Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 26.01.2009

LArbG Baden-Württemberg: werkstatt, behinderung, adäquate gegenleistung, anspruch auf beschäftigung, arbeitsgericht, öffentliches interesse, behinderter, entschädigung, arbeitsentgelt, kündigungsfrist

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 26.1.2009, 9 Sa 60/08
Kündigung eines behinderten Beschäftigten einer Werkstatt für behinderte Menschen
Leitsätze
1. Aus § 138 Abs. 1 SGB IX ergibt sich, dass der Gesetzgeber für den Regelfall davon ausgeht, dass behinderte Menschen im Arbeitsbereich
anerkannter Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis tätig werden.
Dass der Mitarbeiter wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringt, ist kein Kennzeichen für ein
Arbeitsverhältnis, sondern Aufnahmevoraussetzung nach § 136 Abs. 2 S. 1 SGB IX für eine Werkstatt für behinderte Menschen. Ein Arbeitsverhältnis
liegt erst dann vor, wenn der Hauptzweck der Beschäftigung das Erbringen wirtschaftlich verwertbarer Leistungen ist und nicht der Zweck des § 136
Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, nämlich die Ermöglichung einer angemessenen Beschäftigung Vordergrund des Aufenthalts in der WfbM ist.
2. Die Einstellung der Förderungsleistungen durch den Kostenträger stellt einen außerordentlichen Kündigungsgrund des Werkstattverhältnisses auf
den Tag des Wegfall der Leistungen nach § 626 BGB dar, da es dem Träger der Werkstatt nicht zuzumuten ist, seine Dienstleistungen im Sinne des
§ 136 Abs. 1 SGB IX zu erbringen, wenn er hierfür keine adäquate Gegenleistung, die hier aufgrund der Besonderheiten durch den
Sozialleistungsträger erfolgen, erhält.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg vom 18.09.2008, 15 Ca 99/08 wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Berechtigung einer fristlosen Kündigung des Werkstattverhältnisses zwischen dem schwerbehinderten Kläger und
der Beklagten sowie über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger eine Entschädigung wegen Benachteiligung wegen seiner
Behinderung zu zahlen.
2
Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1981 bei der Beklagten in deren Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt. Der
Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Sein Bruder ist sein bestellter Betreuer.
3
Im Rahmen seiner Beschäftigung in der WfbM der Beklagten führt der Kläger einfachste Montagetätigkeiten aus. Er erhält dafür das
vorgeschriebene monatliche Mindestentgelt von 67,00 EUR.
4
Mit Bescheid vom 25.02.2008 stellte das Landratsamt O. - Amt für Soziales und Versorgung - die bisher gewährten Leistungen im Rahmen der
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß § 53 ff. SGB XII zum 29.02.2008 ein. Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass
aufgrund des Verhaltens des Klägers derzeit die für eine Förderung nötige Werkstattfähigkeit nicht vorhanden sei. In seiner Sitzung vom
16.01.2008 sei der Fachausschuss zu diesem Ergebnis gekommen. Der Kläger müsse sich medizinischen und therapeutischen Maßnahmen
unterziehen, um seine Werkstatt- und Gemeinschaftsfähigkeit wieder herzustellen. Gemeinschaftsfähigkeit sei im Übrigen Voraussetzung für alle
Angebote der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Da dies fehle würden die Eingliederungshilfeleistungen für die Betreuung des
Klägers im Arbeitsbereich der H. Werkstätten zum 29.02.2008 eingestellt.
5
Gegen diesen Aufhebungsbescheid hat der Kläger selbst Widerspruch eingelegt und Klage zum zuständigen Sozialgericht angekündigt.
Hierüber ist noch nicht entschieden.
6
Mit Schreiben vom 28.02.2008, dem Klägervertreter am 29.02.2008 zugegangen, kündigte daraufhin die Beklagte aufgrund der Einstellung der
Eingliederungshilfeleistungen den bestehenden Werkstattvertrag zum 29.02.2008.
7
Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage, die am 17.03.2008 beim Arbeitsgericht Freiburg, Kammern
Offenburg eingegangen ist. Zugleich verlangt er die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000,00 EUR, da er durch die Kündigung wegen
seiner Behinderung diskriminiert worden sei.
8
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger vorgetragen, er genieße Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Zudem bestünde die
Werkstattfähigkeit weiter fort. Das Verhalten, das die Kündigung ausgelöst habe, sei Teil der Behinderung des Klägers. Daher habe die Beklagte
mit der Kündigung den Kläger gerade wegen seiner Behinderung benachteiligt. Zudem sei er Arbeitnehmer und die Kündigung sei bereits
deswegen unwirksam, weil sie ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen worden sei.
9
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt
beantragt
10
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom
28.02.2008, zugegangen am 29.02.2008, zum Ablauf des 29.02.2008 endet.
11
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten
Bedingungen über den 29.02.2008 hinaus fortbesteht.
12
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 10.000,00 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 25.03.2008 zu zahlen.
13 Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht
beantragt
14
die Klage abzuweisen.
15 Die Berechtigung der fristlosen Kündigung des Werkstattverhältnisses ergebe sich daraus, dass die Voraussetzungen des § 137 SGB IX nicht
mehr vorlägen und der Kostenträger die Kostenzusage zurückgenommen habe. Zutreffend sei der Kostenträger davon ausgegangen, dass der
Kläger nicht werkstattfähig sei. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung und der Kläger sei auch nicht Arbeitnehmer der Beklagten.
