, dass sie nach der am 29. November 2001 erfolgten Unterrichtung davon ausgegangen sei, der Betriebsrat werde die dreitägige
Überlegungsfrist ausschöpfen. Die Fristenregelung des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG findet im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 103
BetrVG Anwendung (vgl. BAG, Urteil vom 18. August 1977, a.a.O.). Da das Beteiligungsschreiben vom 29. November 2001 dem Betriebsrat
ausweislich seiner Bestätigung an diesem Tag zugegangen ist, endete die dreitägige Frist zwar erst am 03. Dezember 2001, weil der letzte Tag
der Frist auf einen Sonntag fiel. Hätte der Betriebsrat die ihm zur Verfügung stehende Zeit voll ausgeschöpft, so dass die Beklagte erst am 04.
Dezember 2001 die Kündigung hätte erklären können, wäre die Kündigung ebenfalls nicht deshalb unwirksam gewesen, weil im
Unterrichtungsschreiben als Kündigungstermin der 03. Dezember 2001 angegeben war.
25 3. Der Beklagten war es aus Rechtsgründen nicht verwehrt, sich zur Rechtfertigung der erklärten Kündigung auch auf den behaupteten Vorfall
vom 29. November 2001 zu berufen, wie er in der Niederschrift von diesem Tag enthalten ist. Mangels einer ausdrücklichen Regelung kann die
Unterrichtung des Betriebsrats, die gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG im Regelfall gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden zu erfolgen hat,
mündlich oder schriftlich erfolgen. Auch wenn die Unterrichtung schriftlich erfolgt, kann der Arbeitgeber bei der Übergabe des
Unterrichtungsschreibens an den Betriebsratsvorsitzenden sowohl die darin enthaltenen Kündigungsgründe mündlich erläutern als auch weitere
Kündigungsgründe mitteilen. Vorliegend hat die Beklagte, wie aufgrund der Einvernahme des Betriebsratsvorsitzenden wie auch des
Personalleiters zur Überzeugung der Kammer feststeht, gegenüber dem Erstgenannten ihre Absicht mitgeteilt, die Kündigung zusätzlich auch auf
den Vorfall zu stützen, wie er in der Niederschrift vom 29. November 2001 festgehalten worden ist. Der als Zeuge von der Berufungskammer
vernommene Betriebsratsvorsitzende, der die Niederschrift selbst angefertigt und unterzeichnet hat, hat bekundet, die Niederschrift sei zum
Zeitpunkt der Unterrichtung bereits gefertigt gewesen und der Personalleiter habe die Kündigung auch darauf gestützt. Der Personalleiter hat im
Rahmen seiner Einvernahme bekundet, er habe gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden geäußert, der Vorfall, wie er in der von diesem
herrührenden Niederschrift festgehalten worden war, unterstütze die Meinung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden.
Daraus folgt, dass für den Betriebsratsvorsitzenden als Empfänger der Erklärung hinreichend erkennbar war, dass zur Begründung der
beabsichtigten Kündigung nicht nur aus die beiden im Unterrichtungsschreiben genannten „personalbedingten“ Gründe sondern auch auf den in
der Niederschrift vom 29. November 2001 festgehaltenen Sachverhalt abgestellt werden sollte.
26 4. Auch die weiteren Einwände des Klägers bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Unterrichtung des Betriebsrats und des Abschlusses des
betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens greifen nicht durch.
27 a) Hinsichtlich des Abschlusses des Verfahrens haben sowohl der Betriebsratsvorsitzende als auch der Personalleiter im Rahmen ihrer
Einvernahmen bekundet, zwischen der Unterrichtung über die beabsichtigte Kündigung und der Mitteilung der Zustimmung des Betriebsrats
habe etwa eine Stunde gelegen (so der Betriebsratsvorsitzende) bzw. die zustimmende Stellungnahme des Betriebsrats sei zwischen 18.00 und
19.00 Uhr dem Personalleiter ausgehändigt worden (so der Personalleiter). Der Betriebsrat hat in der Anlage zur Anhörung den Zugang der
Unterrichtung um 17.00 Uhr bestätigt. In Übereinstimmung damit hat der Personalleiter bekundet, er habe das Anhörungsschreiben um 17.00
Uhr im Betriebsratszimmer übergeben.
