Urteil des KG Berlin vom 29.03.2017

KG Berlin: gesellschafterversammlung, mehrheit, gesellschaftsvertrag, minderheit, subjektives recht, abstimmung, sperrminorität, abschaffung, einberufung, publikumsgesellschaft

1
2
3
Gericht:
KG Berlin 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 4/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 244 S 2 AktG, § 256 Abs 1 ZPO
Publikumsfonds-KG: Wirksamkeitsvoraussetzung zur
satzungsgemäßen Abschaffung eines unpraktikablen
Einstimmigkeitsprinzips in wesentlichen Gesellschaftsfragen;
Verhinderung durch Ausübung der Sperrminorität; Klageart
gegen Beschlussmängel
Leitsatz
Die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer Publikums-KG, dass bestimmte Beschlüsse
von grundlegender Bedeutung nur einstimmig gefasst werden können, wenn 90 % oder mehr
aller Stimmen auf fünf oder weniger Personen vereinigt sind, kann durch Beschluss der
Gesellschafter mit der satzungsgemäß für Änderungen des Gesellschaftsvertrags
erforderlichen Mehrheit aufgehoben werden. Die Beseitigung eines unpraktikablen
Einstimmigkeitsprinzips stellt keinen treupflichtwidrigen Eingriff in absolut oder relativ
unentziehbare Rechte der Minderheit dar, wenn alle Gesellschafter der Möglichkeit, den
Gesellschaftsvertrag mit qualifizierter Mehrheit zu ändern, von Beginn an durch ihren Beitritt
zugestimmt haben; in diesem Fall können sie keine dauerhaft unentziehbare Sperrminorität
in Anspruch nehmen.
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die
Streithelferin hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 %
des nach dem Urteil insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht ihr
Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2002 mit einer Kommanditeinlage von 950.000 DM
Gesellschafter der Beklagten. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sah in § 16 Absatz
2 Satz 3 vor, dass bestimmte Beschlüsse von grundlegender Bedeutung nur einstimmig
gefasst werden konnten, wenn 90 % oder mehr aller Stimmen auf fünf oder weniger
Personen vereinigt sind. Im März 2009 wurde im Umlaufverfahren und parallel dazu auf
einer Gesellschafterversammlung vom 31.03.2009 mit jeweils mehr als 75 % der
abgegebenen Stimmen die Aufhebung dieser Satzungsbestimmung beschlossen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der
beiden Beschlüsse. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des im Umlaufverfahren
gefassten Beschlusses stattgegeben und dessen Unwirksamkeit festgestellt; hinsichtlich
des auf der Gesellschafterversammlung vom 31.03.2009 gefassten Beschlusses hat es
die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils
wird Bezug genommen.
Das Urteil ist dem Kläger am 21.12.2009 und der Beklagten am 11.01.2010 zugestellt
worden. Der Kläger hat am 08.01.2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung
der Begründungsfrist um einen Monat am 15.03.2010 begründet. Die Beklagte hat am
13.01.2010 Berufung eingelegt und diese am 10.03.2010 begründet. Die Streithelferin
der Beklagten hat am 14.01.2010 Berufung eingelegt und diese am 11.02.2010
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
der Beklagten hat am 14.01.2010 Berufung eingelegt und diese am 11.02.2010
begründet.
Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass die vor Beendigung des Umlaufverfahrens
durchgeführte Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung vom 31.03.2009
unzulässig gewesen sei; auch sei gemäß § 17 Nr. 1 GV aufgrund des Wortes „oder“ eine
erneute Beschlussfassung über den gleichen Beschlussgegenstand nicht zulässig. Der
formellen Wirksamkeit des Beschlusses vom 31.03.2009 stehe weiterhin die
ungerechtfertigte Verkürzung der Einladungsfrist entgegen. Auch habe zum Zeitpunkt
der Beschlussfassung das Land Berlin schon mehr als 75 % der Stimmrechte
innegehabt, so dass die dann erforderliche 9/10-Mehrheit nicht erreicht worden sei;
schließlich greife der angefochtene Beschluss auch in den Kernbereich der
Mitgliedschaftsrechte ein und sei aus diesem Grund materiell unwirksam.