Ein Schmerzensgeldanspruch habe er nicht, denn er sei nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden und das AGG finde auf das
Werkstattverhältnis keine Anwendung.
16 Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 18.09.2008 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass das zwischen den Parteien
bestehende Werkstattverhältnis durch die Kündigung der Beklagten wirksam beendet worden sei. Die Bestimmungen des
Kündigungsschutzgesetzes fänden keine Anwendung, sondern der Werkstattvertrag könne von beiden Seiten ordentlich und im Ausnahmefall
außerordentlich gekündigt werden. Zwar schränke hier § 137 Abs. 2 SGB IX diese generelle Kündigungsmöglichkeit erheblich ein und lasse im
Ergebnis die Kündigung nur bei Wegfall der Werkstattfähigkeit oder der Aufhebung des Leistungsbescheides durch den Sozialleistungsträger zu.
Diese Voraussetzungen lägen jedoch vor, da das Landratsamt O. die von ihm gewährten Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe zum
29.02.2008 eingestellt habe. Auf die Werkstattfähigkeit des Klägers komme es daher im Einzelnen nicht an. Da es sich um kein Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien handele sei es auch nicht erforderlich gewesen, dass die Beklagte zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes einhole.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Schadensersatz, da durch die Beklagte nicht einmal Indizien dafür geschaffen worden seien, dass
der Kläger wegen seiner Behinderung benachteiligt werde. Das Werkstattverhältnis sei nicht wegen der Behinderung gekündigt worden, sondern
im Hinblick auf die Einstellung der Kostenübernahme durch den Sozialleistungsträger.
17 Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 25.09.2008 zugestellt.
18 Seine Berufung hiergegen ging am 15.10.2008 fristgerecht beim Landesarbeitsgericht ein. Sie wurde zugleich begründet.
19 Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, das Arbeitsgericht habe die Klage rechtsfehlerhaft abgewiesen. Das Gericht habe zunächst
verkannt, dass nach § 9 Abs. 3 des Werkstattvertrages, der maßgeblich sei, weil die Beklagte dem Klägervertreter auf dessen Anforderungen hin
genau diesen Vertrag übersandt habe, die Werkstatt das Werkstattverhältnis nur dann kündigen könne, wenn die Voraussetzungen für eine
Beschäftigung in der Werkstatt für Behinderte nicht mehr gegeben seien (§ 127 SGB IX) und zusätzlich der Kostenträger die Kostenzusage
zurückgenommen hat. Damit hätten die Parteien eine erhöhte Anforderung für eine Kündigung des Werkstattvertrages getroffen, die der
gesetzlichen Bestimmung des § 137 SGB IX vorgehe. Die Parteien hätten damit ausdrücklich individualrechtlich vereinbart, dass nur der Wegfall
der Werkstattfähigkeit zusammen mit der Aufhebung des Leistungsbescheides durch den Sozialleistungsträger die Beklagte berechtige, das
Werkstattverhältnis zu kündigen. Da der Kläger die von der Beklagten vorgetragenen Gründe für den angeblichen Wegfall der Werkstattfähigkeit
bestritten habe, hätte das Gericht das Vorliegen der Werkstattfähigkeit prüfen müssen und hierüber ggf. eine Beweisaufnahme durchführen
müssen. Im Übrigen habe die Beklagte aber auch nicht schlüssig vorgetragen, aus welchen Tatsachen sich eine Fremdgefährdung anderer
Werkstattmitarbeiter durch den Kläger ergeben solle. Durch das von der Beklagten behauptete vom Kläger jedoch bestrittene angebliche
Verhalten des Klägers sei eine Fremdgefährdung anderer nicht dargestellt. Die angebliche mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Nervosität
des Klägers genügten dafür jedenfalls nicht, lägen im Übrigen aber auch nicht vor.
20 Zudem sei die Kündigung unwirksam, weil die Zustimmung des Integrationsamtes zuvor nicht eingeholt worden sei. Das Werkstattverhältnis des
Klägers mit der Beklagten habe sich spätestens nach 15 Jahren in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt und der Kläger sei bereits seit 27 Jahren
für die Beklagte tätig. Der Kläger habe darüber hinaus auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung gemäß dem Klagantrag Ziffer 2.
21 Zudem behandle die Beklagte den Kläger ungleich im Verhältnis zu dem Mitarbeiter T., denn dieser habe Mitte 2002 die Schwester des Klägers
mit einem Messer an der Bauchseite verletzt und die Beklagte sei gegen diesen Mitarbeiter in keiner Weise eingeschritten. Sie habe ihn nicht
einmal abgemahnt. Der selbe Mitarbeiter habe den Kläger Mitte 1999 auch im Dienst tätlich angegriffen und bedroht. Auch hier habe sich die
Beklagte nicht zu irgend einer Maßnahme gegen Herrn T. veranlasst gesehen. Auch sei der Kläger im Februar 2007 von dem Vorarbeiter H. an
den Kopf geschlagen worden. Die Gesamtheit dieser Tatsachen habe eine indizielle Wirkung, dass die Beklagte aus sachfremden Motiven den
Kläger ungleich behandle, während sie entsprechendes Verhalten anderer Behinderter ohne Beanstandungen hinnehme. Damit habe sie ein
Indiz geschaffen, dass sie gerade das behinderungsbedingte Verhalten des Klägers nicht hinnehmen werde und sei nach § 22 AGG mit dem
Gegenbeweis belastet. Darüber hinaus sei zu bestreiten, dass die Beklagte für die Beschäftigung des Klägers in ihrer Werkstatt monatlich etwa
1.000,00 EUR vom Sozialleistungsträger erhalte.
