Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

KG Berlin: treu und glauben, fristlose kündigung, vermieter, inventar, wegnahme, beendigung, eigentum, besitzer, gaststätte, auflage

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 91/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 558 Abs 1 BGB, §
558 Abs 1aF BGB, § 985 BGB
Gaststättenpachtvertrag: Eigentumsherausgabeanspruch einer
Brauerei an sicherungsübereignetem Gaststätteninventar,
Verjährung und treuwidrige Geltendmachung nach
Neuvermietung
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt
wird, dass die Klägerin während des zur Zeit laufenden Mietverhältnisses nicht
verpflichtet ist, die Herausgabe der in den Gewerberäumen W. (ehemalige Gaststätte
„B. F.“) und W. (ehemalige Gaststätte „K.“) in ... B. befindlichen Restauranttresen und
des weiteren Inventars gemäß Angebot der Firma M. vom 4. November 1995 (Nr. 11512)
an die Beklagte zu dulden.
2. Die Beklagte hat die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 12. Januar 2004 verkündete Urteil
der Kammer für Handelssachen 99 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
Das Landgericht habe die Vorschrift des § 558 BGB a.F. fehlerhaft angewandt.
Ergänzend trage sie vor, dass sie vor der Einbringung der Gegenstände in die Räume
Sicherungseigentümerin geworden sei und der Klägerin kein Vermieterpfandrecht
zustehen könne. Das Inventar bestehe auch aus beweglichen Gegenständen, die nicht
mit dem Mietobjekt körperlich fest verbunden seien.
Als Sicherungseigentümerin habe sie einen Herausgabeanspruch gegen die Klägerin
gemäß § 985 BGB.
In der Rechtsprechung und Literatur bestehe Einigkeit, dass die kurze
Verjährungsvorschrift grundsätzlich auf die Ansprüche des Eigentümers, der vom
Vermieter oder Vermieter verschieden ist, nicht anzuwenden ist. Die Anwendung der
kurzen Verjährungsvorschrift auf Dritte werde nur dann angenommen, wenn diese in den
Schutzbereich des Vertragsverhältnisses einbezogen seien, oder wenn zwischen
Eigentümer und Vermieter eine enge wirtschaftliche Verflechtung bestanden habe.
Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.
Darüber hinaus habe das Landgericht übersehen, dass sich die Vorschrift des § 558 Abs.
2 BGB nicht auf einen auf Eigentum gestützten Herausgabeanspruch, sondern auf das
Wegnahmerecht des Mieters stütze.
Da zwischen den Gegenständen, die mit der Mietsache verbunden seien und dem
unbefestigten Inventar zu unterscheiden sei, hätte dem Klageantrag ohnehin nicht
uneingeschränkt stattgegeben werden dürfen.
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Die Beklagte beantragt,
das am 12. Januar 2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 99
des Landgerichts Berlin abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
Die Beklagte hätte auch als Eigentümerin zu keinem Zeitpunkt einen
Herausgabeanspruch gehabt. Durch Einbringen der Sachen in die Mieträume sei der
dingliche Herausgabeanspruch durch einen dinglichen Anspruch auf Duldung der
Wegnahme ersetzt worden. Dieser Anspruch unterliege der kurzen Verjährung des § 558
BGB.
Zumindest aber finde § 558 BGB entsprechend Anwendung.
Unerheblich, sei, ob das Inventar wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden sei.
II.
Die Berufung war mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.
Der von der Klägerin geltend gemachte Feststellungsanspruch ist jedenfalls insoweit
begründet, als die Beklagte während des zurzeit laufenden Mietverhältnisses gehindert
ist, gegenüber dem derzeitigen Mieter einen Herausgabeanspruch geltend zu machen.
Sobald dieses Mietverhältnis beendet ist, ist die Klägerin verpflichtet, der Beklagten
hiervon Mitteilung zu machen, damit diese vor Neuvermietung Gelegenheit hat,
gegenüber der Klägerin die Herausgabe der streitgegenständlichen Gegenstände zu
verlangen.
Hierzu im Einzelnen:
Die Beklagte hat grundsätzlich gegenüber dem jeweiligen Besitzer der
streitgegenständlichen Gegenstände einen Anspruch auf Herausgabe gemäß § 985
BGB.
Die Beklagte ist aufgrund Übereignungsnachtragsvereinbarung vom 19. Juli 1996
Sicherungseigentümerin des streitgegenständlichen Inventars. Dieses Eigentum ist nicht
aufgrund Einbaus in die Mieträume Eigentum der Klägerin geworden. Gemäß § 95 Abs. 2
BGB gehören Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude
eingefügt sind, nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes. Ein Wille, die Verbindung nur
zu einem vorübergehenden Zweck vorzunehmen, ist in der Regel zu bejahen, wenn der
Verbindende in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechts wie etwa eines
Mietrechts handelt (Palandt-Heinrichs, 63. Auflage, § 95 Rdnr. 3). Steht allerdings
zwischen den Parteien - etwa aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung - fest, dass der
Gebäudeeigentümer nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses die Sache
übernehmen soll, ist kein vorübergehender Zweck anzunehmen. Gemäß § 18 Ziffer 2
des Mietvertrages vom 1. Februar 1996 ist der Mieter berechtigt, die von ihm in den
Mieträumen geschaffenen Einrichtungen wegzunehmen, wobei allerdings der Vermieter
verlangen kann, dass diese Einrichtungen im Mietobjekt verbleiben. Aufgrund dieser
Vereinbarung steht jedenfalls nicht fest, dass der Gebäudeeigentümer nach Beendigung
des Nutzungsverhältnisses die Sache übernehmen soll. Es ist daher davon auszugehen,
dass der Mieter die Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck vornehmen
wollte.
