Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

KG Berlin: geschäftsführer, motiv, stille reserven, arglistige täuschung, widerklage, strafverfahren, halle, brandstiftung, steuerberater, verfügung

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 127/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 61 VVG, § 14 FBUB
Eigenbrandstiftung an Betriebseinrichtung (Autolackiererei)
Leitsatz
Indizienbeweis (2. Brand) und Rückforderung der nach erstem Brand auf
Betriebsunterbrechungsschaden erbrachten Versicherungsleistungen wegen Leistungsfreiheit
aufgrund arglistiger Täuschung über Schadenshöhe (Löhne und Gehälter trotz früherer
Kündigung) .
Ein gewichtiges Indiz für die Eigenbrandstiftung sind vorgetäuschte Einbruchspuren: hier u. a.
Kerbspuren am Fensterrahmen ohne Gegenspuren am Flügelrahmenlängsstück (Innenseite
des Blendrahmens).
Persönliche Bürgschaften und Rangrücktrittserklärungen des Geschäftsführers der VN können
zwar wegen ihrer eigenkapitalersetzenden Wirkung den Tatbestand der Überschuldung der VN
entfallen lassen, stehen einer wirtschaftlichen Krise und der Berücksichtigung der schlechten
wirtschaftlichen Lage der VN als Motiv einer Eigenbrandstiftung durch den Geschäftsführer
jedoch nicht entgegen, sondern verstärken dieses gerade wegen dessen persönlicher
Haftung.
(die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof
unter dem Aktenzeichen: IV ZR 264/06 wurde am 22.7.2009 zurückgewiesen)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. August 2005 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin - 7 O 561/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon abzuwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer wird auf 710.147,11 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin war bei der Beklagten unter anderem gegen Feuer und Einbruchdiebstahl
versichert. In der Geschäftsversicherung waren die Betriebseinrichtung und der
Warenbestand versichert, in der Betriebsunterbrechungsversicherung der
Betriebsgewinn und die Kosten sowie die Gehälter und Löhne der Angestellten und
Arbeiter. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K 1, 2, 8, 21 und die ergänzend
mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.1.2003 überreichten Anlagen verwiesen.
Der Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin (im Folgenden: Geschäftsführer
der Klägerin) ist alleiniger Gesellschafter der Komplementärin und alleiniger
Kommanditist der Klägerin. Die Klägerin betrieb in gemieteten Räumlichkeiten auf dem
Grundstück W... in B... eine Lackiererei. Die Räume befanden sich im zweiten
Obergeschoss eines Gebäudes, in dem außer der Klägerin zwei Autohäuser ansässig
waren. Die Räume der Klägerin waren erreichbar über ein Treppenhaus und mit
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waren. Die Räume der Klägerin waren erreichbar über ein Treppenhaus und mit
Fahrzeugen über eine auf der Rückseite des Gebäudes befindliche Autorampe. Die
Räume bestanden aus zwei mit einem Tor verbundene Hallen. In der einen Halle waren
drei Kabinen abgetrennt. In der mittleren Kabine befand sich die eigentliche
Lackieranlage (Skizzen und Grundrisse Beiakte Bd. III/Bl. 7 R, 31 f., 34). In dieser
Lackieranlage brach am 3. März 1994 und erneut am 12. August 1996 jeweils in den
Abendstunden ein Brand aus. Wegen der Einzelheiten der insoweit im Strafverfahren
ermittelten Umstände wird auf die beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemachten Akten der Staatsanwaltschaft Berlin zum Strafverfahren gegen
den Geschäftsführer der Klägerin 1 Bra Js 4824/96 verwiesen. Der Geschäftsführer der
Klägerin wurde in beiden Fällen von dem Vorwurf der vorsätzlichen Brandstiftung
freigesprochen. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Tiergarten - 216 Ls
89/98 - vom 11. April 2002 konnte hinsichtlich des ersten Brandes die Möglichkeit einer
Selbstentzündung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Hinsichtlich des zweiten
Brandes stand zwar fest, dass dieser durch offenes Feuer unter Zuhilfenahme eines
Brandbeschleunigers verursacht wurde. Nach den Gründen des Urteils beruht der
Freispruch insoweit darauf, dass die wirtschaftliche Situation der Klägerin im Jahre 1996
nicht derart hoffnungslos gewesen sei, dass sie ein Motiv zur Brandverursachung
begründet hätte. Das Amtsgericht hat ihn wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt,
weil er nach dem ersten Brand gegenüber der Beklagten wahrheitswidrig angegeben
habe, einen Teil seiner Mitarbeiter erst zum 31. August 1994 gekündigt zu haben, um
eine Versicherungsentschädigung im Rahmen der Betriebsunterbrechungsversicherung
auch für die Monate Juni bis einschließlich August 1994 zu erhalten. Wegen des weiteren
Vorwurfs des versuchten Betruges im Zusammenhang mit dem zweiten Brand hat ihn
das Amtsgericht freigesprochen. Wegen der Einzelheiten des sofort rechtskräftig
gewordenen Urteils wird auf die Anlage B 1 der Klageerwiderung und Bl. 114 ff. des
Ladungsbandes der Beiakten verwiesen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin Leistungen wegen des Brandes vom
12. August 1996 sowohl hinsichtlich der Geschäftsversicherung als auch hinsichtlich der
Betriebsunterbrechungsversicherung. Mit ihrer Widerklage fordert die Beklagte erbrachte
Leistungen für den Brand vom 3. März 1994 zurück, weil sie vom Geschäftsführer der
Klägerin über die Höhe des Betriebsunterbrechungsschadens arglistig getäuscht worden
und deshalb nach den Versicherungsbedingungen leistungsfrei sei. Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen, weil es die Behauptung der Beklagten, der Geschäftsführer der
Klägerin habe den Brand vorsätzlich herbeigeführt, aufgrund von Indizien für erwiesen
erachtet hat. Der Widerklage hat es hinsichtlich der Rückforderung der Leistungen aus
der Betriebsunterbrechungsversicherung stattgegeben und im Übrigen abgewiesen.
Wegen der Einzelheiten des Tatbestandes, der Anträge und der Entscheidungsgründe
wird auf das angefochtene Urteil vom 16. August 2005 nebst der dort in Bezug
genommenen Schriftsätze der Parteienvertreter nebst Anlagen verwiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Ferner
begehrt sie die vollständige Abweisung der Widerklage.
