Urteil des KG Berlin vom 02.10.2000

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 8954/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 287 ZPO, § 252 BGB
Schadenersatz bei Kfz-Unfall: Erfordernis eines
Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des
Gewinneinbruchs eines Selbstständigen
Leitsatz
Kommen bei einer Minderung des Einkommens eines Selbständigen nach einem
Verkehrsunfall unfallunabhängige Faktoren für den Gewinneinbruch (z.B.
Konjunkturentwicklung, Fehldispositionen) in Betracht, handelt das erstinstanzliche Gericht
verfahrensfehlerhaft, wenn es einen unfallbedingten Erwerbsschaden nach § 252 BGB, § 287
ZPO schätzt, ohne insoweit ein Sachverständigengutachten eingeholt zu haben.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2. Oktober 2000 verkündete Teilurteil der
Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 366/98 - teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 7. Oktober 1998
verurteilt, an den Kläger weitere 8.782,95 EUR nebst 4 % Zinsen seit 13. August 1998 zu
zahlen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 71 % und der
Beklagte 29 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die am 9. November 2000 eingelegte und mit einem am 4. Dezember 2000 bei Gericht
eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Beklagten richtet sich gegen das
am 16. Oktober 2000 zugestellte zweite Teilurteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts
Berlin vom 2. Oktober 2000, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug
genommen wird.
Der Beklagte verfolgt sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren weiter und macht
geltend, der Kläger habe den verlangten Verdienstausfallschaden nicht hinreichend
dargetan. Es fehle jegliche Darlegung dazu, dass der vom Landgericht angenommene
Gewinnrückgang in der Zeit nach dem Unfall entstanden sei. Ursache für den geringen
Gewinn in der Bilanz für 1997 sei vielmehr, dass im fraglichen Zeitraum rund 112.000,00
DM für Material mehr aufgewandt worden seien als im Jahre 1996. Aus den in den
Bilanzen ersichtlichen Umsätzen, die für das Jahr 1997 etwa gleich hoch gewesen seien
wie in den Vorjahren, ergebe sich, dass im Unfalljahr keine Minderung der
Betriebsleistungen eingetreten sei.
Der Beklagte meint, mangels hinreichender Anhaltspunkte hänge eine
Schadensschätzung gleichsam in der Luft. Jedenfalls müsse sich der Kläger das von der
Bauberufsgenossenschaft erhaltene Verletztengeld in Höhe von 14.904,00 DM auf den
Verdienstausfallschaden anrechnen lassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Berlin vom 2.
Oktober 2000 - 24 O 366/98 - abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, die Materialeinkäufe habe er nicht
auf Vorrat, sondern im Hinblick auf bereits erteilte Aufträge getätigt. Unter normalen
Umständen hätte er den Umsatz also entsprechend dem größeren Materialeinsatz
gesteigert. Weiter behauptet der Kläger, er habe in den Jahre seit 1998 erheblich höhere
Gewinne als im Schadensjahr erwirtschaften können. Im Jahre 1999 habe er einen
Gewinn von 131.049,99 DM erwirtschaftet, im Jahr 2000 einen Gewinn in Höhe von
136.519,36 DM und im Jahr 2001 einen solchen in Höhe von 173.418,06 DM.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 2. August 2001 (Bd. II Bl. 143) Beweis erhoben
durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. A. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 12. September 2003
Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil vom 2. Oktober 2000 ist
teilweise begründet. Abweichend vom Landgericht schätzt der Senat auf der Grundlage
des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. A. den dem Kläger
unfallbedingt entstandenen Verdienstausfallschaden auf lediglich 8.353,62 EUR.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend beanstandet der Beklagte, dass das Landgericht nicht
allein aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Bilanzgewinne für die Jahre 1995, 1996
und 1998 hätte schätzen dürfen, ohne zuvor das Gutachten eines Sachverständigen
einzuholen. Zwar hat das Landgericht die Grundsätze für die Berechnung des
Erwerbsschadens eines selbständigen Unternehmers zutreffend wiedergegeben. Es
hätte sich jedoch der Hilfe eines Sachverständigen bedienen müssen, um
unfallunabhängige Faktoren, die gerade im vorliegenden Fall auch in Betracht kamen,
wie Konjunkturentwicklung, Fehldispositionen im Betrieb etc., von den Folgen des Unfalls
abzugrenzen (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Aufl., Rdnr.
99; OLG Oldenburg, NJW-RR 1993, 798). Zudem hatte der Beklagte erstinstanzlich auf
eine Reihe von Auffälligkeiten hingewiesen, wie beispielsweise die in den vom Kläger
vorgelegten Bilanzen ausgewiesenen ungewöhnlich hohen Materialkosten im Jahr 1997,
die der Kläger nur unzureichend erklärt hat.
2. Der Senat sieht sich in der Lage, unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen
gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO auf der Grundlage des eingeholten
Sachverständigengutachtens eine Schätzung des dem Kläger entstandenen
Verdienstausfallschadens vorzunehmen.
a) Überzeugend und nachvollziehbar hat der Sachverständige ausgeführt, wegen
Ausschöpfung bestimmter handels- und steuerrechtlicher Bilanzierungsvorschriften
entspreche der in den vom Kläger vorgelegten Bilanzen ausgewiesene Gewinn nicht dem
realen Betriebsergebnis. Abweichend vom bisherigen Vortrag des Klägers hat er
folgende reale Betriebsergebnisse ermittelt:
Grundsätzliche Einwendungen gegen diesen Ansatz des Sachverständigen haben die
Parteien nicht erhoben. Der Kläger hat sich das Gutachten des Sachverständigen Prof.
Dr. A. insoweit zu Eigen gemacht.
Sodann hat der Sachverständige auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen für
das Schadensjahr 1997 ein reales Betriebsergebnis in Höhe von 10.969,76 DM und ein
hypothetisches Betriebsergebnis von 125.302,01 DM ermittelt. Unter näherer Darlegung
im Einzelnen hat er eine Erlösschmälerung aufgrund der Verletzung in Höhe von
28.071,71 DM und einen verletzungsbedingten Rückgang des Betriebsergebnisses von
18.791,70 DM, zusammen also 46.863,41 DM ermittelt.
b) Ohne Erfolg wendet der Beklagte gegen das Gutachten des Sachverständigen Prof.
Dr. A. ein, dieser habe die vom Kläger behaupteten Zahlen zugrunde gelegt, ohne
anhand der Bücher des Klägers eine Belegprüfung vorgenommen zu haben. Unter
Berücksichtigung der Beweiserleichterungen gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO hält es der
Senat für möglich, auch ohne eine Belegprüfung auf der Grundlage der vom Kläger
eingereichten Unterlagen, die von einem Steuerberater angefertigt wurden, eine
Schadensermittlung vorzunehmen, zumal der Beklagte selbst keine vom Vorbringen des
Klägers abweichenden konkreten Zahlen behauptet.
c) Zutreffend weist der Beklagte jedoch darauf hin, dass der Sachverständige das von
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c) Zutreffend weist der Beklagte jedoch darauf hin, dass der Sachverständige das von
ihm auf den Seiten 30, 31 des Gutachtens mitgeteilte Gesamtergebnis auf Seite 28
unter Nr. 3.3 dahingehend eingeschränkt hat, dass die Erlösschmälerungen von
48.122,93 DM nur hypothetisch auf das verletzungsbedingte Ausscheiden des Klägers
zurückzuführen seien, da die in der Akte enthaltenen Schriftstücke keinen Hinweis darauf
enthalten, welche Arbeiten/Leistungen vor dem Unfall abgenommen oder bemängelt
wurden, sowie wann mit der Arbeitsausführung bzw. Leistungserstellung begonnen
wurde. Um den sich hieraus ergebenden Unwägbarkeiten Rechnung zu tragen, die
grundsätzlich zu Lasten des für die Schadenshöhe darlegungs- und beweispflichtigen
Klägers gehen, hält es der Senat für angemessen, einen Abzug in Höhe von einem
Drittel von dem vom Sachverständigen geschätzten Vermögensschaden vorzunehmen.