Der Kläger beantragt,
das Urteil der Kammer für Handelssachen 95 des Landgerichts Berlin vom
14.12.2009 - 95 O 36/09 - abzuändern und festzustellen, dass auch der auf der 6.
außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten am 31.03.2009 gefasste
Beschluss des nachstehenden Inhalts
Beschlussantrag:
§ 16 Absatz 2 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages, der wie folgt lautet:
„Sind 90 % oder mehr aller Stimmen auf fünf oder weniger Person vereinigt, sind
die vorgenannten Beschlüsse einstimmig zu fassen.“
wird ersatzlos aufgehoben.
und zu dem die „In GmbH“ unter dem 08.04.2009 gemäß Kurzprotokoll vom
01.04.2009 mitgeteilt hat,
„Der Beschlussantrag fand die erforderliche qualifizierte Mehrheit und wurde
mithin angenommen.“
unwirksam ist.
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage unter Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte und die Streithelferin treten dem Berufungsvorbringen des Klägers unter
Verteidigung der erstinstanzlichen Entscheidung und Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens entgegen. Soweit das Landgericht der Klage stattgegeben
hat, halten sie an ihrer Rechtsansicht fest, dass der Beschluss die erforderliche Mehrheit
erhalten habe, weil es im Umlaufverfahren nur auf die abgegebenen Stimmen
ankomme.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
II.
Die Berufung der Beklagten wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher
zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagen keinen Erfolg. Die Entscheidung des
Landgerichts, dass der im Umlaufverfahren gefasste Beschluss unwirksam ist, weil nicht
mindestens 75 % aller Gesellschafter mit "Ja" gestimmt haben, ist richtig.
1. Der Klage kann nicht unter Verweis auf die Vorschriften des Aktienrechts,
insbesondere auf § 244 AktG, das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der
Unwirksamkeit des im Umlaufverfahren gefassten Beschlusses versagt werden. Es fehlt
bereits an überzeugenden Gründen, warum eine Analogie der aktienrechtlichen
Bestimmungen geboten ist. Jedenfalls muss die erneute Beschlussfassung über einen
Gegenstand, über den ein fortwirkender Beschluss bereits vorliegt, nicht notwendig
dessen Bestandskraft beenden. Dies kann dann nicht gelten, wenn die Bereitschaft, über
den Beschlussgegenstand erneut zu beraten und zu beschließen, nicht zugleich den
22
23
24
25
26
27
28
29
30
den Beschlussgegenstand erneut zu beraten und zu beschließen, nicht zugleich den
Willen beinhaltet, die Bestandskraft des inhaltsgleichen Erstbeschlusses entfallen zu
lassen, was gemäß § 133 BGB unter Berücksichtigung der Umstände im Wege der
Auslegung zu ermitteln ist (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom
15.07.1975, Aktenzeichen Breg 2 Z 27/75, zitiert nach juris Rn. 18, für das WEG-Recht).
Vorliegend hat die Beklagte in der Einladung zur Gesellschafterversammlung vom
18.03.2009 und gemäß den Hinweisen in der Versammlung - vgl. u.a. Seite 8 des
Protokolls in Anlage B 1 - deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die erneute
Beschlussfassung das schriftliche Beschlussverfahren unberührt lassen sollte. Es wäre
angesichts dessen unbillig, wenn man dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für die
Überprüfung des im Umlaufverfahren festgestellten Beschlusses versagen würde.
2. Die Klage ist ferner als Feststellungsklage zulässig. Mängel von Beschlüssen der
Gesellschafterversammlung bei Personengesellschaften und auch bei einer
körperschaftlich strukturierten Publikums-KG sind nicht durch eine aktienrechtliche
Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage, sondern durch allgemeine Feststellungsklage nach
§ 256 Absatz 1 ZPO geltend zu machen (vgl. BGH NJW 1999, 3113 ff., zitiert nach juris,
Rz. 4 m. w. N.).
3. Es bestehen keine Bedenken, dass die Klage gegen die Gesellschaft und nicht gegen
die Mitgesellschafter gerichtet ist. Grundsätzlich ist zwar bei Personengesellschaften -
auch bei Publikumsgesellschaften - der Streit über Mängel von
Gesellschafterbeschlüssen zwischen den Gesellschaftern und nicht mit der
Kommanditgesellschaft auszutragen (BGH NJW 1995, 1218 f., zitiert nach juris, Rz. 8 m.
w. N.; BGH NJW 1999, 3113 ff., zitiert nach juris, Rz. 9; BGH NJW 2003, 1729 f, zitiert nach
juris). Hiervon kann jedoch im Gesellschaftsvertrag abgewichen und vereinbart werden,
dass der Streit über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen mit der Gesellschaft
auszufechten ist (BGH NJW 1995, 1218 f, zitiert nach juris, Rz. 8; BGH NJW 1999, 3113-
3115, zitiert nach juris, Rz. 9 m. w. N.). So liegt es hier aufgrund der Fassung des § 17
Absatz 7 des Gesellschaftsvertrages (im Folgenden: GV).