Sie macht geltend, das Urteil sei aufgrund fehlerhafter Tatsachenfeststellung und
Rechtsanwendung ergangen. Hinsichtlich der Widerklage habe das Landgericht
insbesondere Vorbringen übergangen, mit dem sie der Behauptung der Beklagten, ihr
Geschäftsführer habe die Beklagte über entstandene Lohnkosten für die Monate Juni bis
August 1994 getäuscht, entgegengetreten sei. Hinsichtlich der Klage ist die Klägerin der
Auffassung, die vom Landgericht gewürdigten Indizien seien für den von der Beklagten
zu führenden Beweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch
Eigenbrandstiftung nicht ausreichend. Die Würdigung der Indizien sei auch im Einzelnen
fehlerhaft. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze ihres
Prozessbevollmächtigten vom 6. Dezember 2005 sowie vom 25. April und 11.
September 2006 nebst Anlagen verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie aus der Feuerversicherung 251.646,72 EUR
nebst 8,75 % Zinsen für die Zeit vom 14. August 1996 bis 30. Juni 1997, 5,75 % bis zum
30. April 2000, 5 % über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Mai 2000 bis 31.
Dezember 2001 und 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002, hilfsweise 4 %
seit dem 14. August 1996 zu zahlen;
hilfsweise: einen erststelligen Teilbetrag in Höhe von 83.276,35 EUR aus
251.646,72 EUR an die Firma B... GmbH, L... ., 6... , Kontonummer 8... bei der B... B...
AG, N... F... , Bankleitzahl 5... zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beklagte aus der Feuerversicherung an sie den
Differenzbetrag zwischen Zeitwertschaden (Klageantrag zu1.) und Neuwertschaden in
Höhe von 38.214,47 EUR nebst 8,75 % Zinsen für Zinsen für die Zeit vom 14. August
1996 bis 30. Juni 1997, 5,75 % Zinsen bis zum 30. April 2000, 5 % über dem
Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Mai 2000 bis 31. Dezember 2001 und 8 % über dem
Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002, hilfsweise 4 % seit dem 14. August 1996 zu
zahlen verpflichtet ist, sobald die Klägerin die Verwendung der Entschädigung für die
Neuanschaffung gegenüber der Beklagten nachgewiesen hat;
3. die Beklagte zu verurteilen, aus der Betriebsunterbrechungsversicherung an
sie 277.855,39 EUR nebst 8,75 % Zinsen für die Zeit vom 14. August 1996 bis 30. Juni
1997, 5,75 % bis zum 30. April 2000, 5 % über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Mai
2000 bis 31. Dezember 2001 und 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002,
hilfsweise 4 % seit dem 14. August 1996 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, aus der Einbruchdiebstahlversicherung an sie
16.119,60 EUR nebst 8,75 % Zinsen für die Zeit vom 14. August 1996 bis 30. Juni 1997,
5,75 % bis zum 30. April 2000, 5 % über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Mai 2000
bis 31. Dezember 2001 und 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002,
hilfsweise 4 % seit dem 14. August 1996 zu zahlen;
5. hilfsweise, für den Fall eines geringeren Zeitwerts der Büromöbel zum 12.
August 1996, festzustellen, dass die Beklagte an sie den Differenzbetrag zwischen
Zeitwertschaden und Neuwertschaden an den Büromöbeln, der im Klageantrag zu 4. mit
15.608,21 EUR enthalten ist, nebst 8,75 % Zinsen für die Zeit vom 14. August 1996 bis
30. Juni 1997, 5,75 % bis zum 30. April 2000, 5 % über dem Basiszinssatz für die Zeit
vom 1. Mai 2000 bis 31. Dezember 2001 und 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 1.
Januar 2002, hilfsweise 4 % seit dem 14. August 1996 zu zahlen hat, sobald sie die
Verwendung der Entschädigung für die Neuanschaffung von gleichwertigen Büromöbeln
gegenüber der Beklagten nachgewiesen hat;
6. die Widerklage vollständig abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Schriftsatz vom 27. Juni 2006 verwiesen.
Der Senat hat die Klägerin zunächst durch Beschluss vom 24. Februar 2006, auf dessen
Inhalt verwiesen wird, darauf hingewiesen, dass er die Berufung nicht für begründet
erachtet. Auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 25. April 2006 hat er von der
Klägerin unter anderem die in der Stellungnahme des Steuerberaters P... der
Steuerberatungsgesellschaft H... vom 17. Juli 1998 - eingereicht im Strafverfahren 1 Bra
Js 4824/96 - Beiakte Bd. VIII Bl. 94 ff. - in Bezug genommene betriebswirtschaftliche
Auswertung - BWA - per 30. Juni 1996 angefordert und Termin zur mündlichen
Verhandlung anberaumt.
Die Akten des Strafverfahrens 1 Bra Js 4824/96 Bd. I-X nebst Protokoll- und Ladungsband
sowie Beistücke I und III lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat der Widerklage in dem ausgeurteilten Umfang zu Recht
stattgegeben.
