Urteil des KG Berlin vom 02.06.2005

KG Berlin: miteigentümer, öffentliche aufgabe, anschluss, abfallentsorgung, grundstück, anerkennung, verwaltungsvermögen, privatvermögen, unterliegen, ermessen

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 U 96/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 1 AbfG BE, § 134 Abs 1
S 4 BauGB, § 427 BGB, § 7 Abs
2 StrRG BE, § 1 Abs 2 WoEigG
Abfall- und Straßenreinigung: Gebührenhaftung eines
Wohnungseigentümers im Land Berlin
Leitsatz
Schuldner der Abfall- und Straßenreinigungsgebühren sind nach Berliner Landesrecht die
Wohnungseigentümer als Miteigentümer und nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Deren Teilrechtsfähigkeit nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 2005
(BGHZ 163, 154) hat für die Haftung, die an die Eigentümerstellung anknüpft, keine
Bedeutung. Mangels einer § 134 Abs. 1 S. 4 BBauGB vergleichbaren gesetzlichen Regelung
haften die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner, nicht anteilig. Diese Haftungsregelung
verstößt nicht gegen Bundesrecht.
Tenor
Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zu 2) bis 4) zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2) bis 4) hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann
von den Beklagten die Zahlung der verlangten 8.358,96 EUR für die Straßenreinigung
und Abfallentsorgung in der Zeit von April 2001 bis Juni 2004 aufgrund eines zwischen
den Parteien in diesem Zeitraum bestehenden Vertragsverhältnisses verlangen.
1. Zwischen den Parteien bestanden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat,
entsprechende Vertragsverhältnisse über die Erbringung von
Straßenreinigungsleistungen und die Abfallentsorgung in der Zeit von April 2001 bis Juni
2004. Nach § 4 Abs. 1 StrReinG obliegt die ordnungsgemäße Reinigung der Straßen dem
Land Berlin als öffentliche Aufgabe für die Anlieger und Hinterlieger der betroffenen
Straße. Die Übernahme dieser Aufgabe durch das Land Berlin führt zu einem Anschluss-
und Benutzungszwang der Anlieger, die für die Erbringung der Straßenreinigung nach § 7
Abs. 2 S. 1 StrReinG ein Entgelt zu entrichten haben. Diese Entgeltpflicht hat dabei ihre
Grundlage zulässiger Weise im privaten Recht (vgl. BGH MDR 1984, 558 = GE 1984,
381). Dasselbe gilt für die Abfallbesitzer im Land Berlin, die nach § 5 Abs. 2 des
Krw/AbfallG einem Anschluss- und Benutzungszwang mit privatrechtlicher
Entgeltregelung (§ 8 Abs. 1 S. 1 Krw/AbfallG) hinsichtlich des anfallenden Abfalls
unterliegen. Kostenschuldner sind in der Regel die benutzungspflichtigen
Grundstückseigentümer, so § 8 Abs. 1 S. 2 Krw/AbfallG in der Neufassung vom
16.9.2004, ebenso nach § 8 Abs. 1 S. 1 a.F.
Die Entgeltpflicht ergibt sich dabei aus vertraglichen Rechtsbeziehungen, die allerdings -
anders als nach den Vorschriften des BGB - auch ohne individuellen Begründungsakt
aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des Anschluss- und Benutzungszwangs im Wege
der tatsächlichen Inanspruchnahme bei der Abfallentsorgung und der tatsächlichen
Leistungsgewährung wie bei der Straßenreinigung zustande kommen (vgl. dazu
Wolf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 11. Aufl., § 23 Rn. 34). Auf einen
ausdrücklichen Vertragsschluss durch die WEG-Gemeinschaft oder deren hierzu
ermächtigten Verwalter der kommt es insoweit nicht an. Ein solcher ist zur Begründung
des Vertragsverhältnisses nicht vorgesehen und findet auch nicht statt.
Derartige vertragliche Beziehungen bestanden auch hier zwischen der Klägerin und den
Beklagten zu 2) bis 4), weil diese in dem Zeitraum, für den die Entgelte verlangt werden,
Miteigentümer des Grundstücks … in … waren.
Die Verpflichtung zur Zahlung betrifft dabei jeden einzelnen der Beklagten zu 2) bis 4) in
voller Höhe, als Gesamtschuldner. Dies folgt aus § 427 BGB, nach dem mehrere
gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung Verpflichtete im Zweifel als
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gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung Verpflichtete im Zweifel als
Gesamtschuldner haften. Tatsachen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten,
sind nicht gegeben. Insoweit ist in § 7 Abs. 2 S. 2 StrReinG ausdrücklich geregelt, dass
mehrere entgeltpflichtige Personen als Gesamtschuldner haften. Eine entsprechende
Regelung fehlt zwar im Krw/AbfallG, es findet sich aber auch keine dem § 134 Abs. 1 S. 4
BauGB entsprechende Vorschrift, wonach die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer
nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil entgeltpflichtig wären, so dass es bei der
Regel des § 427 BGB verbleibt. Die Beklagten haben auch nicht dargetan, dass
entgegen der Regel kein gemeinsamer Abfallbesitz der Miteigentümer besteht. Aus dem
Wohnungseigentum folgt dies entgegen ihrem Einwand nicht.
Dass die jeweiligen Rechnungen an die WEG … gerichtet sind, ändert an der Person der
Vertragspartner nichts, weil sich hieraus kein Wille der Klägerin ablesen lässt,
abweichend von der Gesetzeslage mit der WEG-Gemeinschaft selbst vertragliche
Beziehungen begründen zu wollen, zumal auch ein entsprechender Wille der WEG-
Gemeinschaft aus der Entgegennahme von Rechnungen nicht hervorgeht.
2. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagten in Bezug auf das
Grundstück Wohnungseigentum im Sinne des § 1 Absatz 2 WEG innehatten. Denn die
genannten vertraglichen Beziehungen kommen entsprechend den gesetzlichen
Grundlagen des Anschluss- und Benutzungszwanges mit den jeweiligen
Grundstückseigentümern zustande. Nach § 1 Absatz 2 und 5 WEG sind die
Wohnungseigentümer aber Miteigentümer des Grundstücks.
Dieser rechtlichen Beurteilung stehen die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dem
Beschluss vom 2. Juni 2005 nicht entgegen (BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061).
Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die Annahme der Teilrechtsfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft nicht dazu, dass ihre Mitglieder nicht mehr als
Miteigentümer des Grundstücks anzusehen wären, worauf die Regelungen des StrReinG
und des Krw/AbfallG Berlin abstellen. Der Bundesgerichtshof führt ausdrücklich aus, dass
die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit
nicht zu einer Gesellschaft wird. Sonder- und Gemeinschaftseigentum verblieben
vielmehr als echtes Eigentum ausschließlich in den Händen der Miteigentümer und seien
nicht Teil des Vermögens des rechtsfähigen Verbandes, sie stünden daher auch nicht als
Haftungsmasse für dessen Verbindlichkeiten zur Verfügung (vgl. BGHZ 163, 154, 177 =
NJW 2005, 2061). Damit verbietet sich aber zugleich die Annahme, Verträge die das in
Wohnungseigentum aufgeteilte Grundstück betreffen, seien notwendig mit der
Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigem Verband geschlossen. Der
Bundesgerichtshof hat zwar ausgeführt, ein mit den Wohnungseigentümern
abgeschlossener Vertrag werde in der Regel mit dem rechtsfähigen Verband
abgeschlossen, auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht ausdrücklich als
Vertragspartner bezeichnet sei, etwas anderes könne sich nur dann ergeben, wenn der
Vertrag aufgrund besonderer Umstände gerade mit jedem einzelnen
Wohnungseigentümer abgeschlossen werde (BGH, aaO, S. 178). Derartige besondere
Umstände liegen hier aber vor. Dabei kann offen bleiben, ob neben den
Straßenreinigungsgebühren auch die verbrauchsabhängigen Kosten der
Abfallentsorgung als Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums anzusehen sind und als
solche der gemeinschaftlichen Verwaltung nach §§ 21 Absatz 5 Nr. 5, 28 Absatz 1 Nr. 2
WEG unterliegen oder ob diese dem jeweiligen Sondereigentum zuzurechnen sind und
die Finanzierung nur aus praktischen Gründen über die gemeinschaftliche Verwaltung
abgewickelt wird (vgl. dazu etwa Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 16 WEG Rn 13a).
