Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017
KG Berlin: fahrzeug, unfall, geschäftsführer, miete, kausalität, sachverständigenkosten, taxi, auflage, anwendungsbereich, sammlung
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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 128/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
BGB, § 287 ZPO
Leitsatz
1. Bei unstreitigen Vorschäden im Anstoßbereich und bestrittener unfallbedingter Kausalität
des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass
Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei
unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter
Reparatur vortragen muss; anderenfalls kann die unfallbedingte Schadenshöhe grundsätzlich
nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden.
2. Eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung kommt bei unfallbedingtem Ausfall eines
gewerblich genutzten Taxi nicht in betracht; vielmehr bemisst sich der Schaden in diesem
Falle nach dem entgangenen Gewinn, den Vorhaltekosten eines Ersatzfahrzeugs oder der
Miete eines Ersatzfahrzeugs.
(Berufung zurückgewiesen durch Beschluss vom 31. Mai 2010)
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss
zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz infolge eines Verkehrsunfalls
am 25. November 2006 in Berlin
Die Klägerin ist Eigentümerin des Pkw, wegen dessen Beschädigung sie Ansprüche
gegen die Beklagten geltend macht. Die Beklagte zu 3) fuhr den vom Beklagten zu 2)
gehaltenen und bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw, der am 25.
November 2006 im Zuge eines zwischen den Parteien unterschiedlich geschilderten
Unfallverlaufs mit dem klägerischen Fahrzeug kollidierte.
Die Klägerin hat ein Privatgutachten vom 3. Dezember 2006 vorgelegt, in dem auf
reparierte Vorschäden des begutachteten Fahrzeugs und auf vorhandene Vorschäden,
nämlich an der Stoßfängerverkleidung und den Schutzleisten vorne links und vorne
rechts hingewiesen wird. Zum Schadensumfang enthält das Gutachten die Feststellung:
“Alle hier vorgetragenen Schäden, welche auch kalkulationsmäßig erfasst worden sind,
sollen sich auf das angegebene Schadensereignis beziehen.”
Die Beklagte hat u. a. bestritten, dass alle aus dem Gutachten ersichtlichen Schäden auf
das streitgegenständliche Ereignis zurückzuführen sind.
Die Klägerin hat mit der Klage Ersatz der fiktiven Reparaturkosten, Ersatz der
Sachverständigenkosten, eine Nebenkostenpauschale, Erstattung des Nutzungsausfalls
und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt.
Das Landgericht hat die Klage nach Beweiserhebung zum Unfallhergang abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits Zweifel bestünden, ob
die Beklagten überhaupt dem Grunde nach hafteten, weil feststehe, dass das
Beklagtenfahrzeug im Moment des Anstoßes bereits mindestens drei Sekunden
gestanden habe. Dies könne jedoch dahin stehen. Denn die Klage sei abzuweisen, weil
nicht festgestellt werden könne, dass der Klägerin durch den Unfall vom 25. November
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nicht festgestellt werden könne, dass der Klägerin durch den Unfall vom 25. November
2006 überhaupt ein neuer, wirtschaftlich messbarer Schaden entstanden sei. In dem
Gutachten der Klägerin seien Altschäden aufgeführt. Der Geschäftsführer der Klägerin
habe zudem Vorschäden eingeräumt. Konkrete Angaben zur Behebung der Vorschäden
habe die Klägerin nicht gemacht.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Sie macht geltend, soweit das Landgericht die Klageabweisung auf das Fehlen eines
messbaren Schadens stütze, handle es sich um eine Überraschungsentscheidung. Ihr
Geschäftsführer habe nur darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Vielzahl der
Fahrzeuge in seinem Betrieb nicht möglich sei, zu etwaigen Vorschäden an dem
streitgegenständlichen Fahrzeug nähere Ausführungen zu machen. Vorsorglich werde
weiter vorgetragen, dass auch durch die von den Beklagten beauftragte gutachterliche
Nachbesichtigung des Fahrzeugs keine Vorschäden festgestellt werden konnten, die
über die Feststellungen des klägerischen Gutachters hinausgingen.
Die Annahme des Landgerichts, der Klägerin sei eine Mithaftung anzulasten, überzeuge
nicht, weil das Beklagtenfahrzeug unstreitig einen Fahrspurwechsel vorgenommen habe
und daher gegen die Beklagten der Beweis des ersten Anscheins spreche, dass der
Unfall von der Beklagten zu 3) verursacht worden sei. Die Angaben der Zeugen zur
Standzeit des Beklagtenfahrzeugs im Zeitpunkt der Kollision stimmten nicht überein.
