Urteil des KG Berlin vom 15.03.2017
KG Berlin: wirtschaftliches interesse, gegen die guten sitten, treu und glauben, vernehmung von zeugen, erlass, verlobung, bürge, beweislastumkehr, insolvenz, bürgschaftserklärung
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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 54/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Leitsatz
Da ein jeder Vertrag die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen voraussetzt, ist zur
substantiierten Darlegung eines streitigen Vertragsschlusses zumindest erforderlich, dass
vorgetragen wird, welche Personen welche Willenserklärungen - ausdrücklich oder konkludent
- abgegeben haben; wird dies dem Gericht nicht mitgeteilt, so fehlt dem Gericht die
Grundlage für die Prüfung der Frage, ob Tatsachen behauptet werden, die geeignet sind,
einen Erlass- oder Aufhebungsvertrag als abgeschlossen erscheinen zu lassen; die
Vernehmung von Zeugen über die angebliche Entlassung aus der Bürgschaftsverpflichtung
ist daher nicht angezeigt.
Die Grundsätze der Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung
des Bürgen oder Mithaftenden, der - ohne eigenes wirtschaftliches Interesse - nur aus
persönlicher, enger emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernimmt, sind nur
anwendbar, wenn die vom Bürgen behauptete "emotionale Verbundenheit" auf einer
Beziehung beruht, die einer Ehe, Verlobung, nichtehelichen Lebensgemeinschaft,
geschwisterlichen Beziehung oder einem Eltern-Kind-Verhältnis gleichkommt.
Wird das Darlehenskonto als Kontokorrent geführt mit der Folge eines Saldoanerkenntnisses,
kann sich die Bank zur Darlegung der Hauptschuld auf das Saldoanerkenntnis berufen, was
wiederum zur Beweislastumkehr - auch im Verhältnis zwischen Bank und Bürgen - führt.
Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BGH vom 19. Oktober
2004 - XI ZR 23/04 -
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 18. Dezember 2001 verkündete Urteil der
Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin - 19 O 284/01 - wird auf seine Kosten mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1. der angefochtenen Entscheidung wie
folgt lautet:
Der Beklagte wird verurteilt, an den klagenden Insolvenzverwalter 40.903,35 EUR nebst
5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
1. November 2000 zu zahlen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich
10% abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leisten.
Gründe
Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 18. Dezember 2001 verkündete
Urteil des Landgerichts, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug
genommen wird.
Mit Beschluss vom 31. August 2002 hat das Amtsgericht Charlottenburg zum
Aktenzeichen
101 IN 2398/02 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der klagenden B. B. AG
(nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) eröffnet und den im Rubrum genannten
Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestimmt. Dieser hat den Rechtsstreit mit
Schriftsatz vom 16. Juni 2003 als Kläger und Berufungsbeklagter aufgenommen.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags trägt der Beklagte
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Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags trägt der Beklagte
zur Begründung seiner Berufung u. a. vor:
Das Landgericht habe seinen Vortrag zum Teil übersehen und deshalb zu Unrecht
keinen Beweis über seine Behauptung erhoben, er sei aus einer etwaigen Bürgenhaftung
wieder entlassen worden, da die Insolvenzschuldnerin es akzeptiert habe, dass an seine
Stelle seine Ehefrau als Treuhänderin bzw. Strohfrau getreten sei.
Der Insolvenzschuldnerin sei klar gewesen, dass Treuhänder des Herrn Sch. diejenigen
werden, die tatsächlich ins Handelsregister eingetragen werden bzw. sind.
Das Landgericht habe trotz seines Hinweises auf die Entscheidung des BGH aus dem
Jahr 1997 (NJW 1998, 597) übersehen, dass die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von
Ehegatten- und Verwandtenbürgschaften vorliegend zu Gunsten des Beklagten
anzuwenden seien. Er sei durch die Bürgschaft wirtschaftlich überfordert gewesen.
Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass sein einfaches Bestreiten der
Hauptforderung nicht ausreiche.
Zu Unrecht habe das Landgericht seinen Vortrag zur wirtschaftlichen Wertlosigkeit der
Sicherungsmittel übergangen. Die von der Insolvenzschuldnerin freigegebene
Papiermaschine sei zur Sicherheit für alle Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin
übereignet worden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor zu 1. der angefochtenen
Entscheidung lautet:
Der Beklagte wird verurteilt, an den klagenden Insolvenzverwalter 40.903,35 EUR nebst
5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2000 zu zahlen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung, die er für zutreffend erachtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen
Verhandlungen verwiesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Der
Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung.
