Urteil des KG Berlin vom 15.03.2017

KG Berlin: ablauf der frist, arglistige täuschung, persönliche anhörung, neues vorbringen, geschäftsführer, gebühr, reisekosten, gespräch, verfahrensablauf, postulationsfähigkeit

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 718/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 91 Abs 1 S 1 ZPO, § 52
BRAGebO
Kostenerstattung: Erstattungsfähigkeit von
Verkehrsanwaltskosten in der Berufungsinstanz
Leitsatz
1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts in der Berufungsinstanz kann
nicht mit der Erwägung begründet werden, der Verkehrsanwalt sei in der ersten Instanz als
Prozessbevollmächtigter der (auswärtigen) Partei tätig gewesen, und dies sei wegen der
örtlichen Nähe zum Streitobjekt geboten gewesen. Das gilt auch dann, wenn der - inzwischen
vor dem Berufungsgericht postulationsfähig gewordene - Verkehrsanwalt in der
Berufungsinstanz mit eigenem Schriftsatz hervorgetreten ist, ohne sich als weiterer
Prozessbevollmächtigter zu bestellen.
2. Die Verkehrsanwaltskosten für das Berufungsverfahren sind jedoch bis zur Höhe der
ersparten Kosten einer Informationsreise der auswärtigen Partei zu ihrem
Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig, soweit deren Notwendigkeit bejaht wird. In
Fortentwicklung der Rechtsprechung des Senats (JurBüro 1983, 1401, bestätigt durch
Beschluss vom 2.9.2003 - 1 W 443/02 -) ist dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn die
tatsächliche Grundlage des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz streitig bleibt und es
geboten erscheint, zur Vorbereitung der Berufungserwiderung den gesamten Sachverhalt
und Verfahrensablauf in einem persönlichen mündlichen Gespräch mit dem Anwalt zu
erörtern. Es bleibt offen, ob für Neufälle nach dem 1.8.2002 (Postulationsfähigkeit des
auswärtigen Anwalts vor dem Berufungsgericht) an dem Grundsatz festgehalten wird, dass
ein persönliches Mandantengespräch zu Beginn der zweiten Instanz nur in Ausnahmefällen
notwendig ist.
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem inzwischen
rechtskräftigen Urteil des Kammergerichts vom 30.6.2003 - 12 U 8/02 - von den
Beklagten als Gesamtschuldnern an die Klägerin zu erstattenden Kosten über den
bereits festgesetzten Betrag hinaus auf weitere 386,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2003 festgesetzt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde nach einem Wert von 101,50 EUR
zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 487,50
EUR haben die Klägerin zu 21 % und die Beklagten zu 79 % zu tragen.
Gründe
I. Die Klägerin erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 16.6.1997 von den Beklagten
deren in B. bei K. belegenes Einfamilienhausgrundstück. Im vorliegenden Rechtsstreit
hat die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz für die Beseitigung von Mängeln
geltend gemacht, die die Beklagten ihr beim Verkauf arglistig verschwiegen hätten. Nach
Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht K. wurde die
Klage gegen die inzwischen nach Berlin verzogenen Beklagten vor dem Landgericht
Berlin erhoben. Die Klägerin ließ sich durch ihre Kölner Prozessbevollmächtigten
vertreten, die der Berliner Sozietät S. und S. Untervollmacht erteilten. Im Termin vor
dem Landgericht am 9.11.2001 waren Rechtsanwalt V. aus Berlin für die Kölner
Rechtsanwälte Dr. H. u.a. und der Geschäftsführer der Klägerin anwesend.
