Urteil des KG Berlin vom 20.06.2006

KG Berlin: einstweilige verfügung, aufwand, anwendungsbereich, ermessen, beschränkung, gerichtsverfassungsgesetz, sammlung, quelle, link, zustellung

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 50/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3400 Abs
1 RVG, § 128 Abs 3 ZPO, § 924
ZPO, § 925 ZPO
Rechtsanwaltsgebühren: Einstweiliges Verfügungsverfahren;
Anfall der Terminsgebühr bei Entscheidung über den
Kostenwiderspruch im schriftlichen Verfahren
Leitsatz
Eine Terminsgebühr entsteht nicht, wenn das Gericht über einen auf die Kosten beschränkten
Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 3
ZPO
durch Urteil entscheidet (Anschluss an OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 20. Juni 2006 - 6 W
102/06 -, RVG-Letter 2006, 88 = MDR 2007, 56 = AGS 2007, 70; Beschluss vom 30. Oktober
2006 - 6 W 181/06 -, GRUR-RR 2007, 62 = RVGreport 2007, 146).
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird bei einem Wert in Höhe von bis zu 300,00 EUR auf Kosten
der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Gründe
A.
Das Landgericht erließ am 16. Juni 2005 eine einstweilige Verfügung gegen die die
Antragsgegnerin am 21. Juli 2005 einen auf die Kosten beschränkten Widerspruch
einlegte. Auf Anregung der Parteien hob das Landgericht in der Folge einen bereits
anberaumten Termin unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 3 ZPO auf und änderte mit
Urteil vom 1. November 2005 die einstweilige Verfügung dahin, dass die Antragstellerin
die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Antragsgegnerin hat am 31. Mai 2006
einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, dem das Landgericht mit
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. Oktober 2006 bis auf die Absetzung einer
Terminsgebühr nebst anteiliger Umsatzsteuer entsprochen hat. Gegen diesen, ihr am
10. November 2006 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer
sofortigen Beschwerde vom 24. November 2006, dem der Rechtspfleger nicht
abgeholfen hat.
B.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht
erhoben worden; §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569
ZPO.
2. In der Sache hat die Antragsgegnerin keinen Erfolg. Ihre sofortige Beschwerde ist
unbegründet, weil der Rechtspfleger zu Recht die beantragte Terminsgebühr
abgesetzt hat.
Da die Antragsgegnerin weder in einem Termin von ihren Prozessbevollmächtigten
vertreten wurde und es auch keine außergerichtlichen Besprechungen gegeben hat,
konnte eine Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG in Verbindung mit Vorbemerkung 3
zu Teil 3 RVG-VV nicht entstanden sein. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht
geltend gemacht.
Die Voraussetzungen von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV liegen ebenfalls nicht vor.
Danach entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche
Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gemäß § 307
Abs. 2 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem
solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Für das Verfahren vor
dem Landgericht war eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben. Bis zum Erlass
der einstweiligen Verfügung folgt dies aus §§ 937 Abs. 2 ZPO. Die Erhebung des
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der einstweiligen Verfügung folgt dies aus §§ 937 Abs. 2 ZPO. Die Erhebung des
Widerspruchs durch die Beschwerdeführerin hat hieran nichts geändert, weil sie ihn auf
die Kostenentscheidung beschränkt hat. Hat das Gericht nur noch über die Kosten zu
entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen, § 128 Abs. 3
ZPO. Diese Vorschrift findet auch auf den sogenannten Kostenwiderspruch Anwendung
(OLG Frankfurt, MDR 2007, 56; GRUR-RR 2007, 62, 63). Dem steht § 924 Abs. 2 S. 2
ZPO, wonach das Gericht nach Erhebung des Widerspruchs Termin zur mündlichen
Verhandlung zu bestimmen hat, nicht entgegen. Dies ergibt sich bereits aus dem
Wortlaut des § 128 Abs. 3 ZPO (Hartmann, in: Baumbach/Lau-terbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 65. Aufl., § 925, Rdn. 4) und außerdem auch aus den Gesetzesmaterialien. Der
Gesetzgeber wollte mit § 128 Abs. 3 ZPO den bis dahin bestehenden Zwang, allein
wegen eines Kostenausspruchs mündlich verhandeln zu müssen, beseitigen (BT-Drs.
14/4722, S. 76, li.Sp.). Ausdrücklich hat er als Beispiel das Schlussurteil benannt, bei
dem nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden ist. Deshalb konnte es
entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht darauf ankommen, dass in §
924 Abs. 2 S. 2 ZPO keine Differenzierung nach der Art des Widerspruchs erfolgt. Das ist
bei einem Schlussurteil, bei dem es sich letztlich um nichts anderes als ein Endurteil
handelt, ebenfalls nicht der Fall. Für ein solches Urteil gilt wie sonst auch der
Mündlichkeitsgrundsatz, § 128 Abs. 1 ZPO. Nur wenn sich die zu treffende Entscheidung
auf die Kosten beschränkt kann das Gericht von der mündlichen Verhandlung absehen.