Entscheidend ist, dass der Landesgesetzgeber mit der Anknüpfung der Haftung an das
gemeinschaftliche Grundeigentum bzw. den gemeinschaftlichen Abfallbesitz der
Grundeigentümer auch den Zugriff auf deren Vermögen als Haftungsmasse eröffnet
hat. Die Annahme einer – alleinigen – Haftung der WEG-Gemeinschaft würde den Zugriff
auf das Verwaltungsvermögen in seinem tatsächlichen Bestand beschränken, gerade
der Zugriff auf das Privatvermögen der Wohnungseigentümer einschließlich ihres
Wohnungseigentums wäre dem Straßenreinigungsbetrieb bzw. dem Abfallentsorger
verwehrt. Dieser kann sich den Vertragspartner, der nach dem StrReinG und dem
Krw/AbfG dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, aber nicht aussuchen und
die ihm gesetzlich obliegenden Leistungen auch nicht – wie ein privater Auftragnehmer
der WEG-Gemeinschaft - von der Stellung von Sicherheiten abhängig machen. Die
gesamtschuldnerische Haftung der Miteigentümer – und daher auch der
Wohnungseigentümer – mit ihrem Privatvermögen ist daher die notwendige Folge des
vom StrReinG begründeten Haftungssystems, sie wird durch die Anerkennung der
Teilrechtsfähigkeit der WEG-Gemeinschaft - wie vom BGH im Einzelnen dargestellt - nicht
aufgehoben und durch ein andersartiges Haftungssystem ersetzt. Auch wenn danach
nunmehr eine Haftung der WEG-Gemeinschaft beschränkt auf das
Verwaltungsvermögen begründet und die gesamtschuldnerische Haftung der
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Verwaltungsvermögen begründet und die gesamtschuldnerische Haftung der
Wohnungseigentümer etwa durch eine bürgenähnliche Ausfallhaftung ersetzt werden
könnte, fehlt es hierfür bislang an der gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage. Daher
geht auch der Einwand fehl, die gesamtschuldnerische Haftung der Miteigentümer
entspreche nicht der Billigkeit (§ 315 BGB).
3. Das Landgericht hat auch zu Recht die gegen die Höhe der geltend gemachten
Gebühren erhobenen Einwendungen unberücksichtigt gelassen.
Soweit die Beklagten zu 2) bis 4) gegen die Verpflichtung zur Zahlung der
Straßenreinigungsgebühren einwenden, die Durchführung der Reinigung werde mit
Nichtwissen bestritten, ist dies unzulässig und damit unbeachtlich. Nach § 138 Abs. 4
ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene
Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Bereits nach ihrem eigenen Vorbringen haben sie Kenntnis von dem Zustand der
Straßen genommen. Eigene Handlungen oder Wahrnehmungen liegen im Übrigen auch
dann vor, wenn es sich um Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder
Verantwortungsbereich handelt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 138 Rn. 16). Ob die
Beklagten in der fraglichen Zeit ihre Eigentumswohnungen selbst genutzt haben, ist
unerheblich. Das pauschale Bestreiten der Beklagten ist unzureichend. Es wäre
konkreter Vortrag erforderlich gewesen, zu welchen Zeiten es an einer Straßenreinigung
gemangelt hat, um der Klägerin einen entsprechenden Gegenvortrag zu ermöglichen.
Auch die von den Beklagten zu 2) bis 4) erhobenen Einwendungen gegen die
Abfallgebühren greifen nicht durch. Entgegen ihrer Auffassung hatte die Klägerin nicht
nach § 315 BGB den Umfang der Müllentsorgung und der Abfuhrhäufigkeiten nach
billigem Ermessen zu bestimmen. Der Umfang der von der Klägerin zu erbringenden
Leistung ist vielmehr von den Wohnungseigentümern abgerufen worden, da diese die
tatsächliche Handhabung gekannt und gebilligt haben. Dies haben die Beklagten sich
zurechnen zu lassen. Wie sie selbst ausführen, hätte die Verwalterin den erforderlichen
Einfluss auf die Größe der aufzustellenden Müllbehälter und die Abholungshäufigkeit
nehmen können. Dann aber oblag es den Beklagten zu 2) bis 4) auf ihre Verwalterin
einzuwirken, um für eine Reduzierung der Leistungen der Klägerin zu sorgen. Auf die
Kenntnis von den Rechnungen der Klägerin kommt es nicht an, da sich der Umfang der
Leistungen aus deren tatsächlicher Erbringung ergab.
4. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
III. Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht. Die Haftung der einzelnen
Mitglieder der WEG persönlich als Gesamtschuldner wird von der Entscheidung des BGH
nicht berührt. Sie beruht auf den Vorschriften des StrReinG und des Krw/AbfG Berlin,
deren Auslegung nach § 545 ZPO einer revisionsrechtlichen Beurteilung nicht zugänglich
ist (vgl. auch BVerwG NJW 2006, 791, 792).
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