Das Landgericht gab der Klage statt. Die Beklagten legten hiergegen unter dem
7.1.2002 Berufung ein und begründeten das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 7.2.2002,
der den Klägervertretern am 7.3.2002 unter Fristsetzung zur Erwiderung binnen vier
Monaten zugestellt wurde. Für die Klägerin und Berufungsbeklagte meldeten sich
Rechtsanwälte S. und S. mit Schriftsatz vom 5.2.2002 und erwiderten mit Schriftsatz
vom 17.6.2002 auf die Berufungsbegründung. Auf einen weiteren Schriftsatz der
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vom 17.6.2002 auf die Berufungsbegründung. Auf einen weiteren Schriftsatz der
Beklagtenvertreter vom 21.5.2003 nahm die Klägerin mit einem Schriftsatz der
Rechtsanwälte Dr. H. u.a. vom 11.6.2003 Stellung, zugleich zeigte Rechtsanwalt V. mit
Schriftsatz vom 11.6.2003 an, dass er das Verfahren „in hiesiger Kanzlei“ fortführe. Im
Termin am 30.6.2003, bei dem die Beklagten und der Geschäftsführer der Klägerin
persönlich anwesend waren, vertrat Rechtsanwalt V. „für Rechtsanwälte Dr. H. u.a.“ die
Klägerin. Die Berufung wurde auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 14.7.2003 hat die Klägerin beantragt, die
durch ihre anwaltliche Vertretung in zweiter Instanz entstandenen Kosten gegen die
Beklagten festzusetzen, darunter eine 13/10-Gebühr für die „Tätigkeit als
Verkehrsanwalt §§ 52, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO“, in Höhe von 487,50 EUR; die Klägerin ist
zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Das Landgericht hat die Verkehrsanwaltskosten abgesetzt, da diese Kosten in der
Berufungsinstanz nur dann erstattungsfähig seien, wenn sich der Tatsachenvortrag
gegenüber der ersten Instanz grundlegend geändert habe, was nicht der Fall sei.
Hiergegen wendet sich das zulässige Rechtsmittel der Klägerin, das in erster Linie darauf
gestützt wird, ihr sei ein Anwaltswechsel in zweiter Instanz nicht zuzumuten gewesen,
nachdem sie sich in der ersten Instanz durch ihre K. Prozessbevollmächtigten habe
vertreten lassen und es auch im Berufungsverfahren um die tatsächlichen Umstände
anlässlich des Verkaufs des im Landgerichtsbezirk Köln belegenen Streitobjekts
gegangen sei.
II. Das Rechtsmittel ist nur zum Teil begründet. Zu Recht hat das Landgericht von den
der Klägerin gemäß § 91 ZPO zu erstattenden notwendigen Kosten die geltend
gemachte Gebühr für die Tätigkeit eines Verkehrsanwalts abgesetzt (1.). Die
Einschaltung eines Verkehrsanwalts war im Berufungsverfahren nicht notwendig (a.),
diese Kosten sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ersparten Kosten der
Beauftragung eines Unterbevollmächtigten oder Terminsvertreters zu erstatten (b.). Der
Klägerin sind die für ihren Verkehrsanwalt in zweiter Instanz entstandenen Kosten jedoch
unter dem Gesichtspunkt der ersparten eigenen Kosten einer Informationsreise ihres
Geschäftsführers zur Kanzlei des Berliner Prozessbevollmächtigten zu erstatten (2. a.),
die jedoch nicht nach § 28 BRAGO sondern gemäß § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. §§ 9,
10 ZSEG zu berechnen sind (2. b.).
1. Die Klägerin konnte sich vor der am 1.8.2002 eingetretenen Rechtsänderung im
Berufungsverfahren vor dem Kammergericht durch ihre Prozessbevollmächtigten erster
Instanz, die Kölner Rechtsanwälte Dr. H. u.a., nicht vertreten lassen. Dementsprechend
bestellten sich die Unterbevollmächtigten erster Instanz, die Berliner Anwaltssozietät S.
und S. , der auch Rechtsanwalt V. angehörte, nunmehr als Prozessbevollmächtigte für
das zweitinstanzliche Verfahren und die bisherigen Prozessbevollmächtigten wurden als
Verkehrsanwälte tätig. Die Gebühr, die ihnen hierfür nach § 52 BRAGO erwachsen sei,
machen die Rechtsanwälte Dr. H. u.a., insoweit als Verfahrensbevollmächtigte im
Kostenfestsetzungsverfahren, für die Klägerin als Erstattungsforderung geltend.