22 Der Kläger
beantragt
23 Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg vom 18.09.2008, 15 Ca 99/08 wird wie folgt abgeändert:
24
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom
28.02.2008, zugegangen am 29.02.2008, zum Ablauf des 29.02.2008 endet.
25
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten
Bedingungen über den 29.02.2008 hinaus fortbesteht.
26
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
27 Darüber hinaus hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2009
28
beantragt
29
den vorliegenden Rechtsstreit bis zum Abschluss des Rechtsstreits über den Aufhebungsbescheid vom 25.02.2008 beim Sozialgericht
Freiburg, Az. S 4 SO 3358/08 auszusetzen.
30 Die Beklagte ist dem Aussetzungsantrag entgegen getreten und hat im Übrigen
beantragt
31
die Berufung zurückzuweisen.
32 Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und führt aus, da das Werkstattverhältnis ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis sei, könne es
jederzeit durch die Beklagte gekündigt werden, wenn die in dem § 137 SGB IX für die Aufnahme bzw. den Verbleib in der Werkstatt festgelegten
Voraussetzungen in der Person des Klägers nicht mehr erfüllt seien. Auf das Werkstattverhältnis fänden die Bestimmungen des
Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung. Der Wegfall der Kostenübernahme reiche dabei als Grund für eine sofortige Kündigung des
Werkstattvertrages aus. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus § 9 Abs. 3 des Mustervertrages. Dieser fände im Übrigen zwischen dem
Kläger und der Beklagten keine Anwendung, denn er sei zu keinem Zeitpunkt vom Kläger oder dessen Betreuer unterschrieben worden.
Vielmehr sei dieser Vertrag lediglich dem Klägervertreter informationshalber übersandt worden. Dieser Mustervertrag sei im Jahr 2007 entwickelt
worden, da es behinderte Menschen mit einem sogenannten persönlichen Budget gäbe. Dies bedeute, dass die Rehabilitationsleistungen nicht
an die Werkstatt direkt ausgezahlt würden, sondern der behinderte Mensch, der sich für eine Aufnahme in eine WfbM interessiere, sich mit den
ihm gewährten Rehabilitationsleistungen an verschiedene Werkstätten wenden könne, um zu vergleichen, welches die Leistungen der
Werkstätten im Einzelnen seien und sich dann die ihm genehme Werkstatt aussuchen könne. Aus diesem Grunde sei es erforderlich gewesen,
die Leistungen der Werkstatt durch eine entsprechende vertragliche Regelung zu beschreiben. Der Kläger selbst verfüge über kein solches
persönliches Budget und aus dem Grund gäbe es auch keinen mit ihm oder seinem Betreuer schriftlich abgeschlossenen Werkstattvertrag in
Gestalt des Mustervertrages.
33 Der Kündigungsgrund resultiere auch daraus, dass die Beklagte für den Kläger monatlich etwa 1.000,00 EUR als Sozialleistungen erhalte. Durch
die Aufhebung der Rehabilitationsleistungen durch den Bescheid vom 25.02.2008 des Landratsamtes O. entfalle dieser Betrag und damit auch
die Voraussetzungen für eine Beschäftigung des Klägers nach § 137 Abs. 2 SGB IX in der WfbM. Wenn die Beklagte nunmehr weiter Leistungen
an den Kläger erbringe, müssten diese finanziellen Belastungen aus dem erwirtschafteten Erlös der Werkstatt aufgebracht werden und gingen im
Endeffekt von den Löhnen der übrigen Beschäftigten ab, da keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten bestünden. Im Übrigen fehle auch die
Werkstattfähigkeit des Klägers (auf die Ausführungen hierzu im Einzelnen wird auf die Seiten 58 bis 60 der Berufungserwiderung Bezug
genommen).
34 Die Beklagte sei erst dann wieder zur Beschäftigung des Klägers verpflichtet, wenn ein bestandskräftiger Bescheid über die Gewährung von
Leistungen vorhanden sei. Der Beklagten sei es nicht zuzumuten, das wirtschaftliche Risiko einer Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum
rechtskräftigen Abschluss eines unter Umständen mehrere Jahre dauernden sozialgerichtlichen Verfahrens zu tragen. Im Übrigen liege die
Beweislast beim Kläger, denn der habe die Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen, dass er einen Anspruch auf eine Beschäftigung im
Sinne des § 137 SGB IX habe. Der Werkstattvertrag habe auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden können, denn die
Kündigungsfristen der §§ 621, 622 BGB fänden auf das vorliegende Dienstverhältnis keine Anwendung.
35 Die Kündigung bedürfe auch nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handle.
36 Ebenso wenig liege eine Ungleichbehandlung des Klägers mit anderen in der Werkstatt beschäftigten behinderten Menschen vor. Die
Behauptungen bezüglich des Mitarbeiters T. seien unzutreffend. Aus diesem Grund habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Schadensersatz
wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es finde auf das Werkstattverhältnis zunächst überhaupt keine Anwendung.
Im Übrigen sei die Kündigung des Werkstattvertrages keine Handlung, die den Kläger wegen seiner Behinderung benachteilige. Im Übrigen
könne die Klage auf Schadensersatz kaum ernstlich gemeint sein, denn der Kläger erhebe nun zum dritten Mal innerhalb von nicht einmal 13
Monaten gegen die Beklagte eine Klage auf Schmerzensgeld in Höhe von - jedes Mal - 10.000,00 EUR.
37 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
38 Die zulässige Berufung ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.
I.