Zeugenaussagen über Zeitabläufe könnten darüber hinaus generell nicht in
gerichtsverwertbarer Weise wiedergegeben werden.
II.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 S. 1
ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass
die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder
nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung
rechtfertigen. Beides ist hier indes nicht der Fall.
Das Urteil des Landgerichts ist richtig.
1. Zu Recht hat das Landgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung
abgewiesen, dass nicht festgestellt werden könne, dass durch den Unfall vom 25.
November 2006 ein Schaden entstanden sei.
a) Das Landgericht ist dabei – ohne dies im Einzelnen auszuführen – von zutreffenden
rechtlichen Grundsätzen ausgegangen.
Es obliegt dem Geschädigten, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische
Fahrzeug und das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen
(Senat, Beschluss vom 26. April 2007 – 12 U 76/07 – NZV 2007, 521, 522 m. w. Nachw.
= VRS 113, 100 = KGR 2008, 95). Er kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt
verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen
ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind (Senat, Urteil vom
29. Juni 2009 – 12 U 146/08 – KGR 2009, 902; Beschluss vom 31. Juli 2008 – 12 U 137/08
– NZV 2009, 345; OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Februar 2006 – 1 U 148/05 – DAR 2006,
324).
Bei unstreitigen Vorschäden und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend
gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden
gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei
unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter
Reparatur vortragen muss. Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO kommt nämlich
erst in Betracht, wenn der Kläger dargelegt und bewiesen hat, welcher eingrenzbare
Vorschaden durch welche konkrete Reparaturmaßnahme fachgerecht beseitigt worden
ist (Senat, Beschluss vom 12. November 2009 – 12 U 9/09 – juris, Rn. 5 f; Urteil vom 29.
Juni 2009 – 12 U 146/08 – KGR 2009, 902; Beschluss vom 31. Juli 2007 – 12 U 137/08 –
NZV 2009, 345 = zfs 2009, 20). Ein Schadensersatzanspruch entfällt auch dann, wenn
wegen der im Unfallzeitpunkt nicht reparierten Vorschäden ein zusätzlicher Schaden
nicht festgestellt werden kann (Senat, Beschluss vom 26. April 2007 – 12 U 76/07 – NZV
2007, 521).
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b) Nach Maßgabe obiger Grundsätze hat die Klägerin einen unfallbedingten Schaden vor
dem Hintergrund von Vorschäden nicht schlüssig dargelegt.
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das klägerische Fahrzeug
im Zeitpunkt des Unfalls vom 25. November 2006 vorbeschädigt gewesen ist.
Das ergibt sich bereits aus dem von der Klägerin eingereichten Privatgutachten vom 3.
Dezember 2006, in dem es ausdrücklich heißt, dass das Fahrzeug reparierte
Vorschäden und Beschädigungen an der Stoßfängerverkleidung und an den
Schutzleisten zumindest auch in einem Teilbereich des Hauptanstoßes des Unfalls vom
25. November 2006 aufgewiesen habe, nämlich vorne links.
Die Richtigkeit dieser Feststellung ist weder durch den Geschäftsführer der Klägerin im
Rahmen seiner Anhörung in Frage gestellt worden (“Jede Taxe hat Vorschäden”) noch
stellt sie die Berufung in Abrede. Denn dort wird mitgeteilt, der Sachverständige der
Beklagten habe keine Vorschäden feststellen können, die über die Feststellungen des
klägerischen Sachverständigen hinausgingen.
Damit stehen relevante Vorschäden des klägerischen Fahrzeugs fest.
bb) Die Beklagte hat schon in der Klageerwiderung (S. 2) die Behauptung der Klägerin
bestritten, dass alle aus dem klägerischen Gutachten ersichtlichen Schäden auf das
streitgegenständliche Ereignis zurückzuführen seien. Eine prüffähige Auflistung der
Vorschäden des klägerischen Fahrzeugs sei in dem Gutachten nicht erfolgt.
cc) Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die danach
erforderlichen konkreten Angaben über das Ausmaß der Vorschäden und über die
Einzelheiten ihrer etwaigen ordnungsgemäßen Behebung nicht gemacht habe. Die
Klägerin ist insoweit nicht der ihr obliegenden Darlegungslast nachgekommen.
Die Klägerin hat sich insoweit nämlich allein auf die Angaben im von ihr vorgelegten
Gutachten bezogen. Hierin sind aber gerade keine konkreten Angaben über die
reparierten Vorschäden des Fahrzeugs enthalten. Auch das Ausmaß der reparierten
Vorschäden wird in keiner Weise ersichtlich. Zudem hat der Gutachter nachträglich am
29. August 2008 bestätigt, dass alle kalkulierten Schäden nach Aussage des
Auftraggebers, d. h. der Klägerin, vom Unfall vom 25. November 2006 stammten. Das
Gutachten enthält daher über die Vorschäden keine eigene Aussage, sondern gibt nur
die Bekundung der Klägerin wieder.
Das Landgericht hat daher auch zu Recht kein Sachverständigengutachten eingeholt,
weil dem diesbezüglichen Beweisangebot erst hätte nachgegangen werden müssen,
wenn der Sachvortrag ausreichend gewesen wäre.
Die Klägerin dringt in diesem Punkt auch nicht mit ihrem neuen Berufungsvortrag durch.
Abgesehen davon, dass der Vorwurf einer Überraschungsentscheidung durch das
Landgericht schon deshalb fehl geht, weil das Landgericht den Geschäftsführer
ausdrücklich zu der Frage der Vorschäden des Pkw angehört hat und ausweislich des
Sitzungsprotokolls vom 16. April 2009 auch darauf hingewiesen hat, dass dessen
Angaben rechtlich erheblich sein könnten, trägt die Klägerin auch in der
Berufungsbegründung nicht ausreichend vor.
Die Klägerin verweist jetzt darauf, dass auch die Beklagten bei ihrer Begutachtung des
Pkw keine weiteren Vorschäden festgestellt hätten. Damit wiederholt die Klägerin in der
Sache nur ihren eigenen unzureichenden Vortrag. Es genügt nicht, nur Vorschäden
einzuräumen, ohne über deren Ausmaß und deren etwaige Beseitigung konkrete
Angaben zu machen.
2. Auch die Zurückweisung der übrigen Schadenspositionen ist zu Recht erfolgt.
a) Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf
Nutzungsausfallsentschädigung nicht zusteht. Unabhängig davon, dass der Klägerin -
mangels feststellbaren unfallbedingten Schadens - bereits kein
Schadensersatzanspruch, also auch kein Anspruch auf Nutzungsausfall, aus den Unfall
vom 25. 11. 2006 zusteht, gilt:
Eine abstrakte Nutzungsausfallsentschädigung kommt für ein gewerblich genutztes Taxi
nicht in Betracht (Senat, Beschluss vom 21. August 2006 – 12 U 104/06 – juris, Rn. 19 =
MDR 2007, 210). Der Anspruch auf Entschädigung des Nutzungsausfalls ist nämlich
beschränkt auf den Bereich der eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung (vgl. BGH, NJW
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beschränkt auf den Bereich der eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung (vgl. BGH, NJW
1987, 50, 51). Die erwerbswirtschaftliche Nutzung fällt hingegen in den
Anwendungsbereich des § 252 BGB (Grüneberg, in Palandt, BGB, 69. Auflage, § 249, Rn.
47), weshalb sich bei Ausfall eines gewerblich genutzten Kfz der Schaden nach dem
entgangenen Gewinn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeugs oder der
Miete eines Ersatzfahrzeugs bemisst (OLG Düsseldorf, NZV 1999, 472).
Zu keiner dieser Positionen hat die Klägerin vorgetragen.
b) Auch die übrigen Schadenspositionen hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht
zurückgewiesen.
Bei den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen handelt es
sich um Kosten der Rechtsverfolgung, nämlich den Ersatz der Sachverständigenkosten,
eine Nebenkostenpauschale und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Grundsätzlich erstreckt sich die Ersatzpflicht zwar auch auf die durch die
Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verursachten Kosten
(Grüneberg, in Palandt, aaO, §, 249, Rn. 56). Kostenerstattung aufgrund dieses
materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger
aber nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber objektiv auch
berechtigt ist. Denn Kosten, die zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs
entstehen, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet
werden (vgl. BGH, NJW 2005, 1112).
Wie oben bereits ausgeführt, konnte die Klägerin vorliegend nicht darlegen, dass ihr ein
ersatzfähiger Sachschaden infolge des Unfalls entstanden ist. Sie kann daher auch nicht
die Kosten der hierauf bezogenen Rechtsverfolgung ersetzt verlangen.
III.
Es wird angeregt, die Rücknahme der Berufung zu erwägen.
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