Urteil des KG Berlin vom 15.03.2017
KG Berlin: positive vertragsverletzung, berechtigter, verwalter, ermächtigung, ermessensausübung, rücknahme, fristwahrung, fahrlässigkeit, interessenkollision, link
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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 286/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 276 BGB, § 276aF BGB, § 47 S
2 WoEigG, § 56 Abs 2 ZPO
Wohnungseigentumsverfahren: Anordnung der Kostenerstattung
nach Rücknahme der Erstbeschwerde wegen Mutwilligkeit der
Geltendmachung unbegründeter Ansprüche gegen den
Verwalter
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten dritter Instanz werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 250,-- € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft der im Rubrum
genannten Wohnanlage, die durch die Antragsgegnerin verwaltet wird. Die
Antragsgegnerin hat einen Wohnungseigentümer mit der entgeltlichen Durchführung
von Instandhaltungsarbeiten an der Wohnungseigentumsanlage beauftragt. Dieser
Wohnungseigentümer nutzt zugleich den Heizungskeller für gewerbliche Zwecke. Der
Antragsteller hat in erster Instanz beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, den
Wohnungseigentümer mit der entgeltlichen Durchführung von Instandhaltungsarbeiten
zu beauftragen. Darüber hinaus hat er beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten,
dem Wohnungseigentümer die Nutzung des Heizungskellers zu verbieten. Das
Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. Januar 2002 diese Anträge mit der Begründung
zurückgewiesen, dass ihm die Verfahrensbefugnis fehle. Hiergegen hat der Antragsteller
die sofortige Beschwerde aus Gründen der Fristwahrung eingelegt und im nachfolgenden
Schriftsatz die Hauptsachenerledigung erklärt. Dieser Hauptsachenerledigung hat sich
die Antragsgegnerin nicht angeschlossen. Das Landgericht hat dem Antragsteller mit
Schreiben vom 31. Mai 2002 mitgeteilt, dass die sofortige Beschwerde wegen Fehlen des
Antragsrechts derzeit unbegründet sei, es dem Antragsteller jedoch unbenommen
bleibe, seine Begehren auf einer Eigentümerversammlung als Beschlussantrag zu
verfolgen. Daraufhin hat der Antragsteller die sofortige Beschwerde zurückgenommen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13. August 2002 dem Antragsteller die
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher
Kosten jedoch nicht angeordnet. Zur Begründung der Auferlegung der Gerichtskosten
hat das Landgericht ausgeführt, dass sich der Antragsteller mit der
Rechtsmittelrücknahme in die Position des Unterlegenen begeben habe und mit seiner
sofortigen Beschwerde aller Voraussicht nach unterlegen wäre. Dagegen bestehe kein
Anlass, von dem in Wohnungseigentumssachen geltenden Grundsatz abzuweichen,
wonach jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen habe. Dies
folge vor allem daraus, da der Antragsteller seine Beschwerde auf den gerichtlichen
Hinweis vom 31. Mai 2002 aus eigener Entschließung zurückgenommen habe.
Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, welche die
Ablehnung der Kostenerstattung zweiter Instanz für ermessensfehlerhaft hält.
II. Die nach den §§ 20 a, 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist
in der Sache nicht gerechtfertigt, weil die Ablehnung der zweitinstanzlichen
Kostenerstattung durch das Landgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist.
Verfahrensgegenstand in dritter Instanz ist die vom Landgericht nach § 47 Satz 2 WEG
getroffene Entscheidung über die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten der
Antragsgegnerin im Erstbeschwerdeverfahren. Auf die Entscheidung des Amtsgerichts
bezieht sich die weitere sofortige Beschwerde nicht, weil durch die
Rechtsmittelrücknahme der Beschluss des Amtsgerichts einschließlich der darin
enthaltenen Kostenentscheidung rechtskräftig geworden ist.
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enthaltenen Kostenentscheidung rechtskräftig geworden ist.
Da die weitere Beschwerde in Wohnungseigentumssachen generell nur auf eine
Rechtsverletzung (§ 27 Abs. 1 und 2 FGG) gestützt werden kann, gilt dies auch für die
Überprüfung der zweitinstanzlichen isolierten Kostenentscheidung. Bei der
Rechtskontrolle von Ermessensentscheidungen hat die nächste Instanz nicht ihre
Ermessensausübung an die Stelle der Entscheidung der Vorinstanz zu setzen, sondern
lediglich zu prüfen, ob die rechtlichen Grenzen des Ermessens verletzt sind, die
Kostenentscheidung also unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist. Sie kann
die Kostenentscheidung nur daraufhin überprüfen, ob die Vorinstanz wesentliche
Gesichtspunkte außer Acht gelassen hat, sich mit den Denkgesetzen im Widerspruch
gesetzt oder sonst von ihrem Ermessen einen dem Sinn und Zweck widersprechenden
Gebrauch gemacht hat (OLG Köln, ZMR 2000, 485, 486).
Nach den Vorgaben des § 47 WEG trägt grundsätzlich jeder Beteiligte seine
außergerichtlichen Kosten selbst. Nur in Ausnahmefällen ist eine Erstattung anzuordnen.
Auch eine Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme in Wohnungseigentumssachen führt
nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts nicht zu einer Umkehrung dieses
Regel-Ausnahme-Prinzips (KG, OLGZ 1988, 317 = ZMR 1988, 314 = WuM 1988, 369 =
WE 1988, 165; KG OLGZ 1989, 438 = WuM 1989, 468 = WE 1989, 171 = GE 1989, 783;
zur Veröffentlichung vorgesehener Beschluss vom 29. Januar 2003 - 24 W 314/02 -).