Die Beklagte ist gemäß § 14 FBUB von der Verpflichtung zur Leistung aus der
Betriebsunterbrechungsversicherung frei geworden, weil die Klägerin die Beklagte
arglistig über die Höhe des Betriebsunterbrechungsschadens getäuscht hat, indem sie
durch ihren Geschäftsführer und Repräsentanten dem von der Beklagten mit der
Ermittlung der Schadenshöhe des Betriebsunterbrechungsschadens beauftragten
Sachverständigen B... mit Schreiben vom 23. September 1994 Unterlagen zum
Nachweis der in den Monaten Juni bis August 1994 entstandenen Lohnkosten
übersandte, nämlich - wie von dem Sachverständigen bei seiner
staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 17. April 1998 (Beiakte Bd. VII Bl. 34 ff.) im
Einzelnen bekundet - die Lohnlisten, die Kündigungsschreiben vom 15. August 1996 und
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Einzelnen bekundet - die Lohnlisten, die Kündigungsschreiben vom 15. August 1996 und
die Kopien der Durchschriften der Sammelüberweisungsträger vom 30. Juni 1994, 20. Juli
1994 und 31. August 1994 (Beiakten Bd. VII Bl. 73 ff.). Die Berufungsangriffe gegen die
Zugrundelegung dieses Sachverhalts für die Würdigung des Verhaltens des
Geschäftsführers der Klägerin als arglistige Täuschung greifen nicht durch. Die Beklagte
kann sich für ihre Behauptung auf die Aussage des Sachverständigen B... im
Strafverfahren und auf die dort vorgelegten Unterlagen stützen. Die Klägerin hat die
Behauptung der Beklagten nicht hinreichend und damit nicht wirksam bestritten (§ 138
Abs. 3 ZPO), soweit sie behauptet, die von dem Sachverständigen B... vorgelegten
Unterlagen schon „prospektiv“ im Frühjahr 1994 überreicht zu haben. Ihre
diesbezügliche Behauptung ist unsubstantiiert. Denn sie trägt nicht vor, wer seitens der
Klägerin wann auf welchem Wege diese Unterlagen übergeben haben soll. Schon der
vorgetragene Zeitpunkt der Übergabe ist äußerst vage und widersprüchlich: Nach dem
Vorbringen im Schriftsatz vom 24. April 2003, S. 2, soll es der Zeitraum März/April 1994
gewesen sein, nach dem Vorbringen im Schriftsatz vom 25. April 2006 der Zeitraum
April/Mai 1994. Demgegenüber hat der Geschäftsführer der Klägerin bei seiner
kriminalpolizeilichen Vernehmung vom 10. September 1997 (Beiakte Bd. VI Bl. 120 ff.)
angegeben, im Mai/Juni 1994 habe er von seiner Mitarbeiterin Gering eine Aufstellung
des Lohnausfalls fertigen lassen und an den Sachverständigen übersandt / übergeben.
Insbesondere hat die Klägerin erstinstanzlich nicht konkret vorgetragen, dass sie schon
im Frühjahr 1994 diejenigen Unterlagen übersandt habe, die nach der Aussage des
Sachverständigen B... mit Schreiben vom 23. September 1994 übersandt wurden,
weshalb das Landgericht das Vorbringen der Beklagten zur Übergabe der Unterlagen am
23.9.1994 im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig dargestellt hat (Urteil
S. 6). Wegen der insoweit nicht durchgreifenden Berufungsbegründung und auch wegen
der weiteren Berufungsangriffe gegen die Verurteilung auf die Widerklage wird auf die
Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senates vom 24. Februar 2006 zu Ziffer I.
verwiesen, die der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in
den nachfolgenden Schriftsätzen aufrecht erhält. Insbesondere macht die im Schriftsatz
vom 25. April 2006 nun unter Benennung der Zeugin G... aufgestellte Behauptung, im
April/Mai 1994 seien schon die von ihr bearbeiteten kompletten Lohnunterlagen
einschließlich der Sammelüberweisungsträger an den Sachverständigen B... übersandt
worden, also prospektiv ausgereicht worden, keinen Sinn, soweit es sich um Unterlagen
handelt, die die Funktion des Nachweises der Weiterbeschäftigung und der Zahlung der
Löhne haben. Dies trifft auf die Kündigungsschreiben vom 15. August 1994 und die
Sammelüberweisungsträger zu. Diese Unterlagen haben nicht den Inhalt und den
Zweck, die Höhe der Lohnkosten im Einzelnen darzulegen und aufzuschlüsseln. Sie
sollen vielmehr belegen, dass die Beschäftigungsverhältnisse bis zum Ablauf des Monats
August 1994 angedauert haben und die Lohnkosten in diesem Zeitraum entstanden
sind. Hätte die Klägerin die Kündigungsschreiben vom 15. August 1996 und die Kopien
der Durchschriften der Sammelüberweisungsträger schon vor dem Zeitraum Juni bis
August 1994 übersandt oder übergeben, hätten sie für den Sachverständigen nicht die
Nachweisfunktion haben können, sondern eben nur eine „prospektive“ Vorausschau der
voraussichtlich entstehenden Kosten. Tatsächlich haben die Unterlagen dem
Sachverständigen aber als Kostennachweis gedient. Dies zeigt der Inhalt seines
Gutachtens vom 8. Dezember 1994 (vollständig in der Beiakte Bd. IV Bl. 65 ff. und Bd. VI
Bl. 6 ff.). Dort heißt es:
„Die Facharbeiter waren zur Zeit der Erstellung des Vorbescheides
angabegemäß im Jahresurlaub. Die Mitarbeiter sind mit gleichlautenden Schreiben
gekündigt worden: ...“
Es folgt die Wiedergabe des Inhalts der sechs Kündigungsschreiben gegenüber den
Beschäftigten N... , K... , F... , P... , G... und B... (S. 3 f. des Gutachtens). Sodann heißt es
weiter auf S. 4:
„Nach der am 23. März 1994 gegebenen Auskunft waren die Kündigungsfristen
ganz anders: ...“
Wie sich weiter aus S. 10 des Gutachtens ergibt, dienten die Lohnlisten und die Kopien
der Durchschriften der Sammelüberweisungsträger als Nachweis für die Zahlung der
Löhne:
„3. Löhne und Gehälter
Wie bereits ausgeführt, wurde der Geschäftsführer mehrfach darauf hingewiesen,
dass er schadensmindernd wirken und gegebenenfalls Mitarbeiter entlassen muss.
Der Geschäftsführer weigerte sich, weil er ein eingespieltes Team hat, auf das er
auf keinen Fall verzichten will.
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Erst nachdem die Haftzeit abgelaufen war, kündigte er angabegemäß.
