Urteil des KG Berlin vom 22.01.2004

KG Berlin: mietsache, drohende gefahr, lüftungsanlage, vermieter, auflage, unterbrechung, widerklage, mietzins, vollstreckung, sammlung

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 65/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 536 BGB
Mangelhaftigkeit eines Gewerbemietobjekts: Beweislast für die
Ursache eines unwillkürlichen Abschaltens der Gaszufuhr für
eine Restaurantküche
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Januar 2004 verkündete Urteil der
Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagten vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 22. Januar 2004 verkündete Urteil
der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, soweit das Landgericht der Widerklage
stattgegeben hat. Auf den Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils wird Bezug genommen.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:
Das Landgericht habe zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass unwillkürliches
Abschalten der Gaszufuhr für die Küche einen Mangel der Mietsache darstelle. Das
Gericht gehe jedoch unzutreffend davon aus, dass es überhaupt zu „unwillkürlichem
Abschalten“ der Gaszufuhr gekommen sei. Unstreitig sei lediglich, dass es zu
Abschaltungen der Gaszufuhr gekommen sei. Die Klägerin habe unter Beweisantritt
vorgetragen, dass die Lüftungsanlage ausreichend dimensioniert sei und
ordnungsgemäß funktioniere. Das Landgericht habe die Beweisanträge der Klägerin
übergangen. Die Unterbrechungen der Gaszufuhr sei durch willkürliche Abschaltungen
der Lüftungsanlage durch die Beklagten verursacht worden. Soweit das Landgericht hier
ausführe, dass die in der mündlichen Verhandlung befragten Mitarbeiter der Klägerin
keine sachdienlichen Angaben hätten machen können, sei nicht ersichtlich, welche
Angaben hier erforderlich gewesen seien.
Die Klägerin habe – entgegen der Ansicht des Landgerichts – auch die Behauptungen
der Beklagten hinsichtlich der Häufigkeit und Dauer der „Störfälle“ ausreichend
substantiiert bestritten. Denn insoweit sei schon der Vortrag der Beklagten nicht
hinreichend konkret, so dass das Bestreiten der Klägerin genüge. Unrichtig sei zudem
die Schlussfolgerung des Gerichts, dass aufgrund der Tatsache, dass die Gaszufuhr
durch einen Mitarbeiter der Klägerin freigeschaltet werden müsse, eine entsprechende
Dokumentation der Vorgänge bei der Klägerin vorliege.
Schließlich habe das Gericht bei Schätzung der Minderungsquote sein Ermessen
fehlerhaft ausgeübt, indem es die der Schätzung zugrunde liegenden Umstände
unzutreffend gewürdigt habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 22. Januar 2004 die
Widerklage abzuweisen.
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten tragen vor:
Die Klägerin stelle in der Berufungsbegründung selbst ausdrücklich unstreitig, dass es zu
Abschaltungen der Gaszufuhr gekommen sei. Das Landgericht habe zutreffend
hervorgehoben, dass die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen für eine
ungehinderte Gaszufuhr zu dem von der Klägerin zu gewährleistenden Gebrauch gehöre.
Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Unterbrechung der Gaszufuhr nicht auf einen
der Gasversorgungs- und Lüftungsanlage anhaftenden technischen Fehler
zurückzuführen sei. Die Klägerin habe keine Anstrengungen unternommen, um die
Ursache für das Abschalten der Gaszufuhr aufzuklären, sondern unzutreffend behauptet,
dass dies durch Handlungen der Beklagten verursacht worden sei. Die Ursache der
Unterbrechung der Gaszufuhr liege wahrscheinlich in der vorhandene Koppelung
zwischen der unterdimensionierten Lüftungsanlage und der Gasversorgung ; dieser
Mangel sei auf die technische Ausstattung und nicht auf Handlungen der Beklagten
zurückzuführen. Die Klägerin beschränke sich nur auf ein einfaches Bestreiten des
Beklagtenvortrags. Der Klägerin wäre es aber ohne weiteres möglich gewesen, weitere
Ermittlungen zu den vermeintlichen Alternativursachen der Funktionsstörungen
durchzuführen und insoweit substantiiert vorzutragen. Einer Beweisaufnahme habe es
daher nicht bedurft. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten auch in der mündlichen
Verhandlung nicht ansatzweise Anhaltspunkte dafür mitteilen können, dass andere als
die von den Beklagten dargelegte Gründe zu einer Gasabschaltung geführt haben
könnten.
Auch die Schätzung zur Ermittlung der Minderungsquote sei nicht zu beanstanden.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Beklagten können von der Klägerin die Feststellung verlangen, dass der Mietzins für
die Gewerbefläche in der B.-Straße ... in Berlin in den Jahren 2000 bis 2003 in der
ausgeurteilten Höhe gemindert war.