Ergänzend ist auszuführen:
1. Der klagende Insolvenzverwalter ist Partei Kraft Amtes und damit aktivlegitimiert. Der
sich aus dem Schreiben der P. P. S. GmbH vom 6. Mai 2002 ergebende Verpfändung
ändert hieran nichts, da der Kläger mit Schreiben dieser Firma vom 11. November 2003
namens und in Vollmacht der Pfandgläubigerin, der Ds S. Li. ermächtigt worden ist, die
streitgegenständliche Forderung im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an
sich zu verlangen. Das für die gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche
Eigeninteresse des Klägers ergibt sich aus dessen Stellung als Insolvenzverwalter der
verpfändenden Insolvenzschuldnerin.
a) Auf die Frage, wann die Verpfändung erfolgt ist, ob diese wirksam war und ob
Pfandreife eingetreten ist, kommt es vorliegend nicht an. In allen Fällen ist der Kläger -
entweder als Insolvenzverwalter direkt oder als hierzu Ermächtigter - berechtigt, Leistung
an sich zu verlangen.
b) Unerheblich ist auch, ob die Seitens der Insolvenzschuldnerin am 30. April 2002
erteilte „Vollmacht und Ermächtigung“ infolge der Insolvenz erloschen ist. Mögliche
Rechte der D. Ss L. ergeben sich nicht aus dieser Urkunde sondern aus der im Schreiben
der P. P. S. GmbH vom 6. Mai 2002 erwähnten Verpfändung. Diese ist aber - so sie
erfolgt ist - trotz der Insolvenzeröffnung weiter wirksam. Auch die Wirksamkeit der mit
Notarieller Urkunde vom 16. September 2003 seitens der D. S. Ls der P. P. S. GmbH
erteilten Vollmacht wird von der Insolvenz nicht berührt.
c) Soweit der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 4. Dezember 2003 behauptet, die der
Bürgschaft zugrunde liegende Forderung sei „schon vorher an die Landwirtschaftliche
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Bürgschaft zugrunde liegende Forderung sei „schon vorher an die Landwirtschaftliche
Rentenbank oder die E. D. t eG abgetreten worden, ist dieser Vortrag unsubstantiiert
und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.
2. Zu Recht geht das Landgericht davon aus dass der Beklagte aus § 765 Absatz 1 BGB
zur Zahlung von 40.903,35 EUR verpflichtet ist. Die Insolvenzschuldnerin und der
Beklagte haben am 23. April 1999 einen schriftlichen Bürgschaftsvertrag geschlossen.
3. Der Beklagte ist von der Insolvenzschuldnerin aus dieser Bürgschaftsverpflichtung
nicht „wieder entlassen“ worden. Für eine „Entlassung des Beklagten aus der
Bürgschaft“ wäre der Abschluss eines Erlass- oder Aufhebungsvertrages erforderlich
gewesen. Dass ein solcher Vertrag zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin
geschlossen worden ist, hat der Beklagte aber auch in zweiter Instanz nicht schlüssig
dargelegt.
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer
Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die i.V.m. einem Rechtssatz geeignet sind,
das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen;
genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der
Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist Sache des Tatrichters bei
der Beweisaufnahme, die Zeugen nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die
Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen (so BGH v.
13.7.1998 - II ZR 131/97, NJW-RR 1998, 1409 m.w.N.).Da ein Erlass- oder
Aufhebungsvertrages wie jeder Vertrag die Abgabe übereinstimmender
Willenserklärungen voraussetzt, ist zur substantiierten Darlegung eines solchen
Vertragsschlusses zumindest erforderlich, dass vorgetragen wird, welche Personen
welche Willenserklärungen abgegeben haben. Wird dem Gericht nicht mitgeteilt, welche
Willenserklärungen (ausdrücklich oder konkludent) abgegeben worden sein sollen, so
fehlt dem Gericht die Grundlage für die Prüfung der Frage, ob Tatsachen behauptet
werden, die geeignet sind, einenErlass- oder Aufhebungsvertrag als abgeschlossen
erscheinen zu lassen.