Durch Vorlage von Lohn-Listen für den 1. März bis 31. August 1994 sowie
fotokopierten Durchschriften für den Auftraggeber von Überweisungen wies Herr S...
nach, dass er Löhne und Gehälter sowie das Urlaubsgeld gezahlt hat ...“
Soweit die Klägerin nun mit Schriftsatz vom 11. September 2006 noch darauf hinweist,
dass in der Ermittlungsakte das vom Sachverständigen B... bei seiner Vernehmung vom
17. April 1998 (Protokoll Beiakte Bd. VII Bl. 34 ff.) vorgelegte Schreiben vom 23.
September 1994 nebst Anlagen als Anlage 10 und sodann das vorangegangene
Schreiben des Geschäftsführers an den Sachverständigen vom 17. August 1994 zur
Höhe des Urlaubsgeldes als Anlage 11 (Bl. 89) und anschließend erst die weitere
Aufstellung vom 29. August 1994 als Anlage 12 (dort Bl. 90) zu den Akten genommen
wurde, so liegt dies ausweislich des Inhalts des Vernehmungsprotokolls daran, dass der
Sachverständige bei seiner Vernehmung ergänzend noch die beiden weiteren Schreiben
aus dem August erwähnt und vorgelegt hat. Daraus folgt deshalb nicht, dass die
Klägerin dem Sachverständigen B... das Schreiben vom 23. September 1994 nebst
Anlagen schon vor dem 17. August 1994 übersandte.
Unabhängig davon hätte es dem Geschäftsführer der Klägerin unter Zugrundelegung
ihrer Behauptung über die prospektive Übergabe der Lohnunterlagen schon bis zum 31.
August 1994 im Frühjahr 1994 oblegen, den Sachverständigen unverzüglich nach
Ausspruch der schriftlichen Kündigungen zum 31. Mai 1994 von der Beendigung der
Beschäftigungsverhältnisse zu unterrichten und auch diese Kündigungsschreiben (vgl.
seine Aussage vom 10. August 1997, S. 5, Beiakte Bd. VIII Bl. 176) an den
Sachverständigen B... zu übersenden, weil er dann wusste, dass der mit der Ermittlung
des Betriebsunterbrechungsschadens beauftragte Sachverständige aufgrund seiner
eigenen Äußerungen gegenüber dem Sachverständigen und der prospektiven Übergabe
der Unterlagen von einem Entstehen der Lohnkosten bis Ende August 1994 ausgehen
musste. Denn ausweislich des Vorberichtes des Sachverständigen vom 6. Mai 1994
hatte sich der Geschäftsführer der Forderungen des Sachverständigen nach
schadensmindernden Maßnahmen durch Entlassung der Mitarbeiter mit der Begründung
widersetzt, er wolle auf sein eingespieltes Team auf keinen Fall verzichten (Vorbericht
des Sachverständigen S. 7, Beiakte Bd. VII Bl. 72). Wenn der Geschäftsführer der
Klägerin dann gleichwohl die meisten seiner Mitarbeiter zum 31. Mai 1994 entließ und im
August 1994 dem Sachverständigen noch die Höhe der ausweislich der Lohnlisten im
August 1994 auszuzahlenden Urlaubsgelder (Lohnliste August Beiakte Bd. VII Bl.85)
mitteilte, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass im August überhaupt kein Lohn und damit
auch kein Urlaubsgeld gezahlt wurde, so liegt auch darin eine Täuschung über die
Schadenshöhe. Tatsächlich hat sich der Geschäftsführer der Klägerin jedoch nach der
Erstellung des Gutachtens vom 8.12.1994 gegen die dort durch den Sachverständigen
im Hinblick auf die Haftzeit der Beklagten von nur sechs Monaten vorgenommene
anteilige Kürzung des Urlaubsgeldes (S. 10 f. des Gutachtens vom 8. Dezember 1994)
gewandt, indem er nach Erhalt des Gutachtens mit Schreiben der Beklagten vom 12.
Dezember 1994 (Anlage B 9) und der auf dieser Grundlage erfolgten Abschlusszahlung
von 40.152,68 DM eine Stellungnahme seiner Steuerberatungsgesellschaft H...
(Steuerberater P... ) erstellen ließ, wonach die anteilige Kürzung nicht gerechtfertigt sei,
weil die Klägerin keine Möglichkeit gehabt habe, die Zahlung des Urlaubsgeldes zu
vermeiden (Anlage B 11). Auch der Steuerberater der Klägerin hatte danach jedenfalls
bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Stellungnahme keine Kenntnis von der
Entlassung der Mitarbeiter vor dem 31. August 1994. Der Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses bis Ende August 1994 wurde im Übrigen von dem Mitarbeiter B...
der Klägerin auch noch bei dessen zeugenschaftlichen Vernehmung am 27. August 1996
nach dem zweiten Brand bestätigt. Die Unrichtigkeit seiner Angabe, der Geschäftsführer
der Klägerin habe nach dem ersten Brand die Gehälter noch ein halbes Jahr weiter
gezahlt, dann seien alle entlassen worden (Beiakte Bd. II Bl. 102), ergab sich erst
anlässlich der Durchsuchung der Wohnung des Zeugen B... , bei der zufällig Unterlagen
(Lohnsteuerbescheinigungen und Aufhebungsbescheid des Arbeitsamtes) gefunden
wurden, aus denen sich die Zahlung des Lohnes bis zum 31. Mai 1994 und des
Arbeitslosengeldes ab dem 1. Juni 1994 ergab (Beiakte Bd. IV Bl. 64, 76 bis 78).
2. Der Senat folgt auch der Würdigung des Landgerichtes, wonach aufgrund der im
Strafverfahren festgestellten Tatsachen der Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung
des Versicherungsfalls geführt ist mit der Folge, dass der Klägerin gemäß § 61 VVG kein
Anspruch auf die geltend gemachten Versicherungsleistungen aus der die Gefahren des
Feuers und Einbruchdiebstahls umfassenden Geschäftsversicherung und aus der
Betriebsunterbrechungsversicherung zustehen.
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a) Die Spurenlage nach dem Brandereignis in Verbindung mit den Angaben des
Geschäftsführers der Klägerin weisen auf diesen als Verursacher oder Veranlasser der
unstreitigen Brandstiftung hin.
