Urteil des KG Berlin vom 29.03.2017
KG Berlin: juristische person, eugh, wirtschaftliche tätigkeit, geschäftliche tätigkeit, allgemeininteresse, abfallentsorgung, icc, gemeinschaftsunternehmen, insolvenz, saldo
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Gericht:
KG Berlin
Vergabesenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Verg 5/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 98 Nr 2 GWB, VgV, VOL A
Vergabeverfahren: Pflicht zur Einhaltung der
Vergabebestimmungen, wenn ein öffentlicher Auftraggeber ein
Gemeinschaftsunternehmen, an dem er selbst zur Hälfte
beteiligt ist, beauftragt und dieses Teilleistungen
nachunternehmerähnlich weiter vergeben will;
Auftraggebereigenschaft einer Messegesellschaft
Leitsatz
1. Beauftragt ein öffentlicher Auftraggeber ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem er selbst
zur Hälfte beteiligt ist, ohne Durchführung eines den Anforderungen des Vierten Teils des
GWB und der VgV genügenden Vergabeverfahrens mit ausschreibungspflichtigen
Dienstleistungen (hier: Facility Management) und will das Gemeinschaftsunternehmen dazu
gehörende Teilleistungen (hier: Abfallentsorgung), die als solche dem GWB-Vergaberegime
unterfallen, in der Folge nachunternehmerähnlich weiter vergeben, ist es gegenüber einem
daran interessierten Unternehmen zur Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen über das
Vergabeverfahren der VgV und der VOL/A gleichermaßen verpflichtet, wie es der öffentliche
Auftraggeber selbst ohne Einschaltung des Gemeinschaftsunternehmens gewesen wäre.
2. Zur Auftraggebereigenschaft einer Messegesellschaft.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer
des Landes Berlin, 1. Beschlussabteilung, - VK - B 1 - 3/06 vom 10. April 2006 geändert:
Der Antragsgegnerin wird untersagt, Entsorgungsdienstleistungen für die gesamte
Abfallentsorgung auf dem Messegelände Berlin, der Deutschlandhalle und des ICC sowie
für die Abfallentsorgung bei allen von der M B GmbH in Berlin/Brandenburg
durchgeführten Veranstaltungen ohne Ausschreibungsverfahren nach Maßgabe des
Vierten Teils des GWB und der VgV zu vergeben.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens beider Instanzen zu
tragen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin
im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
Der Beschwerdewert wird auf 64.960,- Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darum, ob die Antragstellerin verlangen kann, dass die
Antragsgegnerin, die C F GmbH & Co KG (im Folgenden: CFG), ein
Gemeinschaftsunternehmen, an dem die M B GmbH zur Hälfte neben einem Konsortium
von privaten Unternehmen beteiligt ist, Entsorgungsleistungen im Bereich der von der M
B GmbH bewirtschafteten Liegenschaften und Veranstaltungen nicht ohne Durchführung
eines den Regelungen des Vierten Teils des GWB und der VgV genügenden
Vergabeverfahrens vergeben darf.
Die Geschäftsanteile der M B GmbH werden zu 99,7 % vom Land Berlin gehalten.
Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens ist das Veranstalten, Durchführen
und Betreuen von Messen, Ausstellungen, Kongressen und Tagungen, Sport- und
Unterhaltungsveranstaltungen zur Stärkung des Messeplatzes Berlin im In- und Ausland
sowie die Teilnahme an Veranstaltungen dieser Art und alle mit derartigen Geschäften
zusammenhängende Aktivitäten. Die Gesellschaft hat unter Beachtung
erwerbswirtschaftlicher Grundsätze zu arbeiten.
Im Dezember 2004 schlossen das Land Berlin und die M B GmbH eine so genannte
Grundlagenvereinbarung, in der Rechte und Pflichten des Landes Berlin und der M B
GmbH geregelt wurden. Die Grundlagenvereinbarung enthält unter anderem folgende
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GmbH geregelt wurden. Die Grundlagenvereinbarung enthält unter anderem folgende
Erklärungen und Regelungen:
Der Umsatz der MB GmbH soll von ... Mio. € im Jahr 2003 auf ... Mio. € im Jahr 2008
steigen. Das Konzernergebnis soll sich spätestens im Jahr 2008 positiv darstellen. Die
MB GmbH zahlt an das Land Berlin jährlich einen Pachtzins in Höhe von ... Mio. € (netto)
für das Messegelände und erhält vom Land für Wartung und Instandhaltung von
landeseigenen Grundstücken und Gebäuden einschließlich ICC einen pauschalen
Ausgleich in Höhe von ... Mio. € (netto).
Die M B stellt die Deutschlandhalle wie bisher auch weiterhin für den Eissport zur
Verfügung. Bis zum Jahr 2008 sind keine Neubauten erforderlich.
Die M B erhält für die Vorbereitung und Durchführung der Internationalen Luft- und
Raumfahrtausstellung (ILA) im Jahr 2006 zum letzten Mal Zuschüsse des Landes Berlin,
danach nicht mehr.
Damit diese Geschäftsziele erreicht werden können, stellt das Land im laufenden und im
kommenden Jahr insgesamt ... Mio. € zur Stärkung der Kapitalbasis zur Verfügung. Diese
Summe wird mit der bereits 2003 erfolgten Zahlung in Höhe von ... Mio. € verrechnet.