b) Vorliegend beschränkt sich der Sachvortrag des Beklagten insoweit in beiden
Instanzen auf die folgende Behauptung:
Zunächst sei er zwar als Kommanditist vorgesehen gewesen, im Ergebnis und im
Einverständnis mit der Insolvenzschuldnerin sei jedoch an seine Stelle seine Ehefrau als
„Strohfrau“ getreten. Deshalb sei die von ihm abgegeben Bürgschaft am 2. Juli 1999
durch eine Bürgschaft seiner Ehefrau „ersetzt“ worden, er sei mithin im Einvernehmen
mit der Insolvenzschuldnerin jedenfalls aus einer etwaigen Bürgschaftsverpflichtung
wieder entlassen worden. Am 12. Januar 2000 sei die von seiner Ehefrau gestellte
Bürgschaft in den Geschäftsräumen der Insolvenzschuldnerin vernichtet worden.
Diesem Vortrag ist nicht zu entnehmen, welche Person im Namen der
Insolvenzschuldnerin dem Beklagten gegenüber geäußert haben soll, die
Insolvenzschuldnerin sei mit einer Aufhebung des Bürgschaftsvertrages bzw. mit einem
Erlass der sich aus diesem ergebenden Schuld einverstanden. Dem Vortrag des
Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, wem gegenüber er ein solches Angebot
angenommen haben will. Insbesondere da es sich bei der Insolvenzschuldnerin um eine
Bank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft handelt, die Willenserklärungen selbst
nicht abgeben kann, ist die Angabe der die Willenserklärung abgebenden Person
erforderlich. Ohne die Bekanntgabe dieser Person - sei es namentlich, sei es durch
Beschreibung ihrer Funktion oder ihres Tätigkeitsfeldes - kann das Vorliegen einer im
Namen der Insolvenzschuldnerin abgegebenen Willenserklärung nicht geprüft werden.
Es fehlt mithin vorliegend nicht an einer ausreichenden Darlegung weiterer
Einzeltatsachen eines Vertragsschlusses, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der
Bekundungen eines Zeugen erforderlich sind. Es fehlt vielmehr bereits die Darlegung
des Vertragsschlusses selbst.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die vom Beklagten geschilderte Motivlage nicht
zutreffend ist. Es ist gerade nicht so, dass am 3. Mai 1999, dem Tag der Unterzeichnung
der Bürgschaftserklärung durch den Beklagten, der Beklagte noch als Kommanditist
„vorgesehen gewesen“ sei. Vielmehr stand bereits spätestens seit dem 17. Dezember
1998 und damit mehrere Monate vor Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung durch
den Beklagten fest, dass nicht er selbst sondern seine Ehefrau Kommanditistin der
Insolvenzschuldnerin werden soll. Dies ergibt sich zwingend aus dem an diesem Tag
unterzeichneten Vertrag „über die Aufnahme weiterer Kommanditisten in die G. Sp.
GmbH Co.KG“, in dem neben Hans-Werner Schs und Dr. Horst S. die Ehefrau des
Beklagten, nicht aber der Beklagte selbst als „Eintretender“ genannt werden.
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Auch aus dem vom Beklagten in erster Instanz eingereichten Schriftstück des Hans-
Werner Sch. vom 7. Dezember 2001, dessen Inhalt der Beklagte sich wohl als
Tatsachenvortrag zu Eigen machen will, ergibt sich der für den behaupteten
Vertragsschluss erforderliche Sachvortrag auch nicht. Aus diesem Schreiben, das sich
auf ein am 1. Juni 1999 geführtes Gespräch Sch. mit der früheren Vorstandsvorsitzenden
der Insolvenzschuldnerin bezieht, ergibt sich lediglich der in diesem Gespräch geäußerte
Wunsch bzw. die Bitte des Hans-Werner Sch. , mit Übernahme der Bürgschaft durch die
Ehefrau des Beklagten diesem die dann gegenstandslose Bürgschaft zurückzugeben
sowie die Zusage der früheren Vorstandsvorsitzenden, dass die Bürgschaft
„herausgenommen“ werde. Dass später tatsächlich so verfahren worden ist, dass mithin
mit dem Beklagten tatsächlich ein Erlass- oder Aufhebungsvertrag geschlossen wurde,
ist diesem Schreiben gerade nicht zu entnehmen.