Wie sich aus den polizeilichen Feststellungen nach dem Brandereignis (Bd. III der
Beiakten) ergibt, fand die Feuerwehr die Zugänge zu den Betriebsräumen der Klägerin
verschlossen und - mit Ausnahme eines abgebrochenen Schlüssels in dem Schloss des
Tores zu den Räumen des Autohauses W... - unbeschädigt vor, während ein im Bereich
des oberen Endes einer Feuerleiter an der rückwärtigen Außenwand des Gebäudes
befindliches Fenster geöffnet war und Kerbspuren aufwies, die auf den ersten Blick auf
ein gewaltsames Öffnen hindeuteten. Der Geschäftsführer der Klägerin gab unmittelbar
nach dem Brand hierzu an, das Fenster sei vor dem Brand mit Sicherheit verschlossen
und die Kerbspuren seien vor dem Brand nicht vorhanden gewesen (Beiakte Bd. III
Bl.11). Die Tür zum Annahmebüro war aufgehebelt worden, innerhalb des Büros waren
Schranktüren und Schreibtischschubladen geöffnet, Papiere auf dem Boden verstreut
worden, wobei die Türen und Schubladen weitgehend beschädigt waren und jedenfalls
zum Teil Hebelspuren aufwiesen (Beiakte Bd. III Bl. 7, 10 f., 14, 16 R 20, Beistück III). Der
Geschäftsführer der Klägerin gab hierzu bei seiner kriminalpolizeilichen Vernehmung an,
es sei ihm ein Lederetui mit 7.500,00 DM Bargeld gestohlen worden; er sei der Einzige
gewesen, der von dem Bargeld in der abgeschlossenen Schreibtischschublade gewusst
habe (Bd. III Bl. 144). Als Täter der Brandstiftung kommen daher entweder nur ein
Einbrecher oder derjenige in Betracht, der den Einbruchdiebstahl vorgetäuscht hat, um
die Brandstiftung als Verdeckungs- oder Begleittat des Einbruchdiebstahls erscheinen zu
lassen. Der Senat ist wie auch das Landgericht aufgrund der Spurenlage davon
überzeugt, dass die Einbruchspuren jedenfalls zum Teil vorgetäuscht sind und der Brand
demzufolge nicht von einem fremden Dieb gelegt wurde. Er stützt seine Überzeugung
auf die Feststellungen des Landeskriminalamtes - LKA - in dem Untersuchungsbericht
vom 14. August 1994 (Beiakte Bd. III Bl. 67 ff.). Danach kann das zunächst als
Einstiegfenster angesehene Fenster im Bereich der Feuerleiter nicht durch die dort
vorgefundenen Kerbspuren gewaltsam geöffnet worden sein, weil Gegenspuren zu den
am Flügelrahmenlängsstück vorgefundenen Kerbspuren an dem Gegenpart, der
Innenseite des Blendrahmens, fehlten. Die Kerbspuren am Flügelrahmenlängsstück
können mithin nicht durch Hebeln bei geschlossenem Fenster, sondern nur bei
geöffnetem Fenster angebracht worden sein. Denn diese Kerbspuren am
Flügelrahmenlängsstück befinden sich in einem Bereich, der bei einem Hebeln von
außen nur zugänglich ist, wenn das Hebelwerkzeug zwischen Fensterrahmen und
Blendrahmen bis zu den Kerbspuren eingeführt wird. Erfolgt dies bei geschlossenem
Fenster, so bedingt dies zwangsläufig auch Kerbspuren an dem Gegenpart, wie in dem
Untersuchungsbericht des Landeskriminalamtes dargestellt. Insoweit kommt es nicht
darauf an, dass ein Einbrecher nach dem Untersuchungsbericht des LKA auch ohne
Hinterlassung von Spuren gewaltsamen Eindringens das Fenster von außen hätte öffnen
können, wenn es - weil verzogen - nicht vollständig verschlossen gewesen wäre, indem
der Täter den Fensterrahmen nach innen gedrückt und sodann mittels eines
Werkzeuges den unteren Bolzen aus der Verriegelung gelöst hätte. Denn dabei wären
die vorgefundenen Kerbspuren an der Außenkante des Flügelrahmenlängsstücks nicht
entstanden, weil dieser Bereich bei geschlossenem Fenster von außen durch den
Blendrahmen verdeckt wird und sich im Inneren Bereich des Fensters befindet, wie aus
der Skizze des Untersuchungsberichtes S. 2 unten ersichtlich. Soweit die Klägerin dem
entgegenhält, die Spuren hätten dadurch entstanden sein können, dass ein Täter die
durch das Aufdrücken des nicht vollständig verschlossenen Fenster entstandene
Spannung durch Einführen eines Werkzeugs aufgenommen und so das Fenster geöffnet
habe, kann dem nicht gefolgt werden, weil sich die Kerbspuren gerade im unteren
Bereich des Fensterrahmens befanden, in dem der Bolzen auch bei flüchtigen, nicht
vollständigem Verschließen des Fensters vollständig schloss (Untersuchungsbericht S. 3
) und ein Einführen des Werkzeuges zwischen Fensterstock und Fensterflügel in diesem
Bereich zum Zwecke des Aufnehmens der Spannung zwangsläufig Spuren sowohl am
Fensterflügel als auch am Fensterstock verursacht hätte. Dies ergibt sich aus den
einleuchtenden und widerspruchsfreien Feststellungen der Sachverständigen des LKA in
dem Untersuchungsbericht vom 14. August 1996; der Einholung eines gerichtlichen
Sachverständigengutachtens hierzu bedarf es nicht. Dass die Spuren gelegt wurden, um
den Eindruck eines gewaltsamen Öffnens von außen zu erwecken, folgt daraus, dass die
Spuren am Rahmen des Fensterflügels frisch waren und der Geschäftsführer der Klägerin
bei der Aufnahme des Berichtes durch das LKA unmittelbar nach dem Brand angegeben
hat, die Kerbspuren an dem Fenster seien vorher nicht vorhanden gewesen (s.o.). Hätte
es sich um zufällige Spuren gehandelt und der Geschäftsführer der Klägerin kein
Interesse daran gehabt, die Ermittlungen in eine gewisse Richtung zu lenken, hätte
demgegenüber die Angabe nahe gelegen, dass er nicht wisse, wie die Spuren dorthin
kommen und ob sie schon vor dem Brand vorhanden waren.
