Urteil des KG Berlin vom 09.12.2004
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Gericht:
KG Berlin 4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 16/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 195 BGB, § 195aF BGB, § 199
BGB, Art 229 § 6 Abs 4 BGBEG
Haftung des bauüberwachenden Architekten: Arglist aufgrund
fehlender Bauüberwachung; Serienfehler als Indiz
Leitsatz
Arglistiges Verschweigen eines Architekten durch fehlende Offenbarung gegenüber
Auftraggeber, dass Bauüberwachung teilweise nicht erfolgte.
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember
2004 - 5 O 529/02 - geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 48.700,80 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
12. Dezember 2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 1/4 und die Beklagten
zu 4/5 zu tragen.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin zu 1/20 und die
Beklagten zu 19/20 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des beigetriebenen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin hat beide Beklagte als Gesamtschuldner wegen behaupteter
Schlechtleistung aus einem Architektenvertrag auf Zahlung von Schadensersatz in
Anspruch genommen. Die mangelhafte Bauausführung der Isolierungsschicht gegen
Feuchtigkeit an allen zehn Balkonen führte zu entsprechenden Schäden, so dass die
Aufbauten teilweise zu erneuern waren. Im Einzelnen wird hinsichtlich des Vorbringens
der Parteien bis zum Abschluss der ersten Instanz auf den Tatbestand und die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage gegen beide Beklagte in Höhe von 51.426,80 EUR nebst
Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die
Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgen. Die
Beklagten ergänzen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag und meinen, dass die
Rüstungskosten von 2.726,00 EUR brutto mangels Erforderlichkeit nicht ersatzfähig
seien. Im Übrigen sei die Klageforderung verjährt, da ein arglistiges Verschweigen nicht
in Betracht komme, da sie sich nicht bewusst unwissend im Sinne der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes gehalten hätten. Hinsichtlich der Berufungsbegründung im
Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 14. Februar 2005 Bezug genommen (Bl. II/7-11 d.
A.).
Die Beklagten beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Berlin vom 9.
Dezember 2004 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26. April
2005 (Bl. II/18-25 d. A.).
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist zu einem geringen Teil begründet, im Übrigen nicht
begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz
wegen fehlerhafter Bauüberwachung in Höhe von 48.700,80 EUR nebst Zinsen zu.
Die Berufung ist in Höhe eines Teilbetrages von 2.726,00 EUR nebst anteiligen Zinsen
begründet. Zutreffend rügen die Beklagten, dass es sich bei dem vom Landgericht
zugesprochenen Betrag von 2.726,00 EUR Gerüstkosten nicht um erforderliche Kosten
der Mängelbeseitigung handelt. Das streitbefangene Objekt verfügt über zwei
Obergeschosse und ein Dachgeschoss mit einer Maximalhöhe der Balkone von ca. 10
m. Der für den Abriss und den Neuaufbau erforderliche Materialtransport kann in dieser
Höhe ohne weiteres durch Schuttrutschen und/oder Transportbänder oder ähnlichem
erfolgen. Die Einrüstung war auch nicht erforderlich, um den Zugang zu den Balkonen für
die Bauarbeiter zu erreichen. Der Zugang konnte ohne weiteres durch die Wohnungen
erfolgen. Die Mieter der jeweiligen Wohnungen waren auch verpflichtet, den Zugang für
die Bauarbeiter zur Beseitigung der Mängel zu gewährleisten. Die vom Landgericht
zitierte Rechtsprechung ist hier nicht einschlägig. Ob hier eine Einrüstung beauftragt
wird, war Ermessenssache. Eine objektive Pflichtverletzung seitens des bauleitenden
Architekten oder der bauausführenden Firma ist hier nicht erkennbar.
Die Berufung ist im Übrigen nicht begründet, da das Landgerichts verfahrens- und
rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass der Schadensersatzanspruch nicht verjährt ist.
Der Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Bauüberwachung gemäß § 635 BGB ist
dem Grunde nach und in Höhe des zuerkannten Betrages zwischen den Parteien
unstreitig. Die Beklagten wenden sich gegen die Feststellung des Landgerichts, dass sie
die mangelhafte Balkonabdichtung gegenüber der Klägerin arglistig verschwiegen haben,
so dass nach ihrer Auffassung der Schadensersatzanspruch bereits gemäß § 638 Abs. 1
BGB a. F. mit Ablauf der Fünfjahresfrist verjährt ist.
Die insoweit erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Mit überzeugender
Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass bauleitende Architekten gerade bei
wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes
Mängelrisiko aufweisen, zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren
Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet sind (BGH, NJW-RR 2000, 1468 f.).
Abdichtungs- und Isolierungsarbeiten sind typischerweise besonders schadensanfällig.
