Urteil des KG Berlin vom 15.03.2017
KG Berlin: registrierung, schutzwürdiges interesse, domainname, verzicht, geschäftsführer, handelsgesellschaft, verbreitung, registereintragung, behinderung, quelle
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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 230/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 12 BGB, § 15 Abs 4 MarkenG, §
15 Abs 5 MarkenG
Markenrecht: Verfügungsverbot bei Streit über einen
Domainnamen wegen unberechtigten Namensgebrauchs
Leitsatz
Stehen der Antragsgegnerin (Handelsgesellschaft) keine eigenen oder aus einer
Treuhandstellung abgeleiteten Rechte an einem Domainnamen zu, kann zugunsten des
Namensträgers (Handelsgesellschaft) der Ausspruch eines Verfügungsverbots in Betracht
kommen, um dem Namensträger die Möglichkeit zu erhalten, im Rahmen der Vorgaben des
jeweiligen Registrierungsverfahrens (hier: “.eu“) die Eintragung des Domainnamens zu
erreichen, sobald der Verletzter zum Verzicht auf seine - sperrende - Rechtsstellung
gezwungen worden ist.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Kammer für
Handelssachen 96 des Landgerichts Berlin vom 18. Juli 2007 (in der Fassung des
Berichtigungsbeschlusses vom 18. Juli 2007) - 96 O 194/07 - teilweise geändert:
Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise
Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an
einem der Geschäftsführer der Antragsgegnerin,
„über das Verbot in Ziff. 1 der Beschlussformel der angegriffenen
landgerichtlichen Entscheidung hinausgehend“,
untersagt,
über die von ihr registrierten Domains „www.r....eu“ oder „www.r....eu“ entgeltlich
oder unentgeltlich zu verfügen, ausgenommen durch Übertragung auf die
Antragstellerin oder durch den gänzlichen Verzicht auf die Rechte aus der Registrierung.
2. Von den Kosten des Verfahrens haben zu tragen:
I. Instanz: die Antragstellerin 1/10, die Antragsgegnerin 9/10,
II. Instanz: die Antragsgegnerin alle Kosten
Gründe
A.
Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der
Antragstellerin ist begründet, §§ 935, 940 ZPO.
I.
Die Antragstellerin beanstandet eu.-Domainregistrierungen der in Konkurrenz stehenden
Antragsgegnerin (deren Geschäftsführer J. H. der frühere Alleingeschäftsführer und
Mitgesellschafter der Antragstellerin war). Die streitgegenständlichen Domainnamen
beinhalten den Kern des Firmennamens der Antragstellerin. Bei Eingabe der
Domainnamen erfolgt eine Umleitung auf die Homepage der Antragsgegnerin.
Das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss dem Antrag auf Unterlassung der
weiteren Verwendung der Domainnamen stattgegeben und die Anträge auf ein Verbot
eines Registrierthaltens und ein Verfügungsverbot zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen
Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Zurückweisung des Antrages auf
Erlass eines Verfügungsverbotes betreffend die Domainnamen.
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II.
Der Anspruch auf ein solches Verbot folgt vorliegend schon aus § 15 Abs. 4, Abs. 5
MarkenG, § 12 BGB.
1. Eine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB liegt vor, wenn ein
Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung
eintritt und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden (BGHZ 161,
216, 220 - Pro Fide Catholica; GRUR 2007, 259 Tz. 14 - solingen.info, m. w. N.; Urteil vom
08.02.2007 - I ZR 201/03, Juris Rdn. 11 - grundke.de). Diese Voraussetzungen sind im
allgemeinen erfüllt, wenn ein fremder Name als Domainname verwendet wird. Ein zu
einer Identitätsverwirrung führender unbefugter Namensgebrauch kann schon dann zu
bejahen sein, wenn der Nichtberechtigte den Domainnamen bislang nur hat registrieren
lassen (BGH, GRUR 2002, 622, Juris Rdnr. 31 - shell.de; GRUR 2003, 897, Juris Rdnr. 15 -
maxem.de; a. a. O., grundke.de). Über die Zuordnungsverwirrung hinaus wird auch ein
besonderes schutzwürdiges Interesse des Namensträgers beeinträchtigt, wenn sein
Name durch einen Nichtberechtigten als Domainname unter der in Deutschland
üblichen Top-Level-Domain „.de“ registriert wird. Denn die den Berechtigten
ausschließende Wirkung setzt bei der Verwendung eines fremden Namens als
Domainname bereits mit der Registrierung ein (BGH, a. a. O., maxem.de).