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Es kommt hinzu, dass ein Einbrecher zum Zwecke der Verdeckung seines Einbruchs in
die Büroräume den Brand dort und nicht in der Lackieranlage gelegt hätte. Denn die
Ausbreitung des Brandes von der Lackieranlage über die Halle, in der sich die
Lackieranlage befand, durch das dortige Tor in die weitere Halle und von dort in die in
dieser Halle abgetrennten Büroräume wäre auch bei dem Vorhandensein leicht
entzündlicher Stoffe in der Lackieranlage schon aufgrund der räumlichen Verhältnisse,
wie sie sich aus dem maßstabsgerechten Grundriss (Beiakte Bd. III Bl. 31) ergeben,
unwahrscheinlich. Dabei fällt zudem auf, dass die Türen zu der Lackieranlage in der
Mittelkabine, in der der Brand gelegt wurde, verschlossen waren, die Tür der rechten
Kabine offen und die Tür der linken Kabine angelehnt und die Rollos zwischen den
Kabinen hochgezogen waren (Branduntersuchungsbericht Bd. III Bl. 22 ff. und
Bildermappe Beistück I). Dies spricht dafür, dass für eine ausreichende Luftzufuhr zur
Ausbreitung des Brandes im Bereich der Kabinen gesorgt werden sollte, aber nicht für
eine Ausbreitung des Brandes bis in die Büroräume.
Angesichts dieser Umstände kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob auch die
Spuren im Büro, wie vom Senat im Hinweisbeschluss ausgeführt, schon aus sich heraus
zeigen, dass sie vorgetäuscht gewesen sein müssen. Umstände, die belegen, dass die
Tat von einem betriebsfremden Dritten begangen wurde, und die vorgenannten Indizien
entkräften könnten, liegen demgegenüber jedenfalls nicht vor. Dies gilt auch für die
ergänzend von der Klägerin nach Erlass des Hinweisbeschlusses vorgetragenen
Umstände, wie etwa den abgebrochenen Schlüssel in dem Tor zur Halle des Autohauses
W... .
b) Der Geschäftsführer der Klägerin hatte auch ein wirtschaftliches Motiv, gerade die
Lackieranlage in Brand zu setzen. Wie sich aus dem Bericht des Wirtschaftsreferenten
E... der Staatsanwaltschaft Berlin vom 25. März 1997 (Beiakte Bd. IV Bl. 91 ff.) ergibt,
erwirtschaftete die Klägerin seit 1993 Verluste. Die Situation besserte sich auch nach
Erhalt der Versicherungsleistungen aus dem ersten Brand vom 3. März 1994 und der
Wiederaufnahme des Betriebes im Frühjahr 1995 nicht maßgeblich. Insbesondere
erhöhte sich der Kreditbedarf der Klägerin in der Zeit vor dem Brand vom 12. August
1996 von Monat zu Monat. Auch die Erhöhung der Kreditlinie durch die B... S... in den
Monaten Juni und Juli von 300.000,00 DM auf 450.000,00 DM reichte für diesen
Kreditbedarf nicht mehr aus. Am 1. August 1996 lag der Sollsaldo des
Kontokorrentkredites der Klägerin bei der B... S... bei 476.728,11 DM (Kontostaffel S. 8
des Berichtes).
Die dagegen von der Verteidigung des Geschäftsführers der Klägerin im Strafverfahren
vorgebrachten Argumente lassen das Motiv nicht entfallen, sie verstärken es vielmehr
noch.
aa) Nach der Stellungnahme des Steuerberaters P... vom 29. Mai 1997 S. 3 (Beiakte Bd.
IV Bl. 148 ff.) war die Klägerin trotz der in den Jahresabschlüssen 1993 bis 1995
ausgewiesenen Verlusten nicht überschuldet, weil von den in diesen Jahren
ausgewiesenen, nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbeträgen Sonderposten mit
Rücklagenanteil und insbesondere die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und
Gesellschaftern abzuziehen seien.
Nach dem Ergänzungsvermerk des Wirtschaftsreferenten E... vom 25. Juli 1997, Bd. III Bl.
164 f., war diese Berechnung eines Vermögensüberhanges wegen der persönlichen
Bürgschaften und der Rangrücktrittserklärungen des Geschäftsführers vom 21.11.1995
(Beiakte Bd. IV Bl.162) möglich. Der Bundesgerichtshof hat zu dieser strittigen Frage
durch Urteil vom 8.1.2001 - II ZR 88/89 - (BGHZ 146, 264) entschieden, dass
Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender
Leistungen in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft grundsätzlich zu passivieren
sind, eine Passivierungspflicht jedoch bei Vorliegen entsprechender
Rangrücktrittserklärungen entfällt, weil der Gesellschafter damit sinngemäß erkläre, er
wolle wegen seiner Forderungen - hier: Rückgriffsforderung des Bürgen - erst nach der
Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und bis zur Abwendung der Krise so
behandelt werden, als handele es sich bei seiner eigenkapitalersetzenden Leistung um
statuarisches Kapital. Infolge der Rangrücktrittserklärung mag daher zwar eine
Insolvenzantragspflicht wegen des Tatbestandes der Überschuldung entfallen sein. Dies
ändert aber nichts daran, dass die Klägerin ohne den Abzug der Kredit- und
Gesellschafterverbindlichkeiten, wie in der Stellungnahme P... auf S. 3 vorgenommen,
überschuldet gewesen wäre und der Geschäftsführer der Klägerin den nicht durch
Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag mit seinem Privatvermögen abdeckte. Die
Berechnung des Vermögensüberhangs durch den Steuerberater P... und der
Ergänzungsvermerk des Wirtschaftsreferenten E... sind damit gerade kein Argument für
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Ergänzungsvermerk des Wirtschaftsreferenten E... sind damit gerade kein Argument für
ein fehlendes wirtschaftliches Motiv, wie vom Senat im Hinweisbeschluss ausgeführt.