4. Der Kläger kann ferner erfolgreich geltend machen, dass die gemäß § 16 Nr. 2 Satz 1
GV erforderliche 3/4-Mehrheit für die Änderung des Gesellschaftsvertrages gemäß § 16
Nr. 1 f) GV nicht erreicht worden ist. Denn in Übereinstimmung mit den überzeugenden
Ausführungen des 14. Zivilsenates des Kammergerichts (Urt. vom 26.05.2009 - 14 U
212/08 = Anlage K 14 = NZG 2010, 303-305) ist davon auszugehen, dass sich die
Berechnung der qualifizierten Mehrheit nicht nach den abgegebenen Stimmen richtet,
sondern nach sämtlichen Stimmen aufgrund der Bestimmung des § 16 Nr. 2 Satz 1 GV.
Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Streithelferin steht eine solche Auslegung
dieser Vorschrift nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen. Vielmehr
hat dieser selbst eine Vereinssatzung dahin ausgelegt, dass für eine Bestimmung, die
auf die Anwesenheit oder Vertretung abstellt, allein maßgeblich sei, wie viele Stimmen
objektiv auf die erschienenen oder vertretenen Gesellschafter entfallen (BGH NJW 1988,
1844 ff.). Eine Gleichsetzung mit dem Begriff der „abgegebenen Stimmen“ erfolgte
mithin gerade nicht.
Schließlich rechtfertigt auch der Verweis auf § 17 Nr. 3 GV keine andere Auslegung, da
durch die Einschränkung „soweit nicht in diesem Vertrag … etwas Anderes bestimmt ist“
inzident auf die Bestimmung des § 16 Nr. 2 GV Bezug genommen und damit eine
Abweichung von der Grundregel statuiert wird.
III.
Die Berufung des Klägers wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher
zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg. Die Entscheidung des
Landgerichts, dass der auf der Gesellschafterversammlung vom 31.03.2009 gefasste
Beschluss nicht unwirksam ist, ist richtig.
1. Der Beschluss ist in formell wirksamer Weise zustande gekommen. Die von dem
Kläger geltend gemachten Einladungsmängel liegen nicht vor.
a) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Geschäftsführung nicht unter Einhaltung der für
ordentliche Gesellschafterversammlungen geltenden Frist eingeladen hat. Der Senat hat
bereits in einem früheren Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 23 U 95/08 mit Urteil vom
18.12.2008 (veröffentlicht bei juris und in KGR 2009, 741 ff.; Nichtzulassungsbeschwerde
zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 31.05.2010 - II ZR 19/09) entschieden, dass
die verkürzte Frist von zehn Tagen gemäß § 15 Nr. 4 Satz 2 GV bei außerordentlichen
31
32
33
34
35
36
37
die verkürzte Frist von zehn Tagen gemäß § 15 Nr. 4 Satz 2 GV bei außerordentlichen
Gesellschafterversammlungen zulässig ist und der Tag der Absendung und der Tag der
Versammlung mitgerechnet werden dürfen. Auf die Ausführungen in dem vorgenannten
Urteil wird Bezug genommen. Es bestehen keine Gründe, vorliegend davon
abzuweichen, zumal die Beklagte nachvollziehbar und unbestritten Argumente für die
Notwendigkeit einer kurzfristigen Abstimmung im Hinblick auf einen Hinweisbeschluss
des 14. Senates des Kammergerichts bezüglich der Beschlussfassung im schriftlichen
Verfahren vorgetragen hat. Zugleich ist ihr Interesse anzuerkennen, die Abstimmung auf
der Gesellschafterversammlung unter den gleichen tatsächlichen Rahmenbedingungen -
mithin mit möglichst identischem Gesellschafterbestand wie während der
Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren - erfolgen zu lassen.
Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich für eine Publikumsgesellschaft eine
die Wochenfrist des § 51 Absatz 1 Satz 2 GmbHG wahrende Frist zur Einberufung der
Versammlung für ausreichend gehalten und zusätzlich zu Lasten der Gesellschafter die
Vorschrift des § 121 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbs. AktG für anwendbar erklärt, sofern lediglich
die nach dem Gesellschaftsvertrag einzuhaltenden Fristen gewahrt wurden (BGH NJW
1998, 1946 ff.). Zugleich hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung betont,
dass bei einer Publikumspersonengesellschaft - mangels entsprechender
gesellschaftsvertraglicher Regelungen - selbst für eine analoge Anwendung der GmbH-
rechtlichen Vorschriften über die Ankündigung der Beschlussgegenstände kein Raum ist
(BGH a.a.O.), so dass erst Recht nicht die weitaus strengeren Vorschriften des AktG für
die Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung heranzuziehen sind.
Aus den vorstehenden Gründen kommt auch nicht die entsprechende Anwendung von §
22 WpHG in Betracht, soweit die Beklagte den Tag der Gesellschafterversammlung just
auf den letzten Tag des I. Quartals und damit gerade noch vor den Übergang der
Kommanditistenbeteiligung von verkaufenden Kommanditisten auf die F. GmbH und
damit mittelbar auf das Land Berlin gelegt hat. Vor allem würde eine Zurechnung sich
nur auf Mitteilungspflichten nach dem WpHG beziehen, nicht jedoch auf das
Abstimmungsverhalten in Gesellschafterversammlungen.
b) Auch aus dem während der Einladungsfrist noch kurze Zeit parallel laufenden
schriftlichen Abstimmungsverfahren ergeben sich keine Hindernisse für die Einberufung
der Gesellschafterversammlung. Insbesondere steht nicht das Gebot der
Rücksichtnahme entgegen, da kein Grund ersichtlich ist, warum die Gesellschafter durch
die erneute Möglichkeit der Abstimmung in ihren Rechten beeinträchtigt worden sein
könnten. Vielmehr war es die Beklagte, die aufgrund des Hinweises des Kammergerichts
ein Interesse an der wirksamen Beschlussfassung über die Abschaffung des
Einstimmigkeitserfordernisses hatte. Aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf
diese Bedenken des Kammergerichts in dem Einladungsschreiben vom 18.03.2009 ist
nicht nachvollziehbar, warum für die Gesellschafter dadurch eine Verunsicherung hätte
entstehen oder einzelne Gesellschafter eine erneute Abstimmung für nicht erforderlich
hätten halten können.
Auch eine zeitgleiche Abstimmung ist nicht erfolgt, da das Umlaufverfahren gemäß § 16
Absatz 6 Satz 3 GV vor dem Stattfinden der Gesellschafterversammlung, nämlich schon
am 21.03.2009, beendet war. Auch wenn im Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich
bestimmt, so ist doch offensichtlich, dass nach Ablauf dieser Frist eingehende
Stimmrechtsausübungen nicht mehr gewertet werden dürfen, um Rechtssicherheit zu
erlangen. Anderenfalls wäre es in das Belieben der Geschäftsführung gestellt, durch den
im Gesellschaftsvertrag nicht geregelten Zeitpunkt der Feststellung des
Abstimmungsergebnisses den Ausgang der Wahl zu beeinflussen, indem verspätet
eingehende Unterlagen noch auf unbestimmte Zeit berücksichtigt werden. Die
Feststellung des Beschlussergebnisses ist vielmehr dem Protokoll der
Gesellschafterversammlung gleichzusetzen, wie sich auch aus der Regelung in § 17 Nr. 7
GV, der zwischen dem Zugang des Protokolls und der Beschlussfassung unterscheidet,
ergibt.
Nichts anderes ist auch dem Schreiben der Streithelferin vom 04.03.2009 zu
entnehmen.
