Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 03.02.2011

LArbG Baden-Württemberg: arbeitsgericht, zukunft, zusammenarbeit, einspruch, arbeitszeugnis, datum, höflichkeit, schweigen, form, verfügung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 3.2.2011, 21 Sa 74/10
Inhalt eines qualifizierten Zeugnisses
Leitsätze
Auf eine allgemeine Höflichkeitsbekundung am Ende eines qualifizierten Zeugnisses, die offensichtlich keinen Bezug zum Verhalten und/oder der
Leistung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis hat, sind die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum beredten Schweigen
nicht anzuwenden.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 18.06.2010 - Az: 13 Ca 308/09 - abgeändert:
a) Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 26.05.2009 wird aufgehoben.
b) Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten im Termin am 26.05.2009
entstanden sind, welche die Beklagte trägt.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, das dem Kläger unter dem Datum 28.02.2009 von ihr erteilte qualifizierte
Arbeitszeugnis ganz am Ende um die Formulierung „Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private
und berufliche Zukunft alles Gute“ zu ergänzen, nachdem die Beklagte im erteilten Zeugnis am Ende lediglich „Wir wünschen ihm für die Zukunft
alles Gute“ formuliert hat.
2
Der am … 1974 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 01.07.1998 bis 28.02.2009, zuletzt mit einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von
EUR 5.000,00, als Marktleiter eines von ihr betriebenen Baumarkts in S. beschäftigt. Nachdem die Beklagte ihm zunächst unter dem Datum
28.02.2009 ein qualifiziertes Arbeitsendzeugnis durch Herrn R. erteilt (vgl. hierzu Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.08.2010, Bl. 23,
24 der Akten) und der Kläger sich mit dessen Inhalt gemäß seinem Schreiben an die Beklagte vom 18.03.2009 (Bl. 25 der Akten) nicht
einverstanden erklärt hatte, änderte die Beklagte das zunächst erteilte Zeugnis teilweise ab und erteilte ihm, nunmehr unterschrieben von Frau
B., unter dem Datum 28.02.2009 ein neues Zeugnis (vgl. Anlage 4 Schriftsatz der Beklagten vom 30.08.2010, Bl. 26, 27 der Akten). Hiergegen
erhob der Kläger wiederum Einwände mit Schreiben an die Beklagte vom 29.03.2009 (Bl. 28 bis 30 der Akten), worauf die Beklagte ihm - erneut
unterschrieben von Frau B. - das Endzeugnis in der nunmehr zwischen den Parteien im vorliegenden Rechtsstreit streitigen Fassung mit Datum
28.02.2009 erteilte. Bezüglich der Einzelheiten dieses Zeugnisses wird voll inhaltlich auf Bl. 31, 32 der Akten = Bl. 4,5 der Akten - Arbeitsgericht
verwiesen.
3
Der Kläger hat vorgetragen,
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er habe Anspruch auf eine vollständige Schlussformulierung im Zeugnistext, da eine fehlende bzw. unzureichende „Wunschformel“ regelmäßig
ein besonders gutes Zeugnis entwerte. Aus dem vollständigen oder teilweise Fehlen von Schlussformulierungen im Arbeitszeugnis zögen viele
potentielle Arbeitgeber regelmäßig negative Schlussfolgerungen. Jedenfalls aber entwerte der vorliegend von der Beklagten knapp formulierte
Schlusssatz, der weder Dank für die bisherige Zusammenarbeit, noch ein Bedauern seines Ausscheidens beinhalte, deutlich die aus dem
übrigen Zeugnistext zuvor hervorgehende gute Leistungs- und Führungsbeurteilung seiner Person.
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Der Kläger hat zunächst beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des mit Datum vom 28.02.2009 erteilten Arbeitszeugnisses ein neues
Arbeitszeugnis zu erteilen, welches sich vom vorgenannten Zeugnis lediglich dahingehend unterscheidet, dass der letzte Satz des
Zeugnistextes wie folgt umformuliert wird: „Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und
berufliche Zukunft alles Gute“
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und zuletzt,
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das Versäumnisurteil vom 26.05.2009 aufrechtzuerhalten.
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Die Beklagte hat beantragt,
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unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 26.05.2009 die Klage abzuweisen.
11 Sie hat vorgetragen,
12 es fehle an einer Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Zeugnisberichtigung. Der Kläger habe nicht dargelegt, woraus sich der von
ihm geltend gemachte Anspruch, der der Beklagten auferlege, sich bei ihm für langjährige Zusammenarbeit zu bedanken und ihm für seine
private und berufliche Zukunft alles Gute zu wünschen, ergeben solle.