Der verbleibende Betrag von ... Mio. € wird der M B in 2004 und 2005 zu je ... Mio. € zur
Verfügung gestellt.
Die Geschäftsführung der MB GmbH berichtet vierteljährlich über die Erreichung ihrer
Geschäftsziele, an der sich auch ihre Vergütung orientieren wird.
Durch einen am 30. September 2001 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag
(Akten der VK Bl. 453 ff.) hat die MB GmbH die Rechtsvorgängerin der CFG, die CF
GmbH, deren gesamtes Stammkapital die M B GmbH hielt, mit der Erbringung von
Dienstleistungen für die technische und infrastrukturelle Betreuung der Liegenschaften
des Messebetriebs (F Management) ab Anfang Oktober 2001 beauftragt. Diese
Leistungen hatte zuvor die M B GmbH selbst erbracht oder Dritte damit beauftragt. Die
CFG ist nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Beauftragung von Subunternehmern
berechtigt.
Durch notarielle Vereinbarung vom 24. Dezember 2001 schufen die M B GmbH und die
FMP (F M Partner) GbR die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen zur Umwandlung
der C F GmbH in eine Kommanditgesellschaft. An der FMP sind je zur Hälfte die H FM
GmbH und die G Gebäudeservice GmbH beteiligt. Die FMP hatte sich zunächst als
atypisch stille Gesellschafterin an der CF GmbH beteiligt und in diesem Zusammenhang
u. a. ihre Kommanditeinlage aufgebraucht. Das Kommanditkapital der CFG von ... € wird
je zur Hälfte von der M B GmbH und der FMP GbR gehalten. Über die Geschäftsanteile
der Komplementär-GmbH der CFG verfügen je zur Hälfte die FMP und die CSG GmbH ,
deren Stammkapital wiederum allein bei der M B GmbH liegt. Diese hat die beiden an
FMP beteiligten Unternehmen im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt, der nicht die
Voraussetzungen einer Ausschreibung nach dem Vierten Teil des GWB und der VgV
erfüllte.
Am 24. Dezember 2001 wurde auch der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der M B
GmbH und der CFG in seiner bestehenden Fassung aufgehoben und neu gefasst.
Durch Vertrag vom 10. Juli 2002 hatte die CFG die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin
mit Wirkung von Anfang Juli 2002 mit der Abfallentsorgung auf dem Gelände der M B, der
Deutschlandhalle und des ICC sowie bei allen von der MB GmbH in Berlin/Brandenburg
durchgeführten Veranstaltungen beauftragt. Dieser Auftrag, dessen vertragliche Laufzeit
bei einem jährlichen Nettovolumen von nicht unter ... € bis zum Jahresende 2007 mit
zweijähriger Verlängerungsoption vorgesehen war, war ebenfalls nicht gemeinschaftsweit
ausgeschrieben worden. Diesen Vertrag hat die CFG nach vorangegangenen
Abmahnungen mit Schreiben vom 30. Januar 2006 fristlos zum Ablauf des 8. Februar
2006 gekündigt. Seither beauftragt die Antragsgegnerin ein anderes Privatunternehmen
interimsweise und einzelveranstaltungsbezogen mit der Durchführung der notwendigen
Entsorgungsleistungen; sie plant allerdings die längerfristige Vergabe dieser Leistungen
innerhalb eines Rahmenvertrages.
Die Antragstellerin hat vor der Vergabekammer einen gegen die CFG und die M B GmbH
gemeinsam gerichteten Nachprüfungsantrag eingereicht und beantragt, es diesen
Antragsgegnerinnen zu untersagen, Entsorgungsdienstleistungen für die gesamte
Abfallentsorgung auf dem Messegelände Berlin, der Deutschlandhalle sowie des ICC
sowie für die Abfallentsorgung bei allen von der M B GmbH in Berlin/Brandenburg
durchgeführten Veranstaltungen ohne Ausschreibungsverfahren zu vergeben.
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Die Vergabekammer hat, einer Anregung der CFG folgend, die Verfahren gegen die
beiden Antragsgegnerinnen getrennt und den Nachprüfungsantrag gegen beide
Unternehmen zurückgewiesen. Soweit es die CFG betrifft, beruht die Entscheidung
darauf, dass die Vergabekammer deren Auftraggebereigenschaft (§ 98 GWB) verneint
hat. Die Kammer hat die Ansicht vertreten, es könne dahingestellt bleiben, ob die M B
GmbH als öffentlicher Auftraggeber einzustufen sei, da die CFG auch dann mit Blick auf
die nur hälftige Beteiligung der Messegesellschaft am Kommanditkapital sowie an den
Geschäftsanteilen der Komplementärin und auch sonst nicht überwiegend von einem
öffentlichen Auftraggeber finanziert würde und im Übrigen auch nicht unternehmerisch
überwiegend beherrscht wird.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt,
verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren in der Hauptsache weiter.
B. Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.
Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, die hier interessierenden Entsorgungsleistungen,
die bei Beachtung erwerbswirtschaftlicher Grundsätze nicht auf Dauer interimsweise,
sondern nur in zeitlichen Einheiten in Auftrag gegeben werden können, bei denen der
einschlägige Schwellenwert überschritten wird, nicht ohne Einhaltung der Bestimmungen
über die Vergabeverfahren nach dem Vierten Teil des GWB und der VgV zu vergeben.
I.