1.
Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 ZPO zulässig. Insoweit wird auf die zutreffenden
Ausführungen des Landgerichts verwiesen, die die Klägerin mit der Berufung auch nicht
angegriffen hat.
Der Zulässigkeit der Widerklage steht auch die Rechtskraftwirkung des im Vorprozeß
ergangenen Urteils des Landgerichts Berlin vom 28. Januar 2002 – 12 O 531/01- nicht
entgegen. Zum einen ist über das Vorliegen einer Minderung im Hinblick auf § 22 des
Mietvertrags, wonach der Mieter gegenüber dem Mietzins oder sonstigen Forderungen
des Vermieters ein Minderungsrecht nicht ausüben kann, nicht entschieden worden.
Soweit das Landgericht in der Begründung (hilfsweise) zum anderen ausgeführt hat,
dass eine Minderung nicht gerechtfertigt sei, bezog sich dies nicht auf die im
vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Mängel.
2.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Mietsache einen Mangel
i.S. von § 537 BGB a.F. bzw. § 536 BGB n.F. aufweist. Ein Mangel ist eine für den Mieter
nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich
vorausgesetzten Zustand (ständige Rechtsprechung, u.a. BGH NJW 2000,1714); sie
muss die Tauglichkeit der Mietsache zu dem von den Vertragspartnern konkret
vorausgesetzten vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern
(Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Auflage, § 536 BGB, Rdnr. 16). Zutreffend hat das
Landgericht das Abschalten der Gaszufuhr für die Küche des von den Beklagten
betriebenen Restaurants durch ein mit der Lüftungsanlage gekoppeltes
Sicherheitsmagnetventil als einen Mangel in diesem Sinne angesehen, was auch die
Klägerin nicht in Abrede stellt. Die Klägerin hat zudem in der Berufungsschrift
ausdrücklich unstreitig gestellt, dass es zu Abschaltungen der Gaszufuhr gekommen ist,
so dass ein Mangel der Mietsache vorliegt.
Ohne Erfolg macht die Klägerin mit der Berufung geltend, dass das Landgericht nicht
18
19
20
21
22
Ohne Erfolg macht die Klägerin mit der Berufung geltend, dass das Landgericht nicht
beachtet habe, dass sie bestritten habe, dass es zu „unwillkürlichem“ Abschalten der
Gaszufuhr gekommen sei und, dass die Unterbrechung der Gaszufuhr durch die
Beklagten verursacht worden sei, indem diese die Lüftungsanlage willkürlich
abgeschaltet hätten.
Hierbei ist davon auszugehen, dass der Mieter das Vorliegen eines Mietmangels sowie
die Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch
darzulegen und zu beweisen hat. Wenn aber der Mangel – aufgrund des
Erscheinungsbildes – nicht (oder nicht nur) auf den bloßen Mietgebrauch zurückgeführt
werden kann, obliegt dem Vermieter der Nachweis, dass die Ursache des Mangels dem
Obhutsbereich des Mieters entstammt und andere in seinem Verantwortungsbereich
fallende Ursachen ausgeschlossen sind (Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts-
und Wohnraummiete, 3. Auflage, III. A, Rndr.960ff; BGHZ 126,124 = BGH NJW
1994,2019; BGH NJW 1998,594;). Neben einem Material- oder Herstellungsmangel muss
der Vermieter auch einen ebenfalls zu seiner Risikosphäre gehörenden normalen
Verschleiß als Schadensursache beweislich ausschließen (Bub/Treier/Kramer, a.a.O., III.
A, Rdnr. 961). Der Vermieter muss darlegen, dass die Schadensursache weder aus
seinem Verantwortungsbereich noch aus seinem Pflichtenkreis stammt, sondern in dem
Herrschafts- und Obhutsbereich des Mieters begründet ist. Der Vermieter muss daher
zunächst sämtliche Umstände ausräumen, die aus seinem Gefahrenbereich herrühren
und insbesondere die Beschaffenheit der Mietsache betreffen. Ist dieser Beweis geführt,
so muss der Mieter nachweisen, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat
(Schmidt/Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Auflage, § 536 BGB, Rdnr. 411).