39 Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. §
519 Abs. 1, 2, § 520 Abs. 3 ZPO fristgerecht eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden.
40 Die Berufungsbegründung genügt auch bezüglich des Klagantrags Ziffer 3 (Schadensersatzforderung über 10.000,00 EUR) noch den
Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO für die Begründung der Berufung. Zwar lässt sich mangels einer Gliederung der
Berufungsbegründung dieser nicht entnehmen, welcher Teil der Berufungsbegründung sich mit dem vom Arbeitsgericht abgewiesenen
Schadensersatzanspruch beschäftigt. Der Seite 4 unten der Berufungsbegründung ist jedoch zu entnehmen, dass der Kläger wohl davon
ausgeht, dass das Arbeitsgericht auch dadurch diesen Teil der Klage zu Unrecht abgewiesen habe, weil es nicht beachtet habe, dass die
Kündigung der Beklagten durch das Verhalten des Klägers, welches Teil seiner Behinderung sei, motiviert und ausgelöst worden sei, und dass
die Beklagte den Kläger hier ungleich behandle, während sie das Verhalten anderer Behinderter ohne Beanstandungen hinnehme. Das genügt
jedenfalls, um den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO zu genügen. Auf die Schlüssigkeit des Vortrags kommt es nicht an.
41 Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten ist nach § 65 ArbGG nicht mehr zu prüfen; im Übrigen hat sie das Arbeitsgericht zu
Recht angenommen. Sie ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 10 ArbGG ohne weiteres.
II.
42 Die Berufung ist jedoch unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die Klage
abgewiesen. Daher wird zunächst vollumfänglich auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
43 Auch das weitere Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung.
44 1. Die Kündigungsschutzklage des Klägers, die er mit dem Antrag Ziffer 1 erhoben hat, ist unbegründet.
45
a) Sie ist bereits deswegen unbegründet, weil der Kläger nicht nur festgestellt wissen will, dass die streitgegenständliche Kündigung
unwirksam gewesen ist, sondern er darüber hinaus in seinen Feststellungsantrag aufnimmt, dass diese Kündigung das zwischen den
Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Damit begehrt er auch die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein
Arbeitsverhältnis besteht. Da dem nicht so ist, war bereits aus diesem Grunde der Klageantrag Ziffer 1 abzuweisen (siehe BAG, Beschluss v.
19.12.2000, 5 AZB 16/00, AP Nr. 9 zu § 2 ArbGG 1979 - Zuständigkeitsprüfung, unter II. 3. a) der Gründe).
46
Der Kläger ist kein Arbeitnehmer. Die Rechtsstellung behinderter Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten regelt § 138 Abs. 1
SGB IX. Danach können behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten Arbeitnehmer sein. Sind sie dies nicht, so gilt ihr
Rechtsverhältnis zu den Werkstätten als ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis.
47
Für die Prüfung, ob der Kläger Arbeitnehmer ist, sind die allgemeinen Abgrenzungskriterien für die Bestimmung der
Arbeitnehmereigenschaft heranzuziehen. Die Anlehnung an § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ist daher vor allem maßgeblich, in welchem Grad der
persönlichen Abhängigkeit der Kläger bei der Beklagten tätig gewesen ist. Dafür ist wiederum maßgeblich, ob der Kläger bezüglich seiner
Arbeitsleistung dem Weisungsrecht der Beklagten unterlag. Der Kläger muss in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sein. Die
Eingliederung zeigt sich insbesondere darin, dass er hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem
umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. statt vieler BAG, AP Nr. 42 zu § 611 BGB - Abhängigkeit; Neumann/Pahlen
SGB IX, 11. Auflage, § 138 Rn. 9).
48
Für das Bestehen einer Arbeitnehmereigenschaft hat zum einen der Kläger nichts vorgetragen. Die bloße Behauptung, er erbringe in
erheblichem Umfang wirtschaftlich wertvolle Leistung, ist unsubstantiiert. Darüber hinaus ist dem auch gerade nicht so. Die Beschäftigung
des Klägers in der Werkstatt der Beklagten ist vor allem durch Gesichtspunkte der Beschäftigung, Betreuung, Förderung und Rehabilitation
geprägt. Die Arbeitsleistung, die der Kläger erbringt, ist nicht maßgeblich für seinen Aufenthalt und seine Beschäftigung in der Werkstatt.
Dass sie auch nicht von wirtschaftlich maßgeblicher Bedeutung ist, zeigt sich daran, dass der Kläger lediglich das vorgeschriebene
Mindestmonatsentgelt von 76,00 EUR plus 50,00 EUR erhält, mehr aber nicht. Die Tätigkeit des Klägers wird unter dem Gesichtspunkt der
Rehabilitation durch das Landratsamt O. gefördert, nicht jedoch als begleitete Arbeitsleistung eines behinderten Menschen (siehe
Kossens/von der Heide/Maasz, SGB IX, 2. Auflage, § 138 Rn. 2).
49
Dass der Kläger wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringt, ist kein Kennzeichen für ein
Arbeitsverhältnis, sondern Aufnahmevoraussetzung nach § 136 Abs. 2 S. 1 SGB IX für eine Werkstatt für behinderte Menschen. Ein
Arbeitsverhältnis liegt erst dann vor, wenn der Kläger wie ein Arbeitnehmer auch in quantitativer Hinsicht wirtschaftlich verwertbare
Leistungen erbringt, also der Hauptzweck seiner Beschäftigung das Erbringen wirtschaftlich verwertbarer Leistungen ist und nicht der Zweck
des § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, nämlich die Ermöglichung einer angemessenen Beschäftigung Vordergrund des Aufenthalts in der WfbM ist.