28 Zwar hat der Betriebsratsvorsitzende nicht bekundet, die formellen Voraussetzungen für einen Betriebsratsbeschluss (Tagesordnung, Einladung,
Abhaltung einer Sitzung) seien gewahrt worden bzw. dass überhaupt ein Beschluss gefasst worden sei. Zwar ist bei groben Verstößen gegen
Verfahrensvorschriften ein Betriebsratsbeschluss nichtig bzw. mangels eines Beschlusses liegt eine im Verfahren nach § 103 BetrVG
erforderliche Zustimmung des Betriebsrats nicht vor (vgl. BAG, Urteil vom 23. August 1984 – 2 AZR 391/83, BAGE 46, 258 = AP Nr. 17 zu § 103
BetrVG 1972).
29 Im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG wirken sich solche aus der Sphäre des Betriebsrats herrührenden Mängel nicht auf die
Ordnungsmäßigkeit der Anhörung und damit auch nicht auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung aus (vgl. BAG, Urteil vom 16. Januar 2003 – 2
AZR 707/01, AP Nr. 129 zu § 102 BetrVG 1972). Zwar lassen die erheblichen Unterschiede zwischen dem Anhörungsverfahren nach § 102
BetrVG und dem Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG eine Übertragung der sogenannten Sphärentheorie auf das Zustimmungsverfahren
des § 103 BetrVG nicht zu, der Arbeitgeber darf jedoch nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes auf die Wirksamkeit einer ihm vom
Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilten Zustimmung vertrauen (vgl. BAG, Beschluss vom 23. August 1984, a.a.O.). Vorliegend ist dem
Personalleiter die vom Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Betriebsratsmitglied unterschriebene Zustimmung zu der beabsichtigten
fristlosen Kündigung etwa eine Stunde nach der Unterrichtung des Betriebsratsvorsitzenden ausgehändigt worden. Die Beklagte durfte somit zu
Recht davon ausgehen, das Unterrichtungsverfahren sei abgeschlossen, die erforderliche Zustimmung sei erteilt und sie könne die Kündigung
erklären. Dem Einladungsschreiben des Betriebsratsvorsitzenden vom 29. November 2001 zu einer auf den 30. November 2001 terminierten
außerordentlichen Betriebsratssitzung mit dem (rechtlich unzulässigen) Tagesordnungspunkt „Abwahl aus dem Betriebsrat wegen
Vertrauensbruch“ kommt in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung zu, da es sich dabei um ein Internum des Betriebsrats handelte.
30 b) Fehl geht die Auffassung des Klägers, der Betriebsratsvorsitzende habe als angeblich Angegriffener nicht an der Abstimmung des Betriebsrats
teilnehmen dürfen. Die Grundsätze, nach denen ein betroffenes Betriebsratsmitglied sowohl von der einem Beschluss vorausgehenden Beratung
des Betriebsrats als auch von der Abstimmung ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil v. 25. März 1976 – 2 AZR 163/75, BAGE 28, 54 = AP Nr. 6 zu
§ 103 BetrVG; Urteil v. 23. August 1984, a.a.O.; Beschluss vom 03. August 1999 – 1 ABR 30/98, BAGE 92, 162 = AP Nr. 7 zu § 25 BetrVG 1972)
greifen vorliegend schon deswegen nicht ein, weil sich der Betriebsratsvorsitzende nicht in einer Interessenkollision befunden hat, die ihn von
der Wahrnehmung seiner Organtätigkeit ausgeschlossen hätte. Weder dadurch, dass sich der Kläger mit dem von ihm verfassten Schreiben
gegen die Berufung des Betriebsratsvorsitzenden in die Einsatzleitung gewandt hat, noch deswegen, weil der Kläger den
Betriebsratsvorsitzenden nach den Behauptungen der Beklagten verbal attackiert hat, ist dieser Betroffener im Sinne der angeführten
Grundsätze. Betroffener war allein der Kläger , hinsichtlich dessen beabsichtigter Kündigung der Betriebsrat beteiligt worden ist.