Allerdings sind die inzwischen vor dem Kammergericht postulationsfähigen
Rechtsanwälte Dr. H. u.a. mit dem Schriftsatz vom 11.6.2003 unmittelbar gegenüber
dem Berufungsgericht in Erscheinung getreten und hat Rechtsanwalt V. im
Berufungstermin zu Protokoll nehmen lassen, dass er als Unterbevollmächtigter für die
Kölner Rechtsanwälte auftrete. Rechtsanwalt V. sind damit aber keine Gebühren als
Verkehrsanwalt erwachsen. Seine Gebühr als Unterbevollmächtigter oder
Terminsvertreter gemäß § 53 BRAGO wird nicht ausdrücklich geltend gemacht. Die
geltend gemachte 13/10-Verhandlungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO wäre
allerdings gemäß § 53 BRAGO in der Person des Unterbevollmächtigten entstanden,
während der übertragende Prozessbevollmächtigte daneben noch nach § 33 Abs. 3 Satz
1 BRAGO eine 13/20-Verhandlungsgebühr erhielte. Eine solche Gebühr wird jedoch nicht
zur Kostenfestsetzung geltend gemacht, woraus zu schließen ist, dass Rechtsanwalt V.
entgegen dem Protokoll vom 30.6.2003 - alleiniger - Prozessbevollmächtigter im
Berufungsverfahren blieb und die Kölner Rechtsanwälte entgegen ihrem Schriftsatz vom
11.6.2003 in der zweiten Instanz nicht als - weitere - Prozessbevollmächtigte tätig
geworden sind. Dementsprechend ist das Rubrum des Berufungsurteils vom 30.6.2003,
in dem lediglich Rechtsanwalt V. als Prozessbevollmächtigter aufgeführt wird, auch nicht
berichtigt worden.
Auf die Frage, inwieweit bei einem durch den Erwerb der Postulationsfähigkeit bedingten
Anwaltswechsel in zweiter Instanz Mehrkosten gemäß § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu
erstatten sind, kommt es nicht an, da solche Kosten - wie dargelegt - nicht geltend
gemacht werden.
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a. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die Kosten eines Verkehrsanwalts gemäß § 52
BRAGO, die zusätzlich zu den nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erstattenden Kosten des
Prozessbevollmächtigten entstehen, nur zu erstatten, wenn die Einschaltung des
Verkehrsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats (JurBüro 1983, 1401; unveröffentlichter Beschluss
vom 2.3.2004 - 1 W 5918/98 -; siehe auch OLG München, JurBüro 1991, 554 f.) ist das
nur der Fall, wenn die Informationserteilung an den Prozessbevollmächtigten nicht
unmittelbar durch die Partei erfolgen kann, weil dies der Partei nicht zumutbar ist oder
sie zur sachgemäßen Informationserteilung - anders als der Verkehrsanwalt - nicht in der
Lage ist. Eine solche Fallgestaltung ist hier ersichtlich nicht gegeben. Die Klägerin beruft
sich für die Notwendigkeit der Einschaltung ihrer erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten als Verkehrsanwälte in der zweiten Instanz darauf, dass diese
mit dem gesamten Sachverhalt einschließlich der im selbständigen Beweisverfahren im
Landgerichtsbezirk Köln getroffenen Feststellungen sowie dem von ihnen geführten
erstinstanzlichen Verfahren vertraut gewesen seien, so dass sich die aufwendige
Information des Berliner Kollegen zwecks Fertigung der Berufungserwiderung erübrigt
habe. Das trifft zwar zu, begründet aber nicht die Notwendigkeit der Beauftragung als
Verkehrsanwälte. Die von der Klägerin herausgestellten Umstände rechtfertigten es
ohne Weiteres, die am Sitz der Klägerin ebenfalls kanzleiansässigen Rechtsanwälte Dr.