13 Nachdem die Beklagte mit gerichtlicher Verfügung vom 08.05.2009 unter Beifügung der Doppel der Klageschrift zum Gütetermin am 26.05.2009
durch gerichtliche Verfügung vom 08.05.2009 geladen wurde, erschien sie zum Gütetermin am 26.05.2009 nicht, was sie mit Schriftsatz vom
22.05.2009 (Bl. 12 der Akten-Arbeitsgericht) zuvor angekündigt hatte. Die gerichtliche Terminsverfügung zum Termin am 26.05.2009 und die
Doppel der Klageschrift hatte sie am 12.05.2009 erhalten (vgl. Postzustellungsurkunde Bl. 8 der Akten-Arbeitsgericht). Infolge ihres
Nichterscheinens am 26.05.2009 verkündete das Arbeitsgericht entsprechend dem Klageantrag des Klägers auf dessen Antrag hin ein
Versäumnisurteil (vgl. Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 26.05.2009, Bl. 14 der Akten-Arbeitsgericht), bezüglich dessen Einzelheiten voll
inhaltlich auf Bl. 16 und 17 der Akten-Arbeitsgericht verwiesen wird und das die Beklagte am 03.06.2009 erhielt (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 19
der Akten-Arbeitsgericht). Auf den am 08.06.2009 per Telefax und am 09.06.2009 im Original beim Arbeitsgericht Stuttgart - Kn. Aalen -
eingegangenen Einspruch der Beklagten gegen dieses Versäumnisurteil (vgl. gerichtlicher Eingangsstempel Bl. 20 und 21 der Akten-
Arbeitsgericht) erging am 18.06.2010 durch das Arbeitsgericht ein Endurteil, in dem es sein Versäumnisurteil vom 26.05.2009 in vollem Umfang
aufrechterhielt und den Einspruch der Beklagten zurückwies. Das Arbeitsgericht führt in diesem Urteil aus, zwar sei der Arbeitgeber nicht
verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm
für die Zukunft alles Gute wünscht und das Fehlen von Schlusssätzen mache das Zeugnis nicht unvollständig. Soweit der Arbeitgeber jedoch
solche Redewendungen im Zeugnis verwende, müssten sie mit dem übrigen Zeugnisinhalt in Einklang stehen. Werde eine Schlussformel vom
Arbeitgeber gebraucht, dürfe sie insbesondere nicht wie ein geheimes Zeichen den zuvor stehenden Text konterkarieren. Die Beklagte habe
dem Kläger ein Zeugnis erteilt, das eine überdurchschnittliche Bewertung enthalte und dann als Schlussformulierung nur „Wir wünschen ihm für
die Zukunft alles Gute“ aufgeführt. Damit werde ein Gegensatz zu der Vergangenheit hergestellt. Es könne der Eindruck entstehen, dass in der
Vergangenheit nicht alles gut gewesen sei. Der fehlende Dank für die Zusammenarbeit, die zuvor fachlich und verhaltensmäßig im guten Bereich
angesiedelt gewesen sei, müsse als Gegensatz zu den Zukunftswünschen aufmerken lassen.
14 Gegen dieses der Beklagten am 06.07.2010 zugestellte Urteil (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 99 der Akten-Arbeitsgericht) wendet sich ihre am
27.07.2010 beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingegangene Berufung (vgl. gerichtlicher Eingangsstempel Bl. 1 der Akten), die sie
mit am 30.08.2010 per Telefax und am 31.08.2010 im Original beim Landesarbeitsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz (vgl.
gerichtliche Eingangsstempel Bl. 11 und 16 der Akten) begründet hat.
