Urteil des KG Berlin vom 09.10.2003
KG Berlin: haftung aus unerlaubter handlung, ende der frist, treu und glauben, verjährungsfrist, vollstreckung, depot, anspruchskonkurrenz, unterlassen, anlageberater, form
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Gericht:
KG Berlin 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 71/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 276 BGB, § 823 Abs 2 BGB, §
31 Abs 2 Nr 2 WpHG, § 32
WpHG, § 37a WpHG
Bankenhaftung bei Falschberatung eines Anlagekunden:
Verjährungsbeginn und Verjährungsfrist
Leitsatz
1. Die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG erfaßt auch etwaige konkurrierende
Deliktsansprüche wegen fahrlässiger Falschberatung.
2. Die zu §§ 51 b BRAO, 68 StBerG entwickelten Grundsätze zum sogenannten
Sekundäranspruch sind auf § 37 a WpHG nicht anwendbar.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 9. Oktober 2003 verkündete Urteil der
Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin - 19 U 71/03 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages
abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des
Landgerichts Berlin Bezug genommen.
Der Kläger verlangt mit der Berufung nunmehr in erster Linie die Zahlung von 49.266,59
EUR Zug um Zug gegen Rückgabe der Wertpapiere des Depots mit der Nr. 0138283205.
Das Landgericht sei unzutreffend von der Verjährung der Schadensersatzansprüche
ausgegangen, wobei es insoweit zutreffend ein Beratungsverschulden der Beklagte
angenommen habe. Das Landgericht habe nicht gewürdigt, daß die Pflichten der
Beklagten aus dem Beratungsverhältnis nicht am 8. Februar 2000 endeten oder sich in
der Anlageempfehlung erschöpften. Auf Grund des nach Ansicht des Klägers bedingt
vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten hätte diese der Zedentin einen Warnhinweis
geben müssen, als die negative Kursentwicklung absehbar gewesen sei. Dies hätte dann
deutlich nach Februar 2000 der Fall sein müssen. Der sich aus dem pflichtwidrig
unterlassenen Warnhinweis ergebende Schadensersatzanspruch sei somit ersichtlich
nicht verjährt. Nicht berücksichtigt habe das Landgericht, daß am 8. Februar 2000 noch
kein Schaden eingetreten sei. Es könne von dem Kläger nicht verlangt werden, einen
fiktiven oder gar nur theoretischen Schaden zu einem bestimmten Zeitpunkt zu
berechnen. Das Landgericht habe sich nicht mit dem Argument auseinandergesetzt,
daß der Sekundäranspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt beginne.
Weiterhin habe das Landgericht die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG
fehlinterpretiert. Es habe darauf abgestellt, daß es für den Beginn der Verjährung nicht
auf die Kenntnis des Anlegers vom Schadenseintritt ankomme. Nach dem Wortlaut der
Vorschrift setze diese andererseits auch nicht die Unkenntnis des Anlegers voraus. Dem
Landgericht sei ferner nicht darin zu folgen, daß die Regelung des § 37 a WpHG auch
Ansprüche aus unerlaubter Handlung erfasse. Es wäre widersinnig, den „unerlaubt
Handelnden“ allein deshalb besser zu stellen, weil ein Vertrag bestehe. Darüber hinaus
sei davon auszugehen, daß die Mitarbeiter der Beklagten angewiesen seien, aus
Provisionsgründen die risikoreicheren Anlagevarianten zu empfehlen. Das rechtfertige
die Annahme, daß der Anlageberater mindestens bedingt vorsätzlich gehandelt habe.