Soweit in § 17 Nr. 1 GV geregelt ist, dass Beschlüsse in Gesellschafterversammlungen
oder im Wege schriftlicher Abstimmung gefasst werden können, schließt dies nicht -
insbesondere bei entsprechendem Interesse an Rechtssicherheit wie vorliegend - aus,
beide Verfahren nacheinander durchzuführen. Die gegenteilige Auffassung des Klägers
berücksichtigt nicht, dass regelmäßig für eine solche doppelte Beschlussfassung keine
Notwendigkeit besteht und deshalb ein „und“ statt des „oder“ nicht nahe gelegen hat.
c) Die erforderliche Mehrheit von 75 % gemäß § 16 Nr. 2 Satz 1 GV ist erreicht worden,
37
38
39
40
41
42
43
c) Die erforderliche Mehrheit von 75 % gemäß § 16 Nr. 2 Satz 1 GV ist erreicht worden,
da der Kläger nicht dargetan hat, dass die Voraussetzungen des § 16 Nr. 2 Satz 2 GV
bereits einzuhalten waren. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der
Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Beschluss mangels
Erreichens der notwendigen Mehrheit unwirksam ist, und dass der Bericht des Senats an
das Abgeordnetenhaus Berlin mit einer Beteiligungsquote des Landes von 97,9 % per
29.4.2009 für diese Darlegung nicht maßgeblich ist. Denn es kommt nicht auf den
Abschluss der Kaufverträge, sondern auf den Zeitpunkt der Übertragung des
Stimmrechts an, das nach dem unbestrittenen erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten
erst mit Auszahlung des Kaufpreises übergehen soll.
Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf die Grundsätze der so genannten
sekundären Darlegungslast (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 138 Rn. 8b und
10a) berufen, denn als Kommanditist einer Publikumsgesellschaft verfügt er über § 166
Absatz 1 und 3 HGB hinaus über entsprechende Informationsrechte, die er gegenüber
der Beklagten mindestens in der Gesellschafterversammlung hätte geltend machen
können (vgl. dazu Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., Anh § 177 a Rn. 72).
2. Der Beschluss ist auch materiell wirksam. Ein Eingriff in den „Kernbereich“ der
Gesellschaftsrechte liegt nicht vor. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sich von der bloßen Kernbereichslehre
abgewandt hat und nunmehr die Wirksamkeit eines Beschlusses auf zwei Ebenen prüft,
nämlich einmal in formeller Hinblick - insbesondere ob das nach dem
Gesellschaftsvertrag erforderliche Mehrheitsquorum erreicht ist - und dann in einer
zweiten Stufe, ob der Beschluss materiellrechtlich wirksam ist - also ob die Zustimmung
des Gesellschafters trotz einer Mehrheitsklausel notwendig ist . Dabei ist der Aspekt
einer etwaigen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht der Mehrheit gegenüber
der Minderheit zu prüfen, und zwar nicht nur bei Maßnahmen, welche die
gesellschaftsvertraglichen Grundlagen berühren (sog. "Grundlagengeschäft") oder in den
"Kernbereich" der Mitgliedschaftsrechte bzw. in absolut oder relativ unentziehbare
Rechte der Minderheit eingreifen, sondern auch in sonstigen Fällen, in denen dann
allerdings die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung
zu führen hat (vergleiche BGH, Urteil vom 24.11.2008 „Schutzgemeinschaftsvertrag II“ -
II ZR 116/08, in NJW 2009, 669 ff.; BGH, Urteil vom 19.10.2009 - Aktenzeichen II ZR
240/08, in NJW 2010, 65 ff.).
In Anwendung dieser Grundsätze war eine Zustimmung des Klägers zu dem
angefochtenen Beschluss nicht erforderlich, da durch die Abschaffung des
Einstimmigkeitsprinzips nicht die gesellschafterlichen Treuepflichten gegenüber dem
Kläger verletzt wurden.
Denn zum einen war dem Kläger aufgrund der Regelungen in § 16 Nr. 2 Satz 1 und 2 GV
bekannt, dass grundsätzlich Mehrheitsentscheidungen vorgesehen waren und auch der
Gesellschaftsvertrag einem Änderungsvorbehalt unterlag. Es bestand mithin bereits von
Beginn an die Möglichkeit, die erforderlichen Quoren zu Lasten der Minderheit zu senken,
mit der der Kläger rechnen musste.