15 Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht,
16 der Kläger könne die gewünschten Änderungen mangels Bestehens eines Anspruchs nicht von ihr verlangen. Weder stelle die klägerseits
behauptete und ausdrücklich zu bestreitende „heutige Üblichkeit“ eine solche dar, noch sei es so, dass bei Fehlen der Schlussformel von vielen
potentiellen neuen Arbeitgebern daraus regelmäßig negative Schlussfolgerungen gezogen würden. Solche Schlussfolgerungen seien einerseits
zu bestreiten, andererseits aber unerheblich, weil es nicht in ihrer Risikosphäre liege, wenn potentielle Arbeitgeber oder entsprechende
Zeugnisratgeber die auch vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ignorierten.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 18.06.2010 - 13 Ca 308/09 - unter Aufhebung des
Versäumnisurteils vom 26.05.2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang kostenpflichtig abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
21 Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Bei einer rundum guten Leistungs- und
Führungsbeurteilung entspreche es der Üblichkeit und auch der Erwartung eines potentiellen neuen Arbeitgebers, dass dem Arbeitnehmer am
Ende des Zeugnistextes nicht nur für die Zusammenarbeit gedankt, sondern ihm zudem für die Zukunft - und zwar sowohl privat als auch
beruflich - alles Gute gewünscht werde. Dies gelte umso mehr, wenn der Arbeitnehmer, wie er, über 10 Jahre für den bisherigen Arbeitgeber tätig
gewesen sei.
Entscheidungsgründe
22 Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
23
I. Zulässigkeit der Berufung
24 1. Die Berufung der Beklagten ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. b ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6
ArbGG, 519 Abs. 1, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.
25 2. Insbesondere ist die Beschwerdesumme des § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG überschritten, nachdem das Arbeitsgericht den Rechtsmittelstreitwert in
Ziff. 3 des angegriffenen Urteils vom 18.06.2010 auf EUR 1.000,00 festgesetzt hat und diese auf den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 2, 3 ZPO beruhende
Festsetzung nicht offensichtlich unzutreffend ist (vgl. hierzu BAG vom 27. Mai 1994 in AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 17).
26
II. Begründetheit der Berufung
27 Die Berufung ist begründet, nachdem der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 26.05.2009 zulässig und
begründet ist.
28 1. Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 26.05.2009 ist statthaft (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 338 ZPO) und
auch im übrigen zulässig, insbesondere ist er form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 59, 46 Abs. 2 ArbGG, 340 Abs. 2 und 3 ZPO). Das
Versäumnisurteil vom 26.05.2009 wurde der Beklagten am 03.06.2009 zugestellt (vgl. Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten der
Beklagten - Bl. 19 der Akten - Arbeitsgericht); der Einspruch der Beklagten gegen dieses Versäumnisurteil ging durch anwaltlichen
unterschriebenen Schriftsatz vom 08.06.2009 vorab per Telefax am 08.06.2009 und im Original am 09.06.2009 (vgl. gerichtliche
Eingangsstempel Bl. 20, 21 der Akten - Arbeitsgericht) beim Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Aalen - ein.
29 2. Der Einspruch der Beklagten ist auch begründet, da die zulässige Klage unbegründet ist. Das Versäumnisurteil ist deshalb aufzuheben und
die Klage abzuweisen ( § 342 ZPO).
30 a) Die Klage ist zulässig. Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen liegen vor. der Streitgegenstand im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist
hinreichend bestimmt. Der Kläger bringt klar zum Ausdruck um welche konkreten Formulierungen das ihm von der Beklagten zuletzt erteilte
Zeugnis ergänzt werden soll und aus welchem Lebenssachverhalt und welcher Verpflichtung er den geltend gemachten Anspruch herleitet.
31 b) Ist ein Arbeitnehmer mit dem ihm erteilten Zeugnis nicht einverstanden, kann er vom Arbeitgeber gerichtlich dessen Berichtigung oder
Ergänzung verlangen. Mit einer solchen Klage macht er jedoch weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend und keinen dem Gesetz
fremden Berichtigungsanspruch (BAG vom 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - in AP BGB § 630 Nr. 28 IV 2a. bb. der Gründe mwN). Für den
Anspruch des Arbeitnehmers auf ein qualifiziertes Zeugnis ist seit dem 01.01.2003 die maßgebliche Rechtsgrundlage § 109 GewO. Entspricht
das dem Arbeitnehmer erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt nicht den gesetzlichen Anforderungen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem
Arbeitnehmer ein „neues“ Zeugnis zu erteilen (BAG vom 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - in AP BGB § 630 Nr. 31).