Auch in seinem Schriftsatz vom 4. Dezember 2003 trägt der Beklagte die für die
Darlegung eines Erlass- oder Aufhebungsvertrages nicht dar. Es geht nicht um die
Frage, wer von der Insolvenz-schuldnerin im Juni/Juli/August 1999 jeweils bei Gesprächen
anwesend gewesen ist. Zutreffend geht der Beklagte in seinem vorgenannten
Schriftsatz davon aus, dass es auch nicht darauf ankommt, ob an dem einen Tag nur die
Sachbearbeiter anwesend waren und an einem anderen Tag nur die Zeugin K. oder
jeweils alle drei. Vielmehr kommt es, wie oben dargelegt, ausschließlich darauf an,
welche Person im Namen der Insolvenzschuldnerin dem Beklagten ein Angebot auf
Abschluss eines Erlass- oder Aufhebungsvertrages unterbreitet hat, wie dieses Angebot
dem Beklagten zugegangen ist und wem gegenüber er dieses Angebot angenommen
hat. Hierzu trägt er auch in Kenntnis der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung
nichts substantielles vor. Ein fehlender Sachvortrag kann aber entgegen der Ansicht des
Beklagten nicht durch die Einvernahme der „Vielzahl der von dem Beklagten benannten
Zeugen“ ersetzt werden.
Die vom Beklagten benannten Zeugen Sch. , St. und K. waren deshalb auch im zweiten
Rechtszug nicht zu hören.
4. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Bürgschaftsvertrag auch nicht wegen
Sittenwidrig-keit nichtig.
a) Eine finanziell belastende Bürgschaftsübernahme kann nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aufgrund besonderer erschwerender, dem
Kreditinstitut zurechenbarer Umstände sittenwidrig sein. Das ist etwa der Fall, wenn das
Kreditinstitut die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen ausnutzt oder die
Willensbildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung, Schaffung einer seelischen
Zwangslage oder die Ausübung unzulässigen Drucks beeinträchtigt hat (vgl. BGH NJW
2002, 2634: BGHZ 125, 206, 210; 128, 230, 232; 132, 328, 329 f.; 137, 329, 333; BGH,
WM 1996, 588, 592; BGH, WM 1997, 511, 512; BGH, WM 2002, 436, 437). Derartige
Umstände hat der Beklagte nicht vorgetragen.
b) Eine Bürgschaft oder Mithaftungsvereinbarung kann auch ohne Hinzutreten
besonders belastender und dem Gläubiger zurechenbarer Umstände gegen die guten
Sitten verstoßen und daher nichtig sein, wenn ein Fall krasser finanzieller Überforderung
vorliegt und der Mithaftende seine Verpflichtung ohne eigenes wirtschaftliches Interesse
nur aus persönlicher, enger emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner oder
der wirtschaftlich hinter diesem stehenden Person eingeht (vgl. BGH, NJW 2002, 2634;
BGH, WM 2002, 436).
aa) Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Bürgschaft den Beklagten finanziell krass
überfordert. Dahinstehen kann auch, ob - wie der Kläger meint und wofür einiges spricht
- die enge emotionaler Verbundenheit des Bürgen mit dem Hauptschuldner nur dann zu
einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führen kann, wenn sie auf Ehe, Verlobung,
nichtehelicher Lebensgemeinschaft, einer geschwisterlichen Beziehung oder auf einem
Eltern-Kind-Verhältnis beruht.
Jedenfalls muss die emotionale Verbundenheit mit dem Hauptschuldner oder der
wirtschaftlich hinter diesem stehenden Person auf einer Beziehung beruhen, die einer
Ehe, Verlobung usw. gleichkommt.