Schließlich habe das Landgericht das Schreiben der Beklagten vom 5. Februar 2001
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Schließlich habe das Landgericht das Schreiben der Beklagten vom 5. Februar 2001
unzureichend gewürdigt. Dieses sei aus der Sicht des Empfängers auszulegen. Danach
hätte die Zedentin das Schreiben als Anzeige der Bereitschaft der Beklagten verstehen
dürfen, sich in Vergleichsverhandlungen zu begeben. Die eingangs des Schreibens
erfolgte Zurückweisung von Ansprüchen sei lediglich „formelhaft“, weil die Beklagte den
Anschein eines Anerkenntnisses habe vermeiden wollen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Oktober 2003 abzuändern und die Beklagte zu
verurteilen, an ihn 49.266,59 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem Februar 2000 zu zahlen
Zug-um-Zug gegen Übertragung der mit dem vorerwähnten Anlagebetrag erworbenen
Wertpapiere des Depots mit der Nr. 0138283205;
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.771,52 EUR nebst 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (25. März 2003) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat im Endergebnis keinen Erfolg, weil ein etwaiger (abgetretener)
Schadensersatzanspruch des Klägers verjährt ist.
1. Es ist dem Grunde nach aber davon auszugehen, daß der Kläger einen
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus pVV oder aus § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG wegen Verletzung von Beratungspflichten
schlüssig dargetan hat. Inhalt und Umfang von Aufklärungspflichten sowie die Form ihrer
Erfüllung hängen nicht nur vom Anleger, insbesondere seiner Aufklärungsbedürftigkeit,
und vom Anlageobjekt, insbesondere seinen spezifischen Risiken ab, sondern auch vom
Partner des Anlegers, also der Bank, und ihrem Verhalten. Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG,
der auch anlegerschützende Funktion und damit Bedeutung für Inhalt und Umfang der
(vor-)vertraglichen Aufklärungspflicht hat, sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen
verpflichtet, ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur
Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der
beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist (siehe BGH, NJW 2000, 359, 361 mit weiteren
Nachweisen). Das Beratungsverschulden ist - ausgehend von der Richtigkeit der
Behauptung des Klägers - darin zu sehen, daß die Beklagte bzw. ihr Anlageberater, der
Zeuge W. , die Zedentin, Frau P. , nicht hinreichend über die mit ihrer
Anlageentscheidung verbundenen Risiken aufgeklärt haben. Der Zeuge W. habe
insbesondere den Hinweis unterlassen, daß es sich bei den gezeichneten Anteilen um
Aktienfonds handelte. Erklärtes Anlageziel der Zedentin sei es gewesen, neben ihrer
Rente weitergehende Kapitaleinkünfte zu erzielen, um so die Differenz zu ihren
Einkünften zu Zeiten ihrer Erwerbstätigkeit auszugleichen. Entscheidend sei es ihr aber
auf die Sicherheit der Anlageform bzw. den Erhalt des Kapitals angekommen.
Einer Beweiserhebung über diese von der Beklagten bestrittene Behauptung durch den
erkennenden Senat bedurfte es aber gleichwohl nicht.
2. Ein etwaiger vertraglicher Anspruch hinsichtlich der Beratung bzw. unterbliebenen
ausreichenden Beratung aus c.i.c., deren Grundsätze gemäß Art. 229 § 5 EGBGB auf
das hier zu beurteilende Schuldverhältnis anzuwenden sind, anläßlich des Erwerbs der
Fondsanteile am 8. Februar 2000 ist jedoch verjährt. Dieser verjährt in drei Jahren von
dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Dies folgt aus § 37 a WpHG. Der
„historische Gesetzgeber“ hat diese Verjährungsvorschrift insbesondere deshalb
geschaffen, weil er die bei In-Kraft-Treten der Regelung geltende regelmäßige
dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (a.F.) für die Haftung von Pflichten aus
Informations- und Beratungsverträgen sowie von Schutzpflichten aus c.i.c. als zu lang
angesehen hat (siehe Koller in: Assmann/Schneider, WpHG, § 37 a Rn 6).
a) Mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Wertpapiere am 8. Februar 2000 ist der
Schaden entstanden, die Verjährungsfrist begann daher zu diesem Zeitpunkt (vgl. z.B.