Da das Abschalten der Gaszufuhr als solches unstreitig ist, hätte die Klägerin
substantiiert unter Beweisantritt vortragen müssen, dass diese Funktionsstörung nicht
auf einen der Gasversorgungs- und Lüftungsanlage anhaftenden technischen Fehler
zurückzuführen ist und daher der Mangel nicht aus ihrem Risikobereich stammt. Die
Klägerin hat hierzu nur pauschal behauptet, dass die Anlage ausreichend dimensioniert
sei und ordnungsgemäß funktioniere. Dieser Vortrag genügt nicht den
Substantiierungsanforderung, so dass dem Beweisantritt durch Vernehmung der
angebotenen Zeugen G... und S... sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens
nicht nachzugehen war. Die Klägerin hätte vielmehr im einzelnen darlegen müssen, dass
sie eine Überprüfung der Anlage vorgenommen hat und hierbei technische Fehler nicht
festgestellt worden sind, so dass Fehler aufgrund der Herstellung und Beschaffenheit der
Anlage auszuschließen sind und deswegen ein Bedienungsfehler der Beklagten vorliegen
müsse. Dies umso mehr, weil der von der Beklagten angezeigte Mangel offenbar seit
Übergabe der Mieträume und Inbetriebnahme der Anlage aufgetreten ist. So haben die
Beklagten bereits mit Schreiben vom 05. Dezember 1999 darauf hingewiesen, dass die
Küchenlüftung zu stark sei und das Gas nicht funktioniere. In einem weiteren Schreiben
vom 12. Januar 2000 wiesen die Beklagten wiederum darauf hin, dass aufgrund des
Lüftungsfehlers die Gaszufuhr unterbrochen werde.
Ohne Erfolg rügt die Klägerin weiter, dass das Landgericht ihr Bestreiten zu der Anzahl
der Vorfälle nicht als unsubstantiiert hätte ansehen dürfen. Entgegen der Ansicht der
Klägerin reicht der Vortrag der Beklagten, dass es im Jahre 2000 viermal monatlich, im
Jahre 2001 mindestens zweimal monatlich und im Jahre 2002 alle zwei bis drei Monate zu
derartigen Ausfällen gekommen sei, aus. Denn die Beklagten haben sich nicht nur auf
diesen Vortrag beschränkt, sondern schriftliche Mängelrügen vorgelegt, aus denen sich
auch konkrete Tage ergeben, an denen es zum Ausfall gekommen ist. Nach dem
Schreiben vom 06. Mai 2002 trat am 04. Mai 2002 ein Lüftungsausfall auf, wodurch sich
das Gasmagnetventil schloss. Ferner zeigten die Beklagten unter dem 10. Juli 2002 an,
dass die Lüftung ausgefallen war. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2002 wurde erneut
angezeigt, dass am 26. Oktober 2002 die Lüftung in der Küche ausfiel, wodurch das
Gasmagnetventil die Gaszufuhr abgesperrt hat. Die Klägerin ist diesem Vortrag nicht im
Einzelnen entgegengetreten. Das pauschale Bestreiten reicht hierzu nicht aus (§ 138
Abs. 3 ZPO). Dies auch deswegen, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat,
weil die Freischaltung der Gaszufuhr nicht durch die Beklagten selbst, sondern jeweils
durch einen Mitarbeiter der Klägerin erfolgen musste. Daher hätte die Klägerin dem
Vortrag der Beklagten substantiiert entgegentreten müssen, dass nämlich die Anzahl
der Ausfälle – so wie die Beklagten sie behaupten – nicht zutreffen könne.
Ohne Erfolg macht die Klägerin weiter geltend, dass der vom Landgericht zugesprochene
Minderungsbetrag nicht angemessen sei. Auch der Senat hält die zuerkannten
Minderungsbeträge für angemessen. Die Minderung ist unter Berücksichtigung der
Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, sie hängt insbesondere von der Schwere des
Mangels sowie dem Grad und der Dauer der Minderung der Tauglichkeit zum
vertragsgemäßen Gebrauch ab (Schmidt/Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 BGB, Rdnr.
23
24
vertragsgemäßen Gebrauch ab (Schmidt/Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 BGB, Rdnr.
332). Vorliegend sind für die Bestimmung der Minderungsquote neben der Häufigkeit der
Abschaltungen der Gaszufuhr und die damit im Zusammenhang stehenden
Beeinträchtigungen des Restaurantbetriebes auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass
die Beklagten – unstreitig - zur Vermeidung von Abschaltungen ihre Mitarbeiter
anwiesen, nicht alle Kochstellen zu nutzen. Im Übrigen begründet die drohende Gefahr
der Abschaltung der Gaszufuhr eine durchgehende Mangelhaftigkeit der Mietsache, weil
die Beklagten wegen des Betreibens eines Restaurants dringend darauf angewiesen
sind, dass das ungestörte Zubereiten von Speisen und Getränken jederzeit
gewährleistet ist. Daher geht auch die Rüge der Klägerin fehl, dass das Landgericht die
Minderungsquote allein im Verhältnis zur Häufigkeit der Abschaltungen bezogen auf die
einzelnen Jahre hätte ermitteln müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht
zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert
(§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ZPO).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum