Urteil des KG Berlin vom 02.03.2004
KG Berlin: freier mitarbeiter, wirtschaftliches interesse, fahrzeug, polizei, aushändigung, versicherungsschutz, versicherungsnehmer, gewissheit, beweislast, versicherungsvertrag
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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 99/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 VVG, § 12b AKB, § 13 AKB, §
286 ZPO, § 529 Abs 1 Nr 1 ZPO
Kaskoversicherung: Darlegungs- und Beweislast im
Zusammenhang mit dem behaupteten Diebstahl eines PKW
Leitsatz
Anforderungen an die Beweisführung bei Streit über das Vorliegen eines Versicherungsfalles
in der Kaskoversicherung
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin
vom 2. März 2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer beträgt 13.367,66 EUR.
Gründe
vom Gericht nicht mitgeteilt.>
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung aus §§ 1 VVG, 12 b,
13 AKB. Ein Versicherungsfall, d.h. ein Diebstahl des PKW´s VW Passat mit dem
amtlichen Kennzeichen ... -... ist nicht nachgewiesen.
a. Allerdings bestand entgegen der Auffassung der Beklagten vorläufiger
Kaskoversicherungsschutz für das betreffende Fahrzeug. Der vorläufige
Versicherungsschutz, der mit Aushändigung der Doppelkarte verbunden ist, umfasste
im vorliegenden Fall auch die Teilkaskoversicherung (vgl. zur näheren Begründung die
Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil). Denn die Behauptung der
Beklagten, ihr Versicherungsagent, der Zeugen R., habe den Versicherungsschutz
mündlich bei Aushändigung der Doppelkarte ausdrücklich von der Bezahlung der
rückständigen Versicherungsprämien abhängig gemacht, was zwar nicht einen
vorläufigen Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung, sehr wohl aber aus der
Kaskoversicherung hätte hindern können, ist nicht bewiesen worden. Der Zeuge R. hat
nicht bestätigt, dass er einen entsprechenden Vorbehalt ausdrücklich formuliert hat.
b. Die Klägerin hat aber den ihr obliegenden Beweis eines Versicherungsfalles nicht
geführt. Wie das Landgericht richtig und ausführlich dargelegt hat, genügt der
Versicherungsnehmer in der KFZ-Kaskoversicherung bereits dann seiner Beweislast,
wenn er dartut und beweist, dass er bzw. ein autorisierter Fahrer das Fahrzeug zu einem
bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Stelle abgestellt hat und dort später nicht
wieder aufgefunden hat. Auch diese Mindesttatsachen, die der Versicherungsnehmer
voll beweisen muss, stehen im vorliegenden Fall aber nicht fest. Die Vernehmung des
Zeugen K., die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Berufungsinstanz zu wiederholen war,
weil - insoweit ist der Klägerin zuzustimmen - der Wortlaut der protokollierten,
erstinstanzlichen Aussage des Zeugen K. unterschiedliche, auch von den Feststellungen
des Landgerichts abweichende Wertungen zulässt (vgl. dazu Zöller/Gummer/Heßler,
ZPO, 25. Aufl., § 529 Rn. 7 m.w.N.), hat insoweit kein abweichendes Ergebnis erbracht.
Der Beweis ist nach wie vor nicht geführt. Nach § 286 ZPO ist die Überzeugung des
Gerichts von der zu beweisenden Tatsache (hier: Abstellen und Nicht-wieder-Auffinden
des versicherten PKW´s) erforderlich. Das bedeutet nicht, dass ein Beweis nur geführt
ist, wenn eine absolute, über jeden Zweifel erhabene Gewissheit besteht. Ausreichend ist
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ist, wenn eine absolute, über jeden Zweifel erhabene Gewissheit besteht. Ausreichend ist
vielmehr eine solche persönliche Gewissheit des Richters, die - wie der
Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung formuliert - „Zweifeln Schweigen
gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“ (Zöller/Greger, a.a.O., § 286 Rn. 19 m.w.N. aus
der Rechtsprechung).
Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall. Das erkennende Gericht ist unter
Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme nicht von der Wahrheit der klägerischen Behauptung überzeugt.
Zwar hat der Zeuge K. bei seiner Vernehmung in der Berufungsinstanz klar und deutlich
bekundet, dass er das fragliche Fahrzeug in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober
2001 in der C.-W.-S. geparkt hat und am nächsten Morgen an der fraglichen Stelle nicht
wieder aufgefunden hat. Dabei hat er keine Unsicherheiten gezeigt und auf Rückfrage
der Beklagtenvertreterin auch einleuchtend erklärt, warum er bei seiner Vernehmung vor
dem Landgericht deutlich zögerlicher und unbestimmter ausgesagt hat. Auch ist der
Zeuge persönlich durchaus überzeugend und sicher aufgetreten, sodass durchaus vieles
für zutreffende Angaben des Zeugen spricht.
Andererseits gibt es konkrete Hinweise, die Zweifel wecken und eine sichere
Überzeugung von der Wahrheit der bekundeten Gegebenheiten hindern.