1. Die Entscheidung des Streitfalls hängt ausschließlich von der Beantwortung der Frage
ab, ob die fraglichen Leistungen von einem öffentlichen Auftraggeber vergeben werden.
Das ist bei der gebotenen wertenden und die gesamten Umstände des Sachverhalts
einbeziehenden Betrachtung zu bejahen. Die Rechtsauffassung der Vergabekammer,
dafür allein auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse bei der CFG selbst abzustellen,
greift vor dem Hintergrund der Verflechtungen zwischen der M B GmbH und der CFG und
der von diesen Unternehmen eingegangenen Leistungsbeziehungen sowie mit Blick auf
die Schutzzwecke und Ziele des Vergaberechts zu kurz. Es kommt für die Frage der
Auftraggebereigenschaft nicht darauf an, ob die CFG selbst mit Blick auf die nur hälftige
Beteiligung der M B GmbH die Voraussetzungen aus § 98 Nr. 2 GWB erfüllt. Vielmehr ist
es vergaberechtlich geboten, für die Auftraggebereigenschaft die M B GmbH in den Blick
zu nehmen und auf sie abzustellen. Dieses Unternehmen erfüllt die an den
Auftraggeberbegriff zu stellenden Voraussetzungen, insbesondere das in diesem
Zusammenhang allein streitige Merkmal der Zwecksetzung, im Allgemeininteresse
liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen (vgl. nachstehend unter II.4.). Die
CFG muss sich dies in Bezug auf die hier interessierenden Entsorgungsleistungen
zurechnen und sich vergaberechtlich so behandeln lassen, als wäre sie selbst
öffentlicher Auftraggeber.
2. Beauftragt ein öffentlicher Auftraggeber ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem er
selbst zur Hälfte beteiligt ist, ohne Durchführung eines den Anforderungen des Vierten
Teils des GWB und der VgV genügenden Vergabeverfahrens mit
ausschreibungspflichtigen Dienstleistungen (hier: Übertragung des F M durch den
modifizierten Geschäftsbesorgungsvertrag) und will das Gemeinschaftsunternehmen
dazu gehörende Teilleistungen (hier: Abfallentsorgung), die als solche dem GWB-
Vergaberegime unterfallen, in der Folge nachunternehmerähnlich weiter vergeben, ist es
gegenüber einem daran interessierten Unternehmen zur Einhaltung der einschlägigen
Bestimmungen über das Vergabeverfahren der VgV und der VOL/A gleichermaßen
verpflichtet, wie es der öffentliche Auftraggeber selbst ohne Einschaltung des
Gemeinschaftsunternehmens gewesen wäre. Andernfalls könnten die Vergabestellen die
Bindungen des Vergaberechts durch Gründung von Tochtergesellschaften mit
Eigenbeteiligungen von beispielsweise, wie hier, 50 % umgehen. Das aber wäre mit der
Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar, derzufolge ein öffentlicher Auftraggeber
einen als solchen dem Vergaberecht unterliegenden Auftrag an eine andere juristische
Person ohne Vergabewettbewerb nur dann vergeben kann, wenn er diese Gesellschaft
beherrscht, wie eine eigene Dienststelle (vgl. EuGH NZBau 2000, 90 - Teckal; NZBau
2005, 111, VergabeR 2005, 44 - Stadt Halle; vgl. auch EuGH NZBau 205, 704 =
VergabeR 2006, 47 - Stadt Mödling). Eine solche Dominanz kann die M B GmbH im
Verhältnis zur FMP und deren Gesellschaftern nicht für sich in Anspruch nehmen.
Nachdem im Zuge der Umwandlung der CFG in eine Kommanditgesellschaft private
Gesellschafter zur Hälfte an der CFG beteiligt wurden, unterlag die - zeitgleiche -
Beauftragung der Kommanditgesellschaft mit der weiteren Durchführung des
Geschäftsbesorgungsvertrages deshalb vergaberechtlichen Restriktionen, die nicht
beachtet wurden. Deshalb ist es - gleichsam als vergaberechtliche
"Schadensbegrenzung" - angezeigt, dass aus dem Komplex des F-M zumindest die
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"Schadensbegrenzung" - angezeigt, dass aus dem Komplex des F-M zumindest die
anstehende Neuvergabe der Entsorgungsleistungen in Übereinstimmung mit dem
Vierten Teil des GWB und der VgV durchgeführt wird. Deswegen geht die
Antragsgegnerin auch in ihrer im Wege des Gegenschlusses zu der Entscheidung des
EuGH vom 18. November 2004 - Rs. C-126/03 (VergabeR 2005, 57) entwickelten
Annahme fehl, bei diesem Auftrag handle es sich, da die CFG selbst die
Voraussetzungen an den Auftraggeberbegriff nicht erfülle, nicht um einen öffentlichen
Auftrag i. S. v. § 99 GWB. Im Übrigen wäre dieser Gegenschluss auch nicht tragfähig, weil
sich aus der herangezogenen Entscheidung nur ergibt, dass ein seinerseits von einem
öffentlichen Auftraggeber beauftragter öffentlicher Auftraggeber Vergaberecht dann
verletzt, wenn er ein zur Erfüllung von Teilleistungen aus dem übernommenen Auftrag
eingeschaltetes Unternehmen nicht vergaberechtskonform auswählt.