Soweit der Klägervertreter dazu im Schriftsatz vom 25.4.2006 S.10 ausführt, die
Bürgschaften hätten schon kraft Gesetzes unabhängig von der Rangrücktrittserklärung
ihres Geschäftsführers eigenkapitalersetzende Wirkung gehabt, ist dies zutreffend; dies
belegt indes gerade, dass sich die Klägerin in einer Krise im Sinne der vom
Bundesgerichtshof entwickelten Eigenkapitalersatzregeln ( vgl. WM 1999, 1828; 1998,
243; 1997,1770;1996,259; 1992, 1650, jew. m.w.N.; - für die GmbH & Co. KG: WM 1992,
816) befand. Eine Krise setzt nicht notwendigerweise die Überschuldung voraus; sie
besteht schon dann, wenn die Gesellschaft nicht mehr kreditwürdig ist. Eine auf
Kreditunwürdigkeit beruhende Krise liegt vor, wenn die Gesellschaft von dritter Seite
einen zur Fortführung ihres Unternehmens erforderlichen Kredit zu marktüblichen
Bedingungen nicht erhält und sie deshalb ohne die Gesellschafterleistung liquidiert
werden müßte (BGH WM 199 aaO m.w.N.). Eine Kreditfähigkeit aus eigener Kraft setzt
voraus, dass die Gesellschaft noch über Vermögensgegenstände oder stille Reserven
verfügt, die sie ihren Gläubigern als ausreichende eigene Sicherheit zur Verfügung
stellen kann (BGH WM 1998 aaO m.w.N.). Vorliegend hat die Klägerin ihre zentrale
Betriebsanlage aber bereits im Herbst 1995 veräußert, der Kredit bei der B... S... war
durch Bürgschaften und Grundschulden auf Grundstücken des Geschäftsführers
abgesichert (Beiakte Bd. IV Bl. 152 ff.).
Unabhängig von der Frage der Überschuldung und dem Vorliegen der Voraussetzungen
einer Krise im vorgenannten Sinne konnte die Klägerin jedenfalls nicht damit rechnen,
dass die B... S... einen weiter ansteigenden Kreditbedarf durch erneute Erhöhung der
Kreditlinie abdecken würde. Im Falle der Kündigung des Betriebsmittelkredits hätte der
Geschäftsführer der Klägerin aufgrund seiner gegebenen Bürgschaften mit der
Inanspruchnahme seines persönlichen Vermögens rechnen müssen, wie im
Hinweisbeschluss des Senates vom 24. Februar 2006 zu II. 3. ausgeführt. Auf die
dortigen Ausführungen wird verwiesen.
bb) Auch die Darstellung der wirtschaftlichen Erfolgssituation der Klägerin per 30. Juni
1996 in der weiteren Stellungnahme des Steuerberaters P... vom 17. Juli 1998 (Beiakte
Bd. VIII Bl. 94 ff.) ändert nichts an der wirtschaftlich schlechten Lage der Klägerin zum
Zeitpunkt des Brandes vom 12. August 1996.
Auch wenn es für das relativ hohe Geschäftsführergehalt steuerliche Gründe gegeben
haben mag und die Klägerin im Falle der Zahlung eines geringeren
Geschäftsführergehaltes bessere Jahresabschlusszahlen erzielt hätte, ändert dies nichts
daran, dass der Kreditbedarf der Klägerin im Laufe des Jahres 1996 bis zu dem Tage der
Brandstiftung ständig stieg und eine Kreditkündigung die Inanspruchnahme infolge des
hohen Geschäftsführergehaltes angesammelten Privatvermögens zur Folge gehabt
hätte.
Die Verlagerung des Kredites von der C... B... zur B... S... war schon im Jahre 1995
abgeschlossen und kann somit nicht den steigenden Kreditbedarf im Jahre 1996
erklären.
Auch wenn man zugrunde legt, dass - wie in der Stellungnahme weiter ausgeführt - die
Forderungen der Klägerin aus Lieferungen und Leistungen per 30. Juni 1996 die
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen überstiegen, hat die Klägerin
ausweislich der nun vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung per 30. Juni 1996
(Anlagenkonvolut KB 8, Bd. II Bl. 143 ff. d. A.) im ersten Halbjahr des Jahres 1996 ein
vorläufig wirtschaftliches Ergebnis erzielt, das nicht ausreichte, die hohen
Verbindlichkeiten zu tilgen. Der kumulierte Wert des vorläufigen wirtschaftlichen
Ergebnisses per 30. Juni 1996 lag danach - ohne Berücksichtigung des neutralen
Aufwandes und der neutralen Erträge - bei ca. 25.000,00 DM im ersten Halbjahr, der
Monatswert des vorläufigen Betriebsergebnisses im Juni bei ca. 5.000,00 DM. Mit diesem
Erlös hätte die Klägerin nicht nur den von Anfang Dezember 1995 bis Ende Juni 1996 von
ca. 262.000,00 DM auf 472.000,00 DM gestiegenen Kontokorrentkredit bedienen
müssen, sondern auch die monatlichen Raten von insgesamt ca. 6.400,00 DM
(Mietzinsrate und Mietkaufrate) aus dem am 29. September / 30. Oktober 1995 mit der
B... GmbH abgeschlossenen Mietkaufvertrag über die Lackieranlage (Bd. II Bl. 126). Die
hierauf zu entrichtenden Raten sind in die betriebswirtschaftliche Auswertung ausweislich
des BWA-Wertenachweises per Juni 1996 (Anlage KB 8) nicht eingegangen. Auch wenn
dies - was die Mietkaufrate angeht - buchhalterisch nicht zu beanstanden wäre, wie vom
Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, weil die Zahlungen auf
die Mietkaufrate möglicherweise nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung hätten
eingehen müssen, so würde dies an der monatlichen Belastung nichts ändern. Die
Möglichkeit einer Herabführung des Kontokorrentkredites in größerem Umfang, wie im
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Möglichkeit einer Herabführung des Kontokorrentkredites in größerem Umfang, wie im
Falle des Verkaufs der Lackieranlage an die B... GmbH vom 29. September / 30. Oktober
1995 zum Preis von 212.955,00 DM netto zuzüglich Umsatzsteuer (Beiakte Bd. III Bl.
182), stand der Klägerin nicht mehr zur Verfügung. Ausweislich der Kontostaffel auf Seite
8 des Prüfberichtes vom 25. März 1997 (Beiakte Bl. III Bl. 100) konnte die Klägerin ihren
Sollsaldo bei der B... S... von 471.180,18 DM am 1. November 1995 auf 261.894,88 DM
am 1. Dezember 1995 zurückführen. In der Folge ist der Kredit wiederum bis zum 1.
August 1996 auf 476.728,11 DM gestiegen, wobei, wie ausgeführt, die Kreditverlagerung
von der C... zur B... S... bereits zuvor abgeschlossen war. Der vorläufigen
betriebswirtschaftlichen Auswertung zum 30. Juni 1996, die nur auf den tatsächlich bis
zum 30. Juni 1996 vorgenommenen Buchungen beruht, und den in der Stellungnahme
des Steuerberaters P... vom 17. Juli 1998 ergänzend dargestellten sonstigen
Forderungen und Verbindlichkeiten der Klägerin kann damit angesichts des im Jahre
1996 rapide zunehmenden Kreditbedarfes aus dem Geschäftsmittelkredit und der
zusätzlichen Belastung aus dem Mietkaufvertrag über die Lackieranlage, die in der
betriebswirtschaftlichen Auswertung keinen Niederschlag finden, keine positive Aussage
zukommen. Der Senat kann damit der Argumentation der Klägerin, es hätte für sie
wirtschaftlich keinen Sinn gemacht, die erst im ersten Halbjahr des Jahres 1995 neu
angeschaffte hochwertige Lackieranlage in Brand zu setzen, nicht folgen. Denn je höher
der Wert der Anlage, umso höher wäre der Wert der Versicherungsleistung gewesen,
wenn die Anlage im Eigentum der Klägerin gestanden hätte. Auch unter
Berücksichtigung der Übereignung der Anlage an eine Tochtergesellschaft der B... B...
wäre ihre brandbedingte Zerstörung nicht sinnlos, weil es sich um die zentrale
Betriebseinrichtung handelte, ohne die eine Fortführung der Lackiererei nicht möglich
war mit der Folge, dass infolge der brandbedingten Zerstörung - wie nach dem ersten
Brand - Versicherungsleistungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung zu leisten
waren. Die im Herbst 1995 ergriffene Möglichkeit, sich durch den Verkauf der zentralen
Betriebsanlage Liquidität zu verschaffen, stand der Klägerin nicht erneut zur Verfügung.
Gegen ein wirtschaftliches Motiv spricht auch nicht, dass der Geschäftsführer der
Klägerin den Betrieb nach dem ersten Brand fortsetzte, obwohl er schon damals die
Möglichkeit gehabt hätte, die Versicherungsleistungen entgegenzunehmen und den
betrieb zu liquidieren. Denn die Klägerin behauptet nicht, dass ihr Geschäftsführer die
weitere negative wirtschaftliche Entwicklung vorhergesehen hätte.
c) Auch zu den weiteren Indizien hat der Senat bereits in dem Hinweisbeschluss vom 24.
Februar 2006 Stellung genommen. Auf die dortigen weiteren Ausführungen wird
verwiesen. Soweit es zu Ziffer 4. heißt, dass sich die Firmenräume der Klägerin im
zweiten Obergeschoss im unmittelbaren Anschluss an die Räume der Firma M... M...
befanden, handelt es sich um einen Fehler der Beschlussausfertigung; richtig ist, dass
sich die Firmenräume im Anschluss an die Räume des Autohauses W... befanden.
d) Auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung aufgrund der Berücksichtigung
des weiteren Vorbringens der Klägerin nach Erlass des Hinweisbeschlusses und den mit
Schriftsatz vom 6. Juni 2006 überreichten Anlagen (B. II Bl. 43 ff.), insbesondere der von
ihr eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung per 30. Juni 1996 ist der Senat
aufgrund einer Gesamtwürdigung der unstreitigen Indizien weiterhin der Überzeugung,
dass der Brand mit Wissen und Wollen des Geschäftsführers der Klägerin gelegt wurde.
Denn die Spurenlage ergibt, dass die Einbruchspuren vorgetäuscht waren. Dass einer
der Beschäftigten der Klägerin die vorgetäuschten Spuren und den Brand ohne Wissen
und Einverständnis des Geschäftsführers der Klägerin gelegt haben könnte, um die
Klägerin zu schädigen, scheidet nach menschlichem Ermessen aus, weil sich aus dem
Inhalt ihrer protokollierten Aussagen in den Strafakten kein Anhaltspunkt für einen
Racheakt, einen Groll gegen den Geschäftsführer der Klägerin oder einen Streit mit ihm
ergibt. Gegen ein solches Motiv spricht zudem ihr Interesse an dem Erhalt ihres
Arbeitsplatzes. Auch die Klägerin trägt dafür keine Indizien vor. Insbesondere scheidet
ein solches Motiv auch für den langjährigen Mitarbeiter und ehemaligen
Mitkommanditisten B... aus, der den Geschäftsführer der Klägerin bei seiner
Vernehmung nach dem zweiten Brand hinsichtlich der Frage der Beschäftigungsdauer
nach dem ersten Brand noch durch die Falschangabe, er sei erst zum 31. August 1994
gekündigt worden, gedeckt hat (s. o. Ziffer 1 a. E.). Auch das Motiv der Verdeckung
eines Diebstahls scheidet hinsichtlich der Mitarbeiter aus. Hätte einer der Mitarbeiter
einen Diebstahl verdecken wollen, hätte er nicht den hierfür ungeeigneten Brandort der
Lackieranlage ausgewählt. Gegen den Diebstahl der nach Angaben des Geschäftsführers
entwendeten 7.500,00 DM durch einen der Mitarbeiter spricht auch, dass nach dem
Vorbringen der Klägerin ohnehin nur ihr Geschäftsführer von dem ausnahmsweise in
dem Büro deponierten größeren Geldbetrag Kenntnis hatte. Der Freispruch des
Geschäftsführers der Klägerin im Strafverfahren steht der Überzeugung des Senats
schon deshalb nicht entgegen, weil er nach den Gründen des Urteils allein darauf
gestützt ist, dass die Klägerin zu dem Bilanzstichtag des 31. Dezember 1995 nicht
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gestützt ist, dass die Klägerin zu dem Bilanzstichtag des 31. Dezember 1995 nicht
überschuldet gewesen sei und trotz des Umstandes, dass sie bis zum Zeitpunkt des
Schlusses der Hauptverhandlung keine Versicherungsleistungen an sie geflossen waren,
ihren Wiederaufbau in neuen Geschäftsräumen geschafft habe und nach wie vor am
Geschäftsleben teilnehme (Urteilsgründe S. 7 letzter Satz). Der Fortbestand des
Betriebes der Klägerin seit dem zweiten Brand besagt nichts über ein wirtschaftliches
Motiv für die Zeit vor dem Brand.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat;
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