a) Auch wenn die Antragsgegnerin vorliegend im geschäftlichen Verkehr handelt und
insoweit Ansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG grundsätzlich solchen aus § 12 BGB vorgehen
(BGH, a. a. O., shell.de, Juris Rdnr. 24), finden die vorgenannten Grundsätze zu § 12 BGB
entsprechend im Rahmen der §§ 5, 15 MarkenG Anwendung. Denn auch danach ist die
Befugnis zum Namensgebrauch zu prüfen (für den Verletzten: vgl. BGH, GRUR 2002,
456, Juris Rdnr. 27 - vossius.de; für den Verletzer § 15 Abs. 2 MarkenG), ebenso eine
Verwechslungsgefahr (§ 15 Abs. 2 MarkenG) und eine Interessenabwägung (vgl. § 23
MarkenG).
b) Die Antragstellerin ist - nach dem glaubhaft gemachten Vortrag - Namensträgerin
hinsichtlich des kennzeichnenden Teils der streitgegenständlichen Domainnamen. Der
Antragsgegnerin stehen insoweit keine eigenen Rechte an diesem Namen zu. Sie
gebraucht den Namen unbefugt und verletzt - über eine Zuordnungsverwirrung hinaus -
schutzwürdige Interessen der Antragstellerin, die von der Registrierung einer eu-
Namensdomain ausgeschlossen wird. Zwar hat die Top-Level-Domain „.eu“ in
Deutschland bei weitem noch nicht die Bedeutung der allseits bekannten Top-Level-
Domain „.de“. Angesichts des immer bedeutungsvoller werdenden gemeinsamen
Marktes der Europäischen Gemeinschaft muss es aber der Antragstellerin auch insoweit
ermöglicht werden, die für diesen Markt in seiner Gesamtheit naheliegende und
zukünftig möglicherweise immer bedeutungsvoller werdende Top-Level-Domain „.eu“ für
sich registrieren zu lassen.
2. Es besteht zwar grundsätzlich kein Anspruch auf ein Umschreiben der bestehenden
Registrierung auf den Namensträger, weil bei einer Umschreibung möglicherweise dritte
- berechtigte - Namensträger von der Eintragung ausgeschlossen werden würden, die
ansonsten prioritätsjüngere Registeransprüche hätten geltend machen können (BGH, a.
a. O., shell.de, Juris Rdnr. 53). Es kann aber ein Anspruch dahin in Betracht kommen,
dass der Verletzer gegenüber der Registrierungsstelle einen Verzicht auf die
verletzenden Domainnamen zu erklären hat (BGH, a. a. O., shell.de, Juris Rdnr. 48 ff.).
Der Anspruch auf Verzichtserklärung setzt voraus, dass der Verletzte gegenüber dem
Verletzer die Verwendung des Namens in Alleinstellung beanspruchen kann, dem
Verletzer also kein Bereich einer zulässigen Nutzung des Domainnamens verbleibt
(BGH, a. a. O., vossius.de, Juris Rdnr. 46 f).
a) Vorliegend kommt der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die
Alleinstellung am Namen zu, denn die Antragsgegnerin kann weder auf das Recht der
Gleichnamigen verweisen noch ist eine Treuhandstellung der Antragsgegnerin für einen
Gleichnamigen (vgl. BGH, a. a. O., grundke.de) ersichtlich. Die Antragstellerin macht
vorliegend aber weder Übertragungs- noch Verzichtserklärungsansprüche geltend.
b) Für den Bereich der Top-Level-Domain „.de“ kann sich immerhin jeder Namensträger
ohne Weiteres die Priorität für den Domainnamen durch eine Dispute-Eintragung bei der
DENIC sichern (vgl. BGH, a. a. O., grundke.de, Tz. 18). Nach dem glaubhaft gemachten
Vortrag der Antragstellerin ist ein solches Verfahren im Bereich der Top-Level-Domain
„.eu“ nach den AGB der EurlD schon nicht möglich, sondern nur der Abschluss eines
Schiedsvertrages (APR-Verfahren). Jedenfalls hierauf muss sich die Antragsstellerin aber
nicht verweisen lassen.
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Damit besteht für die Antragstellerin die Gefahr, dass die Antragsgegnerin ihre
Domainnamensrechte wirksam auf Dritte überträgt und ein in dem
Hauptsacheverfahren durchgesetzter Verzichtserklärungsanspruch der Antragstellerin
gegen die Antragsgegnerin ins Leere laufen würde.
c) Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, der Antragsgegnerin sei schon
durch das Verbot der Verwendung der Domainnamen eine Übertragung der
streitgegenständlichen Domainnamen auf dritte Konkurrenten verwehrt. Zum einen
erfasst dies schon nicht Übertragungen auf nicht konkurrierende Dritte. Zum anderen
unterscheidet sich der Übertragungsakt nicht nur unwesentlich von dem Inhalt des
Verwendungsverbots (dieses ist in erster Linie darauf gerichtet, eine Verbreitung von
Inhalten über die Domainnamen zu verbieten). Auf derartige Unschärfen der Auslegung
eines gerichtlichen Titels muss sich die Antragstellerin nicht verweisen lassen, zumal
wenn der zugleich gestellte Antrag auf ein Verfügungsverbot unter verschiedenen
Gesichtspunkten erstinstanzlich zurückgewiesen worden ist.
