Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

KG Berlin: abmahnung, verfügung, internetadresse, link, quelle, sammlung, wiederholungsgefahr, wettbewerbsrecht, abgabe, erlass

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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 85/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 93 ZPO, § 97 UrhG, § 12 Abs 1
S 1 UWG
Urheberrecht: Abmahnung betreffend die Verwendung eines
mehrseitigen Textes „in voller Länge und/oder in Teilen";
Unterlassungserklärung beschränkt auf die Verwendung des
Textes in voller Länge
Leitsatz
Eine auf die Verletzung von Urheberrechten gestützte Abmahnung betreffend die
Verwendung eines mehrseitigen Textes „in voller Länge und/oder in Teilen“ gibt dem
Verletzer regelmäßig nur Anlass zur Abgabe einer auf die konkrete gerügte Verletzungsform
(den mehrseitigen Text in voller Länge) beschränkten Unterlassungserklärung, wenn sich die
Abmahnung zu den einzelnen „Teilen“ (insbesondere ihrer Schutzfähigkeit) nicht näher
verhält. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Verletzten, eine pauschale und materiell-
rechtlich zu weite Verallgemeinerung von sich aus auf den noch eben zulässigen und
begründeten Umfang einzuschränken, jedenfalls wenn dieser nicht ohne weiteres erkennbar
ist.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin werden die Kostenentscheidungen
im Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2006 - 16 O 636/05
- geändert:
a) Die Kostenentscheidung in der einstweiligen Verfügung der Zivilkammer 16
des Landgerichts Berlin vom 6. September 2005 - 16 O 636/05 - wird geändert:
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
b) Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin nach einem Wert von bis
zu 2.500,00 EUR zu tragen.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist in entsprechender Anwendung des §
99 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2006, 264; OLG Hamburg, Beschluss
vom 31. Oktober 2005, 5 W 116/05) und zulässig, § 569 ZPO.
II.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, § 93 ZPO. Die Antragsgegnerin hat sofort anerkannt.
Sie hat der Antragstellerin auch keinen Anlass gegeben, den Antrag auf Erlass der
einstweiligen Verfügung zu stellen.
1. Die Abmahnung der Antragstellerin vom 17.8.2005 (Ast. 4) bezog sich auf den
mehrseitigen Text, den die Antragsgegnerin unter der Adresse „e. –e...de“ unter der
Rubrik „Downloads“ eingestellt hatte. Diese Abmahnung war nur auf urheberrechtliche
Ansprüche gestützt.
a. Soweit die Antragstellerin in dieser Abmahnung eine Unterlassung der Verwendung
des (vollständigen) Textes gefordert hatte, ist dem die Antragsgegnerin mit ihrer
Unterlassungserklärung vom 23.8.2005 (Ast. 5) hinreichend nachgekommen.
b. Soweit die Antragstellerin in der vorgenannten Abmahnung auch eine Unterlassung
der Verwendung „in Teilen“ gefordert hatte, ging dieses Verlangen materiell-rechtlich zu
weit und erforderte auch keine eingeschränkte Unterlassungserklärung der
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weit und erforderte auch keine eingeschränkte Unterlassungserklärung der
Antragsgegnerin auf die noch eben zulässige und begründete Verallgemeinerung des
Unterlassungsbegehrens.
aa. Das Unterlassungsverlangen der Antragstellerin bezog sich uneingeschränkt auf
jeden abgrenzbaren Teil des oben genannten mehrseitigen Textes, mithin auf jedwede
Absätze, Satzgefüge, Einzelsätze, Satzteile bis hin letztlich zu jedem einzelnen Wort,
und zwar auch in den verschiedensten Kombinationen. Da urheberrechtlicher Schutz für
Werkteile nur begründet ist, soweit auch die einzelnen Teile des Werkes ihrerseits eine
hinreichende Schöpfungshöhe aufweisen, stellt sich das Unterlassungsbegehren der
Antragstellerin in weitem Umfang als überzogen dar. Das etwa jedes einzelne Wort oder
auch nur jeder Satzteil, Einzelsatz- oder jedes Satzgefüge Schöpfungshöhe aufweisen
würde, trägt selbst die Antragstellerin nicht vor. Dies liegt auch fern, denn der o.g.
mehrseitige Text erschöpft sich vielfach in einer allgemein gebräuchlichen Darstellung
sachlicher Gegebenheiten einer Erbenermittlung.
bb. Die konkrete Verletzungshandlung bestand in der Verwendung des mehrseitigen
Textes in seiner Gesamtheit. Die Untersagung der Verwendung nur einzelner Teile
dieses Textes geht grundsätzlich über die konkrete Verletzungsform hinaus und stellt
eine Verallgemeinerung dar. Eine solche Verallgemeinerung ist im Interesse eines
umfassenden Rechtsschutzes zwar grundsätzlich zulässig. Geht die Verallgemeinerung
aber über das materiell-rechtlich Begründete hinaus, ist es schon nicht Sache des
Gerichtes, diese Verallgemeinerung auf das noch oben Begründete zurückzuführen; es
bleibt dann allenfalls ein Verbot der konkreten Verletzungsform (BGH, GRUR 1998, 489,
492 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III; GRUR 2002, 187, 188 - Lieferstörung;
Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12 Rdn. 2.44).