Der Zeuge hat erkennbar ein wirtschaftliches Interesse an der Angelegenheit, das
zudem nicht rückhaltlos offen gelegt wird. Er hat sich sehr viel weit gehender um das
betroffene Fahrzeug gekümmert, als dies ein freier Mitarbeiter der Klägerin, dem das
Fahrzeug für Baustellenbesuche im Auftrag der Klägerin überlassen wurde (so die
Darstellung von Klägerin und Zeugen), getan hätte. Unstreitig hat der Zeuge sämtliche
Vertragsangelegenheiten betreffend das verschwundene Fahrzeug geregelt (den
Leasing- wie auch den Versicherungsvertrag geschlossen, die Zahlungen an die
Versicherung geleistet - nach Angaben des Zeugen K. zuletzt sogar aus eigenen
Mitteln), obwohl er als Baustellenbetreuer und nicht als Bürokraft bei der Klägerin
beschäftigt war. Da der Zeuge K. neben seiner Beschäftigung als freier Mitarbeiter bei
der Klägerin zugleich eine eigene Baufirma betrieben hat und in der Gastronomie tätig
gewesen ist (so jedenfalls die Angaben des Zeugen bei seinen Zeugenvernehmungen
vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht), geht außerdem die Überlassung des
Fahrzeugs zur beliebigen Nutzung durch den Zeugen über das Maß hinaus, dass bei
einer geschäftlichen Bindung der gegebenen Art (Nebentätigkeit in freier Mitarbeit) zu
erwarten ist. Nach alldem sind die Belange des Zeugen K. offenkundig stärker betroffen,
als wenn es nur um einen Firmenwagen seiner Arbeitgeberin ginge. Es stimmt deshalb
sehr nachdenklich, dass der Zeuge spontan, ohne bestimmte Nachfrage, schildert, im
Versicherungsbüro R. bei Aushändigung der Doppelkarte den bestehenden
Prämienrückstand in bar gezahlt zu haben, was die Klägerin selbst während des
gesamten Rechtsstreits nicht behauptet hatte. Immerhin konnte eine Zahlung der
rückständigen Prämien die Erfolgsaussichten der Klägerin deutlich verbessern, was im
Übrigen nach dem Beweisbeschluss vom 13. September 2004 in Verbindung mit dem
Hinweis vom 9. August 2004 für die Prozessparteien klar war. Hinzu kommt, dass der
Zeuge widersprüchliche Angaben dazu gemacht hat, welche Unterlagen er vor der
Aussage zu seiner Vorbereitung zur Verfügung gehabt hatte. Dazu gibt er einerseits an
„... Es war abends. Ich habe keinerlei schriftliche Unterlagen über die Diebstahlsanzeige
bei der Polizei, sodass ich genaues, im Einzelnen, nicht sagen kann. Es war aber sehr
spät abends.“ (S. 5 des Vernehmungsprotokolls vom 8. September 2005, Bl. 117 d.A.)
und andererseits „Das Datum habe ich meinen Unterlagen entnommen.“ und erläutert
dazu auf Nachfrage „Ich habe Kopien von meiner Meldung des Versicherungsvertrages
bei der Beklagten, und ich habe das Deckblatt von der Polizei, d.h. ein Formblatt mit
Bearbeitungsnummer und Datum.“ (wobei nach dem Sinnzusammenhang nur die
Meldung des Versicherungsschadens gemeint sein kann, weil ein Versicherungsvertrag
noch gar nicht existierte) (S. 6 des genannten Protokolls, Bl. 118 d.A.).
Schließlich irritiert und lässt an der Wahrhaftigkeit der Angaben zweifeln, dass zwischen
Entdeckung des Verlustes um 9.50 Uhr und der Schadensanzeige bei der Polizei, die
zwischen 11.50 Uhr und 12.00 Uhr aufgenommen worden ist (vgl. die Zeitangaben der
Polizei zur Anzeigenerstattung und Anzeigenaufnahme: Bl. 1, unten links und oben
rechts, d. BA -5 UJS 05108.02-), selbst wenn man die vom Zeugen angegebene
Wartezeit von 10 Minuten berücksichtigt, ein ganz erheblicher Zeitraum verstrichen ist,
und der Zeuge dennoch keine Mitteilungen von Substanz zu diesen knapp zwei Stunden
machen konnte. Anders als für den Abstellvorgang am Vortag, lässt sich das Fehlen
jeglicher Erinnerung an Details hier nicht damit erklären, dass von solchen alltäglichen
Routinehandlungen eben typischerweise nichts im Gedächtnis haften bleibt. Es handelt
sich nicht um Alltagsroutine, wenn der einige Stunden zuvor geparkte Wagen „weg ist“
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sich nicht um Alltagsroutine, wenn der einige Stunden zuvor geparkte Wagen „weg ist“
und zumindest die Termine des Vormittags umorganisiert werden müssen - immerhin
wird es einen Anlass für den Zeugen K. gegeben haben, den PKW aufzusuchen.
Ungewöhnlich ist insoweit, dass dem Zeugen weder seine Reaktion auf das
Verschwinden des PKW´s, etwaige Versuche dieses Verschwinden aufzuklären, noch die
Fahrt zur Polizeidienststelle einer Erwähnung wert sind, obwohl er ausdrücklich darauf
angesprochen worden ist, was er an dem fraglichen Vormittag - angesichts des
verstrichenen Zeitraums - bis zum Eintreffen auf der Polizeidienststelle gemacht hat.
2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 ZPO und §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
hat und auch die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2
ZPO).
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