32 Ein Zeugnis muss allgemein verständlich gefasst sein. In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in der Formulierung des
Zeugnisses, solange das Zeugnis nichts falsches enthält. „Falsch“ ist ein Zeugnis auch dann, wenn es Merkmale enthält, die den Zweck haben,
den Arbeitnehmer in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen und denen entnommen werden muss,
der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung, der Arbeitnehmer werde in Wahrheit anders beurteilt, nämlich
ungünstiger als im Zeugnis bescheinigt. Ein unzulässiges Geheimzeichen kann auch im Auslassen eines an sich erwarteten Zeugnisinhalts
bestehen (BAG vom 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 in AP BGB § 630 Nr. 26 B. I. 2a der Gründe mwN). Die Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zu unzulässigem Auslassen, dem sogenannten beredten Schweigen, betrifft den gesetzlich geschuldeten Zeugnisinhalt,
also u.a. die Leistungs- und Führungsbeurteilung, die sich auf das Anforderungsprofil der vom Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben
beziehen muss, wie es sich aus der Tätigkeitsbeschreibung ablesen lässt. Diese Rechtsprechung ist auf das Fehlen von Schlusssätzen nicht zu
übertragen. Richtig ist zwar, dass Schlusssätze vielfach verwendet werden und Schlusssätze nicht beurteilungsneutral, sondern geeignet sind,
die objektiven Zeugnisaussagen zur Führung und Leistung des Arbeitnehmers und die Angaben zum Grund der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zu bestätigen oder zu relativieren. Soweit der Arbeitgeber solche Redewendungen verwendet, müssen sie daher mit dem
übrigen Zeugnisinhalt in Einklang stehen. Weitergehende Rechtsfolgen lassen sich aus dieser Zeugnispraxis jedoch nicht herleiten. Positive
Schlusssätze sind geeignet, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis mit „passenden“ Schlusssätzen wird daher
aufgewertet. Daraus lässt sich aber nicht im Umkehrschluss folgern, ein Zeugnis ohne jede Schlussformulierung werde in unzulässiger Weise
„entwertet“. Vielmehr obliegt dem Arbeitgeber die Formulierung und Gestaltung des Zeugnisses. Zu seiner Gestaltungsfreiheit gehört auch die
Entscheidung, ob er das Zeugnis um Schlusssätze anreichert. Wenn ein Zeugnis ohne abschließende Formeln in der Praxis „oft“ als negativ
beurteilt werden sollte, so ist das hinzunehmen (BAG vom 20.02.2001 aaO mwN).
33 c) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich aus Sicht der erkennenden Kammer, dass in der vorliegenden
Schlussformulierung der Beklagten kein beredtes Schweigen, sondern die Formulierung einer Höflichkeitsbekundung vorliegt und deshalb eine
Ergänzung der Schlussformel durch die Beklagte, wie vom Kläger gefordert, nicht zu erfolgen hat.
34 aa) Zunächst schließt sich das Landesarbeitsgericht vollinhaltlich den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 20.
Februar 2001 (Az.: 9 AZR 44/00) an, weshalb es auf die Frage einer bestehenden „Üblichkeit“ eines Verwendens von Schlussformeln bzw. einer
Erwartung potentieller Arbeitgeber dahingehend, dass eine Schlussformel in einem qualifizierten Zeugnis enthalten ist, nicht ankommt.
35 bb) Entgegen dem Landesarbeitsgericht Köln in seiner Entscheidung vom 29.02.2008 (4 Sa 1315/07 - Zitat nach Juris) steht jedoch die von der
Beklagten gewählte Schlussformulierung im streitgegenständlichen Zeugnis nicht in Widerspruch zum sonstigen Zeugnisinhalt. Richtig ist zwar,
dass eine Schlussformel nicht wie ein geheimes Zeichen den zuvor stehenden Text konterkarieren darf. Richtig ist auch, dass die Leistungs- und
Führungsbeurteilung des Klägers im streitgegenständlichen Zeugnis nicht nur durchschnittlich, sondern deutlich überdurchschnittlich ist und ein
gut darstellt, jedenfalls aber an ein gut heranreicht. Dennoch handelt es sich vorliegend nicht um eine Schlussformulierung, die mit der vorigen
Leistungs- und Verhaltensbeurteilung des Klägers in irgendeiner Verbindung steht. Dem Kläger wird in der Schlussformulierung der Beklagten
nicht etwa alles Gute für die weitere
berufliche
Zukunft durchaus einen Zusammenhang mit der vorausgegangenen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung des Arbeitnehmers herstellen würde.