Ebensowenig kann aber dem Abgemahnten aufgegeben werden, die noch eben
zulässige und begründete Verallgemeinerung aufzufinden und entsprechend eine -
eingeschränkte - Unterlassungserklärung abzugeben. Dies gilt jedenfalls in den
vorliegenden Fallgestaltungen eines pauschal gerügten Urheberverstoßes in einem
mehrseitigen Text, wenn die Verallgemeinerung auf - jedwede - Teile dieses Textes
bezogen ist.
cc. Soweit in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass eine Abmahnung nicht deshalb
wirkungslos wird, weil der Gläubiger darin mehr gefordert habe als ihm zustehe (OLG
Köln, WRP 1988, 56; OLG Hamburg, WRP 1977, 808; Bornkamm, a.a.O., § 12 Rdn. 1.17),
folgt daraus nichts Gegenteiliges. Denn die Verpflichtung des Schuldners, aufgrund der
Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche - gegebenenfalls
eingeschränkte - Unterlassungserklärung zu finden und abzugeben, betrifft grundsätzlich
nur die konkrete Verletzungsform in ihren - unter Umständen verschiedenen - rechtlich
angreifbaren und angegriffenen rechtlichen Aspekten und - allenfalls - voneinander
abgrenzbare und leicht überschaubare Verallgemeinerungen.
Vorliegend war der Bezug auf eine Unterlassung der Verwendung jedweder Teile des
mehrseitigen Textes aber uferlos. Denn er erfasste - wie erörtert - bis hin zu mehreren
hundert unterschiedlichen Abstraktionen (alle Textteile - zudem unterschiedlich
kombiniert). In der Abmahnung hat die Antragstellerin auch nicht im Einzelnen konkrete
Textteile benannt, aus denen sich die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ergeben soll.
2. Mit ihrem Verfügungsantrag vom 30.8.2005 hat die Antragstellerin - wiederum nur
unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten - hinsichtlich des „nachfolgend abgedruckten
Text“ (es) „vollständig und/oder in Teilen“ Unterlassung der Verwendung begehrt. Zwar
war im Antrag der „nachfolgend abgedruckte“ Text nicht dargestellt. Aus der
Anspruchsbegründung folgt allerdings, dass die Antragstellerin jedenfalls eine
Unterlassung der noch immer auf der Homepage „e. –e...de“ der Antragsgegnerin unter
der Rubrik „Berufungsbild“ verwendeten „Teile des Textes“ begehrt hat (Ast. 6).
a. Nicht genannte weitere oder abweichende Verletzungsformen werden von einer
Abmahnung nicht erfasst; sie erfordern eine weitere Abmahnung (OLG Koblenz, GRUR
1981, 671, 674; OLG Stuttgart, WRP 1982, 492; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kapitel 41, Rdn. 15 m.w.N.).
Der Text gemäß Anlage Ast. 6 unterscheidet sich vom mehrseitigen, in der Abmahnung
genannten Text hinsichtlich des Ortes seiner Verwendung und hinsichtlich seines - weit
kürzeren - Inhalts. Er wird deshalb nicht mehr von der in der Abmahnung - wie erörtert -
allein wirksam gerügten konkreten Verletzungsform umfasst. Insoweit war schon deshalb
eine weitere Abmahnung erforderlich. Angesichts der jeweils eigenständig materiell-
rechtlich zu prüfenden Schöpfungshöhe von bloßen Textteilen wird auch die Verwendung
solcher Textteile in der Regel nicht vom Kernbereich der konkreten Verletzungsform
(dem Charakteristischen) mit umfasst, soweit nicht nur - offensichtlich unerhebliche -
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(dem Charakteristischen) mit umfasst, soweit nicht nur - offensichtlich unerhebliche -
Textteile entfernt worden sind. Davon kann vorliegend schon deshalb nicht ausgegangen
werden, weil die Anlage Ast. 6 nur einzelne, wenige Sätze des mehrseitigen Textes
umfasst und in der Abmahnung der Antragstellerin auch nicht im Einzelnen die
Wendungen genannt worden sind, aus denen sich die urheberrechtliche Schutzfähigkeit
ergeben soll.
b. Wenn die Antragstellerin darüber hinaus in der nachfolgenden Antragsfassung im
Schriftsatz vom 2. September 2005 nunmehr - auf Beanstandung des Landgerichts - ein
Verbot von „Teilen“ des verwendeten Textes (Ast. 6) nicht mehr begehrt hat, lag darin
eine teilweise Antragsrücknahme. Insoweit trägt die Antragstellerin die Kosten anteilig
zudem entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
3. Auch hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 2. September 2005 vorgenommenen
Antragserweiterung bezüglich der Verwendung des weiteren Textausschnittes auf der
Internetadresse „a...net“ (Anlage Ast. 7, Ziff. 5) hat die Antragsgegnerin keinen Anlass
zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegeben.
a. Dieser Textausschnitt befand sich wiederum an einem anderen Ort als der
„abgemahnte“ mehrseitige Text und er unterschied sich auch nach der Textlänge
erheblich. Insoweit wird auf die vorstehenden Erwägungen (Ziff. 2 a.) Bezug genommen.
b. Soweit sich die Antragstellerin im Schriftsatz vom 2. September 2005 zudem
nunmehr auf eine unlautere unmittelbare Leistungsübernahme nach § 4 Nr. 9 c UWG
berufen hat, ist ein neuer Streitgegenstand eingeführt worden (vgl. BGH, GRUR 2001,
756, 757 - Telefonkarte; Köhler, a.a.O., § 12 Rdn. 2.23 m.w.N.). Auch insoweit fehlte eine
- gesonderte - Abmahnung.
III.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und zur
Wertfestsetzung beruhen auf § 91 Abs. 1, § 3 ZPO.
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