Die insoweit neuralgischen Punkte eines Hauses sind Keller, Dach und Balkone.
Verfahrens- und rechtsfehlerfrei hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die
Feststellungen des Sachverständigen O. in seinen schriftlichen Gutachten aufgeführt,
dass auf zehn der zwölf Balkone die einzelnen Lagen der Abdichtung keinen oder nur
einen eingeschränkten Verbund untereinander aufwiesen, so dass Wasser zwischen den
Abdichtungslagen gelangen konnte. Auf zehn der zwölf Balkone sind unzulässigerweise
Bitumenbahnen mit Aluminiumeinlagen verwendet worden. Auf allen Balkonen wurden
die Durchdringungen der Abdichtungen im Bereich der Fallrohre ohne Rohrhülsen und
Flansche ausgeführt und die Abdichtungen stumpf an die Rohre heran- oder geringfügig
auf die Rohre geführt. Schellenverbindungen waren ebenso wenig vorhanden, wie auf
allen zwölf Balkonen die Bodeneinläufe in der Abdichtungsebene keine
Entwässerungsmöglichkeiten hatten. Der Sachverständige O. hat festgestellt, dass diese
Fehler für einen fachkundigen Architekten bei einer auch nur stichprobenartigen
Überprüfung erkannt worden wären. Da davon auszugehen ist, dass die erfahrenen
Bauleiter der Beklagten bei einer stichprobenartigen Überprüfung die Mängel erkannt
und in diesem Falle auch gerügt hätten, geht das Gericht davon aus, dass hinsichtlich
dieses Teilkomplexes, also Abdichtungsarbeiten an den Balkonen, keinerlei
Bauüberwachung stattgefunden hat. Gegenteiliges vermögen die Beklagten auch nicht
zu bekunden, da ihnen nach über zehn Jahren nicht mehr möglich ist, substantiiert unter
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zu bekunden, da ihnen nach über zehn Jahren nicht mehr möglich ist, substantiiert unter
Beweisantritt darzulegen, ob und welche Überwachung durch ihre Bauleiter im Rahmen
der Abdichtungsarbeiten an den Balkonen vorgenommen worden ist.
Wie das Landgericht überzeugend ausgeführt hat, liegt damit im Sinne der
Rechtsprechung ein arglistiges Verschweigen im Sinne des § 638 Abs. 1 BGB a. F. vor, so
dass die Verjährung nicht fünf Jahre nach Abnahme des Werkes eingetreten ist. Nach der
vom Landgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung liegt ein arglistiger Verstoß gegen
vertragliche Offenbarungspflichten nicht nur dann vor, wenn bekannte Mängel
verschwiegen werden. Vielmehr kann der Architekt sich seiner vertraglichen
Offenbarungspflicht bei Ablieferung des fertigen Werkes nicht dadurch entziehen, dass er
sich für unwissend hält. Sorgt er bei der Herstellung des Werkes nicht für eine den
Umständen nach angemessene Überwachung und Prüfung der Leistung und damit auch
nicht dafür, dass er oder seine insoweit eingesetzten Erfüllungsgehilfen etwaige Mängel
erkennen können, so handelt er vertragswidrig und haftet demnach auch für Kenntnis
oder Unkenntnis solcher Mitarbeiter, die - wie der Bauleiter - mit der Prüfung des
Bauwerkes auf Mangelfreiheit betraut sind (OLG Celle, NJW-RR 1995, 1486 f.). Eine
offenbarungspflichtige Unwissenheit aufgrund fehlender Bauüberwachungstätigkeit liegt
entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht erst dann vor, wenn überhaupt keine
Bauüberwachung stattgefunden hat, sondern bereits dann, wenn hinsichtlich eines
abgrenzbaren und besonders schadensträchtigen Teils der Baumaßnahmen keine
Bauüberwachung vorgenommen wird. Eine Offenbarungspflicht wäre nur dann zu
verneinen, wenn die Bauleiter der Beklagten hinsichtlich dieses schadensträchtigen Teils
- Abdichtungsarbeiten an den Balkonen - stichprobenartige Überprüfungen
vorgenommen hätten und in diesem Rahmen keine Ausführungsfehler erkennbar
gewesen wären. Nicht erforderlich ist, dass die Bauleiter jeden einzelnen Arbeitsschritt
überwachen. Wie sich jedoch aus der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme
ergeben hat, liegen nicht einzelne Ausführungsfehler vor, sondern Serienfehler, die auf
der immer wieder gleichen Ausführungsart zurückzuführen sind. Die sich hieraus
ergebende Schlussfolgerung, dass damit überhaupt keine Bauüberwachung hinsichtlich
dieses Bauteils stattgefunden hat, war ist zwingend.
III.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative; 708
Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da deren Voraussetzungen hier
nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.
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