Hiernach sind auch die von der Antragsgegnerin unter dem Aspekt der "Popularklage"
(Gliederungspunkt III. des Schriftsatzes vom 13. Juli 2006) vorgebrachten Angriffe gegen
die Antragsbefugnis der Antragstellerin, die nur an der Erbringung der
Entsorgungsleistungen, nicht aber am gesamten F-M interessiert ist, nicht zielführend.
II.
Die M B GmbH erfüllt die Voraussetzungen an den Auftraggeberbegriff in § 98 Nr. 2
GWB, weil sie jedenfalls gegenwärtig eine ganz überwiegend von einer
Gebietskörperschaft finanzierte juristische Person des Privatrechts ist, die zu dem Zweck
gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu
erfüllen.
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen im Allgemeinen Aufgaben, die zum einen
auf andere Art als durch das Angebot von Waren oder Dienstleistungen erfüllt werden
und die zum anderen der Staat aus Gründen des Allgemeininteresses selbst erfüllen
oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte, in der Regel im
Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art dar (vgl. z. B. EuGH EuZW
1999, 16 - Arnheim; VergabeR 2003, 296 - Adolf Truley; VergabeR 2003, 420 - Korhonen;
VergabeR 2004, 182 - SIEPSA). Das Vorliegen eines entwickelten Wettbewerbs und
insbesondere der Umstand, dass die jeweils interessierende Einrichtung auf dem
betreffenden Markt im Wettbewerb steht, bedeutet aber nicht zwingend, sondern nur
indiziell, dass es sich nicht um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht
gewerblicher Art handelt (EUGH EuZW 1999, 16 ff. Tz. 49 - Arnheim; Vergaberecht 2003,
302 f. Tz. 61 - Adolf Truley). Ob eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe
gewerblicher oder nicht gewerblicher Art vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller
erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, unter anderem der Umstände, die
zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen,
unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu beurteilen, wobei insbesondere das Fehlen von
Wettbewerb auf dem Markt, das Fehlen einer grundsätzlichen Gewinnerzielungsabsicht,
das Fehlen der mit der Übernahme der Tätigkeit verbundenen Risiken und die etwaige
Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu berücksichtigen sind (vgl. EUGH
aaO Vergaberecht 2003, 303 Tz. 66; Vergaberecht 2003, 424 Tz. 48 und 59; VergabeR
2004, 187 Tz. 81).
2. Die Ausrichtung von Messen, Ausstellungen und vergleichbaren Vorhaben ist zwar, wie
der EuGH entschieden hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit, die darin besteht,
Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten (EuGH VergabeR 2001, 281, 285 Tz. 39 -
Agora und Excelsior) und die Veranstalter betätigen sich dabei in einem wettbewerblich
geprägten Umfeld (EuGH aaO Tz. 42). In diesem die M Messe betreffenden Fall hat der
Gerichtshof indes nicht abstrakt und allgemein verbindlich die Frage entschieden, dass
der - im Allgemeininteresse liegende (EuGH aaO Tz. 33) - Betrieb von Messe- bzw.
Ausstellungsgesellschaften generell gewerblicher Art ist, sondern der EuGH ist auf der
Grundlage des ihm vom nationalen Gericht im Vorlagebeschluss unterbreiteten
Sachverhalts zu dem Ergebnis gekommen, dass die M Messe das wirtschaftliche Risiko
ihrer Tätigkeit trägt und dass ihre Tätigkeit deshalb als gewerblich anzusehen ist.
3. Ob es sich im Falle anderer Messeveranstaltungsgesellschaften genauso verhält, ist in
jedem einzelnen Fall auf Grund der jeweiligen Umstände zu entscheiden (vgl. etwa
Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht § 98 Rn. 237 f.).
Auf die M B GmbH trifft zwar, wie auf die M Messe zu, dass sie ihre Dienstleistungen
marktmäßig anbietet und in einem wettbewerblich geprägten Umfeld tätig wird. Das
steht bei der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorzunehmenden
Gesamtschau (oben unter II. 2. a) einer Einordnung als öffentlicher Auftraggeber nicht
entgegen, die hier auch zu erfolgen hat, weil das Gewicht der wettbewerblichen Aspekte
insgesamt hinter wettbewerbsuntypischen Aspekten, namentlich dem fehlenden Risiko
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insgesamt hinter wettbewerbsuntypischen Aspekten, namentlich dem fehlenden Risiko
für die eigene unternehmerische Betätigung zurückbleibt.
4. Die MB GmbH ist öffentlicher Auftraggeber, weil sich das Land Berlin dieses von ihm
mit 99,7 % der Geschäftsanteile beherrschten Unternehmens aus Gründen des
Allgemeininteresses bedient und seine Existenz durch Zuwendungen beständig
finanziert, um den Geschäftsbetrieb der Messegesellschaft unabhängig von der
betriebswirtschaftlichen Rentabilität des Unternehmens sicherzustellen. Das eigene
Interesse des Landes als Gebietskörperschaft an der Aufrechterhaltung und Förderung
des Messebetriebs dürfte, ohne dass dies abschließend festgestellt werden müsste,
damit zusammenhängen, dass Messen, Kongresse und ähnliche Veranstaltungen wie
auch Hauptversammlungen großer Aktiengesellschaften insgesamt als Wirtschaftsfaktor
Impulse für das Wirtschaftsleben der Stadt setzen können, die über den unmittelbaren
Leistungsaustausch bei den einzelnen Veranstaltungen weit hinaus gehen und dem
Land gerade wegen dieses übergreifenden Effektes die Übernahme von Verantwortung
nahe legen. Der Betrieb der Messegesellschaft dient deshalb generell der Förderung der
Wirtschaft in Berlin, was sich im Übrigen auch in der Satzung der M B GmbH
widerspiegelt. Dort ist ausdrücklich von dem Zweck der Stärkung des Messeplatzes
Berlin im In- und Ausland die Rede. Deshalb muss die Landesregierung auch daran
interessiert sein, auf die Geschäftstätigkeit der MB GmbH einen entscheidenden Einfluss
zu behalten.