50
Auch aus § 138 Abs. 1 SGB IX ergibt sich, dass der Gesetzgeber selbst für den Regelfall davon ausgeht, dass behinderte Menschen im
Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis tätig werden. Das Vorliegen eines
Arbeitsverhältnisses ist - wie sich aus dem Nebensatz „wenn sie nicht Arbeitnehmer sind“ ergibt - die Ausnahmeregelung, welche ggf. auch
vom Kläger zu beweisen wäre (So auch Rühle, Kündigung der Werkstattverhältnisse von Schwerbehinderten, DB 2001 S. 1364, 1365).
51
Zwar mag der Kläger den Weisungen der betreuenden Mitarbeiter der WfbM der Beklagten unterliegen. Anders als bei einem Arbeitnehmer
ist jedoch die (behinderungsbedingte) Missachtung von Weisungen für den Kläger folgenlos, weil er auch gerade wegen dieser
Einschränkung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden kann, sondern eine Beschäftigung in der WfbM gefunden hat.
52
Da es für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses keine vom Kläger vorgetragenen oder sonst greifbaren objektiven Anhaltspunkte gibt, ist
davon auszugehen, dass der Kläger in der Werkstatt der Beklagten nicht als Arbeitnehmer, sondern als arbeitnehmerähnliche Person tätig
wird, um den Zweck des § 136 Abs. 1 SGB IX zu erfüllen, wonach die behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung
nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, in der Werkstatt für Behinderte eine Beschäftigung zu einem ihrer
Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis ermöglicht wird.
53
b) Darüber hinaus ist die Kündigung des Werkstattverhältnisses durch den Beklagten auch wirksam zum 29.02.2008.
54
aa) Das Werkstattverhältnis ist ein Rechtsverhältnis eigener Art. Es verpflichtet einerseits die Beklagte, zugunsten des Klägers
Leistungen im Sinne des § 136 Abs. 1 SGB IX zu erbringen, andererseits aber auch den Kläger, im Rahmen der Möglichkeiten, die ihm
seine Behinderung gibt, gewisse Arbeitsleistungen zu erbringen. Durch die Klassifizierung dieses Rechtsverhältnisses als ein
arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis durch § 138 Abs. 1 SGB IX ist bezüglich des Inhaltes dieses Rechtsverhältnisses nur
ausgesagt, dass bestimmte Schutzgesetze wie beispielsweise das Bundesurlaubsgesetz, welche auch für arbeitnehmerähnliche
Personen gelten, auch auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten Anwendung findet. Die eigentlichen
Hauptleistungspflichten ergeben sich daraus nicht, sondern diese ergeben sich aus dem Zweck der Beschäftigung in einer WfbM und
damit aus § 136 SGB IX.
55
Das Rechtsverhältnis des Klägers zu der Beklagten lässt sich daher als ein Rechtsverhältnis beschreiben, bei dem eine wechselseitige
Erbringung bestimmter Dienste im Vordergrund steht. Für die Beklagte besteht die Verpflichtung, gegenüber dem Kläger
Dienstleistungen im Rahmen der Zweckbestimmung der Werkstatt für behinderte Menschen, wie sie sich aus § 136 Abs. 1 SGB IX ergibt,
zu erbringen. Für den Kläger wiederum besteht die Verpflichtung, im Rahmen seiner Möglichkeiten im Zusammenhang mit den
Arbeitsaufgaben in der WfbM Arbeitsleistung zu erbringen. Daher ist es gerechtfertigt, auf das Rechtsverhältnis des behinderten
Menschen zur WfbM die Gedanken dies Dienstvertragsrechts nach § 611 ff BGB heranzuziehen.
56
bb) Daraus ergibt sich, dass die Beklagte berechtigt war, wegen der Einstellung der Förderungsleistungen durch das Landratsamt die
Werkstattverhältnis außerordentlich auf den Tag des Wegfall der Leistungen nach § 626 BGB zu kündigen. Der Wegfall der
Sozialleistungen durch den Aufhebungsbescheid des Landratsamtes O. beendet das Werkstattverhältnis der Parteien nicht automatisch.
Es stellt jedoch einen außerordentlichen Kündigungsgrund in Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB dar.
57
Da eine WfbM nicht kostendeckend arbeiten kann, ist es erforderlich, dass die Beklagte für die Leistungen, die sie gegenüber dem
Kläger erbringt, von den Rehabilitationsträgern, hier dem Landratsamt O., Leistungen erhält. Das vom Kläger zu erbringende
Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung reicht nicht aus, um die Kosten, die insbesondere durch entsprechendes
Betreuungspersonal in einer Werkstatt für behinderte Menschen anfallen, überhaupt zu decken. Die Finanzierung der Dienstleistung,
die die Beklagte gegenüber dem Kläger erbringt, geschieht daher im Wesentlichen über die Sozialleistungen der Rehabilitationsträger.
58
Durch die Einstellung der Gewährung von Sozialleistungen für die Beschäftigung des Klägers in der WfbM der Beklagten durch den
Bescheid des Landratsamtes O. vom 25.02.2008 sind die wesentlichen finanziellen Grundlagen für eine Beschäftigung des Klägers in
der WfbM entfallen. Ob diese Leistung nun in Bezug auf die Person des Klägers monatlich 1.000,00 EUR oder weniger beträgt, braucht
nicht weiter vertieft zu werden. Der Kläger selbst stellt nicht in Abrede, dass die Beklagte für die Beschäftigung des Klägers jedenfalls
einen namhaften Betrag vom Landratsamt erhält.