Dies gilt allgemein für solche Entscheidungen und ist deshalb im Buch 1 der
Zivilprozessordnung geregelt. Der Sache nach geht es bei einem Kostenwiderspruch um
nichts anderes als bei einem Kostenschlussurteil. Der Antragsgegner strebt mit dem
Widerspruch allein eine Korrektur der getroffenen Kostenentscheidung gemäß § 93 ZPO
an (Schmukle, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kapitel 54, Rdn. 22;
Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kapitel 55, Rdn. 9).
Die mit der Anwendung von § 128 Abs. 3 ZPO verbundene Versagung einer
Terminsgebühr steht auch mit dem Zweck des Gebührentatbestands in
Übereinstimmung. Damit soll der besondere Aufwand des Rechtsanwalts für die
Vorbereitung einer nach dem Gesetz grundsätzlich zu verhandelnden Sache abgegolten
werden, wenn ausnahmsweise ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden
kann (BGH, NJW 2007, 158, 160). Ein solcher erhöhter Aufwand entsteht aber nicht, wenn
der Widerspruch auf die Kostenentscheidung beschränkt wird. Der Antragsteller musste
sich bis zu einer Entscheidung über seinen Antrag nicht auf eine mündliche Verhandlung
einstellen, § 937 Abs. 2 ZPO; die Antragsgegnerin hatte von dem Verfahren bis zur
Zustellung der einstweiligen Verfügung ohnehin noch keine Kenntnis. Nach Erhebung
des Widerspruchs kam nach den obigen Ausführungen § 128 Abs. 3 ZPO zur
Anwendung. Zwar war danach eine mündliche Verhandlung nicht ausgeschlossen und
das Landgericht hatte einen solchen zunächst auch anberaumt. Im Anwendungsbereich
der Fälle, in denen das Gericht nach billigem Ermessen entscheiden kann, ob es
mündlich verhandeln will, kann eine Terminsgebühr jedoch immer nur entstehen, wenn
ein Termin auch tatsächlich stattgefunden hat (Müller-Rabe,
Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 3101, 3104, Rdn. 19). Im
Übrigen ist der Aufwand des Rechtsanwalts bei Beschränkung des Widerspruchs auf die
Kosten auch nicht mit dem Aufwand bei einem unbeschränkten Widerspruch zu
vergleichen. Schließlich verzichtet der Antragsgegner bei einem beschränkten
Widerspruch auf die Überprüfung der in der einstweiligen Verfügung getroffenen
Sachentscheidung; der Streit der Parteien wird allein - und im Rahmen dieses Verfahrens
auch endgültig - auf die Frage konzentriert, ob der Antragsgegner Anlass zur
Antragstellung gegeben hat (Schmukle, a.a.O., Rdn. 22). Insofern besteht ein
wesentlicher Unterschied zum Anerkenntnis im Hauptsacheverfahren, so dass ein von
der Antragsgegnerin geforderter „struktureller Gleichklang“ auf der Kostenseite gerade
nicht geboten ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Veranlassung, das Verfahren
dem Senat zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen
Besetzung zu übertragen, bestand nicht. Die Sache weist weder besondere
Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf; sie hat auch keine
grundsätzliche Bedeutung, § 568 ZPO. Dass im Anwendungsbereich von § 128 Abs.
3 ZPO und RVG-VV Nr. 3400 Abs. 1 eine Terminsgebühr nicht entsteht, wenn kein
Termin stattgefunden hat, ist nicht zweifelhaft (Müller-Rabe, a.a.O., VV 3103, 3104).
Soweit es um die Anwendung von § 128 Abs. 3 ZPO bei einem auf die Kosten
beschränkten Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung geht, weicht der Senat
auch nicht von der Rechtsprechung anderer Gerichte ab, sondern schließt sich
vielmehr derjenigen des OLG Frankfurt (vgl. a.a.O.) an. Der dort vertretenen
Auffassung hat sich auch die gebührenrechtliche Literatur angeschlossen
(Schneider, AGS 2007, 71; Mayer, RVG-Letter 2006, 89; Hansens, RVGreport 2007,
(Schneider, AGS 2007, 71; Mayer, RVG-Letter 2006, 89; Hansens, RVGreport 2007,
146, 147). Vor diesem Hintergrund kam eine Übertragung auf den Senat auch nicht
im Hinblick auf die in der wettbewerbsrechtlichen Literatur - noch - überwiegend
vertretene gegenteilige Auffassung (Nachweise bei OLG Frankfurt, GRUR 2007, 62,
63) in Betracht, zumal es auch insoweit gewichtige Gegenstimmen (Schmukle,
a.a.O., Rdn. 28) gibt die von der zivilprozessualen Literatur überwiegend geteilt wird
(Hartmann, a.a.O.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 925, Rdn. 1; Drescher, in:
MüKo, ZPO, 3. Aufl., § 925, Rdn. 2). Von einer, der hiesigen Auffassung
abweichenden herrschenden Lehre kann deshalb keine Rede sein.
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