Urteil des KG Berlin vom 29.03.2017
KG Berlin: kreuzung, fahrzeug, schmerzensgeld, verzug, zeugnis, behandlung, reparatur, sammlung, quelle, link
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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 107/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
StVG
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen
Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz
1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die
angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die
nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung
rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
1. Das Landgericht hat die Klage, soweit in der Hauptsache noch über sie zu entscheiden
war, mit dem angegriffenen Urteil zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger über die bereits
erhaltenen Zahlungen hinaus kein weiterer Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld aus
dem Verkehrsunfall vom 30. August 2006 in Berlin zusteht.
Die von der Berufung gegen das Urteil vorgebrachten Angriffe versprechen keine
Aussicht auf Erfolg.
a. Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verschulden der
Beklagten zu 1. an dem streitgegenständlichen Unfall lediglich mit 1/3 gegenüber der
überwiegenden Haftung des Klägers in Höhe von 2/3 zu bewerten ist.
Dabei hat das Landgericht auch zu Recht darauf abgestellt, dass die Beklagte zu 1. in
der Verkehrssituation vor dem Unfall als so genannter Kreuzungsräumer gegenüber
dem erst in einer späteren Grünphase in die Kreuzung einfahrenden Kläger bevorrechtigt
war.
Die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme, die von dem Kläger mit seiner
Berufung auch nicht angegriffen wird, hat die mit der Klage aufgestellte Behauptung des
Klägers, die Beklagte zu 1. sei bei für sie rot abstrahlendem Ampellicht in die Kreuzung
eingefahren, nicht bestätigt. Vielmehr hat sich, wie das Landgericht in dem
angegriffenen Urteil und insoweit von der Berufung ebenfalls nicht bemängelt,
festgestellt hat, ergeben, dass die Beklagte zu 1. bei für sie grünem Ampellicht in die
Kreuzung einfuhr und durch eine Verkehrsstockung auf der Kreuzung an der Weiterfahrt
gehindert wurde, mithin auf der Kreuzung hängen blieb, bis die für den Kläger geltende
Ampel des Querverkehrs auf grün schaltete.
In dieser Verkehrssituation ist die Beklagte zu 1. gegenüber dem Kläger bevorrechtigt
und haftet, soweit sich nicht Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Einzelfall hiervon
abzuweichen wäre, als Nachzügler, der die Kreuzung nicht mit der gebotenen Sorgfalt
räumt, bei einer Kollision zu 1/3 (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 28. Juni 2004 – 12 U 94/03
– NZV 2005, 95; Senat, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 12 U 767/77 – DAR 1978, 48;
Senat, Urteil vom 26. März 1981 – 12 U 4387/80 – VM 1981, 75 Nr. 89; Senat, Urteil vom
26. Oktober 1992 – 12 U 5056/91 –).
Der Vorrang des bei Grün in die Kreuzung eingefahrenen Nachzüglers, der die Kreuzung
nicht vor Freigabe des Querverkehrs räumen kann, gilt auch für in der Kreuzung “hängen
gebliebene” Linksabbieger, die in einer früheren Ampelphase in die Kreuzung
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gebliebene” Linksabbieger, die in einer früheren Ampelphase in die Kreuzung
eingefahren waren (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 1982 – 12 U 906/82 – VM
1983, 84 Nr. 100). Dies war ausweislich der erstinstanzlich durchgeführten
Beweisaufnahme vorliegend der Fall.
b. Soweit die Berufung der Auffassung ist, die Beklagte zu 1. hafte entgegen der eben
dargestellten Regel deshalb in vollem Umfang, weil sie grob verkehrswidrig die äußerst
rechte Spur gewählt habe, kann dem nicht gefolgt werden.
Wie auch die Berufung ausführt, waren die ersten beiden Spuren, die die Beklagte zu 1.
nach Abbiegen in die Kleiststraße hätte befahren können, durch aufgestauten Verkehr
versperrt. Ein Räumen der Kreuzung, welches die Beklagte zu 1. nach der Aussage des
Zeugen M stückweise im Schritttempo vornahm, war ihr mithin nur unter Befahren der
äußerst rechten Spur möglich.
Hiermit hätte der Kläger, der nach den Angaben der Berufung die Stauung auf den
beiden linken Spuren durchaus wahrgenommen hatte, rechnen müssen und hätte ein
Einfahren in die Kreuzung so lange zurückstellen müssen, bis sämtliche noch in der
Kreuzung stehenden Nachzügler diese geräumt hatten.
Dass der Kläger nach seiner Behauptung nicht erkannt haben will, dass von links noch
Kreuzungsräumer auf die rechte Spur einfuhren, führt nicht zu einer anderen
Beurteilung. Hätte der Kläger dies erkannt und wäre dennoch unter Berufung auf das für
ihn grüne Ampellicht selbst angefahren, so hätte ihn abweichend von der dargestellten
Regel sogar die volle Haftung treffen können (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 13.