H. u.a. als Prozessbevollmächtigte für den in erster Instanz vor dem Landgericht Berlin
zu führenden Rechtsstreit zu beauftragen mit der Folge, dass die Kosten einer
Terminswahrnehmung durch den auswärtigen Anwalt (§ 28 BRAGO), und demgemäß in
Höhe dieser ersparten Kosten auch die Mehrkosten der Beauftragung eines
Unterbevollmächtigten oder Terminsvertreters (§ 53 BRAGO unter Berücksichtigung der
Gebührenminderung des Hauptbevollmächtigten nach § 33 Abs. 3 Satz 1 BRAGO) nach
§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz ZPO erstattungsfähig sind (vgl. im
Einzelnen BGH NJW 2003, 898). In der zweiten Instanz kam dies nach der damaligen
Rechtslage allerdings nicht in Betracht, da die Kölner Rechtsanwälte vor dem
Berufungsgericht in Berlin nicht postulationsfähig waren. Die Berliner Rechtsanwälte
waren über den in erster Instanz verhandelten Sachverhalt aber schon deswegen
vollumfänglich informiert, weil sie im Termin vor dem Landgericht als
Unterbevollmächtigte aufgetreten waren. Die Tätigkeit des Verkehrsanwalts konnte in
der zweiten Instanz also nur in dem Umfange notwendig werden, wie auf neuen Vortrag
der Gegenseite auf der Grundlage neuer oder ergänzender Informationen der
Mandantschaft erwidert werden musste. Diese Informationen konnte die Klägerin aber
auch dem Berliner Prozessbevollmächtigten unmittelbar erteilen, so dass es der
Einschaltung eines Verkehrsanwalts hierzu nicht bedurfte.
b. Allerdings waren die Kölner Rechtsanwälte ausweislich ihres Briefkopfes im Schriftsatz
vom 11.6.2003 an allen Oberlandesgerichten postulationsfähig und konnten dies nach
der geänderten Rechtslage ab 1.8.2002 auch sein. Mit Rücksicht auf diese neue
Rechtslage folgt der Senat der vorstehend zu a. für die Beauftragung des
Wohnsitzanwaltes der auswärtigen Partei in erster Instanz wiedergegebenen
Rechtsprechung auch für den Fall, dass die auswärtige Partei ihren Anwalt in der zweiten
Instanz als Prozessbevollmächtigten behält. Im vorliegenden Verfahren konnten die
Rechtsanwälte Dr. H. u.a. demnach in der Berufungsverhandlung am 30.6.2003 als
Prozessbevollmächtigte auftreten oder Rechtsanwalt V. mit der Wahrnehmung des
Termins in Untervollmacht beauftragen mit der Folge, dass die dadurch entstandenen
Mehrkosten in Höhe der ersparten Kosten der Terminswahrnehmung durch einen Kölner
Anwalt zu erstatten wären.
Das führt nach Auffassung des Senats aber nicht dazu, dass auch die Kosten des
Verkehrsanwalts in Höhe dieser Kostenersparnis zu erstatten sind. Dafür spricht zwar,
dass die beteiligten Rechtsanwälte funktional in einer Weise tätig geworden sind, die die
Erstattung rechtfertigen würde. Dies kann aber aus folgendem Grunde nicht
ausschlaggebend sein: Wie oben ausgeführt, werden die Kosten einer Tätigkeit des
Rechtsanwalts V. als Unterbevollmächtigter in zweiter Instanz nicht geltend gemacht.
Die Frage der Erstattungsfähigkeit von durch diese Tätigkeit ersparten Kosten stellt sich
daher nicht. Zwar kann - wie unter 2. ausgeführt wird - der Gesichtspunkt ersparter
Reisekosten auch die (teilweise) Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts
begründen, dessen Einschaltung an sich nicht notwendig war. Dabei handelt es sich um
Kosten der Partei zur Führung eines Informationsgesprächs, die mit denen des Anwalts
zur Wahrnehmung des Termins nicht austauschbar sind. Denn die Notwendigkeit dieser
Kosten richtet sich nach unterschiedlichen Zeitpunkten und Grundsätzen: Die
Wahrnehmung eines Termins durch den Anwalt ist für jeden Termin notwendig, der vom
Gericht anberaumt wird. Die Informationserteilung durch die Partei und
dementsprechend eine dazu erforderliche Reise können jeweils dann geboten sein, wenn
nach dem Prozessverlauf eine anwaltliche Stellungnahme auf Grund neu einzuholender
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nach dem Prozessverlauf eine anwaltliche Stellungnahme auf Grund neu einzuholender
Informationen der Partei erforderlich wird, im vorliegenden Fall also vor Ablauf der Frist
zur Berufungserwiderung und jedenfalls vor Anberaumung des gerichtlichen Termins.
