Urteil des KG Berlin vom 15.03.2017

KG Berlin: juristische person, willkür, kaufmann, sammlung, eigenschaft, handelsunternehmen, form, link, quelle, 1791

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Gericht:
KG Berlin 2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 AR 3/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 95 Abs 1 Nr 1 GVG, § 102 S 2
GVG
Funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen:
Werklohnklage gegen eine ARGE; inhaltliche Unrichtigkeit des
Verweisungsbeschlusses
Tenor
Die Kammer für Handelssachen ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
Gründe
I.
Die Klägerin, eine eingetragene GmbH, hat vor der Zivilkammer des Landgerichts Klage
auf Werklohnzahlung gegen die Beklagten zu 2 und 3 (eingetragene GmbHs) und die
Beklagte zu 1 (ARGE, bestehend aus den Beklagten zu 2 und 3) erhoben.
Auf Antrag der Beklagten hat die Zivilkammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom
29.11.2007 an die Kammer für Handelssachen verwiesen.
Mit Beschluss vom 03.01.2008 hat die Kammer für Handelssachen sich für unzuständig
erklärt und die Sache dem Kammergericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
Sie hält die Verweisung für willkürlich, da die Beklagte zu 1 entgegen dem Erfordernis
des § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG kein eingetragener Kaufmann sei.
II.
Das Kammergericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen
der Kammer für Handelssachen und der Zivilkammer berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2
ZPO; zur Anwendbarkeit der Vorschrift auf diesen funktionellen Zuständigkeitsstreit s.
Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 36 Rn 29). Beide Kammern haben sich mit
bestandskräftigen Beschlüssen, die den Parteien bekannt gemacht worden sind, für
unzuständig erklärt.
Die Kammer für Handelssachen ist bereits auf Grund der sie bindenden Verweisung
zuständig (§ 102 S. 2 GVG). Die Bindungswirkung der Verweisung entfällt
ausnahmsweise nur dann, wenn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt -wofür
hier nichts ersichtlich ist-, oder wenn die Verweisung als objektiv willkürlich anzusehen ist,
weil für sie jede rechtliche Grundlage fehlt. Das ist jedoch noch nicht der Fall, wenn die
Verweisung als inhaltlich unrichtig anzusehen ist oder von einer verbreiteten (eventuell
auch herrschenden) Rechtsansicht abweicht (vgl. BGH NJW 2003, 3201 f.).
Willkürlichkeit im Sinne dieses engen Maßstabs ist vorliegend nicht gegeben. Ob die
Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG auch für die
ARGE, welche aus eingetragenen Kaufleuten besteht, gegeben ist, oder ob dies etwa
unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift zu verneinen ist, ist in Rechtsprechung und
Literatur umstritten. Dass die verweisende Zivilkammer aus Sicht des Empfangsgerichts
nicht alle Gesichtspunkte bedacht und hinreichend behandelt habe, die für die
Entscheidung maßgeblich sein könnten, führt nicht zur Annahme von Willkür.
Im Übrigen hat der Senat in seinem Beschluss vom 21.02.2007 (2 AR 5/07) bei
vergleichbarer Sachlage entschieden, dass die Zuständigkeit der Kammer für
Handelssachen auch für die ARGE gegeben ist, und dies unter anderem wie folgt
begründet:
„Für die Beklagten zu 2) und 3), die eingetragene Kaufleute sind, ist die
Zuständigkeit der KfH ohnehin nicht zweifelhaft. Für die Beklagte zu 1) kann jedenfalls
dann nichts anderes gelten, wenn die Gesellschafter - wie vorliegend - im
Handelsregister eingetragene Kaufleute sind (KG BauR 2001, 1790; Ingenstau-Korbion,
VOB, 17. Aufl. 2007, Anhang 3 „Unternehmereinsatzformen“, Rn. 53; Theurer, BauR
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VOB, 17. Aufl. 2007, Anhang 3 „Unternehmereinsatzformen“, Rn. 53; Theurer, BauR
2001, 1791; a.A. OLG Karlsruhe, IBR 2006, 332). Rechtsstreitigkeiten gemäß § 95 Abs. 1
Nr. 1 GVG fallen unter die Zuständigkeit der KfH, weil die besondere Sachkunde des
Spruchkörpers für die Entscheidung der in § 95 GVG genannten Sachverhalte dienlich ist.
Diese gesetzgeberische Intention ist nicht entfallen, nachdem die Gesellschaft
bürgerlichen Rechts mit der Entscheidung des BGH vom 29. Januar 2001 als
teilrechtsfähig angesehen wird (OLGR Frankfurt 2005, 257 f.). Danach ist die Gesellschaft
bürgerlichen Rechts keine eigenständige juristische Person. Durch den
Zusammenschluss einzelner Kaufleute in Form einer Bürgerlichen Gesellschaft ändert
sich zudem nichts an der Eigenschaft des geschlossenen Vertrages, der weiterhin ein
Handelsgeschäft ist, selbst wenn die GbR kein Handelsunternehmen sein sollte und sie
die Rechte aus dem Vertrag als Partei geltend macht (OLG Frankfurt, aaO.). Denn die
Zuständigkeit der KfH wäre nicht zweifelhaft, wenn die Beklagten zu 2) und 3) sich für
das Bauvorhaben überhaupt nicht oder erst nach Klageerhebung zu einer ARGE
zusammengeschlossen hätten. Es ist aber nicht nachvollziehbar, weshalb sich dies
ändern soll, wenn sich die Kaufleute zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
zusammengeschlossen haben (LG Bonn, BauR 2004, 1170 f.; Weise, NJW-Spezial 2005,
405 f.).“
Die Ausführungen der Kammer für Handelssachen in ihrem Beschluss vom 03.01.2008
geben keinen Anlass, hiervon abzurücken.
Die Sache ist nicht nach § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof vorzulegen.
Insbesondere liegt keine für die Zuständigkeitsentscheidung erhebliche Abweichung von
einer Rechtsauffassung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 07.03.2006, 17 U 73/05, IBR
2006, 332) vor. Abgesehen davon, dass dessen Urteil nicht die Anwendung des § 95
Abs. 1 Nr. 1 GVG, sondern des § 354 a HGB betrifft, kommt es für die
Zuständigkeitsbestimmung auf die Qualifizierung der ARGE als Kaufmann nicht an, da
Willkür der Verweisung auch dann nicht gegeben ist, wenn man der eine
Kaufmannseigenschaft verneinenden Ansicht folgt.
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