Besitzer des streitgegenständlichen Inventars ist der derzeitige Mieter der
Gewerberäume W. und ... (vormals Gaststätte „B. F.“ und K.“).
Der Herausgabeanspruch der Beklagten hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin
nicht mit Einbringen der Sachen in die Mieträume in einen dinglichen Anspruch auf
Duldung der Wegnahme verwandelt. Für diese Rechtsauffassung gibt es keinerlei
rechtliche Grundlage. Vielmehr bestand mit Einbringen der Sachen in die Mieträume ein
Herausgabeanspruch der Beklagten als Eigentümerin gegen den besitzenden Mieter
gemäß § 985 BGB. Zugleich hatte der Mieter gemäß § 547 a BGB a.F. gegen die Klägerin
als Vermieterin ein Wegnahmerecht, das nach Rückgabe der Räume in einen Anspruch
auf Gestattung der Wegnahme überging (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und
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auf Gestattung der Wegnahme überging (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und
Wohnraummiete, 3. Auflage, V.B Rdnr. 253).
Der in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts dargelegten
Rechtsauffassung, wonach der Herausgabeanspruch der Beklagten gegenüber dem
jeweiligen Besitzer gemäß § 558 BGB a.F. innerhalb von sechs Monaten nach
Beendigung des Mietverhältnisses und damit am 19. Januar 2002 verjährt sei, kann nicht
gefolgt werden.
Bereits der Wortlaut des § 558 BGB a.F. spricht gegen die vom Landgericht vertretene
Rechtsauffassung. Gemäß § 558 BGB a.F. verjähren Ansprüche des Mieters auf Ersatz
von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung in sechs
Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.
Weder handelt es sich bei dem von der Beklagten geltend gemachten Anspruch um
einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer
Einrichtung, noch handelt es sich bei der Beklagten um eine Mieterin. Zwar ist der
Anwendungsbereich von § 558 BGB a.F. nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes weit zu fassen (BGH, NJW 1997, 1983), darf aber als
Ausnahmevorschrift von den allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 194 ff BGB nicht
ausdehnend ausgelegt werden (BGH, NJW 1975, 2103).
Nur in einigen wenigen, eng umgrenzten Fällen hat der Bundesgerichtshof daher den
Anwendungsbereich von § 558 BGB auf Ansprüche gegen Dritte erweitert. Vorliegend
handelt es sich aber nicht um einen Anspruch gegen einen Dritten, sondern um den
Anspruch eines Dritten gegen den Vermieter bzw. den jeweiligen Mieter des Vermieters.
Das heißt, das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht eines Dritten würde bei einer
entsprechenden Anwendung des § 558 BGB a.F. eine nicht zu rechtfertigende
Einschränkung erfahren.
Zudem liegen aber auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen der
Bundesgerichtshof eine entsprechende Anwendung von § 558 BGB a.F. als gerechtfertigt
ansieht, nicht vor.
Weder ist die Beklagte als Dritte in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen
(BGHZ 71, 175), noch wird ein Anspruch aus abgetretenem Recht geltend gemacht
(BGHZ 54, 264), noch liegt eine wirtschaftlich enge Verbundenheit zwischen Eigentümer
und Vermieter bzw. Mieter (BGHZ 116, 293) vor.
Der geltend gemachte Feststellungsanspruch ist aber insoweit begründet, als die
Beklagte gehindert ist, während des derzeit bestehenden Mietverhältnisses einen
Herausgabeanspruch gegenüber dem derzeitigen Mieter geltend zu machen. Der
Geltendmachung des Herausgabeanspruchs während des bestehenden
Mietverhältnisses steht § 242 BGB entgegen. Die Klägerin hat die Beklagte unmittelbar
nach der fristlosen Kündigung vom 18. Juli 2001, nämlich mit Schreiben 23. Juli 2001 über
die fristlose Kündigung informiert und diese gebeten mitzuteilen, ob sie von ihrem
Mieteintrittsrecht Gebrauch macht. Die Beklagte wusste demzufolge genau, dass das
streitgegenständliche Inventar in den Besitz eines anderen Mieters übergehen würde.
Nicht nur dass die Beklagte dies wusste, sie wollte dies auch. Dies ergibt sich aus dem
unstreitigen Vortrag der Klägerin, wonach Vertreter der Beklagten mehrfach versuchten,
die jeweiligen Mieter unter Hinweis auf eine nicht existente, das Inventar betreffende
Herausgabeklage zum Abschluss eines Bierlieferungsvertrages zu bewegen. Das
Vorhaben, einen Bierlieferungsvertrag an den Mann bzw. den jeweiligen Mieter zu
bringen, wäre von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, wenn das Inventar nicht
in den Gewerberäumen verblieben wäre.
Das heißt, die Beklagte hat, obgleich es ihr möglich gewesen wäre, davon abgesehen,
die Herausgabe des Inventars zu verlangen, als es für die Klägerin noch ohne Schaden
möglich gewesen wäre, weil sie die Hoffnung hatte, weitere Bierlieferungsverträge
abschließen zu können. Nach Treu und Glauben ist sie verpflichtet, ihr
Herausgabeverlangen so lange zurückzustellen, so lange die Gewerberäume vermietet
sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO, wobei es entscheidend hier
darauf ankommt, dass die Beklagte zur Herausgabe auf nicht absehbare Zeit nicht
berechtigt ist und deshalb ein entsprechendes Verlangen auch nicht gerichtlich
durchsetzen könnte. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
34 Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz
1 ZPO.
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