Ausnahmsweise kann die Anordnung der Kostenerstattung im Falle der Rücknahme der
Erstbeschwerde in Wohnungseigentumssachen geboten sein, wenn bereits das
Betreiben des Wohnungseigentumsverfahrens eine positive Vertragsverletzung darstellt.
Eine Ermessensreduzierung, die zu einer Anordnung der Kostenerstattung führt, liegt
dann vor, wenn bereits die Durchführung des Verfahrens eine rechtswidrige Handlung
darstellt, die materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche auslöst. Handelt es sich also
bei den Kosten der erfolgreichen Rechtsverteidigung um einen Schaden, der nach den
zivilrechtlichen Vorschriften ersatzfähig ist, so ist dies im Rahmen der
Ermessensausübung zu berücksichtigen und kann zu einer Ermessensreduzierung auf
Null führen. Sind nämlich die Rechtsverteidigungskosten nach den Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches ersatzfähig, so ist die Nichtanordnung der Erstattung
ermessensfehlerhaft.
Die Geltendmachung vermeintlicher, aber tatsächlich unbegründeter Ansprüche gegen
den Vertragspartner stellt nicht an sich schon eine positive Vertragsverletzung dar (BGH
NJW 1980, 189, 190 = MDR 1980, 49). Dies beruht auf dem Grundgedanken, dass die
Geltendmachung vermeintlicher Ansprüche auf dem Rechtswege grundsätzlich in
Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt und daher kein rechtswidriges Handeln
sein kann. Nichts anderes kann im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander
oder im Verhältnis der Wohnungseigentümer zum Verwalter gelten. Nicht in
Wahrnehmung berechtigter Interessen und damit rechtswidrig handelt, wer mutwillig
einen offensichtlich erfolglosen Streit führt (vgl. auch BayObLG WuM 1993, 488). Mutwillig
handelt, wer schon ohne weiteres vor Einleitung des Verfahrens die Aussichtslosigkeit
des Antrages, des Verteidigungsvorbringens oder des Rechtsmittels erkennt oder
aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkennt (vgl. auch OLG Celle, vom 26.06.1998,
NdsRPfl. 1998, 272; OLG Celle, vom 19.05.1999, NdsRPfl. 1999, 316, 317 = NZM 1999,
841).
Eine Erstbeschwerde ist in diesem Sinne nicht bereits aussichtslos, wenn das
Amtsgericht den Antrag des Antragstellers mangels Verfahrensbefugnis (BGHZ 106,
222 = NJW 1989, 1091) zurückgewiesen hat. Abgesehen davon, dass die
Verfahrensbefugnis bei Individualansprüchen gegen den Verwalter auch für einen
einzelnen Wohnungseigentümer bestehen kann (BGHZ 115, 253 = NJW 1992, 182), kann
die fehlende Verfahrensbefugnis auch nachträglich durch Ermächtigung geheilt werden
(§ 56 Abs. 2 ZPO analog). Im Falle der Durchführung des Beschwerdeverfahrens bestand
für den Antragsteller noch die Möglichkeit, durch einen entsprechenden
Eigentümerbeschluss sich eine Ermächtigung zu beschaffen und dadurch dieses
Verfahrenshindernis zu beseitigen. Daher war das von ihm eingeleitete
Wohnungseigentumsverfahren nicht von vornherein völlig aussichtslos. Eine fehlende
Erfolgsaussicht folgt auch nicht aus der Sache selbst. Ob der Antragsgegnerin aus
Gründen der Interessenkollision zu untersagen war, einen Wohnungseigentümer mit der
entgeltlichen Durchführung von Instandhaltungsarbeiten zu beauftragen und ob sie
verpflichtet war, diesem Wohnungseigentümer die Nutzung des Heizungskellers für
persönliche oder gewerbliche Zwecke zu verbieten, kann unterschiedlich beantwortet
werden. Dieses Begehren war zumindest nicht offensichtlich aussichtslos.
Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Rechtsgrundsätze ist die
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Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Rechtsgrundsätze ist die
Ermessensentscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Soweit das
Landgericht darauf hingewiesen hat, dass der Antragsteller seine Beschwerde auf den
gerichtlichen Hinweis aus eigener Entschließung zurückgenommen hat, handelt es sich
überdies um einen sachlichen Grund, der bei der Ausübung des Ermessens
berücksichtigt werden kann (vgl. BayObLG WuM 1999, 483; ZWE 2002, 405). Soweit das
Landgericht im Übrigen seine Überlegungen nicht im Beschluss schriftlich niedergelegt
hat, ist dies unschädlich, da der Senat nach dem Akteninhalt die Kostenentscheidung
des Landgerichts hinreichend nachvollziehen kann, sodass es einer Zurückverweisung
nicht bedarf (vgl. auch OLG Hamm, NZM 2000, 715 = ZMR 2000, 555, 556 f.).
Zwingende Gründe, eine Kostenerstattung anzuordnen, ergeben sich aus dem
Akteninhalt nicht.
Die Gerichtskosten des erfolglosen Rechtsmittels sind der Antragsgegnerin aufzuerlegen
(§ 47 Satz 1 WEG). Angesichts der unterschiedlichen Auffassungen zur Kostenerstattung
besteht jedoch kein hinreichender Anlass, für die dritte Instanz von § 47 Satz 2 WEG
Gebrauch zu machen.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 2 WEG.
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