31 5. Ebenso wenig kann der Kläger damit gehört werden, er habe vor Ausspruch der Kündigung angehört werden müssen. Nicht erkennbar ist, ob
der Kläger geltend machen will, er habe vom Betriebsrat und/oder vom Arbeitgeber angehört werden müssen. Weder der Betriebsrat noch der
Arbeitgeber waren zu einer Anhörung verpflichtet. Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 KSchG soll der Betriebsrat, soweit dies erforderlich erscheint, vor
seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer anhören. Dem Betriebsrat obliegt nach pflichtgemäßem Ermessen die Entscheidung, ob er
den betroffenen Arbeitnehmer anhört oder nicht. Selbst eine ermessensfehlerhafte Nichtanhörung des betroffenen Arbeitnehmers durch den
Betriebsrat hat keinen Einfluss auf die Ordnungsmäßigkeit des Anhörungsverfahrens im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG (vgl. BAG, Urteil v. 02.
April 1976 – 2 AZR 513/75, AP Nr. 9 zu § 102 BetrVG 1972; Urteil v. 03. Februar 1982 – 7 AZR 907/79, BAGE 37, 387 = AP Nr. 1 zu § 72 BetrVG)
bzw. des Beteiligungsverfahrens nach § 103 BetrVG. Der Arbeitgeber ist zur Anhörung des Arbeitnehmers, dem gegenüber eine
(außerordentliche) Kündigung beabsichtigt ist, abgesehen von dem Fall der Verdachtskündigung (vgl. BAG, Urteil v. 13. September 1995 – 2
AZR 587/94, BAGE 81, 27 = AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung) ebenfalls nicht verpflichtet (vgl. BAG, Urteil v. 18. September
1997 – 2 AZR 36/97, AP Nr. 138 zu § 626 BGB). Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung hängt, wenn der Betriebsrat
ordnungsgemäß angehört bzw. beteiligt worden ist, nur davon ab, ob objektiv ein wichtiger Grund im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung
vorlag und im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom Arbeitgeber nachgewiesen werden kann.
32 6. Somit scheitert die angegriffene Kündigung, selbst wenn sie der Zustimmung des Betriebsrats bedurft haben sollte, um welche die Beklagte mit
ihrem Schreiben vom 29. November 2001 nachgesucht hat, nicht deswegen, weil gegen betriebsverfassungsrechtliche Normen verstoßen
worden ist. Die diesbezüglichen Einwände des Klägers greifen entweder nicht durch oder sind verfehlt.
III.
33 Die Kündigung vom 30. November 2001 hat das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Zugang der Kündigungserklärung aufgelöst. Ihrem dem
Betriebsratsvorsitzenden bei der Übergabe des Anhörungsschreibens vom 29. November 2003 mündlich mitgeteilten Kündigungsgrund, der
Kläger habe am 29. November 2003 die Mitarbeiter W. beleidigt, hat die Beklagte nicht zu beweisen vermocht. Der in dem Anhörungsschreiben
angeführte Grund der wiederholten Störung des Betriebsfriedens, wobei dabei auf die Abmahnung vom 16. Oktober 2001 Bezug genommen
worden ist, kann nicht als eigenständiger Kündigungsgrund sondern allenfalls als Unterstützung des in dem Schreiben genannten weiteren
Kündigungsgrundes Berücksichtigung finden, da die Beklagte das geltend gemachte Fehlverhalten des Klägers abgemahnt hat. Der somit
verbleibende Kündigungsgrund der behaupteten wiederholten Beleidigung des Betriebsratsvorsitzenden mag zwar zu einer Störung des
Vertragsverhältnisses geführt haben. Die Kündigung war doch wohl gleichwohl nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis zu beenden, weil der
zwischen dem Kläger und dem Betriebsratsvorsitzenden – aus welchen Gründen auch immer entstandene Konflikt – zu keiner Störung im
betrieblichen Ablauf geführt hat und deswegen dieser Gesichtspunkt nicht erschwerend bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden
kann. Nach dem Eindruck der unterschiedlichen Nationalitäten angehörenden Zeugen, deren Behauptungen vor der Berufungskammer und
insbesondere dem zweifelhaften Zustandekommen der Niederschrift vom 29. November 2001 hätte die Beklagte sowohl mäßigend auf den
Kläger als auch auf den Betriebsratsvorsitzenden einwirken müssen.