Danach verbleibt ein Betrag in Höhe von 31.242,27 DM als geschätzter
Verdienstausfallschaden des Klägers.
d) Zwar hat der Sachverständige am Ende seines Gutachtens ausgeführt, der mögliche
Vermögensschaden könne sich „bei Vorliegen entsprechender Nachweise“ um den
Betrag von 20.150,22 DM erhöhen, doch hat der insoweit darlegungs- und
beweispflichtige Kläger derartige Nachweise nicht beigebracht. Ohne Erfolg beruft sich
der Kläger insoweit darauf, dass nach seinem Vorbringen erster Instanz Verluste in
entsprechender Höhe aus zwei abgebrochenen Bauvorhaben in der W. Straße 4 und W.
Straße 52 entstanden seien. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers ist schon
deshalb rechtlich unerheblich, weil der Kläger hier in unzulässiger Weise die von ihm
selbst gewählte abstrakte Schadensberechnung, bei der nicht auf ein konkretes
entgangenes Geschäft abgestellt wird, sondern auf einen - durch Schadensereignis
bedingten - Rückgang des Geschäftsergebnisses, mit der ursprünglich verfolgten
konkreten Berechnung vermengt. Eine derartige Vorgehensweise birgt die Gefahr in sich,
dass die vom Kläger geltend gemachten Einnahmeverluste aus den Bauvorhaben W.
Straße 4 und W. Straße 52 doppelt berücksichtigt werden. Denn es liegt nahe, dass der
vom Sachverständigen ermittelte Rückgang des Betriebsergebnisses zumindest auch
auf dem Ausbleiben erwarteter Einnahmen aus den genannten Bauvorhaben
zurückzuführen ist.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10. November 2003 behauptet, ihm sei aus den
genannten Bauvorhaben deshalb ein Schaden entstanden, weil bezüglich des
Bauvorhabens W. Straße 4 eingebaute Materialien im Wert von 35.000,00 DM und bei
dem Bauvorhaben W. Straße 52 eingebautes Material im Wert von 20.000,00 DM
unbezahlt geblieben seien, ist dies nicht schlüssig. Wenn die entsprechenden Aufträge,
wie vom Kläger behauptet, aufgrund unfallbedingter Verzögerungen von den Bauherren
gekündigt worden sind, so stand dem Kläger gleichwohl ein Anspruch auf anteilige
Vergütung der bereits erbrachten Werkleistungen einschließlich der Materialien zu
(Werner Pastor, Der Bauprozess, Rdnr. 1147). Wenn der Kläger einen derartigen
Anspruch nicht gegenüber seinen Auftraggebern durchgesetzt haben sollte, müsste er
sich den hieraus resultierenden Schaden gemäß § 254 Abs. 2 BGB wegen
Mitverschuldens anspruchsmindernd anrechnen lassen.
Dass den Auftraggebern der genannten Bauvorhaben wegen unfallbedingter
Bauverzögerungen ihrerseits Schadensersatzansprüche gegen den Kläger zugestanden
hätten, welche sie den Werklohnansprüchen des Klägers hätten entgegenhalten können,
ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
3. Auf den entstandenen Verdienstausfallschaden muss sich der Kläger das erhaltene
Verletztengeld in Höhe von 14.904,00 DM anrechnen lassen. Hierauf hat der Beklagte
zutreffend hingewiesen. Zwar führen Leistungen des Sozialversicherungsträgers und
andere Sozialleistungen grundsätzlich nicht zur Entlastung des Schädigers, sondern nur
zum Forderungsübergang kraft Gesetzes (SGB X, § 116; Palandt-Heinrichs, BGB, 63.
Aufl., vor § 249 Rdnr. 134 m.w.N.). Das Verletztengeld, welches der Kläger unstreitig
erhalten hat, ist mit dem von ihm geltend gemachten Erwerbsschaden kongruent (vgl.
Küppersbusch a.a.O., Rdnr. 64). In Höhe von 14.904,00 DM sind
Schadensersatzansprüche des Klägers wegen eines Verdienstausfallschadens mithin
kraft Gesetzes auf den Sozialversicherungsträger übergegangen. Da der Beklagte nach
seinem unwidersprochenen Vorbringen im Schriftsatz vom 6. September 2000 diesen
Betrag bereits dem Sozialversicherungsträger, der Bauberufsgenossenschaft, erstattet
hat, ist der dem Kläger zustehende Anspruch entsprechend zu kürzen.
Mithin ergibt sich folgende Berechnung:
4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung
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4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung
hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708
Nr. 10, 711 in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
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