a) Nicht streitentscheidend zu Gunsten der Antragsgegnerin fällt, abgesehen von dem
bereits erwähnten Marktbezug und wettbewerblichen Umfeld, in dem die M B GmbH ihre
Tätigkeit erbringt, ins Gewicht, dass das Unternehmen satzungsgemäß unter Beachtung
erwerbswirtschaftlicher Grundsätze zu arbeiten hat. Diese Satzungsbestimmung hat nur
programmatischen Charakter. Ihr kann im Rahmen der durchzuführenden
Gesamtwürdigung ebenso wenig ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden,
wie dem Umstand, dass in § 1 der Grundlagenvereinbarung vom Dezember 2004 das
Ziel der Gewinnerzielung als eines der zentralen Geschäftsziele der Gesellschaft definiert
ist, weil nicht ersichtlich ist, dass aus der Verfehlung jemals die letzte Konsequenz,
nämlich die Insolvenz zugelassen würde.
Soweit es die Perspektive der tatsächlichen Gewinnerwirtschaftung anbelangt, ist im
Übrigen Folgendes zu bemerken: Nach § 1 der Grundlagenvereinbarung soll spätestens
im Jahre 2008 ein nachhaltig positives Ergebnis (nach Abschreibungen,
außerordentlichen Aufwendungen sowie Zinsen und außerordentlichen Erträgen) erreicht
werden. Dazu ist allerdings offenbar - ebenfalls nach § 1 der Grundlagenvereinbarung -
eine Steigerung des Konzernumsatzes bis zum Jahre 2008 um ... Millionen Euro auf ...
Millionen Euro erforderlich. Der Senat hat bereits in der mündlichen Verhandlung zu
bedenken gegeben, dass es in Anbetracht der seit langem chronisch krisenhaften
wirtschaftlichen Situation der M B GmbH fraglich erscheint, ob diese Zielvorgaben
tatsächlich erfüllen werden können. Soweit die Antragsgegnerin hierzu in ihrem
nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Juli 2006 ausführt, die Messegesellschaft habe in
den Jahren 1999-2002 einen positiven Gesamtsaldo von rund ... Millionen Euro
erwirtschaftet, lässt sich dies aus den dazu vorgelegten Konzern-GuV der betreffenden
Jahre nicht nachvollziehen. Aus den darin mitgeteilten gerundeten Jahresergebnissen
ergibt sich vielmehr allenfalls ein Saldo von ... Euro. Dieser positive Saldo beruht
allerdings darauf, dass das Jahresergebnis nicht, wie offenbar tatsächlich erwirtschaftet,
mit gerundeten - Millionen Euro verbucht worden ist, sondern - auf Grund von nicht
näher erläuterten Umbuchungen lediglich mit rund -Euro. Ohne diese Umbuchungen
wäre der sich aus den GuV ergebende Saldo der Jahresergebnisse mit einem Betrag von
... Euro negativ:
Unabhängig davon, bemerkt der Senat, dass die reinen Daten der Gewinn- und
Verlustrechnung ohnehin nur einen nicht repräsentativen Einblick in die tatsächliche
Ertragslage eines Unternehmens gewähren. Entscheidend für die Frage der
Gewinnerzielung seitens der MB GmbH wäre der Ausweis von Bilanzgewinnen, d.h. der
Teile des Jahresüberschusses, der tatsächlich zur Ausschüttung freigegeben wird (vgl. §
158 Abs. 1 Nr. 5 AktG und zum Ganzen Wöhe, Die Handels- und Steuerbilanz, 5. Aufl.
Seite 128 f.).
b) Ausschlaggebend dafür, die M B GmbH als öffentlicher Auftraggeber anzusehen,
kommt hinzu, dass sie nicht das wirtschaftliche Risiko für ihre geschäftliche Betätigung
trägt, so wie es ein von Privaten finanziertes Unternehmen zu tragen hätte und dass sie
in diesem Zusammenhang vom Land in Wahrnehmung öffentlicher Interessen finanziell
unterstützt wird.