d) Im Fall der Registrierung eines Domainnamens in fremdem Namen muss - durch die
Möglichkeit einer schnellen und zuverlässigen Überprüfungsmöglichkeit -
ausgeschlossen werden, dass ein Namensträger, der an sich aufgrund Priorität einen
Domainnamen wirksam beanspruchen kann, daran dadurch gehindert wird, dass erst
nachträglich (wenn der Namensträger seine Rechte geltend macht) ein Auftrag eines
anderen (befugten) Namensträgers zur Registrierung eingeholt wird (BGH, a. a. O.,
grundke.de, Tz. 17).
Wenn der Namensträger an der Eintragung der Domainnamen nur durch den
unbefugten Namensgebrauch des Verletzers gehindert wird, muss ihm die Möglichkeit
verbleiben, im Rahmen der Vorgaben des jeweiligen Registrierungsverfahrens die
Eintragung des Domainnamens zu erreichen, sobald der Verletzer zum Verzicht auf
seine - sperrende - Rechtsstellung gezwungen worden ist und der Domainname daher
wieder anderweitig vergeben werden kann. Dies darf der Verletzer nicht durch eine
Übertragung seiner Rechte auf erst später hinzutretende Interessenten unterlaufen. Der
Verletzer schuldet jedenfalls schadensersatzrechtlich aus dem Grundsatz der
Naturalrestitution gemäß § 249 BGB, dass er den Verletzten so stellt, als hätte er diesen
registerlich nicht blockiert. Bei einer Übertragung auf Dritte würde sich aber die
Blockadewirkung der ursprünglichen Registereintragung des Verletzers - mit dessen
Priorität - fortsetzen. Dementsprechend kann dem Verletzer eines Namensrechts
gemäß § 12 BGB bzw. §§ 5, 15 MarkenG untersagt werden, die verletzenden
Domainnamen auf Dritte zu übertragen.
3. Es besteht vorliegend auch eine hinreichende Erstbegehungsgefahr für Verfügungen
der Antragsgegnerin über die Domainnamen. Diese folgt schon aus der - nach dem
glaubhaft gemachten Vortrag - ausschließlichen Absicht der Antragsgegnerin zur
Behinderung der Antragstellerin durch die Domaineintragungen und die Umleitung auf
ihren (der Antragsgegnerin) Internetauftritt. Daran schließt sich naheliegend der
Gedanke an, die Behinderungswirkung durch Übertragung der Domainnamen auf Dritte
aufrechtzuerhalten.
III.
Der Anspruch auf ein Verfügungsverbot folgt vorliegend auch aus Teil IV § 2 Abs. 1 Satz
2, Abs. 2 des Geschäftsanteilsabtretungs- und Forderungskaufvertrages zwischen den
Parteien vom 15.02.2006 (Anlage AS 4).
1. Danach hat sich die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin verpflichtet, die
hier streitgegenständlichen Domainnamen weder anzumelden noch anmelden zu
lassen. Schon mit der Registrierung der Domainnamen hat die Antragsgegnerin gegen
dieses vertragliche Verbot verstoßen.
2. Hinsichtlich der Domainnamenseintragungen hat die Antragsgegnerin somit im
Verhältnis zur Antragstellerin keine schutzwürdige Rechtsstellung erlangt. Denn das
Verbot bezog sich schlechthin auf eine Anmeldung der Domainnamen, egal zu welchem
Zweck die Internetauftritte dann genutzt werden sollen. Damit wollten die Parteien
erkennbar Missbräuchen vorbeugen.
3. Fehlen der Antragsgegnerin damit im Verhältnis zur Antragstellerin schutzwürdige
Interessen an einem Verkauf der streitgegenständlichen Domainnamen an Dritte und
wird die Antragstellerin an einer eigenen Registrierung nur durch die
Verletzungshandlungen der Antragsgegnerin gehindert, dann kann die Antragstellerin
der Antragsgegnerin die Weiterübertragung der Domainnamen auf Dritte untersagen.
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der Antragsgegnerin die Weiterübertragung der Domainnamen auf Dritte untersagen.
Damit erhält sie - soweit als nach dem Registrierungsverfahren möglich - ohne
Blockadewirkung durch die Antragsgegnerin wieder freien Zugang zu einer Registrierung
der Domainnamen.
B.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 91
Abs. 1, § 92 Abs. 1, 3 ZPO.
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