34 1. Im Ausgangspunkt ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, die
nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine
Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und an sich geeignet sind, eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen
(vgl. BAG, Urteil v. 26. Mai 1977 – 2 AZR 632/76, BAGE 29, 195 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; Urteil v. 18. Juli 1957 – 2 AZR
121/55, AP Nr. 1 zu § 124 a GewO). Dies gilt auch für grobe Beleidigungen gegenüber Arbeitskollegen, wenn diese in ihrer Beharrlichkeit eine
ernsthafte Störung des Betriebsfriedens, der betrieblichen Ordnung und des reibungslosen Betriebsablaufes verursachen (vgl. BAG, Urteil v. 30.
September 1993 – 2 AZR 188/93, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 152; Urteil v. 21. Januar 1999 – 2 AZR 665/98, BAGE 90, 367 = AP Nr. 151 zu § 626
BGB).
35 2. Auf die Anfertigung des Schreibens, mit welchem sich der Kläger gegen die Berufung eines Mitarbeiters aus den Reihen der Beschäftigten in
die Einsatzleitung gewandt hat sowie die Sammlung von Unterschriften dafür bei den Beschäftigten, kann die Kündigung schon deswegen nicht
als Kündigungsgrund gestützt werden, weil die Beklagte den Kläger deswegen, wobei sie die Aktion als Mitarbeiter-Mobbing gewertet hat,
abgemahnt hat. Durch die Erteilung einer Abmahnung gibt der Arbeitgeber regelmäßig zu verstehen, dass er wegen des gerügten Verhaltens zu
weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen noch keinen Grund sieht (vgl. BAG, Urteil v. 16. September 1998 – 5 AZR 183/97, AP Nr. 2 zu § 24 BAT-
O). Wenn der Kündigungsberechtigte wegen eines ihm bekannten Sachverhalts eine Abmahnung erklärt, erlischt ein etwaiges Kündigungsrecht
durch Verzicht. Mit der Abmahnung gibt der Arbeitgeber zu erkennen, dass er den (vermeintlichen) vertraglichen Pflichtenverstoß als
ausreichend sanktioniert und damit die Sache als erledigt ansieht (vgl. BAG, Urteil v. 06. März 2003 – 2 AZR 128/02, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 3;
Urteil v. 10. November 1988 – 2 AZR 215/88, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung). Der Arbeitgeber kann deshalb zu einem späteren
Zeitpunkt eine Kündigung nicht allein auf die abgemahnten Gründe stützen. Darauf kann er dann unterstützend zurückgreifen, wenn weitere
kündigungsrechtlich erhebliche Umstände eintreten oder im nachträglich bekannt werden. Es ist schon mehr als zweifelhaft, ob der Kläger mit
seinem Schreiben, welches er von einer Vielzahl von Mitarbeitern hat unterzeichnen lassen, gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat.