59
Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, ihre Dienstleistungen für den Kläger im Sinne des § 136 Abs. 1 SGB IX zu erbringen, wenn sie
hierfür keine adäquate Gegenleistung, die hier aufgrund der Besonderheiten durch den Sozialleistungsträger erfolgen, erhält. Die
Beklagte wäre in diesem Fall gehalten, die Dienstleistungen durch die entsprechende Beschäftigung des Klägers auf eigene Kosten zu
erbringen. Das ist hier unter Abwägung aller maßgeblichen Interessen nicht zuzumuten. Dabei kann dahingestellt bleiben, welche
Kündigungsfrist auf das Werkstattverhältnis Anwendung findet. Selbst wenn man zugunsten des Klägers hier davon ausginge, dass
lediglich die kürzere Kündigungsfrist des § 621 BGB anzuwenden wäre, da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt, so müsste die
Beklagte gleichwohl den Kläger wenigstens für einen Monat ohne entsprechende „Gegenleistung“ - besser Refinanzierung - durch den
Sozialleistungsträger beschäftigen. Die Beklagte hat im Verhandlungstermin vor der Kammer überzeugend dargelegt, dass dies
letztendlich nur auf Kosten der übrigen bei ihr beschäftigten behinderten Menschen möglich ist, da außer den Sozialleistungen und dem
erzielten Arbeitsentgelt der Werkstatt für Behinderte der Beklagten keine anderen Einnahmemöglichkeiten zur Verfügung stehen und
eine Weiterbeschäftigung des Klägers bei ausbleibender Eingliederungshilfe durch den Sozialleistungsträger letztendlich dazu führt,
dass den anderen beschäftigten Menschen in der Werkstatt für Behinderte ihr Arbeitsentgelt gekürzt werden müsste.
60
Dass der Wegfall der Förderung durch den Sozialleistungsträger ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein kann, ergibt sich
auch im Gegenschluss aus § 137 Abs. 2 SGB IX. Danach haben behinderte Menschen einen Anspruch auf Beschäftigung in der WfbM,
solange sie die Aufnahmevoraussetzungen des § 137 Abs. 1 SGB IX erfüllen. Dazu gehört als Voraussetzung, dass Leistungen durch
den Rehabilitationsträger gewährleistet sind. Fallen aber dann die Leistungen durch den Rehabilitationsträger weg, so entfällt dann
auch der Beschäftigungsanspruch der behinderten Menschen in der WfbM. Das zeigt, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass
einer WfbM nicht zuzumuten ist, ohne entsprechende Rehabilitationsleistungen behinderte Menschen zu beschäftigen. Das Vorliegen
einer schweren schuldhaften Vertragspflichtverletzung (so aber Rühle, DB 2001 S. 1364 - Kündigung der Werkstattverhältnisse von
Schwerbehinderten, S. 1366) ist nicht erforderlich. So wie ein Arbeitnehmer das Recht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses
hat, wenn sein Arbeitgeber, gleich aus welchen Gründen, nicht in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Vergütung zu zahlen, weil es
dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten ist, ohne Entgelt bei diesem Arbeitgeber zu arbeiten, ist es umgekehrt auch der Beklagten nicht
zuzumuten, ihre Dienstleistungen für den Kläger in Form der Leistungen des § 136 SGB IX zu erbringen, wenn sie hierfür keine
Refinanzierung über die Sozialleistungsträger erhält. Die von Rühle vertretene Auffassung, ein schweres schuldhaftes vertragswidriges
Verhalten des behinderten Menschen sei nur ein Kündigungsgrund, geht insoweit auch an den Realitäten vorbei, weil infolge von
Behinderungen wie der des Klägers schwere schuldhafte vertragswidrige Verhaltensweisen praktisch ausgeschlossen sind, da die
Verhaltensweisen des Klägers, die dazu geführt haben, dass das Landratsamt angenommen hat, er sei nicht mehr werkstattfähig,
Bestandteil seiner Behinderung sind und aus diesem Grunde nicht als schwere schuldhafte Vertragsverstöße angesehen werden
können.
61
cc) Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob er noch werkstattfähig ist oder nicht, kommt es daher nicht an.
62
Wie bereits das LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 16.1.2008 - 8 Sa 506/07) zutreffend entschieden hat, kann auch der Wegfall der
Rehabilitationsleistungen für sich genommen ein Grund zur Kündigung des Werkstattverhältnisses darstellen. Selbst wenn der
Sozialleistungsträger zu Unrecht angenommen hätte, dass die Werkstattfähigkeit des Klägers entfallen ist, läge gleichwohl für die
Beklagte ein Kündigungsgrund für das Werkstattverhältnis mit dem Kläger vor, weil es ihr auch dann, wenn der Kläger entgegen der
Annahme des Sozialleistungsträgers weiter werkstattfähig sein sollte, nicht zuzumuten ist, ihn ohne entsprechende Eingliederungshilfe
und damit ohne entsprechende Refinanzierung ihrer Aufwendungen für die Beschäftigung des Klägers weiterhin in ihrer Werkstatt zu
beschäftigen und zu betreuen.