Auch für die Höhe der Erstattungsfähigkeit gelten unterschiedliche Grundsätze, im einen
Fall nach § 28 BRAGO, im anderen Fall nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. mit dem
ZSEG.
2. Wie bereits erwähnt, sind die Kosten der - nicht notwendigen - Einschaltung eines
Verkehrsanwalts nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Höhe der durch sie ersparten,
notwendigen und nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO erstattungsfähigen Reisekosten der
Partei erstattungsfähig (ständige Rspr. des Senats, a.a.O.). Notwendig sind diese
Reisekosten, soweit ein persönliches Informationsgespräch der Partei mit ihrem
Prozessbevollmächtigten zur Vorbereitung dessen anwaltlicher Stellungnahme geboten
erscheint.
Für das Berufungsverfahren gilt nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz, dass ein
solches Informationsgespräch nur dann erforderlich ist, wenn sich die tatsächliche
Grundlage des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz gegenüber der ersten Instanz
wesentlich geändert hat (s. die vom Landgericht zitierten Entscheidungen). Es kann
dahingestellt bleiben, ob an dem in diesem Grundsatz formulierten Regel-
Ausnahmeverhältnis festgehalten werden kann, was zweifelhaft erscheint. Denn wenn es
im Regelfall als sachgerecht und damit notwendig anerkannt wird, dass die auswärtige
Partei sich in zweiter Instanz von demselben (Wohnsitz-) Anwalt vertreten lässt, der sie in
der ersten Instanz vertreten hat, muss es auch als Regelfall gelten können, dass die
Partei zu Beginn der zweiten Instanz erneut ein persönliches Gespräch mit ihrem Anwalt
führt, und zwar unabhängig davon, ob sich die tatsächliche Grundlage des Rechtsstreits
wesentlich geändert hat. Hinzu kommt, dass das seit dem 1.1.2002 geltende ZPO-
Reformgesetz es nur noch in äußerst eingeschränktem Umfang zulässt, den Rechtsstreit
in der zweiten Instanz auf eine neue tatsächliche Grundlage zu stellen (§ 529 Abs. 1 ZPO
n.F. im Gegensatz zu § 525 ZPO a.F.). Der Berufungsführer muss dazu darlegen, dass
das angefochtene Urteil auf einer fehlerhaften tatsächlichen Grundlage beruht (§§ 520
Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, 531 Abs. 2 ZPO n.F.). Würde man an den bisherigen Anforderungen
an die Notwendigkeit eines erneuten Mandantengesprächs festhalten, obläge dem
Rechtspfleger vielfach die dem Kostenfestsetzungsverfahren fremde Prüfung, ob die
Berufung - zulässigerweise - auf neues Vorbringen gestützt wurde oder sich in der
Erörterung des bisherigen Streitstoffs und Verfahrensrügen erschöpfte. Der Senat neigt
daher zu der Auffassung, die Notwendigkeit eines erneuten Mandantengesprächs zu
Beginn der zweiten Instanz im Regelfall zu bejahen und etwa für den Fall eine Ausnahme
zu machen, dass bei unveränderter tatsächlicher Grundlage lediglich über die
Rechtsanwendung oder Beweiswürdigung des Landgerichts gestritten wird (vgl.
Senatsbeschluss vom 2.9.2003 - 1 W 443/02 -, veröffentlicht in Juris).