Auch wenn sich das Schreiben gegen die Person gerichtet hat, die vom Kläger bei der Betriebsratswahl unterstützt worden ist und deren
Betriebsratsaktivitäten der Kläger offensichtlich unter Verkennung der Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats als nicht ausreichend erachtet
hat, so erscheint es doch naheliegend, dass der Kläger allein von seinem Beschwerderecht nach § 84 BetrVG Gebrauch gemacht hat, weil er
und die anderen Arbeitnehmer sich „in sonstiger Weise beeinträchtigt gefühlt“ hat bzw. haben. Auch wenn die Entscheidung bei der Beklagten
zum Zeitpunkt der Einreichung des Schreibens bereits gefallen war und dies dem Kläger , worauf das Arbeitsgericht abgestellt hat, bekannt sein
musste, nachdem die interne Aufschreibung mit dem Betriebsrat abgestimmt war, so war deswegen die Erhebung der Beschwerde nicht
ausgeschlossen. Jedenfalls sind in dem Schreiben keine Beleidigungen enthalten. Allenfalls kann dem Schreiben der Vorwurf der Parteilichkeit
der zum Einsatzleiter berufenen Person entnommen werden. Somit kann der in dem Unterrichtungsschreiben als „personalbedingter“ Grund
angeführte, unter Bezugnahme auf die Abmahnung vom 16. Oktober 2001 konkretisierte Grund weder als eigenständiger Kündigungsgrund noch
zur Unterstützung anderer Kündigungsgründe Berücksichtigung finden.
36 3. Soweit sich die Beklagte zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung auf den in der Niederschrift vom 29. November 2001
niedergelegten Sachverhalt beruft, welcher vom Arbeitsgericht nicht berücksichtigt worden ist, weil es insoweit nicht festgestellt hat, der
Betriebsrat sei darüber (mündlich) unterrichtet worden, hat die Beklagte den darin aufgeführten Sachverhalt nicht zu beweisen vermocht. Der im
zweiten Rechtszug einvernommene Betriebsratsvorsitzende hat eine Beleidigung des Mitarbeiters W. nicht selbst wahrgenommen, sondern nur
bekundet, der Mitarbeiter S. sei zu ihm gekommen und habe geäußert, der Kläger habe wieder zugeschlagen. Von dem Mitarbeiter W. habe er
die Bestätigung erhalten, der Kläger habe diesem gegenüber geäußert, er sei ein Arschlecker und er lecke am Arsch anderer Leute.
Demgegenüber hat der Arbeitnehmer W., der beleidigt worden sein soll, ausgeführt, er habe die angeführten Ausdrücke vom Kläger selbst nicht
gehört. Er hat allerdings bekundet, Kollegen hätten zu ihm gesagt, der Kläger habe diese Äußerung auf ihn, den Zeugen, bezogen getan. Davon
will der Zeuge W. von dem weiteren Zeugen S. gehört haben. Dieser Zeuge hat jedoch im Rahmen seiner Einvernahme seinerseits ausgesagt, er
habe irgendwelche Äußerungen aus dem Mund des Klägers nicht gehört. Er seinerseits habe später von einem weiteren Mitarbeiter erfahren, die
an dem Tisch sitzenden, von ihm genannten Personen hätten verbale Auseinandersetzungen gehabt. Wenn auch erhebliche Zweifel an dem
Wahrheitsgehalt der Schilderung des Zeugen S. schon deswegen bestehen, weil sich einerseits an den 29. November 2001 noch erinnern
konnte, er seine Unterschrift auf die vom Betriebsratsvorsitzenden verfasste Niederschrift jedoch erst vier Tage später unter zweifelhaften
Umständen gesetzt haben will, denn der Betriebsratsvorsitzende soll zwei Tage nach dem sich während einer Arbeitsunterbrechung ereigneten
Vorfalls zu ihm gekommen und die Unterschriftsleistung soll weitere zwei Tage später erfolgt sein, so dass die Unterzeichnung erst nach
Ausspruch der Kündigung erfolgt wäre, so ist von der Beklagten der Beweis nicht geführt worden. Weder der Betriebsratsvorsitzende noch der
Zeuge W. haben die in der Niederschrift vom 29. November 2001 aufgeführten dem Kläger zugeschriebenen Äußerungen selbst aus dem Munde
des Klägers vernommen. Der Zeuge W. hat zwar bekundet, er habe von dem Zeugen S. gehört, der Kläger solle solche Äußerungen im Hinblick
auf seine Person getan haben. Dies ist jedoch von dem Zeugen S. in Abrede gestellt worden, der vielmehr von einem weiteren Mitarbeiter von
verbalen Auseinandersetzungen gehört haben soll. Selbst im Hinblick auf die von der Beklagten bezüglich der Glaubwürdigkeit des Zeugen S.