63
c) Aus diesem Grunde war das vorliegende Verfahren auch nicht auszusetzen bis zum Abschluss des Rechtsstreits, den der Kläger beim
Sozialgericht Freiburg gegen den Aufhebungsbescheid vom 25.02.2008 anhängig gemacht hat. Der Rechtsstreit wäre nur auszusetzen
gewesen, wenn die Frage des Kündigungsgrundes davon abhängt, ob das Landratsamt O. die Eingliederungsbeihilfe zu Recht unter der
Prämisse der fehlenden Werkstattfähigkeit des Klägers aufgehoben hat oder nicht. Darauf kommt es jedoch, wie oben dargestellt, nicht an,
denn es reicht als Grund für eine außerordentliche Kündigung des Werkstattvertrages aus, dass der Sozialleistungsträger die Leistungen
nicht mehr gewährt. Im Übrigen würde eine Aussetzung des Rechtsstreites das Risiko, dass der keinen Bestand hat, in unangemessener
Weise auf die Beklagte verlagern. Sollte sich nämlich nach einer unter Umständen nicht unerheblichen Prozessdauer ergeben, dass die
Aufhebungsentscheidung des Landratsamtes O. vom 25.02.2008 aufzuheben ist, so wäre die Beklagte für die bis dahin nicht erfolgte
Beschäftigung des Klägers in der WfbM Annahmeverzugs- oder Schadenersatzansprüchen durch den Kläger ausgesetzt. Im Übrigen würde
eine Aussetzung auch dem Beschleunigungsgrundsatz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens widersprechen. Sollte sich der
Aufhebungsbescheid des Landratsamtes O. als fehlerhaft herausstellen, hat der Kläger ab diesem Zeitpunkt nach § 137 Abs. 2 SGB IX einen
neuen Beschäftigungsanspruch gegen die Beklagte, sodass ihm aus dem Umstand, dass das vorliegende Verfahren nicht ausgesetzt wird,
kein Nachteil droht.
64
d) Die Parteien haben auch keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung über die Kündigungsmöglichkeiten der
Beklagten getroffen.
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aa) Soweit sich der Kläger hierzu auf § 9 Abs. 3 des Musterwerkstattvertrages, den die Beklagte seinem Prozessbevollmächtigten
übersandt hat, beruft, folgt das Gericht dem nicht. Zum einen ist der Musterwerkstattvertrag aus dem Jahre 2007 (AS 38 ff. d.
erstinstanzlichen Akte) zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Der Kläger wird aufgrund eines mündlichen Vertrages von dem
Beklagten in der WfbM beschäftigt. Eine spätere Vertragsänderung oder eine Vereinbarung entsprechend dem Mustervertrag ist
zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Die Beklagte hat zwar dem Klägervertreter auf dessen Anforderung hin den
Werkstattvertrag 2007 bei Gelegenheit übersandt. Dieser ist jedoch weder von ihr noch von dem Betreuer des Klägers an der dafür
vorgesehenen Stelle unterzeichnet worden, sodass eine Änderung des zunächst vor vielen Jahren mündlich abgeschlossenen
Werkstattvertrages nicht vorgenommen worden ist. Aufgrund der dafür vorgesehenen Felder für die Unterschriften des
Werkstattvertreters bzw. des Beschäftigten oder seines rechtlichen Vertreters ist davon auszugehen, dass die Beklagte entsprechend §
158 BGB einen solchen Vertrag nur schriftlich abschließen will. Daran fehlt es hier offensichtlich. Im Übrigen ist die bloße Übersendung
zur Information des Klägervertreters durch einen Mitarbeiter der Beklagten noch kein Angebot auf Abschluss eines solchen Vertrages,
schon gar nicht den mündlichen Abschluss eines solchen Vertrages.
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bb) Selbst wenn der Vertrag gelten würde, so ergäbe sich aus § 9 Abs. 3 nichts anderes als aus der gesetzlichen Regelung. Eine
Verschärfung der Kündigungsmöglichkeiten oder ein Ausschluss der Kündigungsmöglichkeiten ist hierin nicht zu sehen.
67
§ 9 Abs. 3 lautet:
68
„Die Werkstatt kann das Vertragsverhältnis nur dann kündigen, wenn die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in der WfbM nicht
mehr gegeben sind (§ 137 SGB IX) und der Kostenträger die Kostenzusage zurückgenommen hat.“
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Der Vertrag ist insoweit missverständlich, als hier als Voraussetzung für eine Kündigung einerseits der Wegfall der Voraussetzungen für
die Beschäftigung in der WfbM angenommen wird unter Verweis auf § 137 SGB IX und zusätzlich der Kostenträger die Kostenzusage
zurückgenommen haben muss. Die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in der WfbM nach § 137 SGB IX entfallen jedoch auch
dann, wenn gerade der Kostenträger - gleich aus welchen Gründen - die Kostenzusage zurückgenommen hat. Insoweit ist dieses
Merkmal in § 9 Abs. 3 des Vertrages doppelt aufgeführt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist daraus jedoch nicht zu schließen, dass
die Parteien zwingend vereinbart haben wollten, dass auch die Werkstattfähigkeit des Klägers entfallen sein muss. Vielmehr ist die
Regelung so zu verstehen, dass eine Kündigung ausgeschlossen ist, wenn der Kostenträger die Kostenzusage nicht zurückgenommen
hat. Hat er sie jedoch zurückgenommen, ist die Kündigung möglich. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte sich verpflichten
wollte, einen behinderten Menschen in ihrer Werkstatt zu beschäftigen, für den sie keine Kostenerstattung durch den Kostenträger
erhält.