Im vorliegenden Verfahren galt für die Berufung gegen das am 30.11.2001 verkündete
Urteil des Landgerichts zwar noch das alte Berufungsrecht (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Die
Berufung der Beklagten war aber in ähnlicher Weise, wie das für die Berufung nach
neuem Recht die Regel ist, auf Verfahrensverstöße des Landgerichts bei der Feststellung
des Sachverhalts, insbesondere die Nichtberücksichtigung streitigen Vortrags der
Beklagten bei der Beweiswürdigung, gestützt. In einem solchen Fall war es sachgerecht,
zur Vorbereitung der Berufungserwiderung den gesamten Sachverhalt und
Verfahrensablauf nochmals in einem persönlichen Gespräch der Partei mit dem Anwalt
zu erörtern. Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht das persönliche Erscheinen der
Beklagten angeordnet hatte. Hauptangriffspunkt der Berufung war in tatsächlicher
Hinsicht, dass die Beklagten eine arglistige Täuschung der Klägerin in Abrede stellten, da
sie den Geschäftsführer der Klägerin umfassend auf die vorhandenen Schäden
hingewiesen hätten. Für den Geschäftsführer der Klägerin musste es daher geboten
erscheinen, den Termin vor dem Kammergericht ebenfalls wahrzunehmen und im
Hinblick auf die zu erwartende persönliche Anhörung durch das Gericht den Sachverhalt
und die gegnerische Sachdarstellung vor der Erwiderung nochmals mit dem Anwalt
durchzusprechen.
Da für die Notwendigkeit des Informationsgesprächs auf den Zeitpunkt der
Berufungserwiderung abzustellen ist, kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden,
dass ihr Geschäftsführer zum Termin am 30.6.2003 nach Berlin angereist ist. Die Kosten
dieser Reise werden nicht geltend gemacht und haben außer Betracht zu bleiben.
b. Für die Schätzung der Höhe der Informationsreisekosten des Geschäftsführers der
Klägerin ist zunächst von der im Schriftsatz vom 5.2.2004 vorgelegten Berechnung
auszugehen. Danach wäre die Anreise mit dem Pkw bei einer Fahrstrecke von ca. 600
km erfolgt. Da die Partei in § 91 Abs. 2, Satz 2, 2. Halbsatz ZPO dem Zeugen
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km erfolgt. Da die Partei in § 91 Abs. 2, Satz 2, 2. Halbsatz ZPO dem Zeugen
gleichgestellt wird, kommt nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 ZSEG nur der dem Zeugen zustehende
geringere km-Satz von 0,21 EUR zur Anwendung. Die Aufwandsentschädigung nach § 10
Abs. 1 ZSEG umfasst nach der Rechtsprechung des Senats das Tagegeld (§ 10 Abs. 2
Satz 1 ZSEG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 b EStG) und ggf.
Übernachtungskosten (§ 10 Abs. 3 Satz 2 ZSEG), nicht jedoch die Entschädigung für
Zeitversäumnis nach § 2 Abs. 2 ZSEG (s. Senat, JurBüro 1984, 760). Nicht zu
entschädigen sind Zehrkosten nach § 10 Abs. 3 ZSEG, da dies einen Termin am
Aufenthaltsort voraussetzt.
Bei der Anreise mit dem Pkw und geschätzter Fahrzeit von 6 Stunden ergeben sich
fiktive Kosten wie folgt:
2 x 600 km à 0,21 EUR/km252,00 EUR
Tagegeld 2 x 12,00 EUR
24,00 EUR
Übernachtungskosten
110,00 EUR
insgesamt
386,00 EUR.
Im Rahmen der Schätzung der fiktiven Reisekosten kann die Klägerin nicht - wie die
Beklagten geltend machen - gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 ZSEG auf die Benutzung des
preisgünstigeren ICE verwiesen werden. Im Hinblick auf die Abhängigkeit vom Fahrplan
des ICE kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Benutzung des zeitlich
ungebundenen Pkw „wegen besonderer Umstände“ (§ 9 Abs. 1 Satz 2 ZSEG) notwendig
geworden wäre, um einen mit dem Berliner Anwalt zu vereinbarenden
Besprechungstermin wahrzunehmen.
III. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO - nach Übertragung
auf den Senat, § 568 Satz 2 ZPO - kam nicht in Betracht, da die Sache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und die vorliegende Fallgestaltung auch keine Fortbildung
des Rechts erfordert.
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