aa) Die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem Land und der
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aa) Die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem Land und der
Messegesellschaft beruhen nicht nur auf der Position des Landes als des
Hauptgesellschafters, sondern vorab auch darauf, dass das Land Eigentümer und
Verpächter der Liegenschaften ist, auf denen die Messegesellschaft ihre geschäftliche
Tätigkeit ausübt und ihre Dienstleistungen anbietet. Die wirtschaftliche Förderung, die
das Land der Messegesellschaft auf dieser Grundlage zuteil werden lässt, findet ihren
Niederschlag beispielsweise darin, dass das Land der M B GmbH von den Millionen €
betragenden Kosten für den Neubau des Südeingangs zum Messegelände ... Mio. €
erstattet hat. Diese Neubaumaßnahme fiel nicht mehr in den Pflichtenkreis des
Verpächters zur Erhaltung der Pachtsache in einem vertragsgemäßen Zustand (§ 581
Abs. 2 i.V.m. § 535 Abs. 1 BGB), sondern darin artikuliert sich die Übernahme von
Verantwortung durch das Land für den Messebetrieb als übergreifenden
Wirtschaftsfaktor zum Wohle der gesamten Stadt. Soweit die Antragsgegnerin diese
Kostenerstattung als eine Ausgleich von Vorteilen darzustellen versucht, die dem Land
Berlin als Eigentümer des Messegeländes und Eigentümer des errichteten Gebäudes zu
Gute kamen, steht dies in Widerspruch zu dem Umstand, dass das Gebäude
wirtschaftlich der Messe Berlin GmbH zugerechnet und in ihrer Bilanz ausgewiesen wird.
Diese handels- und steuerbilanzrechtliche Handhabung wird auch der Sache gerecht,
weil der Nutzwert der Baumaßnahme allein durch den Messebetrieb definiert ist und
unmittelbar der M B GmbH zugute kommt. Soweit die Antragsgegnerin es als Nachteil
der M B GmbH beklagt, dass diese die Baumaßnahmen aus eigenen Mitteln
vorfinanzieren musste und sie lediglich im Nachhinein anteilig erstattet bekam und dass
ihr infolge der Vorfinanzierung Mittel für die Finanzierung einer von einer
Unternehmensberatung vorgeschlagenen Wachstumsstrategie fehlten, so zeigt dies nur,
dass es für die Messegesellschaft so selbstverständlich wie unverzichtbar ist, vom Land
Zuwendungen zu erhalten, um im Messe- und Veranstaltungsgeschäft wettbewerbsfähig
zu bleiben. Mit solchen Hilfen könnte ein privater Betreiber unter marktüblichen
Bedingungen gerade nicht rechnen.
bb) Weitere erhebliche finanzielle Unterstützung erhält die M B GmbH durch die in der
Grundlagenvereinbarung zugesagten Zuwendungen des Landes zur Einstellung in die
Kapitalrücklage von jeweils ... Millionen Euro in den Jahren 2004 und 2005. Auch hierin
zeigt sich das Eigeninteresse des Landes an der Aufrechterhaltung der Liquidität und
Geschäftstätigkeit der Messe Berlin.
cc) Mittelbar dasselbe gilt für den durch die Grundlagenvereinbarung neu auf jährlich ...
Mio. € netto festgesetzten Pachtzins. Nach dem zweiten Nachtrag zum Pachtvertrag
vom 23. Juni 1997 hatte der Sockelbetrag für das gesamte Gelände im Jahre 2001 bei ...
Millionen Euro netto gelegen; nach dem Pachtvertrag kam aber noch eine variable Pacht
hinzu, die sich bis einschließlich 1998 auf 1 Prozent der Umsatzerlöse belaufen hatte.
dd) Dass sich Landesinteressen und Geschäftsbetrieb der Messegesellschaft schon in
der Vergangenheit überlagert haben, zeigt auch die Regelung in § 3 Abs. 5 des
ursprünglichen Pachtvertrages, wonach das Land als Verpächter die Aufwendungen für
die veranstaltungsunabhängigen Aufwendungen des gepachteten Vermögens mit
Ausnahme des Bereichs Messegelände (sogenannte Grundlast) übernommen hat.
Solche Aufwendungen treffen unter regulären Vertragsbedingungen den Pächter, der,
ertragswirtschaftliche Gesichtspunkte ernst genommen, von der Übernahme der
Verpflichtung zur (weiteren) Bewirtschaftung einer Einrichtung wie der Deutschlandhalle
oder vielleicht auch des ICC Abstand hätte nehmen müssen. Aus der Übernahme dieser
Verpflichtung durch das Land resultierten erhebliche Leistungen zu Gunsten der
Messegesellschaft für die Grundlast, und zwar im Jahre 1999 über rund DM; 2000: €;
2001: € und 2002: € (jeweils brutto).
ee) Nach der Grundlagenvereinbarung erstattet das Land als Verpächter der M B GmbH
für die Wartung und Instandhaltung der verpachteten Grundstücke und Gebäude
einschließlich des ICC ab 2004 bis einschließlich 2008 eine Pauschale in Höhe von jährlich
... Mio. € netto. Die Antragsgegnerin trägt dazu nunmehr vor, insgesamt seien etwa im
Jahre 2005 Wartungs- und Instandhaltungskosten für das Gelände in Höhe von rund Mio.
€ angefallen, so dass sich selbst ohne Berücksichtigung des Pachtzinses ein „Verlust“
der M B GmbH aus der Bewirtschaftung des Messegeländes mit Gebäuden von rund ...
Millionen Euro allein im Jahre 2005 ergeben habe. Der zum Beweis vorgelegte Auszug
aus dem Jahresabschluss der M B GmbH lässt zwar nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres,
den Schluss zu, dass die behaupteten Aufwendungen der Sache nach deckungsgleich
mit den Wartungs- und Instandhaltungskosten sind, auf die die Pauschale von ... Mio. €
entfällt. Vielmehr schließen die angegebenen Zahlen offenbar die Grundlast ("GL") ein,
deren Erstattung gemäß dem ursprünglichen Pachtvertrag nach der
Grundlagenvereinbarung von Dezember 2004 indes unberührt zu bleiben scheint.