70
e) Da der Kläger, wie oben dargelegt, kein Arbeitnehmer, sondern eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 138 Abs. 1 SGB IX ist,
bedarf die Kündigung keiner vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX, da diese Vorschrift nur für Arbeitsverhältnisse
gilt. Die Annahme des Arbeitsgerichts Koblenz, nach 15 Jahren wandle sich ein Werkstattverhältnis in ein Arbeitsverhältnis um, wird, soweit
ersichtlich, in der Fachliteratur von niemanden geteilt und entbehrt auch jeder rechtlichen Grundlage. § 85 SGB IX setzt das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses voraus. Auf arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnisse ist er nicht anzuwenden, daher auch nicht auf das
Werkstattbeschäftigungsverhältnis des Klägers mit der Beklagten (Kossens SGB IX, § 85, Rn. 13; Rühle, DB 2001 S. 1364, 1365).
71 2. Aus den genannten Gründen ist auch der Klagantrag Ziffer 2 unbegründet. Zwischen den Parteien besteht weder ein Arbeitsverhältnis noch
besteht ein irgendwie geartetes Rechtsverhältnis über den 28.02.2008 hinaus fort, da die außerordentliche Kündigung des
Werkstattverhältnisses durch die Beklagte entsprechend den obigen Ausführungen rechtmäßig war und das Werkstattverhältnis zum 29.02.2008
beendet hat.
72 3. Auch den Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes - gemeint ist wohl eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG - hat das Arbeitsgericht
zu Recht zurückgewiesen und auch hiergegen ist die Berufung des Klägers daher unbegründet. Zugunsten des Klägers mag davon
ausgegangen werden, dass aufgrund von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AGG er als arbeitnehmerähnliche Person auch in den persönlichen
Geltungsbereich des AGG fällt.
73 Ein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG setzt einen Verstoß gegen die Benachteiligungsverbote des AGG voraus. Nach
§ 3 Abs. 1 AGG ist dafür Voraussetzung, dass eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung erfolgt ist. Das
wiederum verlangt, dass er eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren hat
oder erfahren würde.
74 An beidem fehlt es hier. Zum einen hat die Beklagte die Kündigung darauf gestützt, dass das Landratsamt O. die Rehabilitationsleistungen für
den Kläger eingestellt hat. Die fehlende Werkstattfähigkeit des Klägers, die Folge seiner Behinderung ist, war nicht Auslöser der Entscheidung
der Beklagten, sondern allenfalls Auslöser der Entscheidung des Landratsamtes O., die Sozialleistungen einzustellen. Darüber hinaus ist der
Kläger auch nicht schlechter behandelt worden als andere vergleichbare behinderte Menschen in seiner Lage. Wenn der Kläger sich darauf
beruft, dass die Beklagte vor vielen Jahren gegenüber dem Mitarbeiter T. keine Maßnahmen ergriffen, insbesondere, das Werkstattverhältnis
nicht gekündigt habe, so trägt dieser Vergleich die vom Kläger behauptete benachteiligende Behandlung wegen seiner Behinderung nicht. Der
Mitarbeiter T. ist kein der Situation des Klägers vergleichbarer Mitarbeiter. Dass auch dieser aufgrund seiner Behinderung möglicherweise
werkstattunverträgliche Verhaltensweisen zeigt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist für den Mitarbeiter T. nicht die Sozialleistung eingestellt
worden, sodass die Situation des Klägers mit der des von ihm herangezogenen Mitarbeiters T. dem gegenüber er angeblich benachteiligt
worden ist, wegen seiner Behinderung nicht verglichen werden kann.
75 Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Kündigung eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung wäre, so wäre es
jedoch eine nach § 8 AGG ausnahmsweise gerechtfertigte Benachteiligung. Wie oben ausgeführt, ist es der Beklagten nicht zuzumuten, den
Kläger über einen möglicherweise erheblichen Zeitraum hinaus zu beschäftigen, ohne dass sie die entsprechenden Sozialleistungen des
Landratsamtes O. für die Beschäftigung des Klägers erhält. Wie bereits dargelegt, ist die Beklagte auf die entsprechenden Sozialleistungen
angewiesen, da die Einnahmen, die sie aus der Werkstatt selbst erzielt, bei weitem nicht in der Lage sind, die anfallenden Kosten, insbesondere
für das Werkstattpersonal, zu decken und darüber hinaus die aus der Werkstatt erzielten Einnahmen auch den Mitarbeitern als Entgelt für ihre
geleistete Tätigkeit zumindest in symbolischer Weise zugute kommen soll. Dieses System, auf dem die Funktionsweise einer WfbM beruht, würde
nicht funktionieren, wenn die Beklagte gezwungen wäre, behinderte Menschen in ihrer Werkstatt zu beschäftigen, für die sie die notwendigen
Sozialleistungen nicht erhält. Die Funktionsweise und das Funktionieren der Werkstatt für behinderte Menschen, die aufgrund ihrer
Zwecksetzung nach § 136 SGB IX ein wichtiges öffentliches Interesse zugunsten aller behinderten Menschen darstellt, würde ggf. die Kündigung
des Klägers auch dann, wenn sie eine Benachteiligung wegen der Behinderung wäre, rechtfertigen.
76 Im Übrigen ist die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches, zu der der Kläger selbst auch nichts vorträgt, abwegig. Darauf hat
das Arbeitsgericht auch schon zu Recht hingewiesen.
77 Aus den genannten Gründen war die Berufung daher zurückzuweisen.
III.
78 Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
79 Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht, da es sich im vorliegenden Fall um eine Einzelfallentscheidung in Bezug auf die Person des
Klägers handelt.