angeführten Umstände und seiner im Übrigen zu Zweifeln Anlass gebenden weiteren Bekundungen kann nicht davon ausgegangen werden, die
Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis der Beleidigung des Mitarbeiters W. durch den Kläger geführt. Somit kann auf den behaupteten
Vorfall am 29. November 2001 die angefochtene Kündigung nicht gestützt werden.
37 4. Somit verbleibt als Kündigungsgrund nur derjenige Sachverhalt, über den die Beklagte den Betriebsrat schriftlich unter Bezugnahme auf eine
weitere Niederschrift des Betriebsratsvorsitzenden vom 27. November 2001 unterrichtet hat.
38 a) Das Arbeitsgericht hat es als erwiesen erachtet, dass der Kläger die im vorletzten Absatz der Niederschrift vom 27. November 2001
aufgeführten Äußerungen im Hinblick auf den Betriebsratsvorsitzenden abgegeben hat. Dahingestellt bleiben kann, ob die bezüglich der
Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts erhobenen Rügen durchgreifen können. Insoweit erscheint die Rüge der unvollständigen
Beweiswürdigung beachtlich, soweit der Kläger ausführt, das Arbeitsgericht sei auf die Widersprüche zwischen den Bekundungen des Zeugen
R. und denen des Betriebsratsvorsitzenden nicht eingegangen. Zwar hat der Zeuge R., dessen Muttersprache Punjabi ist, der in der Schule
lediglich zwei Jahre Englisch gelernt hat, jedoch diese Sprache sowieso nicht gut versteht, und nach seiner eigenen Einschätzung englisch
ungefähr gleich wie deutsch versteht, mit seiner am 29. November 2001 geleisteten Unterschrift den nicht von ihm herrührenden
handschriftlichen Vermerk auf der Niederschrift vom 27. November 2001 bestätigt, ihm sei die Niederschrift am 29. November 2001 vorgelesen
worden und die darin genannten Äußerungen stimmten. Bei seiner, wenn auch eineinhalb Jahre nach der unterschriftlichen Bestätigung
erfolgten Einvernahme hat dieser Zeuge gerade die verbalvulgären Ausdrücke nicht bestätigt, sondern nur ausgeführt, ausschließen könne er
die Äußerungen des Klägers nicht. Demgegenüber hat zwar der Zeuge A. ausgeführt, der Kläger habe geäußert, der Betriebsratsvorsitzende
„ficke die Kollegen“. Aus dem Zusammenhang ergibt sich allerdings, dass dieser Vulgärausdruck nicht im Sinne von koitieren gemeint sein kann,
denn der Ausdruck ist im Konnex mit dem Vorwurf gefallen, der Betriebsratsvorsitzende „arbeite immer mit Oben“, womit die Geschäftsleitung
gemeint war. Somit ging es sinngemäß um den Vorwurf, der Betriebsratsvorsitzende kooperiere mit der Geschäftsleitung und benachteilige die
Arbeitnehmer bzw. setze sich für diese nicht hinreichend ein.