Außerdem ist eine Position eingerechnet, die als Direktkosten „ techn.erneu.projekte “
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Außerdem ist eine Position eingerechnet, die als Direktkosten „ techn.erneu.projekte “
bezeichnet ist, die im Jahre 2004 mit ... € und 2005 mit ... € zu Buche geschlagen war
und von der nicht ersichtlich ist, dass sie in den pauschal als Wartungs- und
Instandhaltungskosten zu erstattenden Betrag fällt.
Aber selbst wenn schon die reine Wartungs- und Instandhaltungspauschale den
tatsächlichen Aufwand dauerhaft und in erheblichen Umfang unterschreiten sollte - was
nach einem Bericht der Senatsverwaltung für Wirtschaft vom 16. August 2003 Seiten 7
und 8 (Anlage 21 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. Juni 2006) gar nicht
ausgeschlossen erscheint, wäre dies keineswegs ein Indiz dafür, dass die M B GmbH sich
üblichen Wettbewerbsbedingungen zu stellen hätte. Sollten die regelmäßigen
Instandhaltungs- und Wartungskosten dauerhaft deutlich über dem pauschalen
Erstattungsbetrag liegen und gleichwohl von der M B GmbH zu tragen sein, hieße das,
dass das Land Berlin als Verpächter (und Hauptgesellschafter des Pächters) Kosten in
erheblichem Umfang auf den Pächter übergewälzt hätte, die nach der gesetzlichen
Regelung (§ 581 Abs. 2 i.V.m. § 535 Abs. 1 BGB) an sich Ersteren als Instandhaltungs-
und Wartungspflichtigen treffen würden. Darin läge nicht nur eine zivilrechtlich
fragwürdige Vertragspraxis, sondern dies stünde vor allem auch in eklatantem
Widerspruch zu der erklärten Zielsetzung der Grundlagenvereinbarung, die, eine
Gesundung der M B GmbH anstrebt und, wie bereits ausgeführt, bis spätestens 2008 auf
ein positives Konzernergebnis hinaus will. Es ist deshalb, sofern mit der Pauschale von ...
Mio. € jährlich Wartungs- und Instandhaltungskosten abgegolten werden sollten, die
regelmäßig weitaus teurer sind, dennoch nicht anzunehmen, dass die Messegesellschaft
dafür keine Kompensation erhält. Wenn diese Divergenz zwischen pauschaliertem
Erstattungsbetrag und tatsächlichem Aufwand schon zur Zeit des Abschlusses der
Grundlagenvereinbarung absehbar gewesen und der Pauschalbetrag dennoch nicht
korrigiert worden sein sollte, mag dies etwa temporären haushaltsrechtlichen Zwängen
geschuldet und stillschweigend mit der Erwartung verbunden gewesen sein, dass
auflaufende Fehlbeträge anderweitig kompensiert werden.
ff) Insgesamt ist nach den gesamten Umständen auch sonst nicht anzunehmen, dass
die M B GmbH einem echten Insolvenzrisiko ausgesetzt ist. Zwar ist eine Verpflichtung
des Landes Berlin als des Hauptgesellschafters bei Abwendung der Insolvenz
naturgemäß nicht im Gesellschaftsvertrag oder sonst vertraglich festgelegt. Das Land
Berlin kann den Messebetrieb jedoch auf Grund der übergeordneten wirtschaftlichen
Interessen an dessen Erhalt nicht einfach stilllegen und die Messegesellschaft in die
Insolvenz gehen lassen.
Dass Privatisierungsmöglichkeiten in der Vergangenheit geprüft wurden, ist in diesem
Zusammenhang kein tragfähiges Anzeichen für fehlende Nichtgewerblichkeit. In dem
Bericht der Senatsverwaltung für Wirtschaft vom 16. August 2003 ist ausgeführt, dass
die Privatisierung der Messegesellschaft vor dem Hintergrund der aktuellen
Marktsituation und der Renditechancen nur geringe Aussicht auf Erfolg hat. Der Verkauf
an einen Finanzinvestor war nach Einschätzung der eingeschalteten
Unternehmensberatung auf Grund der seinerzeitigen Situation im Investorenmarkt
sowie auf Grund der unzureichenden Renditechancen und des Fehlens einer attraktiven
„Exit-Strategie“ als eher verhalten eingeschätzt worden und der Verkauf an einen
strategischen Investor barg erhebliche Risiken, weil dieser keine langfristige Zusicherung
für den Erhalt der Leitmessen am Standort Berlin geben würde. Deshalb hat sich das
Land Berlin ausweislich des genannten Berichts zur Wahrung der Chancen des Messe-
und Kongressstandortes Berlin entschlossen, die Entwicklungsmöglichkeiten für die M B
GmbH auch weiterhin in öffentlicher Eigentümerschaft voranzutreiben. Darin zeigt sich
abermals die Identifikation des Landes mit dem Betrieb der M B GmbH. Der von der
Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang vertretenen Auffassung, als Eigentümer
des Messegeländes drohe dem Land Berlin bei einer Insolvenz der M B GmbH nicht das
Ende des Messewesens in der Hauptstadt; vielmehr stünde es dem Land frei, eine neue
Messegesellschaft zu gründen, vermag der Senat deshalb ebenso wenig näher zu
treten, wie es praktikabel erscheint, das Messegelände Messeveranstaltern zur
Durchführung einzelner Veranstaltungen oder für einen längeren Zeitraum zu
überlassen.