Koller in: Assmann/Schneider, WpHG, § 37 a Rn 7). Ein Vermögensschaden entsteht
auch bei objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung bereits dann, wenn
jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluß eines Vertrages
gebracht wird, den er sonst nicht abgeschlossen hätte, und die Leistung für seine
Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH NJW 1998, 302, 303). Daher ist in den Fällen, in
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Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH NJW 1998, 302, 303). Daher ist in den Fällen, in
denen ein Bankkunde risikoreiche und daher seinen Bedürfnissen nicht entsprechende
Wertpapiere kauft, bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Schaden entstanden. Eine
solche Konstellation behauptet hier der Kläger. Er macht geltend, die Zeugin P. hätte bei
ordnungsgemäßer Aufklärung die hier streitigen Papiere nicht erworben, da derart
spekulative Anlagen nicht ihren Interessen und Erwartungen an eine Geldanlage
entsprochen hätten, sie vielmehr eine sicherheitsorientierte Anlagestrategie verfolgt
habe. Das Argument des Klägers, ein Schaden sei erst eingetreten, wenn tatsächlich
Kursverluste eingetreten seien, verfängt nicht. Es müßte dann konsequenterweise schon
bei der Beurteilung, ob ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht, und
nicht erst bei der Frage der Verjährung darauf abgestellt werden. Dies würde weiter dazu
führen, daß erst nach Ablauf des vorgesehenen Anlagezeitraums wegen einer möglichen
Kurserholung beurteilt werden könnte, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden
ist. Der Kunde hätte es in der Hand, die weitere Kursentwicklung abzuwarten, ohne
Gefahr zu laufen, daß sein Schadensersatzanspruch verjährt. Entscheidend spricht
weiter gegen die Argumentation des Klägers, daß der von ihm geltend gemachte
Schadensersatzanspruch zum Gegenstand hat, den infolge des - behaupteten -
Beratungsverschuldens zustande gekommenen Vertrag rückgängig zu machen. Bei
unterstelltem Beratungsverschulden liegen die Voraussetzungen dafür bereits zum
Zeitpunkt des Erwerbs der Wertpapiere vor, ohne daß es auf die Kursentwicklung
ankommt.
b) Die Verjährung war auch nicht nach § 203 BGB gehemmt. Die Vorschrift ist schon
wegen der Übergangsregelung des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nicht anwendbar.
Eine Hemmung der Verjährung ist auch nicht unter Berücksichtigung des Gebots von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen zwischenzeitlicher Vergleichsverhandlungen
anzunehmen. Eine Hemmung der Verjährung setzt danach voraus, daß zwischen dem
Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch
begründenden Umstände geführt werden. Wenn auch der Begriff der Verhandlungen weit
auszulegen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 203 RdNr. 2) und bereits die
Bereitschaft des Schuldners ausreicht, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken (BGH,
NJW 2001, 1723), liegen die Voraussetzungen des § 203 BGB nicht vor. Die Beklagte hat
in ihrem Schreiben vom 5. Februar 2001, auf das sich der Kläger bezieht, der Zedentin
mitgeteilt, daß nach Prüfung des Sachverhalts die erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen
würden. Das Schreiben enthält weder Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte den
Sachverhalt weiter klären wollte oder gar konkrete Vergleichsverhandlungen beginnen
wollte. Der am Ende des Schreibens geäußerte Wunsch, die geschilderten
Vorkommnisse zu erläutern, zeigt ebenfalls keine Vergleichsbereitschaft an. Die
Erklärung kann unter Berücksichtigung der vorangestellten Zurückweisung nur so
verstanden werden, daß die Beklagte ihre Entscheidung der Zedentin nochmals
mündlich erläutern wollte. Soweit in dem Schreiben der Zedentin in Aussicht gestellt
wird, in dem Gespräch auch Möglichkeiten zu erörtern, die von der Zedentin in ihrem
vorangegangenen Schreiben vom 30. Januar 2001 angedeuteten finanziellen
Schwierigkeiten abzuwenden, läßt die Beklagte ebenfalls keine Bereitschaft erkennen,
wegen des Schadensersatzverlangens in Vergleichsgespräche einzutreten. Diese
Erklärung bezieht sich darauf, daß die Zedentin in ihrem Schreiben erwähnt hat, sie
müsse wegen der erlittenen Verluste möglicherweise ihre in Kleinmachnow gelegene
Immobilie veräußern. Dies möglicherweise abzuwenden sollte, so ist das Schreiben der
Beklagten zu verstehen, besprochen werden.