bb) Der Beklagte hat vorliegend schon nicht ausreichend dargelegt, dass er lediglich aus
einer persönlichen, engen emotionalen Verbundenheit heraus gehandelt hat. In erster
Instanz hat der Beklagte in Bezug auf seine Person hierzu nichts vorgetragen sondern
lediglich behauptet, anstatt des von Herrn Sch. angedachten Treuhänders hätten sich
dann aus finanztechnischen Gründen, aus persönlicher Verbundenheit und
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dann aus finanztechnischen Gründen, aus persönlicher Verbundenheit und
uneigennützig Herr Dr. S. , Herr K. r und seine, des Beklagten, Ehefrau bereiterklärt, die
Kommanditeinlagen treuhänderisch für Herrn Sch. zu halten. In zweiter Instanz
beschränkt sich der Sachvortrag des Beklagten auf die Behauptung, er habe die
Bürgschaft ohne eigenes wirtschaftliches Interesse allein aus persönlicher Verbundenheit
übernommen. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, dass er damit
seine persönliche Verbundenheit zu Werner Sch. behaupten will, reicht dieser Vortrag
nicht aus. Es fehlt jegliche Angabe dazu, worauf sich diese „persönliche Verbundenheit“
gründet. Ohne solche Angaben kann aber nicht geprüft werden, ob eine so enge
persönliche und emotionale Verbundenheit gegeben ist, die einer Ehe, Verlobung usw.
gleichkommt.
Auch spricht das Verhalten des Beklagten Ende 1998/Anfang 1999 gegen seine
Behauptung, er habe die Bürgschaftserklärung ohne eigens wirtschaftliches Interesse
abgegeben. Immerhin war der Beklagte unstreitig maßgeblich an den
Kreditverhandlungen mit der Insolvenzschuldnerin beteiligt. Er wird in der Anlage zum
Kreditantrag vom 15. April 1999 als Komplementär und Prokurist der Hauptschuldnerin
genannt. Er selbst bezeichnet sich im Schriftsatz vom
18. November 2001 als „Sprachrohr“ des Geldgebers Schs.
5. Im Ergebnis zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass das Bestreiten der
Hauptforderung durch den Beklagten mit Nichtwissen nicht ausreicht.
a) Gemäß § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB richtet sich der Umfang der Verpflichtung des
Bürgen nach dem Bestand der jeweiligen Hauptschuld. Insoweit hat der Gläubiger das
Entstehen und die Fälligkeit der Verbindlichkeit, also die Voraussetzungen der
Bürgenhaftung, darzutun und zu beweisen. Sache des Bürgen ist es dagegen zu
belegen, dass die Hauptschuld aufgrund rechtsvernichtender Einwendungen
untergegangen ist. Zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger gilt insoweit dieselbe
Beweislastverteilung wie zwischen diesem und dem Hauptschuldner; denn aus den
Vorschriften über die Bürgschaft ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Bürge in
dieser Hinsicht besser gestellt sein soll als der Hauptschuldner. Vielmehr folgt aus der
strengen Akzessorietät der Bürgschaft das Gegenteil (BGH, NJW 1988, 906; BGH, NJW
1995, 2161, 2162; BGH, NJW 1996, 719).
Wird ein Konto im Kontokorrent geführt (§ 355 HGB), hat ein Saldoanerkenntnis eine
Beweislastumkehr im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber zur Folge. Die Partei,
zu deren Gunsten sich aus dem Abschlusssaldo ein Überschuss ergibt, braucht nicht die
Einzelpositionen des Kontokorrents darzulegen und zu beweisen, sondern kann sich auf
das abstrakte Saldoanerkenntnis berufen (BGH, NJW 1991, 2908). Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat sich anschließt, gilt diese
Beweislastumkehr, falls die Forderungen der Bank aus dem Kontokorrentkonto durch
einen Dritten verbürgt worden sind, auch im Verhältnis zwischen Bank und Bürge (BGH,
NJW-RR 1999, 1223; BGH, NJW 1985, 3007, 3009). Die Ausdehnung der
Beweislastumkehr auch auf das Verhältnis zwischen Bank und Bürge steht nicht im
Widerspruch zu der Vorschrift des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, die bestimmt, dass die
Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert wird durch ein Rechtsgeschäft, das der
Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt. Damit soll verhindert
werden, dass Hauptschuldner und Gläubiger eigenmächtig den Umfang der Bürgschaft
ausweiten (BGHZ 130, 19, 27). Die Saldoanerkenntnisse im Kontokorrentmäßigen
Verkehr bedeuteten keine solche eigenmächtige Ausweitung, weil der Bürge im
Zeitpunkt der Verbürgung wusste, dass er sich für einen Kontokorrentkredit verbürgte.
b) Vorliegend handelt es sich um einen „Kreditvertrag für Kontokorrentkredite“, der die
Bearbeitungsnummer 09 01364 001 trägt. Die Insolvenzschuldnerin hat der
Hauptschuldnerin mit Schreiben vom 1. September 2000 eine Schlussrechnung per 31.