39 b) Die Verwendung des Vulgärausdrucks im Hinblick auf die Frau des Betriebsratsvorsitzenden stellt eher eine Geschmacklosigkeit als eine
Beleidigung dar. Jedenfalls ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass der Kläger, der immerhin eingeräumt hat, er habe den
Betriebsratsvorsitzenden einen Betrüger genannt, mit der Arbeit des Betriebsratsvorsitzenden nicht einverstanden war. Selbst wenn von einer
Beleidigung des Mitarbeiters D. ausgegangen werden könnte, der einerseits als Einsatzleiter Vorgesetztenfunktionen wahrzunehmen hatte und
andererseits Mitglied und Vorsitzender des Vertretungsorgans der Arbeitnehmer war, so dass an sich ein Grund für eine außerordentliche
verhaltensbedingte Kündigung vom Kläger gesetzt worden ist, sind dadurch jedoch keine Störungen des betrieblichen Ablaufs eingetreten;
jedenfalls sind solche von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Dies hat nach der Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 17. März 1988
– 2 AZR 576/87, BAGE 58, 37 = AP Nr. 99 zu § 626 BGB; Urteil vom 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90, BAGE 67, 75 = AP Nr. 25 zu § 1 KSchG
1969 Verhaltensbedingte Kündigung) keine Auswirkung auf den Kündigungsgrund als solchen, sondern ist nur zusätzlich für die
Interessenabwägung im Sinne einer Belastung des Arbeitnehmers erheblich. Unter Berücksichtigung dessen und der Gesamtumstände,
insbesondere der persönlichen Umstände des Klägers wie langjährige Beschäftigungsdauer, weit fortgeschrittenes Lebensalter, so dass er auf
dem Arbeitsmarkt so gut wie keine Chancen hat, und seiner besonderen familiären Situation, vermag die Berufungskammer der
Interessenabwägung des Arbeitsgerichts nicht zu folgen. Zwar muss der Kläger zur Kenntnis nehmen, dass Schlechtleistungen vom Arbeitgeber
bzw. den Vorgesetzten gerügt werden können und Enttäuschungen über das Verhalten gewählter Mandatsträger in sachlicher und
emotionsfreier Weise zu verarbeiten sind. Die Beklagte ihrerseits, die sich aufgrund der unterschiedlichsten Nationalitäten ihrer Mitarbeiter nach
der Einschätzung der Kammer aufgrund des in den Beweisaufnahmen gewonnenen Eindrücke nicht alltäglichen Konfliktsituation ausgesetzt
sieht, wird den Anforderungen nicht gerecht, wenn sie Niederschriften des Betriebsratsvorsitzenden vertraut. Im Ergebnis erachtet die
Berufungskammer, die im Falle des Nachweises des in der weiteren Niederschrift vom 29. November 2001 angeführten Vorfalls dem
angefochtenen Urteil einschränkungslos gefolgt wäre, jedoch aufgrund der Ergebnisse der Beweisaufnahmen den Eindruck gewinnen musste,
dass der Betriebsratsvorsitzende den für ihn möglicherweise unbequemen Mahner aus dem Betrieb hinauszudrängen versucht hat, das
Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses höher als das gegenteilige Interessen der Beklagten. Die Bekundungen des
auch von der Berufungskammer als Zeugen vernommenen Betriebsratsvorsitzenden widersprechen den Ausführungen der weiter vernommenen
Zeugen. So hat – als ein Beispiel – der Betriebsratsvorsitzende ausgeführt, er habe dem Zeugen die Niederschrift vorgelesen, bevor dieser seine
Unterschrift darauf gesetzt habe. Dies ist jedoch vom Zeugen W. in Abrede gestellt worden. Da von den drei geltendgemachten
Kündigungsgründen allein einer überhaupt zur Rechtfertigung der angefochtenen Kündigung Berücksichtigung finden konnte und insoweit dem
Kläger eindeutig klar zu machen gewesen wäre, dass er seine Enttäuschung über den offensichtlich seinen (fehlerhaften) Vorstellungen zuwider
eingetretenen Verlauf in sachlicher Weise zu verarbeiten hatte, kann das Beendigungsinteresse der Beklagten nicht höher eingestuft werden als
das gegenteilige Interesse des Klägers.
IV.
40 1. Da die Berufung teilweise unzulässig, im Übrigen jedoch begründet ist, sind die Kosten gemäß § 64 Abs. 6 ArbG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO
entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen zu verteilen.
41 2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs.
2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den
Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.