Aber selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen von einer Hemmung
der Verjährung auf Grund des Schreibens ausginge, änderte dies an dem Eintritt der
Verjährung vor Erhebung der Klage nichts. Denn die Zedentin hat auf das Schreiben der
Beklagten nicht reagiert; jedenfalls ist dies nicht vorgetragen. Wenn in dem Schreiben
eine Bereitschaft zu Vergleichsgesprächen angedeutet wäre, käme eine Hemmung der
Verjährung nur für die Zeit in Betracht, in der die Beklagte ein Tätigwerden der Zedentin
erwarten durfte. Als angemessen wären allenfalls zwei Wochen anzunehmen. Dies hätte
zur Folge, daß Verjährung nicht bereits am 8. Februar 2003, sondern erst am 24.
Februar 2003 eingetreten wäre. Die Klage ist per Telefax am 28. Februar 2003 beim
Landgericht eingegangen und konnte somit die Verjährung nicht mehr unterbrechen.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers steht ihm aus abgetretenem Recht auch kein
„Sekundäranspruch“ auf Schadensersatz zu, weil es die Beklagte pflichtwidrig
unterlassen habe, der Zedentin einen Warnhinweis wegen der negativen Kursentwicklung
zu erteilen, damit diese das Depot noch rechtzeitig bzw. mit geringerem Verlust hätte
umschichten können. Eine entsprechende Pflicht der Beklagten bestand nicht. Zwischen
den Parteien besteht kein eigener Vermögensverwaltungsvertrag, kraft dessen die
Beklagte speziell verpflichtet wäre, für die richtige Anlage auch in Wertpapieren zu
sorgen. Es kommt im vorliegenden Fall weiter hinzu, daß die Zedentin den Kursverfall
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sorgen. Es kommt im vorliegenden Fall weiter hinzu, daß die Zedentin den Kursverfall
der in ihrem Depot befindlichen Wertpapiere selbst erkannt hat. Dies ergibt sich ohne
Zweifel aus ihrem Schreiben vom 30. Januar 2001 an die Beklagte (Anlage K 4).
Gleichwohl hat die Zedentin den Kursverfall nicht zum Anlaß genommen, die von ihr
gehaltenen Wertpapiere (teilweise) zwecks Vermeidung von weitergehenden Verlusten
zu veräußern.
4. Die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG erfaßt auch eventuelle konkurrierende
Deliktsansprüche wegen fahrlässiger Falschberatung (Koller in: Assmann/Schneider, § 37
a Rn 6; Schäfer, Wertpapierhandelsgesetz, § 37 a RdNr. 7; a.A. z.B. Ellenberger, WM
2001, Sonderbeilage 1, S. 16; Hackenberg/Roller, VuR 2004, 46). Diese könnten sich
insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 2 WpHG ergeben.
a) Bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung
und aus unerlaubter Handlung, die beide aus demselben Sachverhalt hergeleitet
werden, handelt es sich zwar um eine echte Anspruchskonkurrenz, so daß grundsätzlich
auch jeder Anspruch seiner eigenen Verjährungsfrist unterliegt (BGHZ 66, 315 (318 ff.);
BGHZ 67, 359 (362 f.) = NJW 1977, 379, BGHZ 100, 190 (200) = NJW 1987, 2008). Ein
Schuldner, der nicht nur seine Vertragspflichten sondern auch seine gegenüber der
Allgemeinheit bestehenden Pflichten verletzt und daher unter Umständen auch Dritten
gegenüber ersatzpflichtig werden kann, darf nämlich nicht gegenüber denjenigen Opfern
privilegiert werden, die mit ihm einen Vertrag abgeschlossen haben (BGH, NJW-RR 1993,
1113). Etwas anderes gilt aber dann, wenn und soweit die Befugnis des Geschädigten,
nach Verjährung vertraglicher Schadensersatzansprüche auf die aus demselben
Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Ansprüche ausweichen zu können, den Zweck der
besonders kurz bemessenen vertraglichen Verjährungsfristen vereiteln und die
gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würde (BGH, a.a.O.). Unter diesem
Gesichtspunkt werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs z. B.
Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der
vermieteten Sache auch insoweit der kurzen Verjährungsfrist des § 558 Abs. 1 BGB
unterstellt, als sie aus unerlaubter Handlung hergeleitet werden können (BGHZ 47, 53,
55 ; BGHZ 71, 175, 179 ; BGH, NJW 1985, 798, 799). Dies kann auch bei der
Anspruchskonkurrenz zwischen Kaufvertrags- und Deliktshaftung so sein, wenn das
Integritätsinteresse des Käufers völlig deckungsgleich mit seinem Äquivalenzinteresse
ist (BGH NJW-RR 1993 , 1113).
Ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben. Die der Beklagten aus dem Beratungsvertrag
und aus §§ 31, 32 WpHG entstehenden Verpflichtungen sind gleich und schützen
dasselbe Interesse, nämlich eine anlegergerechte Beratung usw. Ein Verstoß gegen die
§§ 31, 32 WpHG kann keinen unbeteiligten Dritten schädigen, wie sonst im Deliktsrecht,
sondern allein die Partner des Beratungsvertrages. Für dieses Verhältnis soll nach der
Entscheidung des Gesetzgebers, sofern kein - hier nicht in Betracht kommendes -
vorsätzliches Verhalten vorliegt, die kurze Verjährung des § 37 a WpHG eingreifen. Der
Wille des Gesetzgebers ging ausweislich der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 605/97, Bl. II
186) dahin, die 30jährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB a.F. für eine Falschberatung
aus pVV oder c.i.c. abzukürzen, bezog sich also primär auf den vertraglichen Anspruch.
Die langen Fristen wurden als im internationalen Vergleich unüblich bezeichnet sowie als
Hemmnis bei der Beratung von Aktienanlegern wegen des unüberschaubar langen
Zeitraums einer möglichen Haftung angesehen. Diese Erwägungen tragen auch eine
Einbeziehung der deliktischen Ansprüche. Diese verjähren zwar auch nur in drei Jahren,
sind aber ähnlich unkalkulierbar. Der Verjährungsbeginn und damit mittelbar das Ende
der Frist hingen nach § 852 BGB a.F. von subjektiven, für die Bank nicht kalkulierbaren
Voraussetzungen ab, nämlich der Kenntnis vom Eintritt des Schadens und der Person
des Ersatzpflichtigen. Insbesondere die Kenntnis vom Schaden kann erst lange nach der
Beratung eintreten, auch wenn man als Schadensereignis bereits den Abschluß des
nachteiligen Erwerbesvorgangs ansieht. Eine Kenntnis von dieser Nachteiligkeit kann bei
dem Kunden erst Jahre später eintreten, wie es auch hier z.B. vom Kläger behauptet
wird. Hinzu kommt, daß die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns von der Bank
darzulegen und zu beweisen wären, was ihr bei den subjektiven Voraussetzungen des §
852 BGB a.F. bzw. der §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB anders als bei § 37 a WpHG nur sehr
schwer möglich wäre. Hinzu kommt ein weiteres Argument. Eine Haftung aus
unerlaubter Handlung kann - abgesehen von den Fällen einer betrügerischen
Anlageberatung im Sinne des § 263 StGB und der sittenwidrigen Schädigung (§ 826
BGB) - regelmäßig nur in Verbindung mit § 31 WpHG als Schutzgesetz entstehen.
Vorliegend ergibt sich dabei die Besonderheit, daß das Schutzgesetz eine selbständige
Verjährungsregelung enthält. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es
gerechtfertigt, auf den Anspruch aus unerlaubter Handlung grundsätzlich die
Verjährungsregel aus dem Schutzgesetz anzuwenden. Dabei wird hier zu Gunsten des
Klägers unterstellt, daß § 32 WpHG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist.