Auch könnte dann ein beredtes Schweigen vorliegen, wenn dem Arbeitnehmer lediglich für seine private und nicht auch für seine berufliche
Zukunft alles Gute gewünscht wird, ebenso, wenn dem Arbeitnehmer nicht alles Gute, sondern etwa „für die Zukunft viel Glück“ oder „künftig viel
Erfolg“ gewünscht wird. Darum geht es vorliegend aber nicht. In der von der Beklagten verwandten Formulierung „Wir wünschen ihm für die
Zukunft alles Gute“ liegt lediglich und ausschließlich eine höfliche Verabschiedung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber im Zeugnis. Wie
das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 03.11.2010 (Az.: 12 Sa 974/10) zu Recht ausführt, ist Höflichkeit neben anderen
Werten wie Disziplin, Pünktlichkeit und Rücksichtnahme ein kultureller Wert und manifestiert sich in freundlicher Konzilianz. „Die wahre
Höflichkeit besteht darin, dass man einander mit Wohlwollen entgegenkommt. Sobald es uns an diesen nicht gebricht, tritt sie ohne Mühe hervor“
(Rousseau, Émile 2,4). Auch Schopenhauer führt zur Höflichkeit aus „Höflichkeit ist Klugheit. Folglich ist Unhöflichkeit Dummheit. Sich mittels
ihrer unnötiger- und mutwilligerweise Feinde machen ist Raserei“ (Aphorismen zur Lebensweisheit V, 36). Eine freundliche Schlussformel ist
mithin, sofern kein Bezug zum privaten und/oder beruflichen Bereich erfolgt, nicht die Kundgabe wirklicher oder vorgeblicher Empfindungen,
sondern wahrt, anders als eine Leistungsbewertung oder Verhaltensbewertung nach einer Zufriedenheitsskala, nur allgemeine Standards der
Höflichkeitsform. Sofern die zum Ausdruck gebrachte Höflichkeitsform keinen Bezug auf die Führung und/oder Leistung des Arbeitnehmers und
keine persönlichen Empfindungen zum Ausdruck bringt, hat der Arbeitgeber keine Verpflichtung auf die Gesamtnote abgestimmte
Formulierungen zu verwenden. Der Arbeitgeber würde damit nur dazu angehalten, die inhaltliche Richtigkeit des von ihm ausgestellten
Zeugnisses durch die Bekundung von Bedauern oder Dank nochmals zu bestätigen, obwohl er nur den allgemeinen Höflichkeitsmaßstäben
einer zivilisierten Gesellschaft Rechnung tragen wollte, die gar nicht zum Kern eines Zeugnisinhalts gehören (in diesem Sinne wohl auch
Schleßmann: Das Arbeitszeugnis 19. Aufl. 2010, S. 172 oben, der empfiehlt, jedenfalls Zukunftswünsche im Zeugnis aufzunehmen als schlichten
Akt der Höflichkeit beim Abschied).
36 cc) Infolgedessen besteht aus Sicht der erkennenden Kammer bei der von der Beklagten im streitgegenständlichen Zeugnis gewählten
Formulierung kein Bezug auf die zuvor abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung des Klägers und es ist keine Formulierung von der
Beklagten verwandt (wie etwa „Glück“ oder „Erfolg“), die mit einer vorausgegangenen Führungs- und/oder Leistungsbeurteilung in Widerspruch
stehen könnte. Allein der Wunsch des Ausstellers nach Gutem für den ausscheidenden Arbeitnehmer genügt im Hinblick auf diese allgemeine
Höflichkeitsformulierung aus Sicht der erkennenden Kammer nicht, um daraus beredt schließen zu können, im Arbeitsverhältnis sei nichts oder
jedenfalls nicht alles gut gewesen. Deshalb ist der Arbeitgeber im Rahmen seiner Formulierungsfreiheit in diesem Fall nicht verpflichtet, den vom
Kläger begehrten Inhalt ganz oder teilweise in das Zeugnis aufzunehmen. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines
richtigen vollständigen und nicht widersprüchlichen Zeugnisses gemäß § 109 Abs. 1 GewO erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
37
III. Nebenentscheidungen
38 1. Nachdem die Berufung der Beklagten in vollem Umfang Erfolg hat, trägt der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des gesamten
Rechtsstreits. Hiervon ausgenommen sind lediglich gemäß § 344 ZPO die Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten entstanden sind. Als
Ausnahmevorschrift zu § 91 Abs. 1 ZPO kommt es insoweit nicht darauf an, dass die Beklagte in der Sache obsiegt hat, sondern nur darauf, ob
ein Fall der Säumnis im Sinne des § 330 ZPO vorlag.
39 2. Die Zulassung der Revision für den Kläger beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.