Urteil des KG Berlin vom 26.09.2006
KG Berlin: bestimmtheit, absicht, verfügung, erwerb, werbung, verbraucher, inserat, werkstatt, begriff, link
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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 190/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 1
Pkw-EnVKV, § 2 Nr 1 Pkw-EnVKV,
§ 5 Pkw-EnVKV
Energieverbrauchsangabe beim Neuwagenverkauf: Begriff des
"neuen Personenkraftwagens" und Verkauf eines Neufahrzeugs
neun Tage nach Erstzulassung als Neuwagenverkauf
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 26. September 2006 verkündete
Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin - 15 O 521/06 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 20.000 €.
Gründe
A.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 ZPO aus den Gründen der
Verfügung des Senats vom 20. März 2007, an denen der Senat nach nochmaliger
Prüfung festhält, zurückzuweisen.
B.
In der genannten Verfügung hat der Senat ausgeführt:
"I.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die
angefochtene Entscheidung hält ihren Angriffen stand.
1. Die Antragsgegnerin wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen die Annahme des
Landgerichts, dass in dem streitgegenständlichen Inserat (Anlage A 3) ein "neuer
Personenkraftwagen" beworben wurde und dementsprechend die sich aus §§ 1, 5 Pkw-
EnVKV ergebenden Informationspflichten bestanden.
Die insoweit einschlägige Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV definiert
"neue Personenkraftwagen" als Kraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck
als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden.
a) Die Antragsgegnerin hat das beworbene Fahrzeug zum Zweck des Weiterverkaufs
angeschafft. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einwendungen der Antragsgegnerin,
das beworbene Fahrzeug sei zunächst erworben worden, um es als Vorführwagen,
Werkstatt-Ersatzwagen und Dienstfahrzeug einzusetzen aus Rechtsgründen überhaupt
durchgreifen könnten. Jedenfalls angesichts der vorliegenden besonderen Fallumstände
ist von einem Neuwagenverkauf auszugehen:
Das Fahrzeug wurde am 8. Juni 2006 erstmals zugelassen. Am 17. Juni 2006 wies es
einen Tachometerstand von 18 km auf und wurde Frau O. bis zum 24. Juni 2006
überlassen (Anlage AG 1 = Bl. 41 d.A.). Am 24. Juni 2006 erschien das
streitgegenständliche Zeitungsinserat mit der - unwahren - Angabe "1.500 km" (Anlage
A 3). Bis zum 27. Juni 2006 ist das Fahrzeug 240 km gefahren und hätte an diesem Tag
vom Testanrufer S. nach Lage der Dinge erworben werden können.
Am 24. Juni 2006 hatte die Antragsgegnerin also - das ist unstreitig - die Absicht, den
Wagen zu verkaufen. Wenn nun aber ein Autohändler ein auf ihn zugelassenes
Neufahrzeug nur neun Tage nach Zulassung in der Zeitung zum Verkauf anbietet, so ist,
sofern er nicht besondere Umstände für einen in dieser Zeitspanne eingetretenen
Absichtswandel vorträgt, davon auszugehen, dass er besagte Absicht auch schon im
Zeitpunkt der Fahrzeuganschaffung hatte.
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b) Die Verschaffung des Fahrzeugs an die Antragsgegnerin (ob dieser das Fahrzeug
überhaupt i.S. von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV "verkauft" wurde, ist überdies nicht vorgetragen),
diente auch keinem (zusätzlichen) "anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs". Die
Antragsgegnerin hatte im Zeitpunkt der Fahrzeuganschaffung keine (zusätzliche)
Absicht (im Sinne eines zielgerichteten Willens) einer anderweitigen Fahrzeugnutzung.
Das folgt ebenfalls schon aus der kurzen Zeitspanne zwischen Erstzulassung und
Inserat. Die anderweitige Nutzung diente mithin nach Lage der Dinge vielmehr der
Überbrückung der - ihrem Umfang nach seinerzeit noch unbekannten - zeitlichen
Spanne zwischen Anschaffung des Fahrzeugs und dem im Hinblick auf den bezweckten
Verkauf eintretenden Erfolgseintritt.
2. Ohne Erfolg zieht die Antragsgegnerin den Charakter der Pkw-EnVKV als
gesetzliche Vorschriften i.S. von § 4 Nr. 11 UWG in Zweifel.
Die Pkw-EnVKV dient im Bereich des Pkw-Kraftverkehrs der Umsetzung der Richtlinie
1999/94/EG, indem sie Regeln zur Einsparung von Energie, zur Senkung von CO
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Emissionen und damit letztlich auch zu Klimaschutzzwecken aufstellt. Sie weist darüber
hinaus aber auch einen (wettbewerbsrelevanten) Marktbezug auf. Denn sie schafft
Regeln über das Verhalten von Herstellern und Händlern bei Absatz und Werbung für
Neufahrzeuge und damit das Verhalten von Warenanbietern bei der Marktteilnahme.
Dieses Marktverhalten wird auch im Interesse der übrigen Marktteilnehmer geregelt. So
soll insbesondere der Verbraucher als Marktteilnehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG bei
der Kaufentscheidung auf maßgebliche, umweltbezogene Eigenschaften des Fahrzeuges
hingewiesen werden, um seine Kaufentscheidung zugunsten umweltfreundlicher Pkw zu
beeinflussen. Die Verbraucher sollen über die entsprechenden Eigenschaften des
Fahrzeuges informiert werden, damit sie ihre Kaufentscheidung in voller Sachkenntnis
von den umweltrelevanten Eigenschaften eines Kraftfahrzeuges treffen können. Die
Nichtbeachtung der Pkw-EnVKV ist daher zugleich ein Gesetzesverstoß i.S. des § 4 Nr.
11 UWG (OLG Oldenburg WRP 2007, 96, 99; Goldmann, WRP 2007, 38, 41).
3. Vergeblich macht die Antragsgegnerin geltend, der Unterlassungsantrag bzw. die
Untersagungsformel seien wegen des dort verwendeten Begriffs "neue
Personenkraftwagen" nicht hinreichend bestimmt i.S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der
Begriff ist für den hier allein in Rede stehenden Anwendungsbereich der Pkw-EnVKV in
deren § 2 Nr. 1 hinreichend deutlich definiert. Die Maßgeblichkeit dieser Definition und
damit die rechtliche Reichweite des Begriffs stehen zwischen den Parteien auch nicht
(ernsthaft) in Streit. Die Parteien streiten vielmehr allein um die - tatsächliche - Frage,
ob die Definitionsparameter des § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV im vorliegenden Fall erfüllt waren,
zu welchem Zweck also die Antragsgegnerin das Fahrzeug angeschafft hat. Dieser Streit
wird - wie unter I 1 ausgeführt - zugunsten des Antragstellers zu entscheiden sein. Daher
steht die Verwendung besagten Begriffs einer hinreichenden Bestimmtheit des
Unterlassungsantrags bzw. der Untersagungsformel von vornherein nicht entgegen.
Abgesehen davon hat das Landgericht durch die Inbezugnahme der konkreten
Verletzungsform die hinreichende Bestimmtheit sichergestellt.
II.
Es fehlt auch an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie an dem
Erfordernis der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO."
C.
An vorstehenden Ausführungen hält der Senat auch in Ansehung der Stellungnahme der
Antragsgegnerin vom 18. April 2007 fest.
Nr. 1 der Stellungnahme
Der Senat verbleibt bei seiner Auffassung zu oben B I 3, dass Unterlassungsantrag und
Untersagungsformel hinreichend bestimmt sind. Gestritten wurde und wird um die
Werbung für ein Fahrzeug, das mit einer Laufleistung von 1500 km beworben wurde,
tatsächlich aber lediglich 240 km gefahren wurde (unstreitiger Tatbestand des
angefochtenen Urteils auf Seite 2, Mitte). Soweit die angefochtene Entscheidung auf
Seite 5 ausführt, auch eine (nur beworbene, tatsächlich aber nicht vorhandene)
Laufleistung von 1.500 km spreche nicht gegen den Erwerb zum vorrangigen Zweck des
Weiterverkaufs, steht das entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der Annahme
einer hinreichenden Bestimmtheit nicht entgegen.
Nr. 2 der Stellungnahme
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Die Behauptung der Antragsgegnerin, das Fahrzeug sei 2005 als "Ausstellungsfahrzeug"
erworben worden, ist neu, steht den eigenen bisherigen Behauptungen und
Glaubhaftmachungen zum Erwerb "als Vorführwagen, Werkstatt-Ersatzwagen und
Dienstwagen für Betriebsangehörige, die Fahrten im Stadtgebiet zu erledigen hatten"
(Schriftsatz v. 22.08.2006, Seite 4 = Bl. 37, Schriftsatz v. 15.12.2006, Seite 2 = Bl. 92a,
Eidesstattliche Versicherungen W. und S. v. 10. August 2006, Anlagen AG 2, 3 = Bl. 44,
45) diametral entgegen und ist deswegen gemäß § 138 Abs. 1 a.E., § 520 Abs. 3 Nr. 4, §
529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich.
D.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung ergehen gemäß § 97
Abs. 1, § 3 ZPO.
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