November 2003 – 12 U 43/02 – NZV 2004, 574).
c. Ebenfalls nicht erfolgreich macht die Berufung geltend, die Beklagte zu 1. hätte auf
dem Mittelstreifendurchbruch abwarten können und müssen, bis die Verkehrsstauung
abgeflossen und auch die von links – der Kläger meint hier offenbar rechts –
kommenden Verkehrsteilnehmer des Querverkehrs inklusive des Klägers vorbeigefahren
wären.
Der Verkehrsteilnehmer, der bereits auf dem durch die Fahrlinien gebildeten
Kreuzungsbereich “hängen bleibt” und den Querverkehr - wenn auch möglicherweise nur
unerheblich - behindert, befindet sich nicht mehr im Schattenraum des
Kreuzungsbereichs und ist als Kreuzungsräumer vorrangig verpflichtet, die Kreuzung zu
räumen, wobei der Querverkehr dies ermöglichen muss (Senat, Urteil vom 27.
September 2004 – 12 U 270/02 – KGR 2005, 98).
2. Nicht Erfolg versprechend ist die Berufung auch, soweit der Kläger die Abweisung der
Klageanträge zu 3. und 4. deshalb rügt, weil das Landgericht nicht darauf hingewiesen
habe, dass es den diesbezüglichen Vortrag des Klägers als nicht ausreichend ansehen
würde.
Rügt der Berufungsführer einen unterlassenen Hinweis des Landgerichts, muss er mit
der Berufungsbegründung vortragen, was er bei erteiltem Hinweis geltend gemacht
hätte, damit die Ursächlichkeit des Verfahrensfehlers (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO)
geprüft werden kann (vgl. Senat, KGR 2009, 938 = VRS 117, 282 = MDR 2010, 105 L;
KGR 2007, 72 = MDR 2007, 677; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 139 Rn 20). Hieran
fehlt es.
Der Kläger hat mit der Berufung nicht vorgetragen, was er bei einem entsprechenden
Hinweis des Landgerichts hinsichtlich des Feststellungsantrages bezüglich einer Haftung
auch für zukünftige Schäden vorgetragen hätte. Allein die Berufung darauf, eine
Entscheidung sei überraschend, entbindet den Berufungsführer nicht davon
vorzubringen, was er bei erfolgtem Hinweis erstinstanzlich vorgetragen hätte.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 4., mit welchem der Kläger Schmerzensgeld für eine
von ihm nach seiner Behauptung erlittene HWS-Distorsion verlangt, hat das Landgericht
zu Recht ausgeführt, dass die von dem Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom
31. August 2006 nicht geeignet ist, die Behauptung des Klägers zur erlittenen
Verletzung und der Dauer der diesbezüglichen Schmerzen zu belegen. Es handelt sich
vielmehr um eine Überweisung, die zum Zweck der orthopädischen
Beurteilung/Behandlung der vom Kläger einen Tag nach dem Unfall geklagten Kopf- und
Nackenschmerzen erfolgte. Weiteres hierzu hat der Kläger, worauf das Landgericht zu
Recht hinweist, nicht vorgetragen. Dies hat er auch mit der Berufung nicht nachgeholt.
Soweit der Kläger sich auf das Zeugnis des die Bescheinigung vom 31. August 2006
ausstellenden Arztes Dr. D beruft, hat er nicht vorgetragen, dass er diesen nach dem
Termin vom 31. August 2006 nochmals aufgesucht hätte.
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3. Das angegriffene Urteil ist schließlich auch bezüglich der Kostenentscheidung nicht zu
bemängeln.
Soweit der Kläger meint, die nach § 91 a ZPO getroffene Kostenentscheidung sei
deshalb nicht richtig, weil das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass
hinsichtlich des für erledigt erklärten Anteils der Selbstbeteiligung von 1.000,- EUR kein
Verzug vorgelegen habe, ist dies nicht zutreffend.
Der Kläger hat nämlich weder vorgetragen, noch ergibt sich dies sonst aus den Akten,
dass er das unstreitig auf die J AG zugelassene Fahrzeug selbst auf eigene Rechnung
versichert hatte. Die Rechnung bezüglich der Reparatur des Fahrzeugs, die Grundlage
der Geltendmachung gegenüber der Vollkaskoversicherung war, ist auch auf die J AG
ausgestellt.
Im Übrigen war die Kaskoversicherung für das Fahrzeug zum Zeitpunkt des
vorgerichtlichen Schreibens vom 27. September 2006 noch nicht in Anspruch
genommen worden und die Ansprüche der Halterin noch nicht an den Kläger abgetreten
worden, was das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.
4. Nach alledem wird anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu
überdenken.
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