Die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage, ob die Anwendung des Vergaberechts
auf die von einer Messegesellschaft zu erbringenden Dienstleistungen überhaupt sinnvoll
und sachgerecht sein kann, stellt sich nicht, weil es vergaberechtlich nicht um die von
der Messegesellschaft angebotenen, sondern um die von ihr nachgefragten Dienst-,
Bau- oder Lieferleistungen geht.
Soweit die Antragsgegnerin auf die Beiladung der M B GmbH dringt, ist sie daran zu
erinnern, dass sie selbst die Trennung des gegen sie und die M B GmbH einheitlich
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erinnern, dass sie selbst die Trennung des gegen sie und die M B GmbH einheitlich
eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens angeregt hat. Die vorliegende Entscheidung
betrifft i. S. v. § 109 GWB nur die Antragsgegnerin; die M B GmbH hatte im Übrigen im
Parallelverfahren in beiden Instanzen, insbesondere auch in der gemeinsam
durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Senat Gelegenheit, sich zu der Frage
ihrer Auftraggebereigenschaft zu äußern und konnte die Antragsgegnerin darüber
hinaus im vorliegenden Verfahren als ihre Gesellschafterin instruieren.
Die vergaberechtliche Konsequenz ist nach alledem, die M B GmbH selbst als
öffentlichen Auftraggeber anzusehen, ohne dass Veranlassung bestünde, das Verfahren
auszusetzen und den EuGH im Wege der Vorabentscheidung mit der Frage der
Nichtgewerblichkeit zu befassen. Der Gerichtshof hat die Kriterien für die Beurteilung der
Frage, ob eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe gewerblicher oder nicht
gewerblicher Art ist, in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet (siehe oben B.II.1.)
und gibt es regelmäßig den nationalen Gerichte auf, unter Berücksichtigung aller
erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, unter anderem der Umstände, die
zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen,
unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu beurteilen, ob eine derartige Aufgabe vorliegt
(vgl. EUGH aaO Vergaberecht 2003, 303 Tz. 65; Vergaberecht 2003, 424 Tz. 56). Der
Senat kann deshalb das nationale Recht dahin anwenden, dass allein der Umstand, dass
die M B GmbH ihre Dienstleistungen zwar, wie ausgeführt, marktmäßig anbietet und in
einem wettbewerblich geprägten Umfeld tätig wird, in Anbetracht der vorstehend
eingehend dargelegten gegenteiligen Faktoren nicht zur Verneinung der
Nichtgewerblichkeit ausreicht. Eine Verletzung der zum Schutz der Bieter erlassenen
Vergabebestimmungen des Gemeinschaftsrechts liegt darin nicht.
III.
Die Antragstellerin ist mit ihrem Nachprüfungsantrag unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt präkludiert. Die Antragsgegnerin macht insoweit geltend, die
Antragstellerin sei nicht gegen die Beauftragung der Antragsgegnerin durch die M B
GmbH (im Geschäftsbesorgungsvertrag von 2001) vorgegangen und habe sich vor allem
selbst ohne Ausschreibungsverfahren in ein Vertragsverhältnis zur Antragsgegnerin
begeben. Für die Präklusion im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB kommt es nicht auf
vorangegangene Vergabeakte an, sondern allein auf die hier interessierende
Neuvergabe. Dass die Antragstellerin insoweit mit Rügen präkludiert wäre, behauptet die
Antragsgegnerin selbst nicht. Ihr früheres Verhalten kann, worauf der Senat bereits in
der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, allenfalls unter Treuwidrigkeits- oder
Missbrauchsaspekten Berücksichtigung finden (vgl. KG VergabeR 2005, 236, 237). Dafür
reicht es allerdings nicht aus, wenn der jeweilige Antragsteller früher vom Unterlassen
einer Ausschreibung profitiert hat und auch eine erneute Auftragsvergabe an sich selbst
ohne weiteres hingenommen hätte (KG aaO).
Die Antragsgegnerin sieht bei einer der Beschwerde stattgebenden Entscheidung ferner
die Gefahr einer dauerhaften Rechtsunsicherheit für abgeschlossene Verträge, weil jeder
Marktteilnehmer zu jedem beliebigen Zeitpunkt die Unwirksamkeit von Verträgen wegen
angeblicher Verstöße gegen des Vergaberecht einwenden könnte. Inwieweit damit
allgemein vergaberechtlich berechtigten Bedenken Ausdruck verliehen wird, mag
dahinstehen; im Streitfall kommt es auf die Frage der Unwirksamkeit eines
geschlossenen Vertrages nicht an und die Antragstellerin begehrt auch nur die
Einhaltung des Vergaberechts bei zukünftigen Ausschreibungen.
Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu unbedachten Konsequenzen und
unzumutbaren Erkundungspflichten lassen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine
abweichende Beurteilung als angezeigt erscheinen, zumal eine Kompensation der
Folgen nicht im Verhältnis zu dem jeweiligen Anbieter, sondern zwischen dem
öffentlichen Auftraggeber und seinem Vertragspartner zu suchen sein dürfte.
Der sofortigen Beschwerde war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf
§ 91 ZPO, § 128 Abs. 3 und 4 GWB sowie § 80 VwVfG analog.
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