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b) Der Kläger hat auch keinen sogenannten Sekundäranspruch, der nach dem
Grundsatz der Naturalrestitution und entsprechend der Rechtssprechung des BGH zu §§
51 b BRAO, 68 StBerG darauf gerichtet wäre, daß sich die Beklagte hinsichtlich des
Primäranspruchs nicht auf die Verjährungseinrede berufen könnte. Diese Grundsätze
sind auf § 37 a WpHG nicht anwendbar. Zwar legt die Gesetzesbegründung, die
ausdrücklich auf die beiden vorgenannten Regelungen der BRAO und dem StBerG
hinweist, nahe, daß auch im Fall des § 37 a WpHG die Grundsätze der
Sekundärverjährung entsprechend anzuwenden wären (Ellenberger, a.a.O., Seite 15;
Hackenberg/Roller, a.a.O., Seite 48). Dem ist aber nicht zu folgen. Wie das Landgericht
Stuttgart im Urteil vom 23. Januar 2003 (Anlage B 7) zutreffend ausgeführt hat, hätte
der Gesetzgeber die Sekundärverjährung zusammen mit der Vorschrift des § 37 a WpHG
eingeführt, wenn er diese hätte anwenden wollen. Mit der Einführung des § 37 a WpHG
war vom Gesetzgeber - wie bereits ausgeführt - die Verkürzung der als zu lang
angesehenen Verjährung beabsichtigt. Im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung kann
dann nicht die Intention des Gesetzgebers in das Gegenteil verkehrt werden. Die
entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Sekundärverjährung würde
zumindest voraussetzen, daß sich aus dem Gesetzeswortlaut selbst oder aus der
Entstehungsgeschichte ein Anhaltspunkt dafür ergäbe. Der bloße Verweis auf §§ 51 b
BRAO, 68 StBerG ist insoweit nicht ausreichend. Denn mit dem Wortlaut der Vorschriften
ist die Sekundärverjährung ebenfalls nicht vereinbar (siehe Henseler/Prütting, BRAO, 2.
Aufl., § 51 b RdNr. 66).
c) Es ist schließlich auch nicht ausnahmsweise für den Beginn der Verjährungsfrist auf
die Kenntnis der Zedentin vom Schaden abzustellen, weil die Beklagte nach Ansicht des
Klägers vorsätzlich gehandelt habe. Der Kläger ist darlegungspflichtig für ein
vorsätzliches Handeln der Beklagten. Der bloße Hinweis darauf, dass der Zeuge W. in
Kenntnis des Sicherheitsbedürfnisses der Zedentin dieser gleichwohl risikoreiche
Geldanlagen empfohlen habe, genügt zur Annahme eines zumindest bedingten
Vorsatzes nicht. Der Kläger müßte zur schlüssigen Darlegung eines (bedingten)
Vorsatzes vortragen, daß sich der Zeuge W. bewußt über vorgegebene Anlagekriterien
der Zedentin hinweggesetzt und diese für die Anlageentscheidung erforderliche
Angaben gezielt nicht bzw. unzutreffend gemacht hätte. Dafür fehlt jedweder
Anhaltspunkt. Erst recht ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht einmal
ansatzweise ein konkreter Anhaltspunkt, was den Vorwurf einer betrügerischen Handlung
des Anlageberaters der Beklagten nahelegen könnte. Ebenso verhält es sich mit den
tatsächlichen Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826
BGB.
III. Aus den vorgenannten Gründen ist auch der vom Kläger hilfsweise geltend gemachte
Schadensersatz, den er auf den in der Zeit vom 8. Februar 2001 bis 31. Dezember 2002
angeblich eingetretenen Wertverlust stützt, jedenfalls auch verjährt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Über den Antrag des Klägers,
Sicherheit durch geeignete Bürgschaft leisten zu dürfen, bedurfte es im Hinblick auf die
geänderte Fassung des § 108 ZPO keiner Entscheidung des Senats.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen und bislang durch den Bundesgerichtshof
nicht geklärten Fragen, ob von der Regelung des § 37 a WpHG auch Ansprüche aus
unerlaubter Handlung erfaßt werden, gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision
zugelassen.
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