August 2000 übersandt, in der die Forderung aus dem Kontokorrentkonto 0901364001
mit 213.583,47 DM beziffert ist. Die Hauptschuldnerin hat diesen Saldo anerkannt, da
sie nicht binnen der in Ziffer 7 Absatz 2 der AGB der Insolvenzschuldnerin genannten
Frist von einem Monat widersprochen hat. Damit ist vor-liegend zum Bestand der
Hauptforderung ausreichend vorgetragen worden. Deren Fälligkeit ergibt sich aus der Mit
Schreiben vom 1. September 2000 erfolgten Kündigung. Dass die Hauptforde-rung
entgegen diesem Anerkenntnis nicht besteht, hat der Beklagte nicht einmal im Ansatz
dargelegt. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass dieser Saldo nicht auf Auftrags-
vorfinanzierungsgeschäften mit den Firmen B. , Ks und Sts beruht. Auch insoweit ist er
aber, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, darlegungs- und beweispflichtig.
6. Für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich ist, ob die Insolvenzschuldnerin -
wie vom Beklagten behauptet, über die „Finanzkonstruktion“ und den „Hintergrund der
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wie vom Beklagten behauptet, über die „Finanzkonstruktion“ und den „Hintergrund der
Dinge“ informiert war. Unerheblich ist auch, ob die Insolvenzschuldnerin von Anfang an
wusste, dass Sicherheiten wertlos waren. Der Vortrag des Beklagten reicht jedenfalls
nicht aus, um in Bezug auf die von ihm übernommene Bürgschaft von einem nicht
ernstlich gewollten Scheingeschäft im Sinne von § 117 BGB ausgehen zu können. Die
Insolvenzschuldnerin und der Kläger verstoßen auch nicht gegen Treu und Glauben,
wenn sie den Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen. Die
Insolvenzschuldnerin hat den Bürgschaftsfall nicht treuwidrig herbeigeführt. Auch hat die
Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Beklagten keine Sorgfaltspflichten übernommen,
deren Verletzung die Inanspruchnahme des Beklagten ausschließen könnte. Im Übrigen
ist die Bürgschaft, wie oben dargelegt, nicht sittenwidrig.
7. Wie der Beklagte selbst zutreffend ausführt, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob
der Insolvenzschuldnerin vor Valutierung der Kreditmittel für die Auftragsvorfinanzierung
im April 1999 die Anlagen K2 und K 10 kannte.
8. Zu Recht geht das Landgericht auch davon aus, dass der Beklagte sich nicht auf §
776 BGB stützen kann. Bezüglich der Papiermaschine fehlt es schon an einem Aufgeben
der Sicherheit. Wie sich aus dem Schreiben des Rechtsanwalts P. vom 24. März 2003
ergibt, ist die Papiermaschine von Insolvenzschuldnerin nicht freigegeben sondern
verwertet worden. Bezüglich der von der Ehefrau des Beklagten übernommenen
Bürgschaft kann dahinstehen, ob die Insolvenzschuldnerin diese ersatzlos aufgegeben
hat. Zum einen hat die Entlassung eines Mitbürgen aus seiner Bürgschaftsverpflichtung
nicht ohne weiteres die Freistellung dieses Bürgen von seiner Ausgleichspflicht im
Innenverhältnis der Bürgen untereinander zur Folge (vgl. hierzu Lwowski, Das Recht der
Kreditsicherung, 8. Auflage, Seite 356; BGH NJW 1992, 2286). Zum anderen war diese
Bürgschaft nach dem Vortrag des Beklagten wertlos, der Beklagte hätte mithin aus
dieser Bürgschaft auch bei deren Fortbestehen keinen Ersatz erlangen können (vgl.
hierzu Lwowski, a.a.O., Seite 355).
9. Den Zinsausspruch hat der Beklagte mit seiner Berufung nicht angegriffen. Der Tenor
zu 1) der angefochtenen Entscheidung war den geänderten Verhältnissen anzupassen.
10. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung
hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1,
Absatz 2 ZPO n. F.)
11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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