Zum Weiteren ist ein berechtigtes Interesse der Beklagten anzuerkennen,
Mehrheitsentscheidungen in wesentlichen Gesellschaftsfragen auch bei Vereinigung von
mehr als 90 % der Kommanditanteile auf einen einzigen Kommanditisten zu
ermöglichen. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer aus wenigen Mitgliedern
bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeführt, dass das für Beschlüsse als
Regel vorgesehene, jedoch praktischen Erfordernissen oftmals nicht gerecht werdende
Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 BGB) gemäß § 709 Abs. 2 BGB durch den
Gesellschaftsvertrag abbedungen und durch das Prinzip einfacher Mehrheit ersetzt
werden kann, um die Flexibilität und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft in Streitfällen
sicherzustellen (BGH, Urteil vom 24.11.2008 „Schutzgemeinschaftsvertrag II“ - II ZR
116/08, in NJW 2009, 669 ff.). Erst recht muss dies in einer Publikumsgesellschaft gelten,
in der selbst eine Minderheit von 5 % vorliegend noch über 29.414 Stimmen (5 % von
588.289 Stimmen) verfügen würde, d.h. bei einer Beteiligung eines Kommanditisten von
durchschnittlich 200.000,00 DM (= entsprechend 200 Stimmen gemäß § 17 Nr. 5 Satz 1
GV) würde diese Minderheit knapp 150 Kommanditisten entsprechen. Es liegt auf der
Hand, dass ein Einstimmigkeitsprinzip in einer solchen Konstellation kaum durchsetzbar
wäre.
Ferner ist die bereits mit dem Beitritt akzeptierte grundsätzliche Bindung der jeweiligen
Minderheit in Abweichung von gesellschaftsrechtlichen Mehrheitserfordernissen
keineswegs per se treuwidrig oder gar gesetzwidrig. Eine Treuwidrigkeitsprüfung der
einzelnen Mehrheitsentscheidung bleibt davon unberührt (BGH NJW 2009, 669 ff.
44
45
46
47
einzelnen Mehrheitsentscheidung bleibt davon unberührt (BGH NJW 2009, 669 ff.
„Schutzgemeinschaftsvertrag II“, zitiert nach juris Rn. 19).
Davon abgesehen ist die Möglichkeit, eine Sperrminorität auszuüben, kein mit den
einzelnen Gesellschaftsanteilen verbundenes subjektives Recht des Inhabers auf
Verhinderung qualifizierter Mehrheitsbeschlüsse (Ulmer/Schäfer in MüKo-BGB 5. Aufl. §
709, Rn. 82; Schäfer in Staub, HGB, 5. Aufl., § 119, Rn. 43). Zumindest kann auf dessen
Ausübung verzichtet werden, und zwar auch wie hier im Voraus durch Unterwerfung
unter eine insoweit klar gefasste Mehrheitsklausel. Wer der Möglichkeit der Änderung des
Gesellschaftsvertrages und in Folge davon der Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips
der vorliegenden Art von Beginn an mit seinem Beitritt zustimmt, kann nicht für diesen
Fall dauerhaft eine Sperrminorität in Anspruch nehmen, die ihm auch bei einem
Gesellschaftsverhältnis im Sinne von § 16 Nr. 2 Satz 1 oder 2 GV nicht eingeräumt
worden ist (vgl. BGH a.a.O. „Schutzgemeinschaftsvertrag II“, juris Rn. 22).
Soweit die Klägerin schließlich auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs zu II ZR 106/08
Bezug nimmt, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde der dortigen unterlegenen
Gesellschaft zurückgewiesen worden sei, bleibt anzumerken, dass damit keine Aussage
über die Richtigkeit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg - 12 U 2035/07 -
getroffen worden ist. Denn die Nichtzulassung der Revision in dem bereits Anfang des
Jahres 2008 verkündeten Urteil war ausdrücklich mit den Umständen des Einzelfalls
begründet worden. Im Übrigen kann mangels näherer Begründung nicht nachvollzogen
werden, inwieweit der Bundesgerichtshof die Entscheidung materiell für richtig gehalten
hat oder ob schon Revisionszulassungsgründe nicht ausreichend angeführt worden
waren.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Absatz 2 Nr. 1, 97 Absatz 1, 101 Absatz 1
ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
Satz 1 und 2 ZPO.
Die Revision wird nach § 543 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, 2. Alt. ZPO zugelassen. Die
Sache hat grundsätzliche Bedeutung, da eine größere Anzahl weiterer
Feststellungsklagen rechtshängig sind, die sämtlich auf inhaltsgleichen
Gesellschaftsverträgen der in einer Vielzahl aufgelegten Publikumsfonds der Landesbank
Berlin beruhen. Darüber hinaus ist die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im
Hinblick auf die abweichende Ansicht des Oberlandesgerichts Nürnberg - 12 U 2035/07 -
erforderlich.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum